Kapff, Sixtus Carl von - Am Palm-Sonntag.

Kapff, Sixtus Carl von - Am Palm-Sonntag.

Text: Phil. 2,5-11.

Ein Jeglicher sei gesinnt, wie JEsus Christus auch war, welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, GOtt gleich sein; sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch, und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst, und ward gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz. Darum hat Ihn auch GOtt erhöht, und hat Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist; dass in dem Namen JEsu sich beugen sollen alle derer Knie, die im Himmel, und auf Erden, und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass JEsus Christus der HErr sei, zur Ehre GOttes des Vaters.

„Fürwahr, Er trug unsere Krankheit und lud auf Sich unsere Schmerzen. Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf Ihm, auf dass wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Mit dem Licht dieser Worte treten wir heute ein in die große Woche, in welcher die ganze Christenheit das Leiden und den Tod des Sohnes GOttes feiert. Die seligsten Wahrheiten, die das Heil der ganzen Menschheit ausmachen, werden uns da aufs Neue verkündigt, und wir begleiten JEsum auf seinen bitteren Schmerzenswegen an die Trauerstätten, an denen Er unter den Gerichten GOttes und der Menschen an unserer Statt zitterte, blutete und starb. Je mehr wir da mit unseren Gedanken uns in Ihn versenken, desto tiefer trauert unser Herz über unserer Sünde, die dem Heiligsten und Geliebtesten so großes Leid verursachen. Aber wenn wir die Ewigkeitsfrüchte seines Leidens bedenken, wie dadurch eine ewig verlorene Menschheit auf ewig vom Tod erlöst, auf ewig zur Vereinigung mit GOtt geheiligt worden ist, dann stimmt unser Geist dankbar froh ein in das freudige Hosianna, womit das Volk Israel am heutigen Tag JEsum als seinen König bei seinem Einzug in Jerusalem begrüßte.

Und größer und immer größer wird uns das, was Er für uns getan und gelitten hat, je mehr wir bedenken, wer Er war. Das sagt uns unsere Epistel. Er war in göttlicher Gestalt, in göttlicher Majestät und Herrlichkeit, GOtt gleich, mit GOtt Eins, GOtt selbst. Und aus dieser Herrlichkeit des Himmels kam Er herab auf diese elende, fluchbeladene Erde, ward Mensch, ja, lebte als einer der niedrigsten Menschen in fortgehender Demütigung und Leidenstiefe, ja, er ward gehorsam bis zum Tod am Kreuze. Aber seine tiefste Erniedrigung wurde zur höchsten Erhöhung. GOtt hat Ihn erhöht über alle Namen und über alle Himmel, und alle Ehre, Macht und Herrlichkeit GOttes hat Er eingenommen. Und das Alles für uns und uns zu gut. In diesen Gedanken bewegt sich unsere Epistel. Sie gibt einen kurzen Überblick über den ganzen Lauf JEsu vom Throne GOttes, auf dem Er von Ewigkeit war, bis zu seiner tiefsten Erniedrigung auf der Erde, und von da hinein in die herrlichste Erhöhung, ja, hinaus bis in die fernsten Ewigkeiten, da alle Knie sich vor Ihm beugen, alle Zungen Ihm die Ehre geben werden.

Diese Gedanken wollen wir erwägen, und so das, was diese Woche Großes vor unsere Seele führt, überschauen. Es sind Geheimnisse, die uns immer größer und doch immer deutlicher werden, wenn wir nicht Ein Stück für sich allein ansehen, sondern Alles in dem großen, göttlichen Zusammenhang, in dem Himmel und Erde, Gottheit und Menschheit Eins geworden ist in JEsu. Daher ist es eine Vorbereitung zur Betrachtung der einzelnen Passions- und Osterwahrheiten, wenn wir nach unserer Epistel betrachten

Den Lebenslauf JEsu als einen Lauf

  1. aus der Herrlichkeit,
  2. durch Leiden,
  3. zur Herrlichkeit.

JEsu, meines Lebens Leben,
JEsu, meines Todes Tod,
Der Du Dich für mich gegeben
In die tiefste Seelennot,
In das äußerste Verderben,
Nur dass ich nicht möchte sterben,
Tausend, tausendmal sei Dir,
Liebster JEsu, Dank dafür.

Amen.

l. JEsus ist gekommen aus der Herrlichkeit des Vaters;

denn von Ewigkeit war Er mit dem Vater Eins. Deswegen sagt unsere Epistel: „Er war in göttlicher Gestalt, ja, GOtt gleich,“ oder nach Ebr. 1: „der Glanz seiner Herrlichkeit, das Ebenbild seines Wesens.“ In diesen Worten ist die ewige Gottheit des Sohnes ausgesprochen, und ihrer zu gedenken, ist für die ganze Betrachtung des Leidens JEsu von größter Wichtigkeit, da wir die Bedeutung seines ganzen Werkes erst dadurch recht erkennen, dass wir Ihn ansehen als den wahrhaftigen GOtt und als das ewige Leben. Daher wollen wir uns jetzt erinnern an das, was wir in unseren Weihnachtsbetrachtungen uns vorhielten, dass nämlich Christo in der heiligen Schrift göttliche Namen, Eigenschaften, Werke und Ehre beigelegt werden. Er heißt Sohn GOttes in einem Sinn, wie kein Engel und kein Mensch, der Eingeborene, der in des Vaters Schoß ist, mit seinem Wesen Eins, so dass Er zum Vater sagen konnte: „Alles was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein.“ Er ist das Wort, das von Ewigkeit bei GOtt, in GOtt, selbst GOtt war, das Wort, in dem das Wesen des unnahbaren GOttes sich offenbart, gleichsam aus sich selbst heraustritt. Daher sprach Er schon im alten Bund als Engel Jehovah ganz als GOtt selbst, mit Hagar, mit Jakob, mit Mose; dem Mose wurde Er von GOtt genannt als der Engel des Angesichts, das der Welt zugekehrte Antlitz GOttes, durch das GOtt das Volk leiten wolle, von dem Er sagt: „mein Name, d. h. mein Wesen ist in Ihm.“ Dieses Antlitz GOttes kündigt sich an als die ewige Weisheit, die von sich sagt (Sprichw. 8.): „Der HErr hat mich gehabt als den Anfang seines Weges, d. h. seiner Offenbarung; ehe Er was machte, war ich da, ich bin eingesetzt von Ewigkeit, da Er den Grund der Erde legte, war ich der Werkmeister bei Ihm, und spielte, wirkte vor Ihm allezeit, und meine Lust ist bei den Menschenkindern.“ Diese schöpferische Weisheit GOttes nennt David den Sohn, des Eigentum die Welt ist (Ps. 2.) und Ps. 110 seinen HErrn, dem alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden müssen, worauf auch unsere Epistel hindeutet. Ja, David spricht von Ihm als von einem Menschen, der GOtt der HErr ist (2 Sam. 7,19.). Jesajas nennt Ihn Wunderrat, GOttheld, Vater der Ewigkeit, ewigen Friedensfürsten (9,6). Jeremias gibt Ihm den herrlichen Namen: „Jehovah unsere Gerechtigkeit“ (23,6.), und Sacharia: „Jehovah Zebaoth“ (2,8.).

So wird Christus auch im neuen Bund geradezu GOtt und HErr genannt. „GOtt war das Wort,“ sagt Johannes; „mein HErr und mein GOtt!“ ruft Thomas Ihm zu; „GOtt ist geoffenbart im Fleisch,“ sagt Paulus, und gebietet uns, zu warten auf die Erscheinung der Herrlichkeit des großen GOttes und Heilandes JEsu Christi, er preist Ihn als GOtt, über Alles gelobt in Ewigkeit (1 Tim. 3,16. Tit. 2,10 u. 13. Röm. 9,5.). Und Johannes sagt: Er sei von Anbeginn das Licht, das Leben, die Wahrheit, also aller göttlichen Vollkommenheit Fülle und Quelle, der wahrhaftige GOtt und das ewige Leben. Er ist der, in dem leibhaftig, d. h. wesenhaft die ganze Fülle der GOttheit wohnt; der Allmächtige, durch den alle Dinge geschaffen sind, sichtbare und unsichtbare, in dem Alles besteht, der eine ewige Erlösung gestiftet hat für alles Volk, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden; der. Ewige, der das Leben in sich selbst hat, wie der Vater, und Leben gibt allen Kreaturen; der Allgegenwärtige, der bei uns ist alle Tage; der Allwissende, der den innersten Rat der Herzen kennt; der Heilige und Gerechte, der einst Jeglichem vergelten wird nach seinen Werken. Um dieser göttlichen Eigenschaften und Werke willen müssen Alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren, müssen nach unserem Text sich alle Knie beugen vor seinem Namen. Ja, alle Engel GOttes müssen Ihn anbeten, wie das Johannes im Himmel sah und wie Jesajas schon Jahrhunderte vor seiner Menschwerdung es sah, da die Seraphim vor dem Thron, auf dem nach Joh. 12. des Sohnes Herrlichkeit erschien, ihr Antlitz verhüllend, riefen: „Heilig, heilig, heilig ist der HErr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Das ist die ewige Herrlichkeit des Sohnes, durch den alle Dinge sind und wir durch Ihn (1 Kor. 8,6.), des Ausgang nach Mich. 5,1. war von Anfang und von Ewigkeit. In dieser Herrlichkeit war Er Eins mit dem Vater, in der ungetrübten Seligkeit des göttlichen Wesens. Und diese Herrlichkeit hat Er verlassen, hat ihrer wie unser Text sagt, sich entäußert, entleert, völlig begeben, ward Mensch, wie wir, und machte

II. seinen irdischen Lauf durch Leiden und Demütigungen aller Art.

Unsere Epistel sagt: „Er hielt es nicht für einen Raub, GOtt gleich zu sein, „ d. h. Er brüstete sich mit seiner göttlichen Herrlichkeit nicht, wie ein Sieger sich seiner Beute rühmt; Er wollte seine Herrlichkeit nicht für sich gebrauchen, sondern denen sie zuwenden, denen durch die Sünde ihre Herrlichkeit geraubt war: aber auch das wollte Er nicht wie ein Geraubtes, ohne Arbeit und Kampf Erlangtes, sondern wollte das Recht dazu erringen, rechtlich die Herrlichkeit seiner göttlichen Natur auch der menschlichen erwerben. Während der erste Adam die Gleichheit mit GOtt, die ihm nicht gebührte, rauben wollte, so tat der andere Adam, der seiner Natur nach GOtt völlig gleich war, als wenn Er nicht GOtt gleich wäre, entäußerte, entleerte sich der göttlichen Herrlichkeit und nahm Knechtsgestalt an, um im tiefsten Gehorsam nicht sich dienen zu lassen, sondern zu dienen, und so die Schuld des Ungehorsams, durch den wir gefallen sind, zu heilen. Darum wurde Er gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Schon diese Annahme unserer Menschheit war für Ihn ein fortgehendes Leiden, eine ununterbrochene Demütigung, wie es für einen König ein Leiden wäre, wenn er alle seine königliche Herrlichkeit aufgeben und wie ein geringer Taglöhner in armer Hütte leben müsste in der rohen Gesellschaft schlechter, ihn verspottender Menschen. Wer würde einen solchen König nicht bedauern! Aber tiefer war die Demütigung der Menschwerdung JEsu. Er hat mit seiner reinen göttlichen Natur unsere Menschheit verbunden, die durch die Sünde vor GOtt und Engeln zu Schanden geworden, ja, mit Fluch beladen ist. Auch alle ihre Schwachheiten hat Er auf sich genommen, hat als Kind sich dem langsamen Wachstum unterworfen, hat alle die Bedürfnisse unseres Leibes erfahren, Blöße, Hunger, Durst, Müdigkeit, Kälte, Hitze, Schmerz und Furcht.

Zu Allem diesem hat Er sich erniedrigt von dem Stall an, in dem Er geboren wurde, bis zum Kreuz, an dem Er starb. In der Schmach und Entbehrung der Armut hat Er gelebt, in schwerer Mühe und Arbeit hat Er als Zimmermann sein Brot verdient, als Lehrer hatte Er nicht, wo Er sein Haupt hinlege, hatte kein Eigentum, kein Haus, Nichts von dem, was wir als die nötigsten Erfordernisse eines harmlosen Lebens ansehen. Von einem Ort zum anderen machte Er seine Reisen zu Fuß, um sein Volk zu sammeln, wie eine Henne sammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und so mühevoll war sein Leben unter dem Andrang des Volks, dessen Kranke Er heilte, dessen Armen Er predigte, dass seine Jünger nach Mark. 8,21. die Besorgnis aussprachen, „er möchte von Sinnen kommen,“ d. h. ohnmächtig werden, vor Erschöpfung, da Er nicht einmal mehr Raum und Zeit hatte, zu essen. Und bei dem Allem wurde Er von bitteren Feinden gehasst, verspottet, verfolgt. Wie Herodes nach seiner Geburt, so stellten die Obersten und Lehrer des Volks, denen Er sein Heil anbot, Ihm nach, wollten Ihn vom Berg hinabstürzen, steinigen, nannten Ihn Weinsäufer, der Zöllner und Sünder Geselle, ja, Beelzebub oder Teufel. Und das Alles trug Er in stiller Geduld, unter allen diesen Demütigungen, die kein Mensch und kein Engel auf sich genommen hätte, erniedrigte Er sich selbst und leistete einen Gehorsam, wie kein Knecht und keine Magd ihn leisten, suchte in Nichts seinen Willen, sondern ganz nur den Willen seines himmlischen Vaters, welchen zu tun seine Speise war. Dabei hatte Er auch viel zu leiden unter der Schwachheit und dem Unverstand seiner Jünger, deren Mangel an Geist, an Erkenntnis und Glaube ihn nach Matth. 17,17. zu der Klage trieb: „O du ungläubige und verkehrte Art, wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch dulden?“ Was wir von den Nächsten und Liebsten zu tragen haben, tut uns am wehsten. Auch diese Schmerzen musste JEsus vielfach durchmachen, bis endlich gar Judas Ihn verriet, Petrus Ihn verleugnete, Alle Ihn verließen und flohen. Was da seine heilige Seele empfunden haben mag, können wir Ihm kaum nachfühlen. Aber welche Leidensfluten ergingen vollends über Ihn auf dem schauerlichen Schmerzensweg von Gethsemane bis Golgatha, da Er nach unserem Text gehorsam ward bis zum Tod, ja, bis zum Tod am Kreuz. Da wurde erfüllt, was Jesajas voraussagte: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor Ihm verbarg, darum haben wir Ihn Nichts geachtet.“ Ja Ps. 22 sagt Er selbst von sich: „ich bin ein Wurm und kein Mensch.“ So sehen wir Ihn in Gethsemane mit dem Angesicht auf der Erde liegen, zitternd und zagend im Gericht GOttes, ja blutigen Angstschweiß vergießend, so dass Er Trost bei seinen Jüngern suchte und ein Engel Ihn stärken musste. Nehmen wir damit das Wort zusammen: „durch Ihn ist Alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, Throne, Herrschaften, Fürstentümer und Obrigkeiten,“ o wie staunt da unser Geist und findet in dieser unbegreiflichen Erniedrigung des Sohnes GOttes eben so viel Wunder, wie in seiner schöpferischen Herrlichkeit. Der Fürst aller Fürstentümer, der HErr aller Obrigkeiten lässt von rohen Gerichtsdienern sich binden und von schlechten Obrigkeiten sich verhören, verklagen und verurteilen. Dem Legionen Engel zu Gebote stünden, der lässt sich von einem Knecht auf den Backen schlagen, von gemeinen Juden ins Gesicht speien, von rohen Soldaten geißeln, mit einer Dornenkrone umwinden und schlagen auf das Haupt, vor dem einst der Himmel und die Erde fliehen werden. Der Heilige, der nie eine Sünde getan, lässt einen Verbrecher sich vorziehen und schweigt still unter allen Lügen seiner Verkläger, selbst unter dem Mordgeschrei: „Kreuzige ihn!“ Dann aber sehen wir Ihn gar sein Kreuz tragen zum schreckensvollen Richtplatz und da werden die Hände, die so Viele geheilt hatten, die Füße, deren Gänge alle für sein Volk geschehen waren, durchbohrt, und am Fluchholz hängt der, der der Segen der Welt ist, als ein Verbrecher unter Verbrechern, verlassen von GOtt und Menschen, in schauerlicher Todesnacht von Außen und Innen, gepeinigt von allen Schmerzen aller Krankheiten, verschmachtend vor Durst, verhöhnt von seinem ganzen Volk, bis endlich sein treues Herz im Tode bricht und der Leib, der GOttes Tempel war, von dem Lebenskraft auf Kranke und Tote ausgeflossen war, als erblasster Leichnam auch die letzten Hoffnungen der Seinigen zunichte gemacht hat. In diesen Anblick versunken möchten wir rufen, wie Jeremias: „ach, dass ich Wasser genug hätte in meinem Haupt, und meine Augen Tränenquellen wären, dass ich Tag und Nacht beweinen möchte den, der um meiner Missetat willen verwundet und um meiner Sünde willen zerschlagen ist!“

O Wunderlich, o Liebesmacht,
Du kannst, was nie ein Mensch gedacht,
GOtt seinen Sohn abzwingen.
O Liebe, Liebe, du bist stark,
Du streckest den ins Grab und Sarg,
Vor dem die Felsen springen.

Und Alles, was Er getan, hat Er alles freiwillig getan, wie es unser Text als das freie Werk seiner Demut und Liebe darstellt. Niemand nahm sein Leben von Ihm, sondern Er ließ es von sich selber. Er hätte allein Leiden entgehen können, aber Er wollte leiden und sterben, um eine ewige Erlösung zu stiften für unser ganzes verlorenes Geschlecht. Was wir verschuldet hatten, nahm Er auf sich, unsere Strafe lag auf Ihm, der sich als unser Bürge und Stellvertreter selbst gestellt hatte. Die ganze Forderung des Gesetzes winde von Ihm erfüllt, die vollendete Heiligkeit, die das Gesetz verlangt, hat Er in seinem Leiden und Sterben auf sich genommen und so ist der Gerechtigkeit GOttes vollkommen Genüge getan durch Ihn. Denn vermöge seiner göttlichen Natur hat Alles, was Er tat, einen ewigen, unendlichen Wert für die ganze Menschheit, daher Paulus sagt: „Ist Einer für Alle gestorben, so sind sie Alle gestorben,“ es ist, als hätten alle den Sold der Sünde bezahlt; und so dürfen alle die Seinigen frei ausgehen, ohne Schuld und Strafe.

Solche Freiheit von allen Feinden unserer Seligkeit hat der dreiunddreißigjährige Leidenslauf JEsu uns erworben. Und weil Er dadurch Alles wieder versöhnt hat, was auf Erden und im Himmel ist, darum ist Er aus der tiefsten Erniedrigung aufs Höchste erhöht worden, sein Lauf ging nach unserem Text durch Leiden

III. zur Herrlichkeit.

Unser Text sagt: „darum, weil Er gehorsam war bis zum Tod am Kreuz, darum hat Ihn GOtt erhöht und hat Ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ Auf den Stand dreiunddreißigjähriger Erniedrigung folgte der Stand der glorreichsten Erhöhung. Schon das war eine Erhöhung, dass während sein Leib im Grab lag, sein ewiger Geist hinging in die Gefängnisse der Unterwelt, und da die unter der Erde, wie unser Text sagt, sich beugen mussten vor Ihm, da sie Ihn erkannten als den Sieger, der dem Satan den Kopf zertreten, seine Fürsten und Gewaltigen ausgezogen, wie erschlagene Feinde, und einen Triumph aus ihnen gemacht hatte, so dass der Hölle alles Recht an uns abgesprochen wurde. O welche Freude mochte da die so lange gebundenen Seelen durchzücken, da er nach l Petri 4,6 auch den Toten das Evangelium verkündete, auf dass sie gerichtet würden nach dem Menschen am Fleisch, d. i. dass durch die Gerichts- und Höllenleiden ihre sündliche Art zerschmolzen und zerstört würde, sie aber im Geist GOtt zu leben lernen möchten! Welch' wohltuende Erhöhung war das für den Sohn GOttes, dass Er so das Gefängnis gefangen führen und Gaben austeilen durfte auch den Abtrünnigen. Wie wunderbar zeigte sich so die Macht seines Erlösungswerkes!

Aber noch wunderbarer war die Erhöhung, da in seiner Auferstehung sein gemarterter Leichnam wiederbelebt und zu einem himmlischen Leib verklärt wurde, so dass Er vor seinem letzten Abschied von der Erde sagen konnte: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ Diese Gewalt nahm Er vollkommen ein, da Er in seiner Himmelfahrt erhöht wurde zur Rechten der Majestät in der Höhe, über alle Fürstentümer, Gewalt, Macht, Herrschaft und über allen Namen, der genannt mag werden in dieser und in der zukünftigen Welt; und sind alle Dinge unter seine Füße getan (Ephes. 1,21.). Wie da Alle, die im Himmel sind, Ihn anbeteten, so hat Er nach unserem Text die Verheißung, es müsse noch dahin kommen, dass „auch Alle, die auf Erden und unter der Erden sind, sich beugen müssen in seinem Namen und alle Zungen bekennen, dass Er der HErr sei, zur Ehre GOttes des Vaters.“ Des Vaters größte Ehre oder Verherrlichung ist die höchste Erhöhung des Sohnes; diese aber besteht darin, dass alle seine Feinde als freiwillige Untertanen zum Schemel seiner Füße gelegt und alle Folgen des Sündenfalls aufgehoben werden, bis Alle, die in Adam gestorben sind, in Christo das Leben erlangt haben.

Auf der Erde werden alle Knie sich vor Ihm beugen, wenn die Verheißung erfüllt ist, dass noch die ganze Erde voll werden soll vom Erkenntnis und von der Ehre des HErrn, wie mit Wellen des Meeres bedeckt. Das wird geschehen in dem herrlichen Friedensreich Christi, wo alle Gewalt unter dem ganzen Himmel und alles Königreich aller Nationen in äußerlicher Herrlichkeit Ihm gegeben ist und nach Zeph. 3,9. alle Völker der Erde den Namen des HErrn anrufen und Ihm dienen einträchtig; da auch das Gefängnis Israels gewendet und dieses jetzt so verstoßene Volk zu Lob und Ehren gemacht, ist unter allen Völkern auf Erden, wo dann von ganz Israel, Ismael und allen Heiden ein tausendfaches Hosianna erschallen wird zu Ehren des, dem nach Jesajas 45,3. alle Knie sich beugen und alle Zungen schwören müssen und sagen: „Im HErrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“ Da wird nach Sach. 14 der HErr nur Einer sein und sein Name nur Einer, der Name JEsus Christus, der Hochgelobte, Jehovah unsere Gerechtigkeit, A und O der ganzen Welt, Überwinder des Satans und der Hölle, ewiger Lebens- und Friedefürst aller Kinder GOttes, König aller Könige und HErr aller Herren.

Noch vollkommener wird Er als das erkannt werden, wenn endlich der letzte Feind, der andere Tod aufgehoben ist und so alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt sind. Dann wird durch alle Schöpfungsräume Alles einstimmen in das Lob des großen Retters aller Verlorenen; dann werden Ihn preisen alle seine Werke und alle Dinge zusammen unter Ihn als das Eine Haupt verfasst werden, und Alles zusammenfassend wird dann der Sohn selbst untertan sein dem, der Ihm Alles untergetan hat, auf dass GOtt sei Alles in Allem (1 Kor. 15,28.).

Das ist der Lauf JEsu. und so wunderbar wird durch Ihn der ewige Liebesvorsatz GOttes ausgeführt. Aus der Herrlichkeit, durch Leiden, zur Herrlichkeit war sein Weg, und durch Leiden zur Herrlichkeit will Er auch uns führen, will unsere Last auf sich nehmen, auf dass das Seinige unser werde.

Diese großen Wahrheiten alle verkündet uns die heilige Woche, in die wir heute eintreten. Es ist die große Gnadenwoche, in der JEsus unendlich reiche Gaben austeilt, Gaben auch für die Abtrünnigen, da Er sein Heil Allen zugedacht hat und Keines hinausstoßen will, das nur heilsbegierig zu Ihm kommt. O wer wollte dahinten bleiben, wer nicht sein ganzes Wesen als ein leeres Gefäß hinstrecken, damit der Heiland es fülle mit seiner allgenugsamen Gnade! Darum sollen verstummen alle die Stimmen, die uns zur Welt hinziehen. Diese Woche ist die stille Woche, in der es nicht bloß äußerlich still bei uns sein soll, sondern da besonders unser Geist ganz still werden soll in GOtt, abgekehrt von den Eitelkeiten der Natur, eingekehrt in sich und in den, der uns bis in den Tod geliebt hat. Ihm wollen wir nachgehen auf seinen Leidenswegen, und mit Ihm wollen wir unseren alten Menschen kreuzigen lassen, dass der sündliche Leib aufhöre und wir hinfort der Sünde nicht dienen, sondern mit Ihm in einem neuen Leben wandeln. Das ist die Hauptermahnung unseres Textes, der Alles, was er von den großen Taten JEsu rühmt, als Beleg hinzusetzt zu dem Gebot: „ein Jeglicher sei gesinnt, wie JEsus Christus auch war.“ JEsusähnlichkeit - und so GOttähnlichkeit - das ist unsere Aufgabe. Darin liegt die ganze Moral. Höheres und zugleich Erhebenderes kann man keinem Menschen gebieten. Was wir heute hörten, und was wir in dieser ganzen Woche hören und lesen werden über JEsu tiefe Demut, Leidensfreudigkeit und unbegreifliche Liebe, das Alles predigt uns mit Macht, so sollen wir auch werden und wir können es in seiner Kraft. Das sah man an jenen Wirtsleuten, in deren Wirtsstube der Graf Zinzendorf auf einer Reise einkehrte und da ein Kruzifix bemerkte, das ihm aber nur in der Stube, nicht in den Herzen der Leute zu sein schien. Als sie draußen waren, schrieb er oben über das Kreuz: „Das tat ich für dich,“ und unten: „was tust du für mich?“ Nach seiner Abreise sah die Wirtin diese Worte, durch die sie so erschüttert wurde, dass sie in Tränen ausbrach. Sie rief ihren Mann und auch er ward sehr ergriffen. Beide sanken auf ihre Knie und gelobten: Was wir nie getan haben, wollen wir jetzt tun. Sie gaben sich die Hände darauf, dass sie von nun an dem HErrn, der sie bis in den Tod geliebt, und dem sie bisher nichts zu lieb getan, in rechter Treue nachfolgen wollen. Von nun an wurde ihr Leben und ihr ganzes Hauswesen anders und täglich knieten sie an der gesegneten Stelle. Nach einigen Jahren kam der Graf wieder in das Haus, Mann und Frau bewillkommten ihn sogleich mit Tränen des Danks, nannten ihn Freund, Wohltäter, Bruder. Als er sich dagegen unwissend äußerte, führten sie ihn wie im Triumph vor das Kruzifix und ohne ein Wort zu reden, knieten beide rechts und links neben ihn hin und dankten dem Heiland für ihre Seelenrettung. So wolle der HErr auch uns in dieser Woche von Gethsemane, von Gabbatha, von Golgatha her ins Herz hineinrufen: „Das tat ich für dich, was tust du für mich?“ Sein Geist mache diese Frage auch in uns zu einem Anfang neuen Lebens und treibe uns aus allen Kräften den zu lieben, der so unnennbare Schmerzen für uns erduldet und getan hat, was kein Mensch, seit die Welt steht, für Andere getan, dass wir mit Wahrheit sagen können:

Der am Kreuz ist meine Liebe
Und sonst nichts in dieser Welt,
Ach, wenn Er's doch ewig bliebe,
Der mir jetzt so wohl gefällt!
Nun mein Herz ist so gesinnt,
Dass es diesen Schluss beginnt:
Es sei heiter oder trübe,
Der am Kreuz ist meine Liebe. Amen.

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