Harms, Ludwig - Der Psalter - Der 40. Psalm.
Vers 6-18.
Aus dieser Vorlesung, welche wir heute haben, könnt ihr klar sehen, wer die heilige Schrift geschrieben hat, ob es Gott oder ob es Menschen gethan haben. Menschen können nur erzählen, was auf Erden geschehen ist, und das nicht einmal vollkommen, aber welcher Mensch kann uns erzählen, was im Himmel geschehen ist? und das thut unser Psalm. Was der Vater mit dem Sohne gesprochen hat darüber, daß Er das Opfer für die Menschen werden sollte, und was Gott der Sohn darauf geantwortet, das wird uns hier erzählt. Es ist, als ob der Sohn, voll Erstaunen über die Liebe des Vaters, der Ihn auffordert die Menschen zu erlösen, nicht zu sich selbst kommen kann. Dieses Erstaunen spricht Er aus in den Worten: HErr, mein Gott, groß sind Deine Wunder, und Deine Gedanken, die Du an uns beweisest. Dir ist nichts gleich. Ich will sie verkündigen, und davon sagen, wiewohl sie nicht zu zählen sind. Kein Mensch kann so etwas erdenken, kein Mensch so etwas ausführen. Welches ist ein größeres Wunder, als das: Eine abgefallene Welt mit dem Gott zu versöhnen, von dem sie abgefallen ist, und zwar durch Gottes eingebornen, liebsten Sohn? Davon sagt der Sohn selbst: Das ist nicht auszusprechen, und doch will Ich es verkündigen, obgleich es nicht auszusprechen ist, d. h. im vollen Maße. Ja, die Liebe des Vaters und des Sohnes zu den armen Sündern ist zu groß, man kann sie nicht aussprechen; alles, was davon gesprochen wird, ist nur ein Lallen und Stammeln, aber kein würdiges Erzählen. Was ist es denn, was der Sohn Seinem Vater zu Liebe und uns Menschen zu Gute übernehmen will? Jesus will unser Prophet, Hoherpriester und König werden, O merket euch, daß weiter nichts als Jesu Zukunft in s Fleisch durch diese dreifache Thätigkeit die Menschen erlösen konnte. Das spricht der Psalm klar aus: Opfer und Speisopfer gefallen Dir nicht, aber die Ohren hast Du Mir aufgethan. Du willst weder Brandopfer noch Sündopfer. Der ganze alttestamentliche Gottesdienst war ein vorbildlicher Opferdienst, und darin bestand eben die ganze Herrlichkeit desselben. Dieser Opferdienst, abgesehen von dem Borbildlichen darin, oder auch wenn er in Selbstgerechtigkeit und Unglauben vollzogen wurde, hatte gar keinen Werth vor Gott, gefiel Gott nicht, darum konnte er nicht bleiben. Warum hat ihn Gott denn eingesetzt und besohlen? Merket euch, das Einzige, was erlösen kann, ist das Blut Jesu Christi, nicht Ochsen und Bocksblut, oder die Asche von der Kuh gesprengt. Nun hatte Gott das Thieropfer eingesetzt, und zwar mit der Absicht: Wenn ein Israelit ein Thieropfer brachte, so sollte er bei dem Blute auf Jesu Blut, bei dem Opfer auf Jesu Opfer sehen, und zwar im kindlichen Glauben. Wurde nun ein Opfer gebracht, bei dem man nicht auf Jesu Opfer sah, (und das geschah wohl recht oft) dann sagte Gott: Eure Brandopfer und Sündopfer gefallen Mir nicht. Solche Opfer brachten die Heuchler, die da meinten, daß sie sich dadurch mit Gott abfinden könnten; an wahre Herzensbekehrung dachten sie nicht. Wer aber bei seinem Opfer auf Jesum sah, wer bei dem Blute des Thiers im Glauben auf Jesu stellvertretendes Blut schaute, der war Gott wohlgefällig und bekehrte sich auch. Das äußerliche Opferbringen, ohne dabei auf Jesum zu sehn, ist dem HErrn ein Greuel, so wie Ihm euer Kirchengehen, Abendmahl, Hausgottesdienst, Tischgebet ein Greuel ist, wenn ihr euch nicht bekehrt. Wer selig werden will, muß im lebendigen Glauben das Versöhnungsopfer Christi, auf Golgatha gebracht, annehmen. Davon heißt es nun weiter im Psalm: Da sprach Ich: Siehe, Ich komme, im Buche ist von Mir geschrieben; Deinen Willen, Mein Gott, thue Ich gerne, und Dein Gesetz habe Ich in Meinem Herzen. Du hast geboten, Ich bin gehorsam; Du hast Mir die Ohren aufgethan, Ich will hören und die Menschen erlösen. Und dieses wunderbare Werk führt nun der Messias hinaus als unser Prophet, Hoherpriester und König. Also 1. als unser Prophet oder Lehrer. Denn Er sagt weiter: Ich will predigen die Gerechtigkeit in der großen Gemeinde; siehe, Ich will Mir Meinen Mund nicht stopfen lassen, HErr, das weiht Du. Deine Gerechtigkeit verberge Ich nicht in Meinem Herzen, von Deiner Wahrheit und von Deinem Heil rede Ich, Ich verhehle Deine Güte und Treue nicht vor der großen Gemeinde. Jesus will predigen die großen Thaten Gottes, aber als ein solcher, bei dem Wort und Werk übereinstimmen, heilig das Wort, was gepredigt wird, heilig der Wandel, der geführt wird. Darum heißt es: Deinen Willen, Mein Gott, thue Ich gerne, und Dein Gesetz habe Ich in Meinem Herzen. Dieser heilige Jesus predigt unerschrocken und läßt sich von Keinem den Mund stopfen. Er predigt von der Gerechtigkeit, die nur aus dem Glauben kommt, daß Er durch Seinen Tod und Blutvergießen die Gerechtigkeit erworben hat, die vor Gott gilt. Er predigt von der Wahrheit, daß Menschen nicht retten noch helfen können, sondern Gott allein, daß Er unser Gebet erhört, daß Sein Herz von Liebe zu uns brennt, daß Seine Treue Ihn dazu getrieben hat, das zu thun, was Er von Ewigkeit her beschlossen hat. Wo verkündigt dieses Jesus? Das thut Er in der Bibel und in der Kirche, wenn du die Predigt hörst. Aber wenn du den Weg des Heils auch noch so gut weißt und gehst ihn nicht, was nützt' es dir? Was hilft es dir, wenn du den Himmel offen siehst und es ist eine eiserne Mauer zwischen dir und dem Himmel, also, daß du nicht hinein kannst? Die Mauer muß verschwinden, die Scheidewand muß weggerissen werden, du mußt den Himmelsweg gehen. Was scheidet und trennt uns denn von Gott und von dem Himmel? Das ist die verfluchte Sünde. Und diese Sünde tilgt Jesus, unser Hoherpriester; das ist Sein zweites Amt. Er spricht in unserm Psalm: Denn es hat Mich umgeben Leiden ohne Zahl, es haben Mich Meine Sünden ergriffen, daß Ich nicht sehen kann; ihrer ist mehr, denn Haare auf Meinem Haupt, und Mein Herz hat Mich verlassen. Wenn alle Sünden der ganzen Welt auf Ihn liegen, so muß Ihn wohl eine unaussprechlich schwere Last drücken, und Er hat die Sünden aller Menschen getragen, aber damit such ihre Strafen und den ganzen Zorn Gottes. So hat Ihn umgeben Leiden ohne Zahl. Welche Qual ist z. B. nicht die ewige Verdammniß! und die hat Jesus für uns getragen, um uns davon zu erlösen. Damit wir aber Seine Gnade recht erkennen möchten, heißt es: Werne Sünden haben Mich ergriffen. Wie kann Jesus das sagen, da Er doch kein Sünder war? Habt ihr es denn nicht gehört, die Sünden der ganzen Welt hat Er aus sich genommen als unser Bürge und Stellvertreter, und da sind unsere Sünden Seine Sünden geworden, Er hat die Strafe an unserer Statt getragen. Seid getrost, spricht Er nun, eure Sünden sind nicht mehr euer Eigenthum, sie gehören jetzt Mir. Nun freilich, hat Er alle Sünden getragen, so sind sie ohne Zahl. Hätte Er das können, wenn Er nicht wahrer Gott war? Ein Anderer hätte darunter erliegen müssen. O dankt Gott für diese Liebe. Bei diesem großen Leiden nun will Ihn Seine Gotteskraft verlassen. Seht Ihn in Gethsemane, da ruft Er: Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch von Mir! Seht hin nach Golgatha und hört Sein Schreien: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen! Seht hin nach der Kreuzesstraße, da geht Er mit dem Kreuzesbalken auf Seiner Schulter, aber Seine Kraft hat Ihn verlassen, Er sinkt darunter nieder. Betrachte Seine Liebe doch einmal recht! Wenn du dich nicht zu diesem Jesu bekehrst, so gehst du ewig verloren, denn es giebt kein anderes Opfer mehr für die Sünde, Er ist der Einzige, der helfen kann. Nun kommt 3. das königliche Amt des HErrn. Davon heißt es weiter: Schämen müssen sich und zu Schanden werden, die Mir nach Meiner Seele stehen, daß sie die umbringen; zurück müssen sie fallen, und zu Schanden werden, die Mir Uebels gönnen. Sie müssen in ihrer Schande erschrecken, die über Mich schreien: Da, da! Es müssen sich freuen und fröhlich sein Alle, die nach Dir fragen; und die Dein Heil lieben, müssen sagen allewege: Der HErr sei hoch gelobt! Vorher hatte der Messias gebetet, Gott solle Ihn erretten und nicht zu Schanden werden lassen. Das ist geschehen in der Auferstehung. Sein himmlischer Vater hat Ihn auferweckt, und nun müssen sich alle Seine Hemde schämen. Seine Feinde legt Er zum Schemel Seiner Füße, Seine Freunde sollen mit Ihm herrschen. Wer sind denn Seine Freunde? Das sind die, die sich bekehren und in höchster Freude ausrufen: Hochgelobt sei der HErr! Die sich aber nicht bekehren, das sind Jesu Feinde; die müssen sich schämen und zu Jesu Füßen liegen. Weil sie den Teufel als ihren Herrn erwählt haben, so sollen sie ihm auch ewiglich angehören, und mit ihm in den Pfuhl geworfen werden, der mit Feuer und Schwefel brennt. Amen.