Harms, Ludwig - Auszug aus einer Predigt über den Text Ev. Joh. 15, 26 — 27

Harms, Ludwig - Auszug aus einer Predigt über den Text Ev. Joh. 15, 26 — 27

„Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir. Und ihr werdet auch zeugen; denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen.“

Der Heilige Geist zeuget in uns von Jesu Christo. Der Heiland sagt zu seinen Jüngern: „Wenn der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir.“ Merke hier zuerst, daß der Heilige Geist wahrer Gott ist, darum wird gesagt, daß er vom Vater und von dem Sohne ausgeht, also gleichen Wesens ist mit dem Vater und dem Sohne, wahrer, persönlicher Gott, gelobt in Ewigkeit. Und darum heißt er auch der Geist der Wahrheit, weil nur von Gott die Wahrheit kommt, und zwar die untrügliche, unfehlbare Wahrheit. Was der Heilige Geist sagt, das ist wahr; denn es ist Gottes Wort. Merke aber auch aus diesem Namen, den der Heilige Geist hat: Geist der Wahrheit, daß ihm nichts so greulich und verhaßt ist als alle Art von Lüge und Heuchelei. Darum aufrichtig, ehrlich müssen die Menschen sein, in deren Herzen der Heilige Geist wirken soll; mit Lügnern und Heuchlern hat er nichts zu tun.

Lügner und Heuchler sind aber nicht nur diejenigen, welche grobe Lügen mit ihrem Munde sagen, nicht bloß diejenigen, die absichtlich einander hintergehen, täuschen und betrügen, sondern Lügner und Heuchler sind alle diejenigen, die auf beiden Seiten hinken, die den Baum auf beiden Schultern tragen und weder kalt noch warm sind; all das Volk, das heute mit den Frommen sich vor Christo bückt und morgen mit den Gottlosen dem Teufel dient und um das Goldene Kalb tanzt; denn die alle meinen es nicht redlich mit dem Herrn, meinen es auch nicht redlich mit der eigenen Seligkeit. Mit denen hat der Geist der Wahrheit nichts weiter zu tun, er kann ihnen nur verkündigen, daß sie dem Herrn Jesu ein Ekel sind, und daß er sie ausspeien muß aus seinem Munde, In ihnen wirken kann der Heilige Geist nicht; denn sie gehören dem Teufel an, dem Vater der Lüge und der Heuchelei. Darum sagt auch der Herr Jesus an einem andern Ort: „Wer aus der Wahrheit ist, der höret Gottes Wort; ihr seid nicht von Gott, darum höret ihr auch meine Stimme nicht und könnet sie nicht vernehmen.“ Aber bist du redlich, meinst du es wirklich aufrichtig mit deiner Seligkeit, bist du also bereit, Gott recht zu geben und dir selbst unrecht, und betest du deshalb mit ganzem Ernst: Herr Jesu, ich wollte gern selig werden, ich kann es aber nicht aus eigner Kraft und Vernunft; darum gib mir deinen Heiligen Geist, daß er mich in alle Wahrheit leite!, so wird dir der wahrhaftige Jesus auf dein wahrhaftiges Gebet von dem wahrhaftigen Vater so gewiß senden den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit, als es gewiß ist, daß er wahrhaftig ist und noch nie gelogen oder sein Wort gebrochen hat.

Weil der Heilige Geist aber der Geist der Wahrheit ist, so kann und will er dir auch die Wahrheit nicht verhehlen, sondern wird dich erproben, ob dein Gebet um den Heiligen Geist auch wirklich Wahrheit gewesen ist, indem er dir aus Gottes Wort die ganze Wahrheit predigt, wer du denn eigentlich bist, nämlich ein armer, elender, verdammter Sünder, ein schändlicher Übertreter aller Gebote deines Gottes. Er wird dir vorstellen alle deine Sünden, die großen und kleinen, die verborgenen und offenbaren. Und indem er dir diese deine Sünden in erschrecklicher Klarheit und Wahrheit vor die Augen stellt, zeigt er dir, daß kein Ehebrecher, kein Hur er, kein Unreiner, kein Geiziger, kein Fresser, kein Säufer Anteil hat am Reiche Gottes. Er offenbart dir, daß ein Weltkind ein Satanskind ist, daß ein unbarmherziges Gericht über die ergehen wird, die nicht Barmherzigkeit geübt haben, daß Augenlust, Fleischeslust, hoffärtiges Leben nicht vom Vater ist, sondern von der Welt. Er zeigt dir, daß alle Lügner, alle Diebe, alle Ungerechten, vor allem aber alle Ungläubigen draußen sind und ihr Teil haben in dem Pfuhle, der mit Feuer und Schwefel brennt ewiglich. Ja, er sagt dir: Verflucht ist jedermann, der den Herrn Jesum Christum nicht liebhat; verflucht, wer nicht alles in dieser Welt für Schaden und Dreck hält, um Christum zu gewinnen; verflucht, wer nicht schafft mit Furcht und Zittern, daß er selig werde.

Das predigt dir der Heilige Geist darum, weil er der Geist der Wahrheit ist. Bei solcher Predigt des Heiligen Geistes wird es sich denn bald zeigen, ob du es aufrichtig meinst und aus der Wahrheit bist. Ist dir diese Predigt zu hart, wirst du zornig, suchst du dich zu entschuldigen und sprichst: Nein, so schlimm ist es nicht mit mir, so bist du ein Lügner, und dein Gebet um den Heiligen Geist ist Heuchelei gewesen. Und bleibst du in diesem Sinn, so gehst du verloren; denn du glaubst nicht dem Zeugnis des Heiligen Geistes in dir. Erkennst du aber mit demütigem Herzen: Das Zeugnis des Heiligen Geistes ist wahr, solch ein Sünder bin ich, ich kann’s nicht leugnen und will’s auch nicht leugnen; rufst du nun, wie einst David tat: „Ja, ich bin der Mann, ich habe gesündigt und übel vor dir getan, Herr, mein Gott“; sprichst du aus zerschlagenem und geängstetem Geiste mit Paulus: „Ich armer, elender, verlorener Mensch, wer will mich erretten von dem Leibe dieses Todes?“, oder mit dem verlorenen Sohne: „Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir, ich bin hinfort nicht wert, daß ich dein Sohn heiße!“, demütigst du dich also unter die gewaltige Hand Gottes und tust Buße und erschrickst vor Gottes Zorn und Gericht, weil du einsiehst, daß du ein verlorener Mensch bist und die Hölle ihren Rachen aufgetan hat, dich zu verschlingen; geht dir das alles durchs Herz wie jenen Leuten am Pfingsttage, und du fragst mit sehnsüchtigem Verlangen; O, was muß ich tun, daß ich selig werde?, dann sollst du den Heiligen Geist als den Tröster kennenlernen, der besser tröstet, als einen seine Mutter tröstet.

Denn nun fängt der Heilige Geist an, in dir zu zeugen von Christo Jesu, dem Sohne Gottes, daß er für dich getan hat, was dem Gesetz unmöglich war, daß er die Sünder selig macht und die Armen reich und die Hungrigen satt. Nach Golgatha führt dich der Heilige Geist. Siehst du da den, der unter den Mördern hängt, zwischen Himmel und Erde?

Den meine ich, der am Kreuz für seine Mörder betet: „Vater, vergib ihnen; sie wissen nicht, was sie tun!“, der zu dem Schächer spricht mit göttlicher Majestät: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein!“, und der dann, von den Menschen verhöhnt und von Gott verlassen, sein dorngekröntes Haupt und todesbleiches Antlitz in den Tod neigt und stirbt, der Gerechte für die Ungerechten, der Heilige für die Sünder, bei dessen Leiden die Erde bebt und die Sonne ihren Schein verliert, siehst du den? Das ist Gottes eingeborener Sohn, für dich geopfert; das ist Gottes Lamm, für dich geschlachtet; der hat dich erlöset vom Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für dich. Er ist es, von dem geschrieben steht: „Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht dich rein von aller Sünde“, von ihm zeugt das Wort des Herrn: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünden trägt!“; von ihm singen wir in jenem schönen Gesänge: „Es ist das ewige Erbarmen, das alles Denken übersteigt; es sind die offnen Liebesarme des, der sich zu den Sündern neigt, der selbst: So wahr ich lebe, spricht, ich will den Tod des Sünders nicht!“

Vor diesem Jesu knie nieder, unter seinem Kreuze bete an und rufe: „0 Jesu, du Sohn Gottes, erbarme dich meiner!“ Und wahrlich, ich sage dir, der Heilige Geist wird es dir versiegeln in deinem Herzen, daß Jesus Christus, Gottes und Marien Sohn, dein treuer Herr und Heiland sei, der dich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von allen Sünden, vom Tode und der Gewalt des Teufels, weil du an ihm hast die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Diese gewisse Vergebung deiner Sünden und die daraus folgende Gewißheit der ewigen Seligkeit gründet der Heilige Geist, was ich dir immer und immer wiederholen muß, auf das Wort Gottes. Diesem teuren Worte Gottes glaubst du durch das Zeugnis des Heiligen Geistes, und so hast du, was die Worte sagen, und wie sie lauten, nämlich Vergebung der Sünden. Sehet, meine Lieben, das ist das Zeugnis des Heiligen Geistes in uns von Christo! Haben wir das, so ist unsere Traurigkeit in Freude verwandelt, und wir seligen Menschen können sagen: „Ich lebe, aber doch nun nicht ich, Christus lebet in mir; denn was ich nun noch lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben.“ Durch solches Zeugnis hast du Frieden gefunden; denn du bist gerecht geworden vor Gott durch den Glauben an Jesum Christ; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden!

Der Heilige Geist macht uns zu Zeugen des Herrn Jesu Christi. Der Heiland sagt weiter: „Und ihr werdet auch zeugen; denn ihr seid von Anfang bei mir gewesen.“ Seht, erst zeugt der Heilige Geist in den Gläubigen, daß Jesus Christus, der einige Heiland und Seligmacher, auch ihr einziger Heiland und Seligmacher sei, und dann zeugt er durch die Gläubigen, d. h. er macht die Gläubigen zu Zeugen des Herrn Jesu. Was sie nämlich an sich selbst erlebt und erfahren haben, nämlich, daß in keinem andern Heil sei, daß auch kein andrer Name den Menschen gegeben sei, darin sie selig werden können, als allein der hochgelobte Name Jesu Christi, das sollen die Gläubigen nun den andern Menschen bezeugen, damit die auch sich zu Jesu bekehren und selig werden. Darum sagt der Herr Jesus an einer andern Stelle von seinen Jüngern: „Wer an mich glaubt, von des Leibe sollen Ströme des lebendigen Wassers fließen.“

Die Hauptzeugen des Herrn Jesu sind und bleiben freilich immer die heiligen Apostel; denn die sind von Anfang bei ihm gewesen, die haben gesehen seine Taten, Wunder und Zeichen, haben gesehen sein Leiden, Sterben, Auferstehen und Himmelfahrt, haben gehört seine Predigt und die holdseligen Worte seines Mundes, und was sie gesehen haben mit ihren Augen und gehört mit ihren Ohren, das sollten sie weiter predigen vor der ganzen Welt, damit die ganze Welt zu Jesu sich bekehrte und selig würde. Und das haben sie getan mit freudigem Auftun ihres Mundes, solange sie lebten und wandelten auf Erden, und das tun sie auch noch in der Heiligen Schrift, die von ihnen geschrieben ist aus Eingebung des Heiligen Geistes. Aber obgleich die lieben Apostel die Hauptzeugen des Herrn Jesu sind und bleiben auf Erden, so soll doch ein jeder wahre Christ, in welchem Christus eine Gestalt gewonnen hat, ein jeder wahre Christ, der durch den Heiligen Geist an Jesum glaubt, ihn von Herzen liebhat und es erfahren hat in seinem Herzen, daß außer Jesu kein Heil, keine Vergebung der Sünden und kein Friede ist, es soll ein jeder solcher wahre Christ auch ein Zeuge sein von dem Herrn Jesu und es jedermann bezeugen und vor aller Welt verkündigen, daß nur in Jesu Christo Vergebung der Sünden ist und Friede und ewiges Leben, auf daß sich jedermann zur Buße kehre.

Aber wie denn das? Soll wirklich ein jeder Christ ein Zeuge Christi sein? Ich meine doch, so fragst du, der Herr Christus hätte das Predigtamt nicht für alle eingesetzt, sondern nur für die, welche er zu seinen Botschaftern berufen hat; und nun verlangst du von uns, ein jeder Christ solle ein Prediger sein? Ich antworte euch: allerdings, und zwar auf eine zwiefache Weise, im Wort und im Wandel. Zuerst im Wort. Sehet, mir hat Gott der Herr den Beruf gegeben, hier öffentlich in der Kirche vor der versammelten Gemeine Jesum Christum zu predigen und seine heiligen Sakramente zu verwalten. Das soll nicht ein jeder, sondern nur derjenige, dem der Herr dies Amt gegeben hat, wie geschrieben steht: „Dafür halte uns jedermann, nämlich für Christi Diener und für Haushalter über Gottes Geheimnisse.“ Und deshalb sagt auch unsre teure Augsburgische Konfession, daß niemand in der Gemeine öffentlich lehren soll, als wer ordnungsmäßig dazu berufen ist. Aber ich soll auch sonderlich, wo ich hinkomme, von dem Herrn Jesu Christo Zeugnis geben, daß in keinem andern Heil sei als in ihm; ich soll die Kranken und Sterbenden zu Jesu weisen, ihnen von dem Herrn zeugen und mit ihnen beten; ich soll die Gläubigen stärken, die Ungläubigen ermahnen, die Sünder warnen und alles tun, was ich kann, dem Herrn Jesu die Seelen der Menschen zuzuführen und sie für ihn zu gewinnen; ich soll endlich alle auf meinem Herzen tragen und für alle beten, daß sie zu dem Herrn Jesu sich bekehren und selig werden. Und ihr wißt es, daß ich in meiner Schwachheit alle meine Kräfte aufzehre in solchem Beruf und Amt, möchte am liebsten, wenn ich es könnte, alle, groß und klein, auf meine Arme nehmen und sie zu Jesu tragen.

Aber ich bin ein schwacher Mensch, ich kann nicht allenthalben sein, kann mich nicht in zehn Teile zerteilen. Darum sollt ihr alle, so viele euer den Herrn Jesum und die Brüder liebhaben, mir helfen und auch Zeugen und Prediger des Herrn Jesu sein, ein jeglicher in seinem Kreise und Berufe. Ihr sollt auch die Kranken besuchen und ihnen vorlesen und mit ihnen beten, ihr sollt auch von der Liebe Christi euch dringen lassen, von dem Herrn Jesu Christo zu zeugen, ihr sollt es nicht dulden, wenn in eurer Gegenwart der Name des Herrn Jesu gelästert und sein Wort verspottet wird, sollt nicht dazu Stillschweigen, sondern sollt euern Herrn und König und sein Wort verteidigen und des Herrn Jesu Namen vor den Ungläubigen bekennen und euch eures Heilandes nicht schämen, damit er euch wieder bekenne vor seinem himmlischen Vater. Ihr sollt auch, wo ihr jemand irren seht vom rechten Wege, ihm wieder zurechthelfen mit sanftmütigem Geiste, ihr sollt auch ermahnen die Unbußfertigen und die Kinder der Welt, daß sie nicht in die Hölle und ins Verderben laufen, sondern sich bekehren und leben. Und ganz besonders ihr Hausväter und Hausmütter, ihr sollt euern Hausgenossen, Kindern und Gesinde Zeugnis geben von dem Herrn Jesu Christo, mit ihnen beten, lesen und singen, ihnen Gottes Wort ans Herz legen, sie strafen, warnen und ermahnen.

So sollt ihr alle Zeugen Jesu Christi sein, und dazu sollt ihr für alle aufheben heilige Hände des Gebets, für eure Hausgenossen, für die ganze Gemeine, für die ganze Christenheit, für Heiden und Juden. Das ist das Zeugnis durchs Wort.

Und dazu soll kommen von uns allen das Zeugnis durch den Wandel. Wehe, wehe dem Prediger, der durch seinen Wandel niederreißt, was er mit dem Worte der Predigt gebaut hat, er wird dasselbe schreckliche Urteil hören, welches der Herr einst den heuchlerischen Schriftgelehrten und Pharisäern gedroht hat: „Meinest du, daß du dem zukünftigen Zorn entrinnen werdest?“ Aber dasselbe gilt auch für euch Christen alle, die ihr Christum bekennt mit dem Munde, euch Gläubige nennt, aber nicht als Christen lebt, sondern einen unchristlichen Wandel führt und dadurch dem Lästerer in die Stricke fallt. Wehe, wehe euch, die ihr durch euren Wandel Ärgernis gebt der Geringsten einem, die an Jesum Christum glauben! Ist unser Glaube ein wahrhaftiger, lebendiger, so muß auch die köstliche Frucht eines heiligen Wandels darauf wachsen, oder unser Glaube ist Heuchelei. Und gerade ein solcher frommer, gottseliger Wandel ist ein besonders kräftiges Zeugnis von Christo; erst dadurch kriegen die Weltkinder Respekt vor dem Christenglauben, wie der heilige Apostel sagt: „daß sie eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel darüber preisen“. Und das ist in unserer Zeit gerade um so nötiger, weil die Welt gewohnt ist, gleich allen Glauben und alle Frömmigkeit als Heuchelei zu verschreien; da schlägt ein frommer, heiliger Wandel der Gläubigen sie am besten aufs Maul, daß ihnen das Lästern vergeht.

Darum laß jederzeit zu dem Zeugnis deines Mundes das Zeugnis eines heiligen, unsträflichen Wandels kommen in der Furcht und Liebe des Herrn und in der Liebe zu den Brüdern! Willst du von Jesu mit dem Munde zeugen, und dein Wandel ist sündlich und weltlich, o dann schweige doch ja, du schadest dem Heilande und seinem Reiche nur durch das Bekenntnis deines Mundes; denn dein Wandel weist dich ja dann als einen Heuchler aus, wie geschrieben steht: „Um euretwillen wird der Harne des Herrn gelästert unter den Heiden.“ Darum, bist du ein wahrer, aufrichtiger, gläubiger Christ, so zeuge von dem Herrn Jesu, wo du kannst, durch den Heiligen Geist und schäme dich nicht! Der Herr Christus ist es wahrhaftig wert, daß man für ihn den Mund auftut; aber zeuge von ihm, wie mit deinem Munde, so mit deinem Wandel, und wahrlich, ich sage dir, der Herr wird dir Frucht schaffen des ewigen Lebens, dein Zeugnis wird gesegnet sein.

Ich weiß von einer Stadt, in welcher ich früher lebte, in der wohnte ein wahrhaft gläubiger Mann, ein unerschrockener Zeuge des Herrn Jesu vor Freund und Feind, und sein Wandel war fromm und unsträflich vor den Menschen, wiewohl er selbst in seiner kindlichen Demut am besten wußte, daß vor Gott kein Lebendiger gerecht ist. In dieser Stadt wurde alles Christentum, alle Frömmigkeit, alle Bekehrung mit den beliebten Schimpfnamen: Muckerei, Pietisterei, Kopfhängerei, Heuchelei und dgl. überschüttet. Und als nun gar eine Erweckung entstand und viele Menschen sich zu dem Herrn bekehrten, da wurde der Grimm der Weltkinder ganz rasend. Die unsinnigsten Gerüchte wurden erdacht, die schmählichsten Lügen wurden ausgestreut, und wenn einer von den erweckten Leuten, wie das ja nie ausbleiben kann, hier und da strauchelte, Anstoß gab, ja wirklich etwas versah, da wollte denn jedermann schreien: Seht, so sind sie, haben wir es nicht gesagt? Sie reden fromm, sie wandeln aber wie wir; ihre Frömmigkeit ist Heuchelei, ja ein Deckmantel der Bosheit. Da habe ich an jenem Mann gesehen, wie gerade sein treues Zeugnis in Wort und Wandel eine eherne Wand und eine eiserne Mauer war, an welcher alle Lästerungen und Lügen abprallten. Sein furchtloses, unerschrockenes Bekenntnis von Jesu, so kräftig und doch so holdselig, und dazu sein demütiger, freundlicher, reiner, unsträflicher Wandel, wie er allen zu helfen und zu dienen bereit war und selbst den Feinden mit Liebe vergalt ihre Bosheit, zwang selbst den Feinden das Geständnis ab: Wenn alle Gläubigen so wären wie dieser Mann, so sollte man selbst versucht werden, sich zu bekehren zu solchem Glauben; vor dem Mann muß jeder Achtung haben, er lebt und wandelt seinem Glauben gemäß. Und ich weiß, wie so mancher, der eben auf einen der jungen Gläubigen losziehen wollte, weil er dies oder das versehen hatte, plötzlich wie auf den Mund geschlagen war, wenn man ihm die Frage vorlegte: Was weißt du denn auf jenen Mann? Er antwortete dann wohl: Auf den Mann weiß ich nichts. Nun, hieß es, so laß die andern erst heranwachsen, sie sind noch Anfänger!

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