Goßner, Johannes - Evangelische Hauskanzel - Am 2. Sonntage nach Epiphanias.

Evang. Joh. 2, 1-11.

Hochzeit zu Cana.

In dem heutigen Evangelio erscheint Jesus mit Seinen Jüngern und Seiner Mutter auf einer Hochzeit, welches für uns sehr wichtig und lehrreich ist, indem wir sehen, wie Er sich dabei benimmt, und welch ein Beispiel Er uns in dieser Sache giebt, von der so verschiedene Ansichten und Meinungen herrschen. Die rohe Welt, so wie laue ziemlich weltlich gesinnte Christen nehmen das gleich für sich und wollen damit beweisen, man dürfe ohne Bedenken auf alle Hochzeiten, zu allen Gastmahlen gehen ohne Unterschied, denn Jesus wäre auch bei Hochzeiten und Gastmahlen gewesen. Nun ist aber ein großer Unterschied zwischen Hochzeiten und Hochzeiten, so wie auch das Betragen der Hochzeitgäste sehr verschieden ist. Diese Hochzeit zu Cana in Galiläa, bei der Jesus und Seine Jünger erschien, war eine arme Hochzeit, bei der Wein mangelte. Dabei würde wohl die Welt und weltlich gesinnte Christen nicht erscheinen, und solche sind wohl auch nicht geladen worden. Es war eine Hochzeit der armen Freundschaft Jesu, wobei gewiß lauter arme und gottesfürchtige Verwandte und Bekannte geladen waren, wie würde sonst Jesus und Seine Mutter und Seine Jünger dazu geladen worden und gekommen seyn. Dabei konnte an keine Ausschweifung, Unordnung, Unmäßigkeit und leichtsinniges Wesen gedacht werden. Musik, Tanz, Unsittlichkeit und muthwilliges Lachen, Scherzen, anstößige Lieder und geistlose Gespräche, Eitelkeit und Thorheit konnte ja dabei keinen Platz finden. Nur Freude im Herrn, der in Person zugegen war, also eine heilige Fröhlichkeit, die auch im Himmel vor Gottes Angesicht sich nicht verbergen durfte, herrschte da. Die größte Freude gewährte dem Bräutigam und allen Gästen gewiß die Gegenwart des Heilandes; auf Ihn waren gewiß Aller Augen und Ohren gerichtet, auf Seine holdseligen Gespräche, die das beste Salz, der beste Wein der Freude und die beste Würze bei allen Speisen und beim ganzen Mahle waren. In jedem Auge glänzte die Freude, Ihn so nahe zu sehen und bei einer solchen bescheidenen Feierlichkeit zu betrachten, von Ihm zu lernen, Ihm so manche Frage vorlegen zu können und Seine Belehrungen aus Seinem Munde zu vernehmen. Ware es dir nicht auch so, lieber Christ, wenn du bei einer Hochzeit wärest, wo Jesus Gast wäre, auf wen würdest du mehr blicken, wen würdest du dabei lieber hören, über wen dich mehr freuen als über Ihn und Seine Gegenwart? Er ist ja der Bräutigam, und jede gläubige Seele die Braut, jedes liebende Herz ist Sein Hochzeitsaal. Ich kann mir daher die Hochzeit zu Cana nicht anders als wie eine heilige, erbauliche und himmlische denken, wo die Welt und alle weltliche Freude ganz ausgeschlossen war, und unmöglich aushalten konnte, wo die ernste Freude und Fröhlichkeit herrschte, wo Alle an Leib und Seele und Geist himmlisch, göttlich gestärkt und trunken wurden nicht von Wein und starkem Getränke, sondern von den reichen Gütern des Hauses Gottes. Zu solchen Hochzeiten, wo der Herr Jesus Gast ist, wo Sein Sinn und Geist herrscht, darfst du ohne Bedenken gehen. Bei den andern, wo die Welt und der Weltsinn vorherrscht, sieh zu, wenn du auch dabei seyn mußt, daß du deine Seele nicht verlierest, sondern bewahrest in der Gegenwart des unsichtbar nahen Freundes und Bräutigams deiner Seele, daß du nicht Theil nimmst an dem unordentlichen Wesen und den Ausschweifungen, sondern durch dein Beispiel vielmehr strafest und zeigest, daß du sie nicht billigest und keinen Theil daran habest. Vergiß nicht, wie Jesus auf der Hochzeit zu Cana war, laß dir Ihn und Sein Betragen auf der Hochzeit zum Spiegel und zur Richtschnur dienen, betrage dich so, wie du glaubst, daß Jesus an deiner Stelle sich betragen haben würde.

Nun laßt uns die Hochzeit und die Hochzeitgaste selbst betrachten. Die erste, die sich dabei recht zartfühlend und teilnehmend hervorthat, war die Mutter Jesu, indem sie, da sie bemerkte, daß es den armen Brautleuten an Wein gebrach, zu Jesu stille und ohne Aufsehn zu machen spricht: Sie haben nicht Wein. Wie sie aufmerkte, und den armen Leuten die Schande und Schmach ersparen, und ihnen dafür Freude bereiten wollte, das ist zu sehen. Sie muß auch wohl in ihrem häuslichen Leben die dreißig Jahre, wo sie Jesum bei sich hatte, wohl bei Mangel und Noth, wenn sie in ihrer Haushaltung nicht hatte, was sie bedurfte, manche Erfahrung Seiner Abhülfe und Seines Dazwischentretens gemacht haben, wo Er half und herschaffte, was ihre Armuth nicht vermochte. Darum nur der kleine Wink und die kurze Andeutung: „Sieh doch, sie haben nicht Wein, was doch bei einer Hochzeit gewöhnlich nicht fehlt; du kannst ja da abhelfen, erbarm dich doch der armen Leute, daß sie nicht schamroth werden,“ wollte sie sagen. Jesus aber spricht zu ihr: „Weib! was hast du mit mir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Diese Anrede ist eigentlich nicht so hart als sie scheint, sondern soll heißen: Frau, was geht das mich und dich an? oder: Was willst du? Laß das gehen, meine Zeit, Wunder zu wirken und besonders aus irdischer Noth zu helfen, ist noch nicht da. Er wollte wohl ihren Glauben prüfen, wie den der Cananäerin. Denn wenn Er sich auch hart stellt, hart seyn kann Er nicht, Glaube kann und soll Ihn überwinden. Wenn Er auch eine Bitte abzuschlagen, nicht gleich zu erhören scheint, Er erhört doch, Er hilft doch, wenn man sich nur nicht abschrecken und das Vertrauen nicht sinken läßt. Sie kannte Ihn auch schon zu gut und sah es Ihm wohl an, Er hilft dennoch, darum spricht sie zu den Dienern: Was Er euch sagt, das thut. Kurz und gut war es damit in Seine Hand und in Seinen Mund gelegt. So muß man seine Sorge auf Ihn werfen; so zwang sie Ihn gleichsam, und dachte, Er wird doch das Wasser nicht Wasser bleiben lassen, das könnte ich auch, Er kann mehr, und Er muß thun, was Er kann; hier ist Noth, Er kann helfen, darum muß Er helfen. Sie hat einmal das Ihrige gethan, und Ihm die Noth angezeigt, darum überläßt sie es Ihm ruhig, gewiß mit der Zuversicht: Er hilft doch, Er kann der Armen Noth nicht sehen.

Uebrigens ist dieses Wort aus dem Munde der Maria: „Was Er euch sagt, das thut“ ein Wort, das überall angeschrieben, in der ganzen Welt ausgerufen werden soll; denn in jeder Hinsicht, und in allen Sachen sollen und müssen wir thun, was Jesus sagt. Damit weist die Mutter Alle zum Sohne, zieht sich zurück, und läßt Ihn allein Alles gelten, macht Sein Wort zur Richtschnur alles Thuns aller Menschen. „Ihn höret,“ ruft der Vater vom Himmel Matth. 17,5.; „was Er euch sagt, das thut,“ sagt die menschliche Mutter auf Erden. Wir sind also von allen Seiten auf Ihn gewiesen, und Sein Wort muß uns Alles seyn und Alles gelten. Auch wenn Er uns wunderbare Sachen befiehlt, menschliche Unmöglichkeiten, wie hier Wasser in Wein zu verwandeln, so sollen wir es thun, es wird geschehn, wenn wir's im Glauben thun.

Und was sagte Er denn? Füllet die Wasserkrüge (sechs an der Zahl, jeder von zwei bis drei Maß) mit Wasser. Und sie füllten sie bis oben an. Und da sie es gethan hatten, fuhr Er fort: Schöpfet nun, und bringet es dem Speisemeister. Und sie brachten es. So war die Sache gethan mit einem Worte das Er sagte. Wenn man thut, was Er sagt, so geschieht auch was Er gesagt hat. Das waren gehorsame Diener, die folgten Seinen Befehlen. Wenn wir aber die ganze Bibel, Alles was Er darin sagt und uns befohlen hat zu glauben und zu thun, lesen, hören, wissen, auswendig lernen, verstehen, erklären und zerlegen bis auf die Wurzel der Worte, Sylben und Buchstaben, und thun es nicht, und folgen nicht, so ist uns die Bibel und Christus mit all Seinen Worten, Thaten und Leiden nichts nütze. Wenn Er z. B. durch Seine Propheten und Apostel sagt: „Werdet voll heiligen Geistes,“ „seyd erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit!“ rc. so müssen wir es thun. Aber wie können wir? Er sagt auch: „Thue deinen Mund weit auf, und laß mich ihn füllen.“ Ferner: „Schöpfet mit Freuden Wasser aus dem Brunnen des Heils.“ Jes. 12, 3. Thue das, thue deinen Mund auf, bitte, flehe, und schöpfe aus Seinem Heilquell, so wirst du voll heiligen Geistes, voll lebendigen Wassers, voll Früchte der Gerechtigkeit. Denn Er sagt auch: „Wen da dürstet, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Offb. 20, 17. Wenn Er sagt: „Kommt zu mir Alle - ich will euch erquicken- Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden rc. Bleibet in mir und Ich in euch, so werdet ihr viel Frucht bringen rc. Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben. Wer mein Fleisch isset und mein Blut trinket, der bleibt in mir und Ich in ihm.“ Und tausend andere Worte die Er uns sagt, lasset sie uns thun, so werden wir Alles haben und erhalten, Alles werden und seyn ewig, was wir sollen und was Er uns befohlen und verheißen hat. Thut, was Er euch sagt. Wer noch Anstand oder Zweifel hat, der bete wie St. Augustin: „Herr! gieb was Du gebietest, und gebiete was Du willst!“ Füllet also eure Krüglein bis oben an, und schöpfet, schöpfet aus dem Brünnlein Gottes, das Wassers die Fülle hat; so kann's nicht fehlen. Er giebt und thut überschwenglich mehr als wir bitten und verstehen, nach der Kraft die in uns wirket.

Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wußte nicht von wannen er kam (die Diener aber wußten es, die das Wasser geschöpft hatten), ruft der Speisemeister den Bräutigam, und spricht zu ihm: Jedermann giebt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringern; du hast den guten Wein bisher behalten. Da wußten die Diener mehr als der Speisemeister, weil sie das Wort Jesu hörten und thaten, was Er sagte. Wie werden sie Ihn angesehen haben, den Rabbi von Nazareth, da sie sahen daß das klare Brunnenwasser, welches sie auf Sein Wort geschöpft hatten, nun Wein geworden war, wie werden sie Ihn betrachtet haben! Der Speisemeister verwundert sich nur über das Ungewöhnliche, weil Er von dem Wunderbaren nichts wußte, muß aber als Kenner Zeuge seyn, daß Jesus aus dem Wasser keinen schlechten, wässerigen, sondern einen guten, ja den besten Wein gemacht, also ein wahres Wunder gewirkt habe. Darum heißt es auch: Dies ist das erste Wunder das Jesus that, geschehen zu Cana in Galiläa.

Er kann die Natur der Elemente verändern und verwandeln. Einen solchen Heiland haben wir. So kann Er auch unsere menschliche Natur in göttliche Natur verwandeln, uns Seiner göttlichen Natur theilhaftig machen, wie Er unserer menschlichen theilhaftig geworden ist. Wie Er Wasser in Wein verwandeln kann, so kann Er deine Schwachheit stark, dein steinernes Herz weich wie Wachs, und empfänglich des göttlichen Sinnes und Wesens machen, kann dich aus einem Kinde der Welt zu einem Kinde Gottes, aus einem Sünder zu einem Gerechten, aus einem Gottlosen zu einem Heiligen und Geliebten Gottes machen. Was sollte auch Dem unmöglich seyn, der im Anfang Alles gemacht hat, und ohne den nichts geworden ist, das da ist?

Und so offenbarte Jesus Seine Herrlichkeit, und Seine Jünger glaubten an Ihn, und wußten nun, was sie für einen Meister und Heiland hatten. Sieh, das war das Ende der Hochzeitfreude, die Absicht und der Zweck Jesu bei der Hochzeit: die Offenbarung Seiner Herrlichkeit und der Glaube Seiner Jünger - Gottes Ehre und der Menschen Heil. Auch für uns steht das geschrieben, und ist auf uns gekommen, daß wir glauben an den Namen und die Macht des Herrn, den wir bei einer armen Hochzeit finden, und der gerade da anfing Seine Herrlichkeit zu offenbaren; nicht in der glänzenden, üppigen Herrlichkeit der Welt bei Reichen und Vornehmen. Wer sollte meinen, daß sich der Schöpfer aller Dinge so herabließe, und zu einer der geringsten Familien in Israel in einer armen Hütte hinsetzt, und da so große Dinge thut, wie kein Sterblicher thun kann. O laßt uns an Ihn glauben, und thun was Er sagt, laßt uns Ihm folgen wie Seine Jünger, laßt uns Ihn zu uns einladen, und unter uns bewirthen, so oft wir auch ein Freudenfest haben. Er wird allemal Seine Herrlichkeit offenbaren, wenn wir Ihn auf eine so gläubige und kindliche Art dazu veranlassen und mit Glaubens- und Liebesgewalt nöthigen. Wir werden erfahren, Er ist immer derselbe und thut heute noch wie Er ehemals that. All unser Wasser und wässeriges Wesen wird Wein und Kraft, wenn Er bei uns ist. Gelobt sey Er ewig. Amen.

Jesu, Du hast eingeladen,
Welche nach Dir durstig sind,
Zu dem offnen Brunn der Gnaden,
Wo sich Lebenswasser sind't.
Sieh, ich fühle Durst im Herzen,
Ja ich sehne mich mit Schmerzen,
Laß mich trinken, laß mich trinken,
Sonst muß ich in Ohnmacht sinken
Dir ist's um ein Wort zu thun,
Sprich zum Schwachen: Schöpfe nun!

Du willst uns mit Strömen laben,
Aller Müden Stärke seyn!
Und ich soll kein Tröpflein haben?
Kehrst Du bei mir gar nicht ein?
Deine Füll' soll überfließen,
Und ich soll verschmachten müssen?
Laß mich trinken, laß mich trinken,
Aller Muth will mir entsinken.
Jesu, sieh, ich kann nicht ruh'n,
Bis Du sprichst: so schöpfe nun!

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