Gerok, Karl von - Trost und Weihe - Bei Grundsteinlegung eines Hauses.
1852.
Unser Anfang geschehe im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Amen.
Ja, im Namen des großen Weltbaumeisters, der den Grund der Erde gelegt und das Weltgebäude aufgerichtet hat durch sein allmächtiges Wort, wollen auch wir diesen Bau beginnen, und weil uns das Wort Gottes ermahnt: Alles was ihr tut mit Worten und mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesu und dankt Gott und dem Vater durch ihn (Kol. 3,17), so wollen die Erbauer dieses Hauses auch ihr Werk beginnen im Namen des Herrn und seinen Segen herabflehen zu ihrem Vorhaben. Lasst uns darum Hände und Herzen zu Gott erheben und also beten:
Ewiger, allmächtiger Gott, wir sind hier vor deinem Angesichte versammelt, um in deinem hochheiligen Namen den Grundstein zu legen zu diesem Wohnhaus. Und wie wir in die Höhlung dieses Steines allerlei sichtbare Pfänder der Erinnerung eingelegt haben zum Gedächtnis dieser Stunde für die kommenden Geschlechter: so legen wir im Aufblick zu dir, allgegenwärtiger Gott, in diesen Stein noch ein dreifaches unsichtbarerweise mit ein: einen frommen Dank, eine demütige Bitte und ein heiliges Gelübde.
Unsern frommen Dank, allgütiger Gott, legen wir zu deinen Füßen nieder in den Worten: Bis hierher hat der Herr geholfen. Wie einst Samuel dein Prophet an bedeutungsvoller Stätte einen Denkstein aufgerichtet hat und hat ihn Ebenezer genannt, d. H. Stein der Hilfe, und gesprochen: bis hierher hat der Herr geholfen (1 Sam. 7,12), so sprechen auch die Erbauer dieses Hauses, indem sie diesen Grundstein legen, voll demütigen Dankes gegen dich, du Geber aller guten Gaben: bis hierher hat der Herr geholfen! Bis hierher hat der Herr geholfen! so spricht der Hausvater, der dies Haus erbaut, und denkt dabei dankbar alles Segens, den du Herr ihm beschert hast in der Heimat und in der Fremde, und bekennt mit dem Erzvater Jakob: Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an deinem Knechte getan hast. Bis hierher hat der Herr geholfen! so spricht die Hausmutter, die in diesem Haus einziehen soll, und denkt mit gerührter Seele zurück an deine wunderbaren Führungen bis hierher, an die treuen heimgegangenen Eltern, die sie auferzogen haben in deiner Furcht, an das ferne Heimatland, wo ihre Wiege gestanden, an die himmlische Vaterhand, die sie bis hierher geführt hat, so dass nun auch das fremde Land, in das sie mit Zagen vor Jahren den Fuß gesetzt, ihr zu einer lieben Heimat worden ist, wo sie mit Freuden ihre Wohnstatt für dieses Erdenleben gründet. Bis hierher hat der Herr geholfen! Ja das ist das Bekenntnis des Dankes, das wir vor dir, o grundgütiger Gott, niederlegen in diesem Grundsteine.
Und mit diesem frommen Dank, o Geber aller guten Gaben, legen wir nieder eine demütige Bitte. Die Bitte heißt: Herr, lass deine Augen offenstehen über diesem Haus Tag und Nacht. So hat einst dein Knecht Salomo gebetet als ein frommer Bauherr (2. Kön. 8,29); so bitten auch wir aus demütigem Herzen. Wir wissen ja wohl, allmächtiger Gott, wo du nicht das Haus bauest, so arbeiten umsonst, die daran bauen, und wo du die Stadt nicht behütest, so wacht der Wächter umsonst. So lass denn dein Vaterauge offenstehen über diesem Haus Tag und Nacht. Wache du über allen, die daran bauen, vom ersten bis zum letzten Hammerschlag. Befiehl deinem Engel über ihnen, dass er sie behüte auf allen ihren Wegen, damit kein Unfall sie treffe, kein jäher Tod sie übereile und am Ende des Werks gelte wie am Anfang: bis hierher hat der Herr geholfen. Lass dein Vaterauge offenstehen über diesem Haus, wenn es wird vollendet sein, Tag und Nacht. Behüte es in Gnaden vor Hagel, vor Seuchen und Glut und Flut, vor Sturm und Gewalttat und allerlei Nöten. Deine Gnade sei das Fundament seiner Mauern; deine Allmacht sei der Schirm über seinem Dache; deine Treue sei der Riegel an seinen Türen. Dein Segen fülle alle seine Räume und dein Friede wohne in allen seinen Gemächern. So oft die Sonne am Morgen aufgeht über seinem Giebel, so lass deine Güte neu werden über diesem Haus und allen, die drin wohnen. Und so oft die Nacht herniedersinkt über sein Dach, so sei deine Gnade der Abendstern, der tröstlich darüber funkelt. So oft seine Bewohner aus- und eingehen zu seiner Tür, so segne du ihren Ausgang und Eingang; segne ihren Ausgang, dass ihr Tagewerk gelinge; segne ihren Eingang, dass daheim Liebe und Friede sie empfange und sie es erfahren dürfen in guten wie in bösen Tagen: der Herr ist bei uns drinnen. Ja Herr, du treuer Menschenhüter und Seelenhirte, lass deine Augen offenstehen über diesem Haus Tag und Nacht! das ist die demütige Bitte, die wir in dieser Stunde niederlegen vor deinem Throne.
Und mit dieser Bitte legen wir nieder vor dir ein heiliges Gelübde und mauerns mit ein in diesen Grundstein, das Gelübde des frommen Josua: Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen (Josua 24,15).
Ja Herr, dies Haus soll ein Christenhaus werden, eine Stätte, da man dir dienet. Dein Wort soll drin wohnen, dein Geist soll drin walten, dein Friede soll drin regieren, dir sollen sie dienen und in dir sollen sie verbunden sein alle, die drin wohnen: Mann und Frau, Herrschaft und Gesinde, Alte und Junge. Wie dein Auge gnädig herniedersieht auf dieses Haus Tag und Nacht, so sollen auch die, welche drin wohnen, allezeit aufblicken zu dir in Glauben und Gehorsam. So oft der Rauch am Morgen aufsteigt von seinem Dach, soll auch das Rauchwerk des Gebets mit aufsteigen gen Himmel, und so oft man das Licht drin anzündet am Abend, soll auch dein göttliches Wort, das helle Licht, die Hausbewohner um sich versammeln. Was hier gearbeitet wird, das geschehe im Aufblick zu dir, was hier genossen wird, das geschehe mit Danksagung gegen dich, was hier geduldet wird, das geschehe im Glauben an dich, und wenn dereinst eins hier die Augen schließt, das möge hinfahren in deinem Frieden. Ja Herr, höre in Gnaden das Gelübde, das wir niederlegen zu deinen Füßen: Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen! und verleihe du selbst deines Geistes Kraft zu seiner Erfüllung. Hilf uns dir dienen hienieden in Rechtschaffenheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit, bis jeder einst sein Tagewerk vollendet und wir aus der vergänglichen Erdenhütte einziehen in die bleibende Wohnstatt, ins himmlische Vaterhaus droben. Erhöre uns um deiner Liebe willen; Herr hilf, o Herr, lass alles wohlgelingen; deinen Segen über uns, dreieiniger Gott und Herr; deinen Segen Gott Vater, Gott Sohn, Gott heiliger Geist über uns und unser Werk! Herr, wir lassen dich nicht, du segnest uns denn! Amen.