Geibel, Karl - Die Auferstehung des Herrn.

Osterpredigt über Matth. 28, 1-16.

von K. Geibel, gewesenem Pfarrer zu Braunschweig

Text: Matth. 28, 1 - 16.

„Am Abend aber des Sabbaths, welcher anbricht am Morgen des ersten Feiertages der Sabbathen, kam Maria Magdalena, und die andere Maria, das Grab zu besehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu, und wälzete den Stein von der Thür, und setzte sich darauf. Und seine Gestalt war wie der Blitz, und sein Kleid weiß als der Schnee. Die Hüter aber erschracken vor Furcht, und wurden als wären sie todt. Aber der Engel antwortete, und sprach zu den Weibern: Fürchtet euch nicht, ich weiß, daß ihr Jesum den Gekreuzigten suchet. Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und sehet die Statte, da der Herr gelegen hat; und gehet eilend hin, und saget es seinen Jüngern, daß er auferstanden sei von den Todten. Und siehe, er wird vor euch hingehen in Galiläa, da werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilend zum Grabe hinaus, mit Furcht und großer Freude; und liefen, daß sie es seinen Jüngern verkündigten. Und da sie gingen, seinen Jüngern zu verkündigen; siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßet. Und sie traten zu ihm, und griffen an seine Füße, und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht, gehet hin und verkündiget es meinen Brüdern, daß sie gehen in Galiläa, daselbst werden sie mich sehen. Da sie aber hingingen; siehe, da kamen etliche von den Hütern in die Stadt, und verkündigten den Hohenpriestern alles, was geschehen war. Und sie kamen zusammen mit den Weitesten, und hielten einen Rath, und gaben den Kriegsknechten Geld genug, und sprachen: Saget, seine Jünger kamen des Nachts, und stahlen ihn, dieweil wir schliefen. Und wo es würde auskommen bei dem Landpfleger, wollen wir ihn stillen und schaffen, daß ihr sicher seid. Und sie nahmen das Geld, und thaten wie sie gelehret waren. Solches ist eine gemeine Rede geworden bei den Juden, bis auf den heutigen Tag. Aber die elf Jünger gingen in Galiläa auf einen Berg, dahin Jesus sie beschieden hatte.“

Das durch die Kreuzigung des Sohnes Gottes aufgeregte Jerusalem war wieder beruhigt. Die Leidenschaft der Obersten des Volks war verraucht. Sie hatten ihren blutigen Zweck erreicht, und gingen nun mit den blutbesudelten Händen an ihr gewöhnliches Werk, an ihren scheinheiligen heuchlerischen Gottesdienst, an ihr heimliches Sündenleben, ohne den Stachel im Gewissen zu empfinden, den der ungerechteste Mord bei ihnen hinterlassen mußte, wenn sie nicht ganz erstorben, wenn sie nicht so weit gesunken gewesen wären, daß sie im Stande waren sich selbst vorzulügen, und es zu glauben, sie hätten eine verdienstliche, Gott wohlgefällige That gethan. Die Thränen der Töchter Jerusalems um den schönsten der Menschenkinder waren getrocknet, und die Weissagung des zum Richtplatz Wankenden vergessen. Das Felsengrab war versiegelt, und die heidnischen Wächter beschützen dasselbe, wie sie meinen, gegen die diebischen Hände der Jünger Jesu. Alles ist nachgrabe wieder in seinem gewöhnlichen Gleise, und die Blutscene von Golgatha tritt in den Hintergrund, wie etwas längst Vergangenes.

Aber nicht das ganze Jerusalem theilt diese alltägliche Stimmung. Ein Kreis ist da, in dem man einen tiefen Schmerz wahrnimmt und ein trauriges Schweigen. Dort hinein scheint auch nicht der geringste Strahl von der Festfreude, Thränen sind ihre Speise bei Tage, und bei Nacht benetzen sie ihr einsames Lager mit Thränen. Es ist die kleine Heerde, der man ihren Hirten genommen hatte, es ist die Schaar der Jünger und Jüngerinnen des Herrn. Da sehen wir die gebenedeiete unter den Weibern, Maria, die Mutter des Herrn, in ihrer Seele noch immer das schneidende Schwerdt, den entsetzlichen Schmerz über den grauenhaften Tod des ihr von Jehovah geschenkten Sohnes, den sie als Sohn geliebt, und als ihren Herrn verehrt hatte. Ihre Mutterthränen strömen unaufhörlich, noch dreifach verbittert durch den Kummer ihrer vermeintlich getäuschten Erwartungen, denn sie hatte ja mit den andern gehofft, er werde Israel erlösen, und nun hatten sie ihn gekreuzigt, ja er lag schon im Grabe.

Da sehen wir Petrum, den Felsenmann, still und stumm, das Feuer seiner Augen blitzt nicht, wie sonst, ein Thränenschleier verdeckt es, die rasche kräftige Bewegung scheint aus dem Starken gewichen, der freudige Bekennermund ist ganz verstummt. Ihm schneidet auch ein doppelter Schmerz durch die Seele, er verlor nicht blos seinen Meister und Herrn und mit ihm seine Hoffnung auf den Beginn des glückseligen Messiasreichs, er verlor seinen Herrn, nachdem er ihn furchtsam verläugnet hatte, und ohne ein verzeihendes, tröstendes Wort aus seinem Munde vernommen, ohne einen andern Blick von ihm empfangen zu haben, als jenen, der in demselben Augenblick sein Auge traf, als das Hahnengeschrei in sein Ohr drang.

Da sehen wir die Maria von Magdala, deren zärtliches nur in einer heiligen Flamme loderndes Herz ohne ihren Herrn sich ganz leer fühlte, ihr war so viel vergeben, und darum liebte sie so viel, daß nichts mehr in ihr Raum hatte, als die Liebe zu ihrem Retter; ihr Schmerz ist zu heftig für Thränen, trocken, starr und matt blickt ihr Auge umher, daß in Freud und Wonne erglänzte, in dem sich Engelsseligkeit spiegelte, wenn sie zu Jesu Füßen sitzen konnte und die Worte des Lebens vernehmen. Ach, und dort der Jünger, den der Herr lieb hatte, der innige, tiefe Johannes, die Brust, an der er so oft gelegen, an der er so oft den von den Lippen Jesu quellenden Segensstrom empfing, wehe! die Brust ist mit dem Speere durchstoßen, wohin soll er nun sein Haupt legen, das nur an Jesu ruhen kann?! er reicht der Mutter die Hand, und weint mit ihr um den unersetzlichen Verlust.

Und so sind sie alle in tiefer Trauer, sie hatten ja alle ihr Höchstes und Bestes verloren, sie hatten ja alle die Weissagung des Gekreuzigten von seinem Tode und seiner Auferstehung nicht verstanden, sie erschienen sich jetzt, ohne ihn, ganz rath- und hülflos, das Leben hatte für sie keine Bedeutung mehr, seit er nicht mehr unter den Lebendigen war. O wie natürlich war ihre Trauer, und wie wird es nun ihnen selbst und uns erst recht klar, wie lieb sie ihn hatten! Doch während sie noch sitzen und weinen, bricht hinter ihnen schon die der aufgehenden Freudensonne voraneilende Dämmerung an. Der Sabbath ist vorüber, der erste Tag der neuen Woche regt seine Schwingen, und das allen unbegreifliche, unerwartete, unglaubliche Wunder ist geschehen, der Herr ist vom Tode erstanden, der sein Leben von sich selber gab, hat es wieder genommen, die Todesnacht wird Verschlungen vom Auferstehungsmorgen!

Die Auferstehung des Herrn laßt uns nun heute näher betrachten, und zwar

  1. nach ihrer Geschichte,
  2. nach ihrer Notwendigkeit
  3. nach ihrer Bedeutung, und
  4. nach ihren nächsten Folgen.

I.

Wir erinnern uns also zuerst an die Umstände, welche die Auferstehung Jesu begleiteten. Wie man es nicht anders erwartet, so traten mit dem Zeitpunkt der Auferstehung des Gekreuzigten auch besondere auf dieselbe hinweisende und sie bekräftigende äußere Umstände ein. Zunächst ein Erdbeben, das gleichsam wie ein Triumphgeschrei der ganzen Natur den nun offenbar gewordenen vollendeten Sieg des Lebensfürsten begleitete. Dann das sichtbar Werden vieler entschlafenen Heiligen, zum Zeichen, daß nicht blos für sich Christus dem Tode die Macht genommen habe, sondern daß für alle die Seinigen der Tod verschlungen sei in den Sieg. Endlich die Erscheinung von Engeln, zum Zeichen, daß nun die letzte Spur der irdischen Niedrigkeit an dem Herrn verschwunden sei, daß man nun auf Ihn anwenden müsse was David singt: lobet den Herrn ihr Seine Engel, ihr starken Helden, die ihr Seinen Befehl ausrichtet, daß man höre die Stimme seines Wortes; daß nun gekommen sei, wovon später der Apostel schrieb: daß Christus so viel größer geworden sei, denn die Engel, als er einen höheren Namen erhalten habe, denn sie, daß ihn anbeten sollen alle Engel Gottes. - Es war der Wichtigkeit der Sache ganz gemäß, daß diese auffallenden Umstände mit ihr zusammentrafen. Doch lag ihnen auch noch eine andere Absicht zu Grunde. Es war gleichsam, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, ein letzter Versuch Gottes, um das widerspenstige Volk zum Glauben an seinen Sohn zu bringen. Das Gerücht von der Auferstehung vieler entschlafenen Heiligen, die Vielen erschienen waren hatte Jerusalem durchdrungen und nothwendig eine große Erregung zu Wege gebracht; das Erdbeben und die Berichte der erschrockenen Grabwächter kommen nun dazu; der hohe Rath wußte es, daß Jesus gesagt hatte, er wolle am dritten Tage auferstehen und hatte ja eben darum die Wächter bestellt. Wenn sie nun die merkwürdigen Ereignisse mit den Worten Jesu zusammenhielten, so mußten sie bedenklich werden, so mußte, wenn sie nicht ganz verstockt waren, eine Geneigtheit wenigstens zum Glauben und ein Schauder über das, was sie gethan hatten entstehen. Aber sie gaben den Wächtern Geld, damit sie schwiegen und lögen, sie gehörten zu den Menschen, von denen der Heiland einst sagte: sie hören Mosen und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, ob jemand von den Todten auferstände. Auch die letzte Heimsuchung des rufenden und suchenden Gottes glitt an ihrem verhärteten Herzen ab.

Auf die Jünger des Herrn hatten aber diese sichtbaren und hörbaren Weckstimmen Gottes, welche die Auferstehung seines Sohnes begleiteten, eine andere Wirkung. Sie sehnten sich in ihrem Schmerz nach einem Lichtpunkt, der ihre innere Düsterheit und Verwirrung erhellte, und ihnen wurden diese Zeichen ein solcher leuchtender Stern, durch den sie, wenn auch nicht gleich zum Glauben gebracht, doch erinnert wurden an die Weissagung Christi, aufgerissen aus ihrer Betäubung, und versetzt in eine gespannte und hoffnungsvollere Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Und später freilich wurden ihnen diese jetzt nur ihren Glauben vorbereitenden Zeichen zu einem neuen Glaubenssiegel, wie auch uns.

Sehen wir nun kürzlich noch auf die Art, wie die Jünger von der Auferstehung des Herrn benachrichtigt und gewiß gemacht wurden. Früh am Morgen, noch ehe der Tag angebrochen war, wurden zwei von den Freundinnen des Herrn, Maria Magdalena, und Maria, die Mutter Jakobi und Joses, von ihrer inneren Unruhe getrieben hinauszugehen, um das Grab zu besehen. Mit sich brachten sie köstliche Spezereien um den Leichnam Jesu vor der Verwesung zu bewahren. Schon erblicken sie von ferne in der Dämmerung die blitzenden Helme der Wächter und hinter ihnen das Felsengrab, verwahrt mit einem gewichtvollen Stein, und sprechen unter einander: wer wälzt uns den Stein von des Grabes Thür? Da erbebt die Erde, ein Engel des Herrn schwebt herab, seine Gestalt wie der Blitz, sein Kleid weiß als der Schnee, der Stein rollt hinweg vor seiner Berührung, geöffnet liegt das leere Grab vor ihnen, die Hüter erbeben bei der Erschütterung der Natur, und sinken beim Anblick des Lichtboten aus der höhern Welt ohnmächtig nieder. Die Weiber stehen erstaunt, sie waren ja des Lichts gewohnt, sie waren ja stets in der innigsten Gemeinschaft gewesen mit dem Lichte der Welt, aber sie treten nicht hinzu. Da spricht der Engel zu ihnen: fürchtet ihr euch nicht! legt alle Scheu ab, die Uebermacht meiner Natur wird euch nicht niederstrecken wie jene Heiden. Siehe, ich bin gesandt, um euch fröhliche Botschaft zu bringen, ich weiß es, daß ihr gekommen seid, Jesum den Gekreuzigten zu suchen, er ist nicht hier, aber trauert nicht über das leere Grab, er ist nicht von euch genommen, er ist auferstanden, wie er gesagt hat, und nun kommt und sehet die Stätte, da er gelegen hat. Und sie gehen hinein in die dunkle Höhle, die heller als das Tageslicht erleuchtet wird durch den Lichtglanz des Engels, und finden die Tücher, worin sie den theuren Leichnam gewickelt hatten, ihn selbst aber nicht! Da spricht der Engel zu ihnen: nun gehet eilend hin, und saget es allen Jüngern, und insbesondere dem Petrus, daß der Herr auferstanden sei von den Todten. Und sie eilten von dannen mit Furcht, mit gespannter Erwartung und großer Freude. Siehe, da tritt der Auferstandene selbst ihnen entgegen, und grüßt sie mit dem Gruße seines Friedens. Ja er selbst, der todt Geglaubte, ist es, sie sehen sein liebliches Angesicht, sie vernehmen wieder seine holdselige Stimme; es schwindet jeder Zweifel aus ihrer Brust, sie haben ihn ja vor sich; es erstirbt jeder Schmerz, er ist ja wieder bei ihnen; sie eilen fort auf sein Wort, um es denen zu verkünden, die er feine Brüder nennt, Er der Todesbezwinger. Und wie nun der junge Tag seinen Glanz in das Morgenroth mischt, wird‘s auch in ihnen heller und heller, und der erste Lichtstrahl eines bisher von ihnen ungeahndeten seligen Lebens senkt sich in ihr Gemüth. So kommen sie wie aus einer andern Welt zu den übrigen Jüngern, die Wirklichkeit und Seligkeit ihrer Erfahrungen malt sich auf ihrem Angesicht, sie müssen sich erst sammeln, um nur der Rede wieder mächtig zu werden, und dann berichten sie, was sie erlebt. Aber ihr Jubel klingt nicht wieder bei den andern, sie stehen noch mißtrauisch da, die Freude ist gar zu groß, sie können den seligen Gedanken nicht denken, sie fühlen, daß ihr Herz vor Wonne zerspringen möchte, wenn die Weiber mehr redeten, aber sie erbeben vor dem Gedanken an ihre Täuschung. So bringen sie den Tag hin, von den Flügeln der Freude gen Himmel gehoben, und doch wieder von dem Bleigewicht des Zweifels herabgezogen. Da kommt Petrus mit leuchtendem Antlitz, mit freudestrahlenden Augen zu den andern und verkündet‘s, daß der Herr auch ihm erschienen sei. Ach, der liebende Heiland konnte es nicht länger übers Herz bringen, seinen bereuenden Jünger ungetröstet zu lassen, und hatte ihn mit der Versicherung seiner Liebe erquickt. Da kommen am Abend die zwei von Emmaus zurück, und mischen ihren eignen Jubel mit dem der andern, und endlich mitten in diesen entzückenden Reden, in diesem reinen Festgeläute, in dieser Freudensymphonie tritt plötzlich der Herr selbst unter sie, und spricht: Friede sei mit euch! und erinnert sie an seine Worte, und an die Erfüllung der Schrift. Da sprachen sie nun mit freudiger Zuversicht: der Herr ist wahrhaftig auferstanden! da hieß es auch bei ihnen: Hallelujah! das Grab ist leer! gerettet ist die Welt, das Leben ist des Todes Herr, erstanden ist der Held

II.

Also doch ist das Wunder geschehen? also doch sah, wie schon David weissagt, der Heilige Gottes die Verwesung nicht? wie wäre das möglich? So fragt der sinnliche ungläubige Zweifler. Nun ich frage wieder: wie wird aus dem erstorbenen Samenkorn ein Halm, ein Baum, eine hundertfältige Frucht? Eben so wunderbar, und eben so wenig vermags der armselige Verstand zu erklären. Und doch ist's eine unbestreitbare Thatsache, wie jene! Aber freilich gibt es Leute, die selbst das Licht der Sonne wegläugnen würden, wenn es in ihren Kram nicht paßt. Lassen wir sie denn bei ihrem Lampenlicht und ihren dunkelen Eisfeldern! Wir sehen aus dem Zeugniß der Apostel und aus der Geschichte des Reiches Jesu Christi, daß die Auferstehung unsers Herrn nicht nur möglich sondern auch wirklich war. Ueberdies war sie auch nothwendig, und dies war unser zweiter Punkt. Eine unumgänglich nothwendige Thatsache in dem Leben des Herrn war sie aber zunächst um der Weissagungen des alten Bundes willen. Sie war von den heiligen Männern Gottes durch den Geist vorhergesehen und vorhergesagt, und darum mußte sie eintreffen. Denn der Geist des Herr n ist nicht wie der Geist des Menschen, daß er Gefallen habe an Lügen und Widerspruch; was er einmal ausgesagt, das muß ewig Amen sein. Darum hören wir so oft den Heiland sagen: auf daß die Schrift erfüllet werde. Darum müssen wir, wie er von seinem Leiden und Sterben sagt: dies geschehe alles, auf daß die Schrift erfüllet werde, wie er litt und starb um die Schrift zu erfüllen, darum müssen wir auch sagen: er mußte auferstehen, auf daß die Schrift erfüllet würde. Aber freilich trieb der heilige Geist die Propheten nicht auf eine launigte eigensinnige Weise zum Vorhersagen künftiger Dinge, sondern seinen Eingebungen lag eine innere Nothwendigkeit zu Grunde. So bestimmte denn auch die heilige Schrift die Auferstehung Christi vorher, weil sie in sich nothwendig war. Der Tod ist lediglich durch die Sünde in die Welt gekommen, der Tod ist, wie der Apostel sagt, der Sünde Sold. Konnte er denn nun wohl Gewalt haben über den, der ganz ohne Sünde war, der vor Menschen und Gott dastand als das reine und unbefleckte Opferlamm? Konnte dieser Heilige vom Tode bezwungen werden, wenn er nicht sterben wollte? Unmöglich, wie auch er selbst sagt: Niemand nimmt mein Leben von mir, sondern ich lasse es von mir selber. Und wenn er freiwillig, aus Gehorsam gegen seinen Vater und aus Liebe zu den Menschen starb, konnte der Tod ihn halten? war es möglich, daß nicht alsbald sein Leben im verklärten Zustande sich wieder offenbarte, daß er nicht auferstand? Nein, es war ganz undenkbar! Ueberdies gehörte die sichtbar hervortretende Auferstehung Jesu als nothwendiger Schlußstein zu seinem Erlösungswerke. Er sollte ja nicht blos als der vollkommene Sieger über die Sünde dastehen, wie sein Gehorsam bis zum Kreuzestod ihn offenbarte, sondern auch als Ueberwinder des Todes, damit auch wir durch Ihn von Sünde und Tod befreit werden könnten. Darum mußte er auferstehen, oder sein Werk war unvollendet.

III.

Wenn wir nun drittens nach der Bedeutung seiner Auferstehung fragen, und zwar zunächst nach der Bedeutung, die sie für seine Person hat: so ist klar, daß er durch sie auf eine feierliche gotteswürdige Weise bestätigt ward als der, für den er sich ausgab, als der Sohn Gottes. Als er einst nach Jerusalem aufs Fest kam, und im heiligen Eifer um die Ehre des Hauses Gottes den Tempel reinigte von den Wechslern und Verkäufern, da fragten ihn die Juden, obgleich alles erschüttert ward durch die Uebermacht der Geisteskraft, die aus Ihm sich kund gab, und ohne Widerspruch Folge leistete, da fragten sie ihn, was gibst du uns für ein Zeichen, daß du solches thuest? Und er antwortete ihnen: brechet diesen Tempel und in drei Tagen will ich ihn wieder aufrichten! Das sagte er aber, wie der Evangelist hinzusetzt, in Bezug auf seine Auferstehung, er sprach von dem Tempel seines heiligen Leibes, in welchem er ununterbrochen Gott dienete, und bezeichnete ihnen dadurch bildlich erweise, daß seine am dritten Tage nach seinem Tode erfolgende Auferstehung die göttliche Vollmacht sein werde, die ihm das Recht gebe so gewaltig aufzutreten, denn diese Vollmacht enthalte gleichsam die Handschrift Gottes selbst, daß er des Vaters eingeborner Sohn sei, und als solcher mit unbeschränkter Machtvollkommenheit handeln könne. - Als er einst mit scharfer Rede die Schriftgelehrten und Pharisäer gezüchtigt hatte über ihr falsches heuchlerisches Wesen, und sie dann hinwies auf das drohende Gericht, da sprachen sie zu ihm: Meister, wir wollten gern ein Zeichen von dir sehen, du redest als ob du der Richter der Welt selbst wärest, aber woran sehen wir‘s, daß du es bist? Und er antwortete ihnen: die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen, aber es wird ihr kein Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Propheten Jonas. Er deutete aber damit auf seinen Aufenthalt in der Erde und auf die am dritten Tage erfolgende Auferstehung. Es ist also klar, daß er selbst seine Auferstehung als den Erweis seiner göttlichen Sendung und Würde angesehen wissen will. Und sie ist es! Erstand er nicht vom Tode, wie die Propheten es vom Sohne Gottes geweissagt hatten, und wie er selbst es mehrfach so bestimmt voraussagte, so war er ein Thor, der entweder sich selbst täuschte, oder absichtlich andere zu täuschen versuchte; erstand er aber, so war das unerhörte Gottes-Wunder gleichsam eine dritte Stimme von Himmel, die deutlicher und unwiderleglicher als die beiden andern rief: dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören. Darum hebe n auch die Apostel vor allem die Auferstehung ihres Herrn hervor, darum nennen sie sich vorzugsweise Zeugen der Auferstehung, darum halten sie dem Unglauben die Auferstehung als einen unbestreitbaren Erweis der göttlichen Würde des Erlösers vor. Wir sahen schon erst, daß Christus auferstehen mußte, damit sein Erlösungswerk vollendet werde, daß also in feiner Auferstehung sein Werk als vollendet erschien. Jetzt setzen wir hinzu: Die Auferstehung ist nicht blos die Vollendung seines Werkes, sondern auch die feierliche Bestätigung und Besiegelung desselben von Seiten Gottes. So wie er durch seinen Sieg über den Tod als der Sohn Gottes erwiesen war, so war dadurch auch jegliches seiner Worte besiegelt, so war es nun gewiß, daß er wirklich das Gott wohlgefällige längst verheißene, und von allen Gläubigen des alten Bundes heiß ersehnte Opfer dargebracht habe für die Sünden der Welt, daß er sein Leben gegeben habe zu einem ewig und unbeschränkt gültigen Lösegeld, daß wir getrost leben und sterben können auf sein Wort: daß er uns versöhnt habe mit dem Vater im Himmel, daß wir zuversichtlich uns freuen können der wiedererlangten Gottes-Kindschaft, daß wir fröhlich unsrer Seligkeit gewiß sein können, wenn wir fortan im Glauben des Sohnes Gottes leben, daß wir die ganze erleuchtende und heiligende Kraft Gottes unser nennen können, wenn wir nur an ihm bleiben, um dessentwillen sie uns ertheilt werden soll, daß wir gewiß sein können auch unseres immer vollkommneren Siegs über die stets uns noch anklebende Sünde, daß wir geduldig und fröhlich sein können in allem Leid, daß wir schon hier auf Erden selig sein können in Hoffnung, daß wir einst wie er siegreich durch Dunkel und Tod hindurchdringen können zum ewigen Leben, daß wir aufgenommen werden von Ihm in das herrliche Reich seines Vaters und in die ewigen Friedenshütten, daß dort kein Schmerz, sein Geschrei, kein Leid, keine Thränen, kein Tod mehr sein werden, sondern nur unaussprechliche Freude, daß wir ihn einst sehen werden wie er ist, daß wir unter seinem Panier und an seiner Hand einst eingehen werden in das Allerheiligste Gottes, um an dem Lebensborne selbst für ewig unsern Durst zu stillen, und in der Engel und aller Seligen Gemeinschaft eines Daseins uns zu freuen, das zu unserm jetzigen sich verhalten mag wie die leuchtende Sonne zu dem dunkelsten Gestein in den Tiefen der Erde.

IV.

In dieser biblischen Weise angesehen gleicht denn allerdings die Auferstehung unsers Heilandes einer aufgehenden Sonne, aus welcher mit Himmelsklarheit, Wahrheit, Frieden, Gerechtigkeit, Kraft, Freudigkeit und ewiges Heil hervorleuchten. Das sehen wir denn auch alles in ihrem nächsten Gefolge. Das Leben des Herrn erscheint verherrlicht, wie ihn einst schon in wenigen seligen Augenblicken die Jünger auf dem Berge erblickten. Alles irdische ist verklärt, das menschliche vergöttlicht. Was er vorhergesagt hatte, ward erfüllt. Wie ein Besuch aus der obern Welt schwebt seine himmlische Gestalt noch um die, die ihn lieben, es wird seinem treuen Herzen schwer, schon ganz von ihnen zu scheiden, da sie nun erst recht wissen, was sie an ihm haben, da sie nun erst so recht mit ganzer Seele sein sind; mehrfach ist er bei ihnen, und ihr anfängliches Erschrecken über seine Erscheinung wird bald wieder zu der traulichsten und seligsten Freude über sein Nahesein, die Tiefen der Schrift öffnen sich vor ihrem Auge, hell strahlt ihnen die Goldader, die durch den ganzen Riesenbau dieses unerschöpflichen Bergwerks hindurchläuft, entgegen, und das flammende Goldmeer, aus dem sie entspringt und zu dem sie zurückgekehrt, ist ihnen nicht mehr verborgen. Jetzt, da sie die ganze Herrlichkeit des Sohnes Gottes erkennen, erkennen sie auch die ganze Größe ihres Berufs von ihm zu zeugen. Aber das Gewicht dieser Last, die nun auf ihren Schultern liegt, drückt sie nicht mehr, sie wissen ja, wer der ist, der alle Tage bei ihnen bleibt bis an der Welt Ende; es wird ihnen schwer noch an sich zu halten, die Wogen ihres innern Lebens gehen fast zu hoch, es möchte so gern der Mund übergehen von dem, wovon das Herz voll ist, aber sie müssen ja warten, bis sie die Weihe des Geistes empfangen haben, So harren sie dann wie kampfdurstige Krieger auf die Loosung zur Schlacht, sie jauchzen in dem entzückenden Bewußtsein ihrer heiligen Sache in der Gewißheit des Siegs, dem Vorwärts! ihres Königs entgegen. Und als es erklungen war, wie freudig eilen sie in den Kampf, wie hören wir alsbald ihren Siegesruf auf den Höhen und Ebnen der Erde erschallen, wie sammeln sie um sich die wahren Israeliten aus allen Völkern, wie gewinnen sie ihrem großen König eine Schlacht nach der andern, wie gehen sie aus diesem geistigen Kriege überall als Sieger hervor! Sie überwinden alles durch die. Kraft ihres Wortes, durch die Heiligkeit ihres Wandels, durch den Gottes-Geist, der in ihnen und durch sie wirkte; und selbst in Noth und Tod verlieren sie nicht die Freudigkeit und den Siegesmuth, da denken sie an Golgatha und an den seligen Auferstehungsmorgen, sie wissen, daß sie sein sind, daß sie Glieder sind an dem Leibe Jesu Christi, und so springen sie jubelnd in Flammen, und neigen dankend sich unter das Henkerbeil, weil sie ja wissen, daß das Haupt die Glieder nach sich zieht, daß sie durch den Tod hindurchdringen zum ewigen Leben, daß sie verklärt werden sollen, wie ihr auferstandener König, um dann ewiglich in seiner himmlischen Behausung bei Ihm zu wohnen und mit ihm zu herrschen.

Das war die Kraft der Auferstehung des Sohnes Gottes, die Grundfeste seines Reiches! So erwies sich diese Kraft in seinen ersten Jüngern, so durch alle Jahrhunderte hindurch in allen, die in ihre Fußtapfen treten. O daß auch unter uns sich immer mehr das siegreiche Leben des Auferstandnen offenbar machte, dann könnte in immer höherem Chor auch bei uns das Siegeslied erklingen:

O Tod wo ist dein Stachel nun?!
Wo ist dein Sieg, o Hölle?!
Was kann fortan der Feind uns thun,
Wie grausam er sich stelle?!
Geendigt ist der schwere Krieg!
Gott sei gedankt, daß er den Sieg
Durch Christum uns gegeben! Amen.

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