Frommel, Max - Am sechsten Sonntage nach Epiphanien.
Offenb. Joh. 3, 7-13.
Und dem Engel der Gemeine zu Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut und Niemand zuschließt, der zuschließt und Niemand auftut: Ich weiß deine Werke. Siehe, ich habe vor dir gegeben eine offne Tür, und Niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort behalten und hast meinen Namen nicht verleugnet. Siehe, ich werde geben aus Satanas Schule, die da sagen, sie sind Juden und sind es nicht, sondern lügen. Siehe, ich will sie machen, dass sie kommen sollen und anbeten zu deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. Dieweil du hast behalten das Wort meiner Geduld, will ich auch dich behalten vor der Stunde der Versuchung, welche kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die da wohnen auf Erden. Siehe, ich komme bald. Halte, was du hast, dass Niemand deine Krone nehme. Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes und soll nicht mehr hinausgehen. Und will auf ihn schreiben. den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen den neuen. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt.
Epiphanien neigt sich zu Ende, und Passion ist vor der Tür. Da tönt ein Klang an unser Ohr aus unserm Texte, der aus dem letzten Buche der Schrift entnommen ist. Wir nennen es die Offenbarung Johannis, Johannes selbst nennt es die Offenbarung Jesu Christi. Denn es sind Gesichte aus einer höheren Welt, es sind Worte aus dem Munde des ewigen Wortes, geredet vom Stuhl der Majestät und darum von so ergreifender himmlischer Gewalt, dass, ob wir schon nicht Alles darin verstehen, sie uns doch so wunderbar berühren wie Stimmen aus dem oberen Heiligtum, wie Friedensgrüße aus der oberen Heimat.
Während wir auch sonst predigen über die Briefe der Apostel, so ist es hier ein Brief Jesu Christi, dem Johannes diktiert von dem Auferstandenen und zur Rechten des Vaters Thronenden, der da wandelt inmitten seiner Gemeinden, der Alles sieht und Herzen und Nieren forscht; es ist ein Bescheid aus der himmlischen Kanzlei, der der Gemeinde sagt, was dem Auge des Herrn missfällt und wohlgefällt. Es ist ein köstlicher Nachlass unsers Herrn an seine Christenheit und will von uns gelesen sein, als wäre der Brief an unsere Gemeinde, an Jeden unter uns gerichtet zum Spiegel und Selbstprüfung. Darum sollen wir sein Wort vernehmen mit dem Gefühl: „Zeuch deine Schuhe aus, denn der Boden, da du auf stehest, ist heiliges Land,“ darum schließt jedes dieser sieben Sendschreiben mit dem Zuruf: „Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist der Gemeinde sagt.“ So hört denn, wie unser Text enthält: Eine Epistel des thronenden Christus vom Halten seines Wortes.
Wir sehen
- ihre Adresse,
- ihren Trost und
- ihre Mahnung.
O Herr, der Du nahe bist Allen, die Dich anrufen, nahe Dich zu uns und lass uns sitzen zu Deinen Füßen; rede Du mit unserer Seele, dass wir an Dir das Eine, was not ist, haben, dass wir's bis ans Ende behalten und unsere Krone davontragen. Amen.
I.
Nach der Weise, wie man im Altertum die Briefe schrieb, steht die Adresse und der Name des Schreibers obenan. Das Sendschreiben ist gerichtet an die Gemeinde zu Philadelphia in Kleinasien. Weil nun Philadelphia zu deutsch Bruderliebe heißt, so haben fast alle Kirchengemeinschaften, namentlich aber die Brüdergemeinde, diesen Namen auf sich gezogen und damit prangen wollen. Ja, es hat nicht an Auslegern gefehlt, welche in den sieben Sendschreiben sieben aufeinander folgende Abschnitte des Lebens der Kirche, gleichsam eine Kirchengeschichte im Kleinen, im prophetischen Geiste geweissagt, erblicken wollten. Ephesus sollte die älteste Zeit der Kirche mit ihrer ersten Liebe bedeuten, Smyrna die Märtyrerzeit, Pergamus die Zeit der Ausbreitung des Evangeliums, Thyatira das Papsttum, Sardes die tote protestantische Orthodoxie, Philadelphia die Zeit der erblühten Bruderliebe, endlich Laodicäa, zu deutsch Volksgericht, bedeute die Zeit der Revolution und des Endes. Allein das sind so Gedanken der Ausleger, welche uns um den gesegneten Gebrauch dieser Sendschreiben bringen würden, da uns ja der größte Teil derselben nichts mehr anginge. Wir sagen vielmehr: Jene sieben Briefe Christi gehen an die ganze Christenheit und an jede einzelne Gemeinde im Lauf der Jahrhunderte und halten im Spiegelbilde jener sieben kleinasiatischen Gemeinden, an welche sie zunächst gerichtet sind, der Kirche aller Zeiten die ernste Mahnung ihres erhöhten Hauptes vor das, was Er an jeder Gemeinde zu loben und zu tadeln hat. So wird der Text erst fruchtbar für uns, wenn wir ihn lesen als an uns gerichtet und uns fragen: Wo hebt der Herr den Finger auf und spricht auch zu uns: „Ich habe wider dich.“
Adressiert ist die Epistel an den Engel, d. h. den Hirten der Gemeinde. Denn Predigtamt ist Engelamt auf Erden. Heißen die Engel dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, welche ererben sollen die Seligkeit, heißt der Name Engel, angelus, zu deutsch: Bote Gottes, so sind Prediger des Evangeliums in ihrem Amte Gottes Diener, ausgesandt zu predigen das Evangelium, das da selig macht Alle, die daran glauben, wie Paulus sagt: „So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott.“ Das soll unsere Freude sein, geliebte Gemeinde, an euch Engeldienst zu tun auf dem Wege nach dem Himmel und zu wissen, dass es dem Herrn gefallen hat, nicht durch der Engel Mund, sondern durch unsern Sündermund die großen Taten Gottes zu predigen und die Gottesbotschaft unsern Brüdern zu bringen. Und wiederum soll das die Freude der Gemeinde sein, dass Predigtamt Engelamt ist, dass ihr nicht zu warten habt auf Engelerscheinungen, wie sie der reiche Mann empfohlen, sondern dass ihr unser Wort, sofern es mit der Schrift übereinstimmt, aufnehmet „nicht als Menschenwort, sondern wie es denn wahrhaftig ist, als Gottes Wort“; wie die Galater Paulum aufgenommen hatten als einen Engel Gottes und wie der Prophet spricht: „Wie lieblich sind die Füße der Boten, die da Frieden verkündigen, Gutes predigen und zu Zion sagen: Dein Gott ist König.“
Wer ist aber der Schreiber dieser Epistel? „Das sagt der Heilige und der Wahrhaftige“ es ist Jesus Christus, der hier redet, der Heilige, der zur Buße ruft, und der Wahrhaftige in seinen Gnadenverheißungen, der uns im Glauben stärken will. „Er ist's, der da trägt die Schlüssel Davids, der auftut und Niemand zuschließt, der zuschließt und Niemand auftut.“ Gleichwie Eliakim betraut war mit dem Schlüssel des Hauses Davids und so zum Hausmeister gesetzt war, der darin zu schalten und zu walten hatte, so ist Christus der rechte Eliakim, nicht ein Knecht, sondern der Sohn im Hause Gottes, welches ist seine Kirche, die Gemeinde der Gläubigen. Ist denn aber der Himmel verschlossen, dass es eines Schlüssels bedarf? Allerdings. Denn als die Menschen sündigten, stieß sie Gott hinaus aus dem Garten Eden, hinweg von seinem Angesicht, und der Himmel war zu und der Weg zum Baume des Lebens verschlossen durch den Cherub mit dem flammenden Schwert. Aber Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber, Christus hat den Himmel geöffnet, als er am Kreuze rief: Es ist vollbracht! So ist Er der Schlüsselträger geworden, und Ihm ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Er hat aber einen doppelten Schlüssel: den Löseschlüssel des Evangeliums von der Vergebung der Sünde und den Bindeschlüssel des Gesetzes von der Behaltung der Sünde. Wer nun zu ihm kommt, den will Er nicht hinausstoßen, sondern tut ihm die Türe weit auf und seht den herrlichen Trost hinzu: Wenn ich aufschließe, so soll Niemand zuschließen, nicht das Gesetz Mosis mit seinem Fluch, nicht die Pharisäer mit ihrem Spott: „Dieser nimmt die Sünder an,“ nicht Satan mit seinem Sündenregister. Halleluja, wo Jesus aufmacht, da soll's offen bleiben, und keine Macht der Erde und der Hölle soll uns die Himmelstür zuschließen. Aber wiederum spricht er: Wo ich zuschließe, da soll Niemand auftun. Er schließt aber zu vor allen denen, zu denen er sagen muss: Ich kenne euch nicht. Denn Niemand kommt zum Vater, denn durch Ihn. Wenn Jesus die Tür schließt, da kann Niemand aufschließen, nicht die guten Werke oder die frommen Vorsätze, nicht der Papst mit seinem Schlüssel Petri, nicht die Dietriche und Nachschlüssel der Weltkinder, nicht einmal die Klagen der törichten Jungfrauen.
Und diese Schlüssel des Himmelreichs sind kräftig in der Kirche Christi auf Erden, sie sind nicht gemacht aus Gold und Silber, sondern sie sind gemacht aus Wort, aus dem Wort der Predigt und aus dem Wort der Absolution. In solchem Worte hören wir hienieden die Stimme Jesu, im Worte des Evangeliums an die Bußfertigen die Stimme des, der auftut und Niemand zuschließt, im Worte des Gesetzes und des Gerichtes über die Unbußfertigen die Stimme des, der zuschließt und Niemand auftut.
II.
Was schreibt nun der Herr an seine Gemeinde? Er beginnt mit dem Trost, dass Er die Seinen kennt: „Ich weiß deine Werke.“ Was ein Donnerwort ist gegen die Heuchler, das ist hier ein Trostwort des guten Hirten. Denn da ein Christ nichts weiß von seinen guten Werken, sondern sieht an sich selbst nur Mangel und Schuld, und die linke Hand weiß nicht, was die rechte Gutes tut, so naht hier der Herr und tröstet: „Ich kenne die Meinen und bin bekannt den Meinen“, und das ist genug, dass Er uns versteht, wenn wir auch sonst unverstanden und unerkannt durch das Leben gehen müssten. „Ich habe vor dir gegeben eine offne Tür und Niemand kann sie zuschließen“ das ist eben die Tür des Hauses Gottes, von welcher wir vorhin geredet, durch welche uns der Zutritt zu allen Gnadenschätzen und zum Abbaherzen Gottes offen ist in der Vergebung der Sünde. „Und hast eine kleine Kraft.“ Wie tröstlich musste das in den Ohren der Leser klingen! Denn ein Christ fühlt seine Ohnmacht und rühmt sich mit Paulo am liebsten seiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei ihm wohne. Aber gerade das, dass der Herr weiß, wie klein seine Kraft ist, behütet den Christen davor, sein Pfund im Schweißtuch zu vergraben und zu sprechen: Ich habe so wenig Gaben, habe kein Amt in der Gemeinde, habe keine große Kraft und kann darum nichts ausrichten, sondern er lernt in stiller Freudigkeit den großen Grundsatz, dass, wer das Kleine tut, als wär' es etwas Großes, dem gibt Gott die Gnade, zu tun das Große, als wär' es etwas Kleines.
Unter Allem nun, was der Herr an Philadelphia sieht, hebt Er nur Eins hervor als das Wohlgefallen seines Auges: „Du hast mein Wort behalten.“ Nicht die großen Taten, die es getan hätte, nicht große Erfolge, die es erreicht, sondern dass es mit seiner kleinen Kraft das große Wort behalten hat. Denn das Wort muss es tun. Dieses Wort allein ist im Stande, ein Menschenherz umzugestalten. Das Wort des Gesetzes ist schärfer denn ein zweischneidig Schwert und dringt durch, bis dass es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der verborgenen Gedanken und Sinne des Herzens. Wo aber dieses Wort hindurchgefahren ist mit Schwertesgewalt und hat den tiefen Herzensschaden bloßgelegt und hat uns getroffen und verwundet, da entfaltet es auch seine himmlische Gewalt des Trostes im Evangelium, da macht es das Herz still im Frieden Gottes über alle Vernunft und macht es fest im Ankergrund der freien Gnade. Denn Himmel und Erde sollen vergehen, aber Christi Worte vergehen nicht. Das ist aber dann der Kampf des Glaubens im ganzen Pilgerleben: dies Wort zu behalten; denn es sind der Mächte genug, die es uns wegreißen wollen: der Satan mit seinen Zweifeln, die Welt mit ihrem Locken und Schelten, das eigene Fleisch mit seiner Vernunft und seinen Sorgen, mit seinen Lüften und Begierden. Das sind dieselben Mächte, die den Christen zum Verleugnen versuchen wollen, zu jener Halbheit, welche weiß den Mantel nach dem Winde zu hängen, den Verhältnissen Rechnung zu tragen und mit den Wölfen zu heulen. Der Herr aber lobt es an Philadelphia: „Du hast meinen Namen nicht verleugnet.“ Meine Lieben, hier lasst uns stille halten und uns an diesem Spiegelbild prüfen, ob wir der Gemeinde zu Philadelphia gleichen, oder ob der Herr uns wehmütig fragen muss: „Wollt ihr auch weggehen?“ Wenn du in stiller Stunde mit deinem Gott allein bist, wenn du dein Leben überblickst und Rechnung vor ihm tust von deinem Haushalten, wird der Herr zu dir sagen: Du hast mein Wort behalten. und meinen Namen nicht verleugnet?
Da setzt nun der Herr ein mit seinem eigentlichen Trost: Dieweil du hast behalten das Wort meiner Geduld, will ich auch dich behalten in der Stunde der Versuchung. Er weiß sie umringt von feindlichen Mächten, sichtbar und unsichtbar, welche sie im Glauben irremachen und in der Treue gegen das Wort erschüttern wollen. Er sieht sie gefährdet durch Irrlehrer, welche das lautere Evangelium mit jüdischem Sauerteig vermischen. Er kann ihnen auch die Anfechtung nicht ersparen, weil es sein heiliger Wille ist, dass in dieser Weltentwickelung das Unkraut mit dem Weizen, das Christentum mit dem Antichristentum wachsen und ausreifen soll. Seine Schafe müssen es hören und sehen, wie diese Irrlehrer auf Schriftstellen des Alten Testaments pochen und sich als die rechten Israeliten ausgeben. Seine Kirche und seine Jünger können nun einmal ohne Kampf nicht bleiben in dieser Welt, sie müssen ihn führen gegen die Sünde und gegen die Irrlehre; denn es wird Niemand gekrönt, er kämpfe denn recht. Sie sollen aber wissen, dass sie hineingestellt sind in den großen unsichtbaren Geisterkampf zwischen Christus und Satan, zwischen Himmel und Hölle. Darum sagt er: „Siehe, Ich werde geben aus Satanas Schule, die da sagen, sie sind Juden und sind es nicht, sondern lügen.“ Er redet von einer Schule Satans, denn wo Gott der Herr eine Kirche baut, da baut der Teufel eine Kapelle daneben. In dieser Welt stehen Engelskanzel und Teufelskanzel, Gottes Schule und Teufels Schule wider einander. Und wie die Kirche Gottes eine Grundfeste und Säule der Wahrheit ist, so lehrt Satan von seinem Katheder fort und fort Lüge. Das ist seine Theologie und Philosophie, denn er ist ein Lügner von Anfang und ein Vater derselbigen. Er ist der Geist, der stets verneint, und aus seiner Schule sind die, die da sagen, sie seien Juden und sind's nicht, die da sagen, sie seien Apostel und sind's nicht, die da sagen, sie seien Christen und sind's nicht, die da sagen, sie seien Protestanten und sind's nicht. Kann der Herr also seinen Jüngern diesen Kampf nicht ersparen, weil er mit der ganzen Entwicklung seines Reichs hienieden zusammenhängt, so tröstet er sie doch damit, dass Er sie in der Stunde der Versuchung bewahren und ihnen zum Siege helfen will. Sie sollen ihre Augen aufheben und erkennen, dass hinter dem sichtbaren Kampf auf Erden jener unsichtbare Kampf zwischen Himmel und Hölle, zwischen Christus und Satan geführt wird. und dass ihnen nicht zweifelhaft sein kann, wer in diesem Kampfe Sieger bleibt. Darum fährt er fort: „Siehe, ich will sie machen, dass sie kommen sollen und anbeten zu deinen Füßen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“ Er hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe und wartet, bis Jahrhundert um Jahrhundert seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden. Ja, er gibt sogar diesen Feinden einen Eindruck, dass seine Jünger denn doch unter seiner Hand stehen, er nötigt sie innerlich zu der Anerkennung, dass seine Christen ein Etwas besitzen, was sie dieser ganzen sichtbaren Welt überlegen macht, dass sie von einer Liebe leben, die sie auch im Leiden und Sterben glücklich, selig und stark macht.
Schon hienieden kann die Feinde des Kreuzes Christi, wenn sie mit wahren Christen zu tun haben, ein Gefühl beschleichen wie dort das Weib des Pilatus: „Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten,“ oder ein Gefühl, wie es der Kaiser Julian der Abtrünnige hatte, als er im Sterben zähneknirschend die Faust ballte und sie zum Himmel streckte mit dem Ausruf: „Du hast gesiegt, Galiläer!“ Und wenn der letzte Tag kommt und die Gräber sich auftun, wenn die Einen hervorgehen zur Auferstehung des Lebens, die Andern zur Auferstehung des Gerichts, wenn die Verlorenen rufen werden: Ihr Berge fallt über uns und ihr Hügel deckt uns,“ wenn sie selig und in überköniglicher Pracht schimmern sehen die Kopfhänger und die Betschwestern, die „Lotterbuben“ und die „Nazarener“, wenn sie aufschauen aus der Tiefe und sehen hinüber in den Reigen bei der Hochzeit des Lammes, dann werden sie anbeten und erkennen, dass Jesus die geliebt hat, die sein Wort behielten und seinen Namen nicht verleugneten. Das soll der Trost der Kirche sein mitten in ihrem Kampf mit dem Fürsten der Finsternis und seiner Lüge. „Herrscht der Teufel heut auf Erden, morgen wird Gott Meister werden.“ Halt fest am Wort, so wird das Wort dich halten auch in der Stunde der Versuchung, die längst über den Erdkreis gekommen ist und die fort und fort kommt bis zum jüngsten Tage. Es sind die Tage der Sündflut, und ist keine andere Arche als des Herrn Wort; es ist die Stunde Sodoms und ist kein anderes Zoar als die Wunden unseres gekreuzigten und auferstandenen Herrn in seinem Wort und Sakrament.
III.
Diesem himmlischen Trost fügt aber der Herr noch eine ernste Mahnung hinzu in den Worten: Halte, was du hast, dass Niemand deine Krone raube.“ Nicht gilt es, erst zu erwerben, denn wir haben es Alles geschenkt bekommen aus Gnaden und sollen's nur festhalten. Aber was haben wir denn, das wir halten sollen? Antwort: Christum haben wir in seinem Wort und Sakrament, und in Ihm haben wir Alles.
Warum sollt' ich mich denn grämen?
Hab ich doch Christum noch,
Wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
Den mir schon Gottes Sohn
Beigelegt im Glauben.
„Denn wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde.“ Diesen Christus gilt es halten im Glauben, und wär's mit zitternden Händen, und mit Jakob sprechen: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ Lieber Alles verlieren und nur Jesum behalten. „Gib, dass ich hier Alles nur achte für Kot und Jesum gewinne, dies Eine ist not.“ Denn nur so bleibt uns unsere Krone.
Darum gilt es überwinden. „Denn nur, wer bis ans Ende beharrt, der wird selig.“ Zwar sieht das Überwinden von außen nicht allemal so heldenmäßig aus, nach Davids Regel: „Wenn ich unterliege, so hilfst du mir, und wenn du mich demütigst, so machst du mich groß.“ Welt und Teufel hohnlachen manchmal: er, ist überwunden, und Gottes Engel singen doch: er hat überwunden. Der Jünger ist nicht über seinen Meister. Als Christus sein Haupt neigte und verschied, da triumphierten die Feinde, und doch hieß es von Stund an: „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat.“ Sprichst du aber in deinem Herzen: Ich bin so schwach und elend, wie soll ich überwinden in dieser Welt voll Versuchungen, in meiner schwierigen Lage, in meiner täglichen Not? so höre, wie der Prophet sagt: „Kein Einwohner Zions soll klagen: „Ich bin schwach,“ sondern mit Paulus sagen: „Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus.“ Willst du weinen in deinen scheinbaren Niederlagen, so rufe ich dir zu: „Weine nicht, siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamme Juda.“ Überwinden. heißt Glauben halten, überwinden heißt sich an den halten, der für uns überwunden hat, überwinden können wir nur durch des Lammes Blut und durch das Wort unsers Zeugnisses und dadurch, dass wir unser Leben nicht lieb haben bis in den Tod.
„Wer aber überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und soll nicht mehr hinausgehen. Und will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalems, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen den neuen.“ Der wird ewig bleiben im Hause Gottes, da keine Trennung, kein Schmerz, kein Geschrei, keine Tränen mehr sein werden, sondern ewige Gemeinschaft in der Hütte Gottes bei den Menschen, wo auf den Stirnen der Überwinder stehen wird der Name Gottes, des Vaters, der neue Name des Sohnes, nämlich des Erhöhten. und Verherrlichten, und der Name des neuen Jerusalems als Bürger in der Stadt Gottes, des zum Zeugnis: Ich bin dein und du bist mein, Niemand soll uns scheiden.
Behalte, Welt, das deine,
Du arme, blinde Welt,
Der Glaube bleibt das Meine,
Der Christi Blut behält.
Wenn alle Reichen darben,
Wenn Fürsten betteln gehn,
Will ich mit Freudengarben
In Zions Toren stehn.
Amen.