Flattich, Johann Friedrich - Luk. 2, 51

Flattich, Johann Friedrich - Luk. 2, 51

Jesus ging mit ihnen hinab, und kam gen Nazareth, und war ihnen unterthan. Luk. 2, 51.

Es ist mir merkwürdig, daß es von Jesu in seinem 12. Jahr heißt: Er war seinen Eltern unterthan, da er doch schon vorher ihnen in Allem gehorsam gewesen. Ich schließe demnach, daß solches eine besondere Unterthänigkeit gewesen ist. Nämlich vorher that er als ein Kind, wozu ihn seine Eltern anwiesen: in dem zwölften Jahr aber ging ihm zu Jerusalem ein besonderes Licht auf, welches machte, daß er sich einen eigenen, freiwilligen Entschluß faßte, seinen Eltern unterthan zu sein. Es giebt demnach einen zweifachen Gehorsam, und zwar einen Gehorsam in den Kinderjahren, und einen Gehorsam in den Jünglingsjahren. Der Gehorsam in den Kinderjahren hängt hauptsächlich von den Eltern ab, weßhalb Salomo die Eltern ermahnt, daß sie die Kinder unter der Zucht halten, und daß man dem Knaben den Hals biegen soll, da er noch jung sei, und Paulus fordert von einem Bischof, daß er gehorsame Kinder haben solle. Der Gehorsam in den Jünglingsjahren aber hängt hauptsächlich von den Kindern selbst ab, weßhalb auch Salomo die Kinder in den Jünglingsjahren ernstlich ermahnt, daß sie der Zucht ihres Vaters gehorchen, und das Gebot ihrer Mutter nicht verlassen sollen. Der Gehorsam in den Kinderjahren befördert und erleichtert zwar den Gehorsam in den Jünglingsjahren, doch findet man Exempel, daß Kinder, welche in den Kinderjahren sehr gehorsam gewesen, in den Jünglingsjahren in den größten Ungehorsam gerathen; man findet aber auch Exempel, daß ungezogene Kinder in den Jünglingsjahren sich eines bessern besinnen und gehorsam werden, weßwegen auch manche Leute bei einem unartigen Kind das Sprüchwort haben, man müsse nur warten, denn wenn es zu mehreren Jahren komme und gescheiter werde, so werde es schon von selbst anders werden, was aber öfters fehl schlägt. Da ich sowohl viele Buben, als auch viele Jünglinge in der Information und Kost gehabt habe, so verstund ich lange nicht, warum die Jünglinge schwerer zu regieren seien, als die Buben, bis ich wahrgenommen, daß die Buben in ihren Neigungen und Gedanken unbeständig und deßwegen auch in der Zucht biegsam sind. Die Jünglinge aber fangen an, ihre Neigungen und Gedanken auf Etwas zu fixiren. Wenn nun das, worauf sie sich fixiren, gebilligt wird, so laufen sie im Gehorsam; wenn es aber Etwas ist, so man ihnen nicht gestatten will, so widersetzen sie sich leichtlich in einem heimlichen oder öffentlichen Ungehorsam. Der Anfang der Jünglingsjahre wird zwar gewöhnlich in das vierzehnte Jahr gesetzt, doch kann er auch nach Beschaffenheit des Temperaments und der Erfahrung später geschehen.

Quelle: Ledderhose, Karl Friedrich - Johann Friedrich Flattich's Schriften

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