Brenz, Johannes - Sonntag Palmarum.

Brenz, Johannes - Sonntag Palmarum.

Matth. 21,1-9.
Da sie nun nahe bei Jerusalem kamen gen Bethphage an den Ölberg, sandte Jesus seiner Jünger zwei, und sprach zu ihnen: Geht hin in den Flecken, der vor euch liegt, und bald werdet ihr eine Eselin finden angebunden, und ein Füllen bei ihr; löst sie auf, und führt sie zu mir. Und so euch Jemand etwas wird sagen, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer; so bald wird er sie euch lassen. Das geschah aber alles, auf dass erfüllt würde, das gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig, und reitet auf einem Esel, und auf einem Füllen der lastbaren Eselin. Die Jünger gingen hin, und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte; und brachten die Eselin und das Füllen, und legten ihre Kleider darauf, und setzten ihn darauf. Aber viel Volks breitete die Kleider auf den Weg; die Andern hieben Zweige von den Bäumen, und streuten sie auf den Weg. Das Volk aber, das vorging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohne Davids! gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

In der Geschichte dieses Evangeliums scheint uns eine gar törichte und lächerliche Sache, ja schier eine solche vorgestellt zu werden, wie die Spiele der Kinder zu sein scheinen. Christus sitzt nämlich auf einem Esel, indem er gen Jerusalem zieht. Und die Einen, eine ungeordnete und gemischte Schar, werfen Zweige von den Bäumen vor ihn hin, die Anderen breiten ihre Kleider auf den Weg, Andere, die vorangehen und nachfolgen, schreien: Hosianna! Vornehmlich die Kinder rufen: Hosianna! Was zeigt sich uns hier Anderes, als ein lächerliches Kinderspiel? So wir aber die Sache selbst recht erwägen, werden wir finden, dass uns allermeist himmlische Dinge vorgehalten werden und, dass Christus an dieser Stelle uns das Allernotwendigste lehrt, was wir zu unserem Heile lernen müssen; denn es ist Christi alte Gewohnheit, durch Torheit die allerhöchste Weisheit zu wirken.

So möge uns denn die Geschichte dieses Evangeliums vorzüglich lieb sein, auf dass wir daraus lernen, was zu unserem Heile gehört.

Und zwar wird in dieser Erzählung erstlich offenbar angezeigt, Jesus sei der wahre Christus oder Messias, der allwissende und allmächtige König, welchem Alles im Himmel und auf Erden gehorcht. Denn da er nahe bei Jerusalem kommt, sagt er den Jüngern vorher, sie würden im nächsten Flecken eine Eselin und ein Eselsfüllen finden, und zeigt damit deutlich an, das den Augen der Menschen Entrückte sei ihm offenbar, was doch wahrlich ohne den Geist Gottes nicht hätte geschehen können. So sah er (Joh. 1,48) den Nathanael unter dem Feigenbaum, ehe denn Philippus ihn rief. So tut er (Joh. 4,18) dem samaritischen Weibe kund, welche geheime Sünden sie getan habe. So verkündigt er, weit entfernt, (Joh. 11,14) den Tod des Lazarus. So weiß er den verborgenen Verrat des Judas. Mag das an sich auch gar kleinlich erscheinen, so zeigt es doch, wenn man es mit anderen Wundern vergleicht, dass Christus der allwissende Sohn Gottes ist. Doch was frommt es es mir, Solches zu wissen? Viel, in jeglicher Beziehung. Denn hab' ich Christi Allwissenheit recht erkannt, so werd' ich mich zum Teil von Sünden abschrecken lassen; denn Christus sieht sie und ist der Richter. Ich scheue mich aber Angesichts vieler Menschen und bei Tage ein Verbrechen zu begehen; um wie viel mehr werde ich das Antlitz Christi fürchten müssen! Zum Teil werde ich beim Leiden in der Geduld bestärkt. Denn werd' ich angefochten, so verzweifle ich nicht, dass ich mich von Christo verlassen glaube, sondern ich empfinde, dass mir Christus in Anfechtungen nahe ist und beistehen will.

Dass er aber seine Jünger absendet, um den Esel zu holen und, dass sie, obwohl dieser fremden Herren gehörte, es doch mit einem einfachen Worte erreichen, dass sie dessen Benutzung gestatten: das beweist Christi offenkundige Macht. Und es ist nicht zu verwundern, dass die Herren des Esels so willig ihr Tier auf seinen Befehl überlassen haben, da die Apostel nachher im Namen Christi Teufel und Fieber und andere Arten von Krankheiten gezwungen haben, die Menschen zu verlassen. Diese Gewalt müssen wir sorgsam bei Christo in Acht nehmen, auf dass wir im Besitze seines Wortes meinen, wir werden das erlangen, was sein Wort verheißt. Denn es gibt Leute, die sich weigern, wenn sie Befehle von Gott überkommen, aus Furcht, ob der Macht der Widersacher Gott nicht gehorchen zu können; allein sie werden durch diese Stelle zum Gehorsam ermahnt. So fürchtet sich Mose, da er das Volk Israel aus Ägypten führen soll, vor der Gewalt des Königs von Ägypten; aber der Herr heißt ihn ziehen und fügt die Verheißung hinzu: „Ich werde mit dir sein.“ Und als Mose gehorsam war, da ist der Esel, d. h. das Volk Israel, losgelassen worden. Also fürchten die Apostel, wie sie in alle Welt entsandt werden, um die Esel, d. h. die Heiden, zu Christo zu führen, die Macht der Welt, vernehmen aber: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten.“ Ich will euch Rede und Weisheit verleihen. Durch solche Beispiele werden wir erinnert, dass ein Jeglicher, wo er von Gott Befehl empfangen hat, mit Fleiß handle, durch kein Unglück erschreckt, der gewissesten Zuversicht, dass, der gebeut, auch bewirken werde, dass kein Unheil überwiegen kann.

Dass die Menge jedoch Zweige und Kleider hinwirft und, dass nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder ihm zurufen: „Hosianna! gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ das erweist öffentlich Christi Majestät, dass er eben der durch die Propheten verheißene Sohn Davids ist, und dass alle Geschöpfe ihm untertan sein müssen. Die Kleider nämlich stellen die Menschen, die Zweige die übrigen Geschöpfe dar. Daher werden die Kleider und Zweige Christo zu Füßen geworfen, zum Beweise, dass die Herrschaft über alle Geschöpfe Christo zustehe. Wollen wir nun den Palmsonntag recht feiern, so brauchen wir nicht äußerlich Palmen und Zweige hin zu streuen, was ein kindisches Spiel wäre, sondern lasst uns all' das Unsere im Glauben gebrauchen und der Berufung Gottes folgen; denn das heißt in Wahrheit Palmzweige und Kleider hinbreiten. Dazu kommt, was danach erfolgt, die Austreibung der Verkäufer und Käufer aus dem Tempel. So ist denn in dieser Geschichte Christi Allwissenheit, seine Allmacht und göttliche Majestät ans Licht gebracht.

Darauf müssen wir bei dieser Erzählung beachten, welches die Weise des Reiches und der Majestät Christi in dieser Welt ist. Obschon Christus nämlich der große und erhabene Herr des Himmels und der Erde ist, so besteht doch seine Majestät nicht in irdischer Größe und sein Reich ist nicht von dieser Welt. Und das ist es, was Christus auch bei jenem Einzuge in Jerusalem kundtun wollte. Denn siehe, wie demütig, wie niedrig Alles geschieht! Er reitet auf einem Esel, fährt nicht in einem Wagen, mit Rossen bespannt. Er sitzt auf Kleidern, die wohl gar zerrissen sind, nicht aber auf einem vergüldeten Sattel. Er hat zum Geleite die Schaar des Volkes, nicht der Oberen. Die Kinder rufen ihm zu, nicht die Hohenpriester, noch die Pharisäer. So gibt es also hier keine ins Auge fallende Zurüstung oder Begleitung. Allein er wollte ja eben das beweisen, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Darum wird Solches (Zach. 9,9.10) deutlich geweissagt, da der Prophet das Reiten Christi und die Wagen von Ephraim, die Rosse von Jerusalem einander gegenüberstellt. Das mag zwar gemein und alltäglich erscheinen, und dennoch liegt viel daran, Solches zu wissen, weil ja Christus auf so vielfache Weise, so sorgfältig gelehrt und eingeschärft hat, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Er hat zugelassen, dass Johannes aufs Grausamste getötet ward, und zwar im Verborgenen, nur damit man erkenne, sein Reich sei nicht von dieser Welt. Er hat die Apostel Verfolgung leiden lassen, hat seine Jünger oft auf die Kindheit zurückgewiesen und sich dem Leiden preisgegeben, auf dass man wisse, sein Reich sei nicht von dieser Welt, d. h. auf dass man lerne, wie wir unser Glück nicht in dieser Welt suchen, uns in Anfechtungen nicht stracks äußerliche Hilfe versprechen, sondern die göttliche oder himmlische erwarten müssen, sie sei nun fühlbar oder nicht.

Endlich hat Christus mit diesem Schauspiel uns auch vor Augen stellen wollen, wie wunderbar die Herrlichkeit dieser Welt ist. Denn die jetzt ihre Kleider hinbreiten und jauchzen: „Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ dieselben rufen bald nachher: „Hinweg, hinweg! kreuzige ihn!“ Was sollen wir denn nun tun? Sollen wir die menschliche Ehre von uns werfen und in Schanden leben? Keineswegs; aber nach dem Beispiele Christi und Pauli wollen wir uns richten. Christus hat bei der Ehre nicht so geprangt, dass er Gottes Berufung im Stiche gelassen hätte, in Anfechtungen nicht so den Mut sinken lassen, dass er verzweifelte. Paulus spricht (Phil. 4,12.13): „Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei Allen geschickt, beide satt sein und hungrig sein, beide übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht, Christus.“

Lasst uns also aus diesem Evangelio lernen: erstens die Allwissenheit, Allmacht und Majestät Christi; zweitens, dass diese Majestät nicht von der Welt ist, damit wir uns nicht in dieser Welt irgend eine beständige Glückseligkeit versprechen; endlich, der Fromme müsse so Ehre wie Schmach in der Welt tragen können und in allen Stücken Gott gehorchen durch Christum, welcher gelobt ist in Ewigkeit. Amen.

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