Blumhardt, Christoph - Andachten zum Buch des Propheten Jesaja
Jesaja 24,16
“Wir hören Lobgesänge vom Ende der Erden, zu Ehren dem Gerechten.“
Lobgesänge vom Ende der Erden konnten zur Zeit des Propheten Jesaia noch nicht gehört werden ; denn nirgends war der HErr erkannt, als in dem einen Winkel des gelobten Landes. Wie hätte man auch von dem Gerechten etwas wissen können, von dem Einen Gerechten, auf den man erst noch warten mußte, und dessen Zukunft nur unter dem Volke Gottes gehofft werden konnte! Aber Jesaias sieht es im Geist voraus; er hört sie innerlich, die Lobgesänge, die einst werdenden Lobgesänge vom Ende der Erde her, von den äußersten Ländern her.
Sie wurden noch lange nicht gehört; und bis heute noch ist das uns fernste Land noch am verschlossensten. Es ist das Japan, für uns das Ende der Welt1). Da darf kein Evangelium hinein, und was drinnen war, ist mit Stumpf und Stiel ausgerottet worden. In China geht’s jetzt und geschieht viel, auch sonst überall fast in allen Ländern der Erde, so daß man wohl sagen kann, es erschallen jetzt überall, Japan und die Mitten von Asien und Afrika ausgenommen, Lobgesänge zu Ehren dem Gerechten. Es giebt wirklich, die angeführten Ausnahmen abgerechnet, kaum noch ein Land, in welchem man nicht Christen fände, und zwar evangelische, ernstere Christen, zum Teil spärlich, zum Teil doch zahlreicher. Jedes Missionsblatt, das uns neue Berichte vom Schall des Evangeliums und seiner Wirkung in der Heidenwelt bringt, ist ein Lobgesang von draußen her. Wenn man die Missionsgeschichte, wie sie eben in Calw herausgekommen ist2), überblickt, so kann man sagen, ist’s vom ersten bis zum letzten Blatt Lobgesang an Lobgesang, trotz allen Klagetönen über Kämpfe und Hemmungen, die auch nicht fehlen. Denn es werden in unsern Tagen überall, wenn oft auch zunächst nur wenige Herzen, - mitunter sind’s auch viele, - für den HErrn JEsum gewonnen, eben den Gerechten, durch dessen unschuldiges Blut wir geheiligt sind vor Gott. Je mehr wir aber diese Lobgesänge vernehmen, desto ernster mahnen sie uns, einmal nicht zurückzubleiben, sodann, aufzumerken, in welcher Zeit wir stehen. Beides tut Not.
Der Lobgesänge sollten es also erstlich bei uns mehr sein, wenigstens nach Verhältnis mehr, wenn’s draußen so lieblich zu tönen anfängt. Ich verstehe darunter die wirklichen Bekehrungen; denn das sind die rechten Lobgesänge. Die stillen Freudenklänge, tönend in den Herzen, die JEsum finden, - das sind Lobgesänge. So ein Geschwirr mit Geigen und Posaunen, mit Hörnern und Flöten, mit Pauken und sonst Instrumenten, sei’s auch zu dem wunderschönen Liede: „Nun danket alle Gott,“ ist meist kaum ein Lobgesang zu nennen; denn es soll den Menschen zum Genuß, nicht Gott zu Ehren tönen. Indessen schon recht, daß man’s auch tut. Aber ein eigentlicher Lobgesang ist’s, wenn’s im Himmel wiederhallt; und das geschieht bei den Engeln über einem Sünder, der Buße tut. Dergleichen Lobgesänge, die von neuen Erregungen und Bekehrungen zeugen, sollten mehr bei uns vorkommen, als man vor Augen sieht; und je mehr von außen her uns bekannt wird, wie oft die rohesten Heiden ihre Kniee vor dem HErrn beugen lernen, desto dringender ist das eine Aufforderungen uns, nicht zurückzubleiben, daß wir nicht die Letzten werden, oder gar draußen bleiben müssen.
Jene Lobgesänge von draußen her lehren uns auch aufmerken, in welcher Zeit wir stehen. Denn wenn einmal das Evangelium in der ganzen Welt wird verkündigt werden, - so sagt’s uns der HErr JEsus, - dann kommt das Ende. Wir sind demnach noch zu keiner Zeit, von den Tagen der Apostel her, dem Ende so nahe gewesen, als jetzt, weil zu keiner Zeit das Evangelium so weit ausgebreitet gewesen ist, als sich’s jetzt ausbreitet. Darum wollen wir unsrerseits nichts versäumen, daß wir mit unter den Sängern seien, d. h. unter den Bekehrten, und mithelfen, daß der Sängerchor sich vergrößere, wie draußen, so auch in unseren Kreisen.
Mel. Lobe den HErren, o meine Seele.
Lobet den HErren, lobt, alle Heiden,
Und alle Völker, preiset Ihn!
Lasset ertönen das Lob mit Freuden,
Daß es erschall’ zum Himmel hin,
Denn Gnad’ und Wahrheit Er uns beut
Von nun an bis in Ewigkeit.
Hallelujah !
Jesaja 32,4.
„Die Unvorsichtigen werden Klugheit lernen, und der Stammelnden Zunge wird fertig und reinlich reden.“ („ … wird fließend und klar reden.“)
Der Prophet redet von einer Heilszeit, in der vieles den Menschen gegeben werde, das ihnen in andern Zeiten gebreche. Seit der Heiland gekommen ist, stehen wir in einer solchen Heilszeit. Und was könnte uns nicht alles werden, wenn wir selbst auch darum bemüht wären!
„Die Unvorsichtigen“, heißt es, „werden Klugheit lernen“: es werde eine Zeit kommen, da das Törichte, Verkehrte, Blinde, Unbedachtsame in den Herzen der Menschen schwinden und die rechte Klugheit bei ihnen einkehren werde. Damit ist freilich nur gesagt, daß es denen, die sich darum bemühen, mit den verheißenen neuen Kräften gegeben werde, es zu erlangen. Aber der Unvorsichtigen gibt es trotzdem doch noch viele unter uns, selbst unter den ernsteren Christen. Denn sie bemühen sich nicht um Besseres. Und doch ist’s nicht auszusprechen, wie viel Schaden die Unvorsichtigkeit bringt! Vielfältig läuft man in der Welt, die doch im Argen liegt, umher, wie wenn nichts zu fürchten wäre! Man tappt an allem herum und hat sich, ehe man sich’s versieht, beschmutzt, vergiftet - oder es „schnappt“ gar und man ist in der Falle wie ein Mäuschen, das sich vom Geruch reizen und locken läßt und daran herum trippelt, bis es „schnappt“. Das ist die Unvorsichtigkeit, mit welcher viele in grausige Gefahr, selbst des Todes und des ewigen Todes, hineinkommen. Klug zu werden hätten wir doch alle Ursache, zumal uns jetzt so klar geoffenbart ist, wie der Feind uns überall Fallen legt! Wo wir gehen und stehen, so dürfen wir denken, hat der Feind eine Falle gelegt, weil er immer hauptsächlich auf die Torheit und Unvorsichtigkeit der Menschen rechnet, wie es schon beim ersten Sündenfall geschah. Das tut er besonders dann, wenn er denkt, daß an den Seelen etwas für den HErrn sein könnte, der den Satan überwunden hat. Ach, wie viel Jammer bringt die Unvorsichtigkeit namentlich jungen Leuten!
Es ist aber doch die Zeit da, da die Unvorsichtigen Klugheit lernen könnten, sich zu hüten vor alle dem, was äußerlich gleißt und schimmert - und doch im Hintergrund Verderben hat! Wer sich durch Buße und Glauben an den HErrn Jesus bekehrt, der kann’s lernen; und er lernt’s um so mehr, je völliger er sich mit seinem ganzen Wesen zu Gott wendet. Vor allem kann er sich auch der vielen Zungensünden enthalten lernen, an denen vornehmlich die Unvorsichtigkeit der Menschen zu erkennen ist. Denn es ist ja hier auch verheißen, daß der Stammelnden Zunge fertig und reinlich reden werde.
Zu dem allen bedarf es freilich eines beständigen Aufblicks nach oben, eines steten Seufzens und Bittens mit Wachsamkeit: „HErr, bewahre Du mich! Schütze Du mich! Lenke Du mich! Gib Du mir zur rechten Zeit den Wink, da ich selbst zu dumm wäre, es von mir aus zu merken, was in diesem und jenem liegt! Und regle meine Sinne, daß sie mich nicht betören! Zähme namentlich meine Zunge, daß sie’s in nichts verderbe!“ Wer so betend seinen Weg geht, kommt gut durch, wie es verheißen ist. Wer aber aus sich selbst mit Selbstvertrauen zurechtkommen will, ohne recht aufzumerken - dabei wohl auch Warnungen und Weisungen verschmäht -, der kommt oft unversehens schnell zu Fall, besonders dann, wenn noch allerlei Gelüste in ihm nicht völlig ertötet sind.
Ach, daß uns der HErr helfen möge zum Sieg, durch Wachsamkeit und Vorsicht!
Jesaja 32,4
Der Stammelnden Zunge
„Stammelnd“ ist ein eigentümlicher Ausdruck. So sind, geistlich genommen, die Leute hauptsächlich dann, wenn sie ans Geistliche kommen sollen. Vielen läuft’s mit dem Reden in allem glatt weg. Wenn sie es aber ein wenig geistlich wenden oder wenn sie für die Wahrheit einstehen, wenn sie nur nach dem Gewissen reden und sagen sollen, was recht und nicht recht ist, dann stammeln sie und bringen’s nicht heraus; oder sie bringen’s verkehrt heraus und sind im Nu unter den Tisch geschwatzt.
Statt dessen nun soll man „fertig“ reden lernen; fertig: indem man’s versteht, das vorzubringen, was recht ist, was andern frommt und zum Guten dient; wenn man dabei auch immer wieder neue Gedanken hat und die Worte dazu bekommt, daß man vor allem stets Antwort weiß und nicht stecken bleibt. Solches muß gegeben werden; und dazu ist uns der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit, verheißen.
Was aber gegeben werden soll, muß auch erbeten sein. Man soll darum lernen, mit dem Aufblick zum HErrn zu reden, wenn man sich verantworten oder wenn man einem überklugen standhalten oder überhaupt mit andern verkehren soll. Wie „fertig“ könnten wir so doch werden zu Trost, Erbauung, Rat, Belehrung, Warnung, auch Bestrafung. Und wie würde doch alles auch uns wieder zur Bewahrung dienen, wenn wir uns mehr in die Gegenwart des HErrn stellen würden!
Aber auch „reinlich“ soll die Rede werden: wenn keine Bitterkeit, keine widrige Stimmung, keine Lieblosigkeit, keine Schroffheit, nichts Herbes, nichts Abstoßendes in dem liegt, was man sagt. Die erfahrene Liebe Christi sollte ja unsre Rede reinlich machen können, wenn wir darauf achten würden! Und wie wichtig wäre doch das! Mancher ist wohl „fertig“ und weiß nach rechts und links hinauszugeben, daß er das Feld behauptet - aber er verwundet, verletzt, betrübt, beleidigt, ärgert, tötet wohl gar mit seiner „fertigen“ Rede. Das aber, ach, wie mißlich ist das!
Also fertig und reinlich reden, gewandt und weislich, mild und sanft, erbaulich, wohltuend, rein von aller Falschheit und aller Lieblosigkeit reden - das soll der „Stammelnden Zunge“ lernen. Wir können’s als Jünger Jesu bei gutem Stand unsres Herzens, wenn wir wollen, durch den Heiligen Geist!
Jesaja 41,17.
“Ich, der Herr, will die Elenden und Armen erhören, Ich, der Gott Israels, will sie nicht verlassen.“
Elende und Arme begegnen uns allezeit in tausend Gestalten. Ihnen vornehmlich wird zunächst alles Heil nahe gelegt. Wen Niemand ansieht, den sieht der HErr an, und so, als ob Er nach den Andern, die nicht das Ansehen von Elenden haben, gar nicht sähe. Wollen aber die Andern doch auch angesehen werden, so müssen sie sich unter die Reihen der Armen und Elenden zu stellen wissen. Das tun sie, wenn sie nach den Dingen dieser Welt nichts fragen, auch wenn sie sie haben, sich dennoch arm und elend fühlen, weil ihnen, was allein für sie Wert hätte, abgeht, das Ewige, Himmlische. So sind sie gleichfalls die Elenden und Armen, die der Herr erhören will. Wenn aber Gott sie erhören will, so will Er ihnen gerade das geben, was Wert für sie hat. So tröstet das Wort die Elenden der alten Zeit, mit Hinweisung auf das kommende Evangelium und die Geisteserquickungen, die dasselbe bringen sollte. Die gnädige Zeit nun ist gekommen; und der HErr hat die Elenden und Armen erhört. Denn den Armen wurde das Evangelium verkündigt; und den Mühseligen und Beladenen wurde Erstickung und Ruhe der Seelen angeboten, wie wir das wissen.
Im Grunde aber giebt es der geistlich Elenden und Armen, auch unter den Gläubigen, - von den Andern können wir hier nicht reden, - in jetziger Zeit wieder viele, sofern sich der HErr etwas ferne gestellt hat, so daß sie oft Mühe haben, Seine Freundlichkeiten zu empfinden, Seines Trostes zu genießen, Kräfte zu erlangen. Sie fühlen eine gewisse Verlassenheit, weil auch die Gaben des heiligen Geistes das nicht mehr sind, was sie waren. Daher kommt an Leute, die das schmerzlich in ihren besonderen Wehen fühlen, ein Weinen und Trauern, freilich in der einen Zeit mehr, als in der andern. Wenn sie dann überall nur Verderben und Jammer sehen, Sünde und Torheit, auch eigenes Unvermögen, und fast aus sich selbst beschränkt erscheinen, da sie nicht wissen, wie es anzugreifen, um volle Befriedigung des Herzens und volles Genüge zu bekommen, so kann man wohl sagen, daß sie arm und elend seien gegenüber von denen, die sich satt zu machen wissen mit dem, was da ist, mit dem Zeitlichen, Irdischen und Vergänglichen. Je mehr wir aber so elend und arm werden, desto mehr wird der HErr unser Elend ansehen. Das sagt uns obiges prophetisches Wort, das auch auf unsere Zeiten als eine Verheißung gilt. Endlich wird es wieder anders kommen, und wird wieder eine neue Barmherzigkeit von oben herniederleuchten, da es dann heißt: „Die Elenden sollen essen und satt werden.“ Er erhört sie in der Zeit ihres Elends und ihrer Armuth; Er, der HErr, wird sie nicht verlassen.
Zusatz: Unterdessen geht es doch, wenn’s auch kümmerlich geht. Der HErr bringt Seine Elenden dennoch durch unter dem Seufzen, bis auf die Zeit, da es heller werden darf und Momente des Jubels den endlichen vollen Sieg des HErrn verkündigen. Also seien wir nur elend und arm, und wollen wir nicht mit Gewalt reich sein, - ich meine geistlich reich, - und uns in eine geistliche Wohlhäbigkeit hineinzwingen. Denn das wäre ungefähr, wie wenn Einer Blei hat, und mit Gewalt sich vorstellt, es sei solides Gold. Da läßt man ihm den Glauben. Aber Gold hat er eben keines, sondern nur Blei; und wenn’s gilt, so merkt er, daß man mit Blei nicht ausrichten kann, was mit Gold. Also seien wir nur elend und arm. Dann haben wir wenigstens das freundliche und barmherzige Ansehen des HErrn gewiß, und Seine gütige Leitung nebst der Hoffnung, daß endlich in allem werde geholfen werden.
Mel. Valet will ich.
Ihn, ihn laß tun und walten!
Er ist ein weiser Fürst,
Und wird sich so verhalten,
Daß du dich wundern wirst,
Wenn Er, die ihm gehören,
Mit wunderbarem Rat
Das Werk hinausgeführet,
Das dich bekümmert hat.
Jesaja 42,1
„Siehe, das ist Mein Knecht, Ich erhalte Ihn, und Mein Auserwählter, an welchem Meine Seele Wohlgefallen hat.“ („… - ich halte Ihn - .. .“)
Unter dem „Knecht des HErrn“ wird bei dem Propheten Jesaja bald das Volk Israel überhaupt verstanden, bald sein kommender Repräsentant: der verheißene Christus, der aus ihm hervorgehen sollte. Ganz Israel hatte den Beruf, etwas zum Segen für alle Geschlechter der Erde zu werden. Dieser Beruf aber erhielt seinen Höhepunkt in Christus; durch Ihn als Seinen Knecht wollte der Gott Israels Seine Sachen ausrichten in der ganzen Welt. Was Israel als Knecht sein sollte, handelnd und leidend, ist Er, unser hochgelobter Heiland. Von Ihm ist in unsrer Stelle die Rede.
Wenn Gott Seinen kommenden Knecht zu erhalten versprach, mußte vorerst auch das Volk erhalten werden, aus dem Er kommen sollte. Es liegt also in der Verheißung auch das, daß alle Schwierigkeiten, die der Erscheinung des kommenden Knechts entgegenstanden, behoben werden sollten, bis Er da wäre. Das Volk selbst, das öfters einem völligen Untergang ausgesetzt war, mußte immer wieder erneuert werden, damit unter ihm Der kommen konnte, mit welchem alles gegeben ist und von dem Gott sagt: „Mein Auserwählter, an welchem Meine Seele Wohlgefallen hat.“ Erhalten werden mußte sodann dieser erschienene Knecht gegenüber den Anfeindungen der Finsternis - wie Er gleich nach Seiner Geburt mit dem Tode bedroht war. Und wie oft mag es auch der Feind auf seine Vernichtung abgesehen haben, die auch zuletzt ihm scheinbar gelang! Errungen aber hat Er sich das Recht des Erhalten-Werdens durch Gehorsam. Das deutet auch das Zeugnis an, das Er bei der Verklärung erhielt: „Dies ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe.“
Er starb, der Knecht des HErrn, wurde aber doch „erhalten“, da Ihn der Tod nicht halten durfte. Nun wird auch Sein Werk erhalten, das durch Seinen Tod vernichtet schien. Was auch die Feinde toben und die Hölle wütet: Die Sache des Knechtes des HErrn kommt über alle Gefahren, über alle Widerspruche, Verfolgungen durch der Widersacher glücklich hinüber und rettet sich siegreich durch bis zu ihrer Vollendung! Oft hat es den Anschein gehabt in der Geschichte, als ob sie immer mehr verschwinde und zunichte werde. Aber immer wieder hebt sie sich durch die starke Hand ihres Erhalters empor. So wird’s fortgehen, bis die Zeiten der großen Siege kommen. Diese kommen gewiß; denn Der verheißen hat, Seinen Knecht zu erhalten, ist treu!
Wie der Knecht des HErrn erhalten worden ist auf Erden, bis Er Sein Werk vollbracht und Er sich auf den Thron Gottes gesetzt hatte, und wie Sein Werk im Großen fort und fort erhalten wird, so werden auch die einzelnen Gläubigen erhalten, bewahrt vor dem Argen. Die, welche in Buße und Glauben so stehen, daß sie auch die Auserwählten heißen können, an denen der HErr Wohlgefallen hat, werden gleichermaßen wie der Knecht des HErrn erhalten werden. Wer nur auch ein treues Herz hat und sich wiederum zum Knecht des HErrn hergibt - wie’s nun auch sein möge -, darf sich darauf verlassen, daß der HErr mit ihm sein und ihn erhalten werde, bis es mit ihm zum rechten Ziel gekommen ist. Hierin bestärkt uns auch das Hohepriesterliche Gebet Jesu, da Er zuerst betet (Joh. 17, 12): „Dieweil Ich bei ihnen war, erhielt Ich sie in Deinem Namen.“ Dann übergibt Er sie mit allen, die durch ihr Wort an Ihn glauben würden, dem Vater mit der Bitte, daß Er sie „bewahre vor dem Argen“.
Lassen wir uns durch solche Verheißungen unter allen Anfechtungen trösten, um geduldig auszuharren, bis wir haben, was der HErr zu unsrem Heile sich vorgenommen hat!
Jesaja 42,2
“Es wird nicht schreien noch rufen; und Seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.“
Mit dem heutigen Spruch wird etwas von dem Charakter des kommenden Heilands gesagt. Er wird, das ist angedeutet, sozusagen kein Schreier sein, d.h. keiner, der mit polterndem Geschrei und gewalttätigem Wesen sich Eingang verschaffen und gegen Widersacher und Feindselige sich durchschlagen will. Man wird Ihn insofern nicht auf den Gassen hören, als Er nirgends Straßentumult anregt, keinen bewaffneten Anhang sammelt, auch nicht mit der Fahne in der Hand durch die Straßen gehen und sagen wird: „Wer hält’s mit Mir?“ Kurz, Er wird sich nicht auf die gewöhnliche Weise wie andere Anhang und Geltung zu verschaffen suchen, sondern in aller Stille ohne jeglichen Lärm Einfluss gewinnen. Er wird jeden rauhen, beleidigenden und herrschsüchtigen Ton vermeiden.
Solches wird von dem Propheten besonders hervorgehoben, weil darin zugleich eine wichtige Lehre für alle die liegt, welche an des HErrn Statt zu wirken angewiesen sind. Denn da geschieht es gar leicht, dass Seine Diener und wer Sein Werk in die Hände nehmen will, nicht nach des HErrn Art ihre oder, wie sie sagen, des HErrn Sache treiben. Vielmehr tun sie das nach der Art der Schreier, wie sie sonstige Volksführer an sich haben.
Wo man daher in unsrer Zeit Geneigtheit wahrnimmt, Lärm zu machen und anzuregen, da darf man immer denken, dass es nicht nach dem Sinne des HErrn geschehe. Da muss man auch vorsichtig sein, sich nicht zu sehr dabei zu beteiligen, auch wenn man sonst nichts Besonderes einzuwenden wüsste. Dazu gibt es mancherlei Sekten und Sektierer, die es nur darauf anlegen, Geschrei zu erheben. Sie werfen sich auf mit eigenen Zeitschriften und mit Abhalten großer Vereinsversammlungen, in welchen man die Zunge frei walten lässt; oder sie gebrauchen sonst allerlei Weise, wie sie’s eben ausfinden. Bei dem allen bekommt man den Eindruck, dass es nicht die Weise sei, die der HErr hatte, und dass der Charakter des HErrn - Seine Einfalt, Seine Stille, Seine Demut, Seine Sanftmut, Seine Geduld, Seine Wertschätzung aller - nicht dabei sei. Wohl kann es geschehen, dass heutzutage manchem in gutem Sinn die Geduld ausgehen will und dass er meint, es fast mit den Haaren herbeiziehen zu müssen, dass die Leute besser hören, besser laufen, besser drangehen! Aber es lässt sich nichts weniger erzwingen als Herzensbewegungen. Und drum verdirbt man’s immer da, wo man mit seinem Eifer außer der Ordnung läuft.
Bauen wir unter dem Ernst, mit dem wir das Unsre nicht versäumen, auf die still wirkende Macht des Geistes, und halten wir nicht Fleisch für unseren Arm! Denn ein fleischlicher Eifer kann’s nur bis zu einem Scheinwesen bei andern bringen. Und damit ist in der Regel mehr verloren als gewonnen!
Zusatz zu Jesaja 42, 2 - „Der Heiland wirkt in Stille und Ordnung“
Der Heiland wirkt in Stille und Ordnung. Wie es der Prophet andeutete, so geschah es: In Städten und Marktflecken zog sich der HErr gerne in Häuser zurück. Da ließ Er sich zu Gast laden oder lud sich selbst ein, wie es in Jericho geschah. Im Übrigen sprach Er in den Synagogen, da die Vorsteher, wie es in Nazareth geschah, Ihn zum Sprechen aufforderten; oder Er sprach im Tempel, da Er wie andere Lehrer in den zu freien Vorträgen eingerichteten Hallen redete und meist nur Gespräche führte. War Er im Freien, auf dem Felde, in der Wüste, auf einem Bergabhang, am Ufer des Meeres: Nirgends hatte es das Ansehen eines Tumultes oder Auflaufs, auch wenn viele Tausende zusammenkamen! Auch wurden die Leute nicht gleichsam zusammengetrommelt, sondern sie kamen alle von selbst, wie sie das Verlangen trieb, den großen Propheten zu sehen, der so gewaltig - d. h. so eindringlich, aber ohne Schreien und Lärmen - sprach und so wunderbare Taten verrichtete. Weil es ein Herzensdrang war, der die Leute hertrieb, ging immer alles still, ruhig und geordnet zu; nirgends kamen sogenannte Exzesse vor. Deswegen fiel Sein Wesen nirgends der Obrigkeit als etwas Bedenkliches, als das eines Ruhestörers auf. Und niemals konnte eine Klage gegen Ihn eingebracht werden, selbst in der Zeit nicht, da der Hass der Oberen gegen Ihn aufs Äußerste gesteigert war. Zwar versuchten sie, es vor Gericht zur Sprache zu bringen, dass Er das Volk im ganzen Lande erregt habe (Luk. 23, 5). Aber weder Herodes noch Pilatus beachteten diese Anklage. Denn sie wussten wohl, dass Sein Wirken das unschuldigste von der Welt gewesen war. Wie harmlos und geordnet es um Ihn her zuging, kann man auch aus dem ersehen, wie Er bei einer Seiner wunderbaren Speisungen es leicht dahin bringen konnte, dass ihrer Fünftausend nach Schichten von je Hundert und Hundert und je Fünfzig und Fünfzig sich im grünen Gras lagerten (Mark. 6, 39 f.).
Mit all dem aber ist uns die stille Macht Seiner Persönlichkeit und die den Bedürfnissen des Volks zutreffende Art Seiner Reden ausgedrückt. Alles, was Er redete und tat, empfahl sich so von selbst, dass von Seiner Seite aus nicht das geringste von dem erforderlich war, womit andere Volksführer sich emporzuschwingen pflegen.
In der christlichen Kirche ist es oft anders gewesen. Und vieler Sache bekommt dadurch ein schlimmes Ansehen, dass sie von sich aus soviel Lärm machen und so vieles mit Gewalt erzwingen wollen. Mit Verdächtigung anderer trommeln sie die Leute zusammen. Sie tun es als solche, die es besser zu machen wüssten und sich ernstlicher der Seelen annähmen, als die Mietlinge und faulen Arbeiter! Gibt’s dann Widerstand und Gegenreden, so ist des Streitens und Zankens kein Ende. Nach rechts und links kann mit einem grimmigen Eifer - den man für einen heiligen Eifer hält - und mit schonungsloser Klatscherei und Verleumdung gefochten werden. Solches und andres mehr passt auf keinerlei Weise für einen Jünger Christi, der des HErrn Sache vertritt.
Denn Christus steht vor allem, wie Er es selber sagt, als der Sanftmütige, und Demütige in der Mitte der Mühseligen und Beladenen, die Er mitleidig zu Seinem Heile beruft.
Jesaja 43,12.
„Ich habe es verkündigt und habe euch (auch) geholfen.“
Mit diesem Spruch will gesagt sein: „Wie ich’s euch verkündigt habe, so habe Ich euch geholfen.“ Oder auch: „Ich habe es euch verkündigt, und somit habe Ich euch, ist euch schon geholfen!“
Der HErr, der durch den Propheten redet, legt das, was Er eigentlich erst verkündigt, bereits in die Gegenwart, als wäre schon geholfen, als wäre die Hilfe schon da. Hat Gott einmal Sein Wort gegeben, so ist’s als fertig und ausgemacht anzusehen und sollte bei uns alles Zweifeln aufhören. Wie kann denn Gott etwas sagen - und doch nicht halten? Wie kann Er etwas verkündigen - das hintendrein nicht wahr wird?
Vor allem kommt’s bei uns darauf an, daß wir die Verkündigung wirklich als vom HErrn gekommen nehmen. Und wir sehen, wieviel uns doch genommen ist, wenn wir’s nicht mehr glauben, daß Gott geredet habe in der Schrift. Dann ist uns alle Hoffnung genommen und gestaltet sich unser Glauben und Hoffen um in eine bloße Phantasie - die eher ein Traumbild und Schein als Wahrheit sein könnte. 0 daß der HErr es unsrem Geschlecht wieder gewisser machen möchte, daß Er selbst sich herabgelassen hat, mit uns zu reden, uns die zukünftige Hilfe anzukündigen! Alle christliche Freudigkeit und Sicherheit, die wir doch haben sollten, hängt davon ab. Und mit nichts hat uns der Feind einen größeren Schaden beigebracht, als damit, daß er in so vielen - denen’s nun alle nachschwatzen wollen - die Meinung hat aufkommen lassen, als sei es unmöglich, daß Gott zu den Menschen rede. Zwar ist es aufgrund der Schrift zu glauben, daß Gott wirklich geredet habe. Jene aber meinen, es sei dem allen nicht so, sondern es sei eben alles menschliche Dichtung und Einbildung oder gar Betrug und Täuscherei! Viele dagegen glauben’s, wie die Schrift will, aber sie trauen nicht; und die entehren Gott fast noch mehr als jene, sind mindestens ebenso übel dran.
Gott will also helfen oder, weil Er’s gesagt, hat schon geholfen! Soviel wir auch noch Jammer durchmachen müssen, hat Gott doch schon geholfen, weil Er’s verkündigt hat.
Bei solchen Reden sieht’s Gott ab auf die Erlösung der ganzen Kreatur von all ihrem Seufzen. Und das, was Er verkündigt hat, liegt in den voranstehenden Worten: „Ich, ich bin der HErr, und ist außer Mir kein Heiland.“ Als Heiland kündigt Er sich selber aller Welt an, und das ist und bleibt Er denn auch. Ist doch das unser beständiges Seufzen: „Ach, HErr, hilf!“ So seufzt alles, was lebt, und besonders der Mensch, der sich in tiefer Nacht und Finsternis fühlt und von sich aus nirgends hinaussieht. Denn alles ist durch die Sünde in Unordnung gekommen, so daß nichts mehr im rechten Geleise geht, nicht einmal die Natur, wie vielfältig angedeutet ist; und wieviel Elend und Jammer fließt daraus! Am meisten fühlt sich der Mensch aus der Ordnung gekommen. Denn all sein Denken, Fühlen und Wollen ist verkehrt und verschoben - und nur gar zu oft so, daß er an sich selber Ekel und Widerwillen hat. Da seufzt er denn: „Ach, HErr, hilf!“
Aber in allem will Gott Hilfe schaffen. Heiland will Er sein. Und den Anfang hat Er damit gemacht, daß Er den Heiland sandte. Der ist’s, der sich für uns hingegeben, der’s mit all Seinem Tun gezeigt hat, wie sehr Er bereit ist zu helfen! Er ist’s auch, der den ganzen Menschen neu schafft durch den Heiligen Geist; und durch Ihn soll zuletzt alles neu werden im Himmel und auf Erden. Ist dies geschehen, dann wird alle Kreatur sagen: „Der HErr hat’s verkündigt, der HErr hat geholfen, siehe, es ist alles neu geworden!“
Unterdessen ist uns auch im kleinen Hilfe zugesagt. In allem will Gott unser Heiland sein. Glaub’s, und Er ist’s! Wenn wir’s wagen zu glauben, haben wir schon das Gefühl der Hilfe; und wir können fröhlich die Lasten tragen. Mit dem Glauben können wir über alle Berge hinüber - wenn wir auch einstweilen keine Berge versetzen können.
Zuletzt wird alles gut!
Jesaja 43, 12
“Ich habe es verkündiget und habe euch geholfen.“
In der verlesenen prophetischen Stelle wird der Leser mit dem Propheten in die Zeit versetzt, da geholfen ist, da alles erfüllt ist, was zum Heil der Welt geschehen soll, da also Gott zu Seiner Kreatur sagen kann: „Ich hab’s euch verkündigt und habe euch geholfen.“
Zunächst sind wir noch in der Verheißungszeit, obwohl der Grund zur Errettung durch Christum gelegt ist, und wird uns mehr nur gesagt: „Es wird euch geholfen werden.“ Anfänge von dieser allmählich werdenden Hilfe sehen wir bereits im Kleineren und Größeren. Aber wie viel noch übrig ist, worin die Hilfe noch nicht erschienen ist, und wir auf’s Warten verwiesen sind, ach, das sehen wir ja! Aber es ist vollkommen gewiß, daß die Hilfe zuletzt in allem kommt, so daß uns der HErr bereits das Gemälde der geschehenen Hilfe, ja, der geschehenen Hilfe, vor Augen stellen kann, mit der Unterschrift: „Ich habe es euch verkündigt, und Ich habe euch auch geholfen.“
Das müssen wir nur glauben und hoffen; und mit diesem Glauben und dieser Hoffnung ausgerüstet, wollen wir denn auch, so weit es heute seyn muß, auseinandergehen. Ein jegliches hat sein Joch zu tragen, unter dem es seufzt; einem jeglichen aber wird gesagt: „glaube, hoffe, es wird geholfen werden.“ Getrösteten Gemütes machen wir eben Tag für Tag fort, immer den Widerhall der Worte im Ohr hörend: „Es wird geholfen werden!“ Mit dieser Hoffnung ist bereits eine Hilfe gegeben. Denn es wird dem Menschen, der in der Hoffnung steht, leichter ums Herz, wie wenn wirklich schon geholfen wäre. Er kann muthiger fortpilgern, und fühlt, daß sein großer Helfer und Retter ihm zur Seite steht, und ihn nicht verläßt, bis es erreicht ist, was er hofft. Unterdessen aber hängt bei der Erfüllung unserer Hoffnung viel ab von dem, wie wir sind. Daher das Wort im Lehrtext.
Mel. Werde munter.
Gott, wir danken Deiner Treue,
Daß Du Deines Volks gedenkst,
Und uns immer auf das Neue
Trost aus Trost im Worte schenkst,
Daß Du unsern Glauben gründ’st
Und in uns selbst überwind‘st,
Bis wir nach dem kurzen Ringen
Dort das Halleluja singen.
Jesaja 43,13.
“Ich bin, ehe denn nie kein Tag war und ist Niemand, der aus Meiner Hand erretten kann; Ich wirke, wer will es abwenden?“
Da hören wir’s, wie es um den übel bestellt sein mag, der einem Gericht verfällt und sich selbst helfen will, und um ein Land und um ein Volk, das im Ungehorsam steht, wenn es sich, bei vorkommenden Gerichten, durch eigenes Vornehmen entziehen will. Ein König, den Gott verderben will, wie es damals geschah, mag noch so viele Bündnisse schließen, und noch so viele Menschen, dazu Wagen und Rosse und Wehrmittel aller Art zusammenbringen, - sie können ihn nicht erretten; ein Mensch kann sich wider Gott nicht helfen. Da meint Einer, er könne sich, wenn das oder das erfolgt, mit dem und dem helfen und retten, wie wenn er des lieben Gottes spotten dürfte. Nun, darauf bezieht sich unser Spruch. Hat einmal Gott wider Jemand etwas vor, so kann dem nichts mehr helfen, als höchstens, - und das dann in der Regel sicher, - aufrichtige Buße und Demütigung vor Gott. Das kann allein helfen, während allem aufbieten, um ohne Gott sich selbst zu helfen, fast einem Trotze gleich sieht. Wie aber Buße hilft, ist uns mit Ninive gezeigt, welchem der Untergang nach vierzig Tagen angekündigt wurde, da es aber Gott wieder reuete, weil alles Buße tat im Sack und in der Asche.
Es geschieht allerlei in der Welt, wo man es klar sieht, daß es der HErr ist, Der’s tut; und dennoch läuft man bis an’s Ende der Welt, um Mittel oder Menschen zu suchen, die’s wieder abwenden sollen. Dagegen hätten wir oft Ursache, uns zuerst unter die gewaltige Hand Gottes zu demütigen und ruhig zu bleiben, ohne so viel Abenteuerliches vorzunehmen, uns zu helfen. Je abenteuerlicher das ist, womit wir uns helfen wollen, desto gottwidriger; und abwenden kann man auf diese Weise doch nichts von dem, was Gott beschlossen hat, wie man zur Genüge erfährt. Aber mit kindlicher Buße und wahrem Glauben und Vertrauen läßt sich viel, oft das Größte, ohne viele Umstände zu Wege bringen, wenn man es denn Gott allein machen läßt, und aus Gnaden von Seiner Hand sucht. Mögen wir’s täglich mehr lernen, und unter Seinen Schutz und in Sein Erbarmen zu stellen. Solch Vertrauen zu stärken, ist der HErr JEsus erschienen, wie wir heute lesen im Lehrtext.
Mel. Es ist gewißlich an der.
Du siehst, wie mancher Sünder fällt,
Wenn Gott die Strafe sendet.
Doch bleibest du ein Kind der Welt,
Von ihrem Tand verblendet:
Des Nächsten Sturz erschreckt dich nicht;
Du glaubst, daß Gottes Zorngericht
Dich niemals treffen werde.
Jesaja 45,24.
„Alle, die Ihm widerstehen, müssen zuschanden werden.“ („… werden zu Ihm kommen und beschämt werden.“)
Der HErr hatte hier eben gesagt und geschworen: „Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HErrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“ Aber da sind, weil es immerhin noch Widerstehende gibt, nur alle Gott suchenden Seelen gemeint, nur solche, die eben auch einen Gott wollen! Diese werden einst alle keinen andern Gott mehr anbeten als den HErrn, wie Er sich im Alten und Neuen Testament geoffenbart hat.
Leider gibt es immer viele, die dem HErrn widerstehen, d. h. dem HErrn, der sich geoffenbart hat. Denn ihr Widerspruch ist eben der, daß sie nicht anerkennen, sie hätten’s wirklich mit dem HErrn zu tun in dem, was von Ihm gesagt wird. Sie widerstehen, weil sie denken, es sei nicht so, wie man sage, und der HErr habe nicht geredet. Wenn sie wirklich die Überzeugung hätten, daß es der HErr sei, der dies und das gesagt, getan, verkündigt, befohlen, verboten habe: so würden sie es kaum wagen zu widerstehen. Deswegen sagt auch Petrus zu den Juden (Apg. 3,17): „Ich weiß, daß ihr’s aus Unwissenheit getan habt wie auch eure Obersten“, - daß ihr nämlich den HErrn gekreuzigt habt. Ebenso sagt auch Paulus (1. Kor. 2,8) von der“ verborgenen Weisheit Gottes, welche keiner von den Obersten dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den HErrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.“
Aber so ganz unschuldig sind die Widerstehenden deswegen nicht. In der Regel ist es das, daß sie die Finsternis lieber haben als das Licht oder in einem natürlichen Trotz und Übermut stehen, bei dem sie im Gefühl eigener Kraft und Weisheit sich die Augen gewaltsam verschließen, um es nicht zu sehen, nicht zu erkennen, nicht zu merken, es nicht glauben zu müssen, daß sie’s mit dem HErrn zu tun haben. Sie mögen oft Eindrücke bekommen - die sie aber nicht gelten lassen und in sich unterdrücken. Sie lassen sich von allerlei Dingen dieser Welt die Augen blenden, von Leidenschaften hinreißen, wie von Selbstsucht, Stolz, Geiz, Unreinigkeit, Neid, Ärger, Eigensinn, irdischen Sinn überhaupt. Je nachdrücklicher das Wort an sie kommt, desto mehr können sie über die Gottgetreuen im Unmut poltern, schreien, lachen, scherzen, spotten, höhnen - wie wenn sie’s nur mit dummen Leuten zu tun hätten, die verstandlos glauben würden, niemals aber mit dem HErrn und Seiner Person Selbst! Da sieht man’s aber, daß sie den Stachel der Wahrheit zwar fühlen, gegen ihn jedoch mutwillig ausschlagen. Sie selbst könnten’s schon an dem merken, daß sie verkehrt sind und daß der Lügengeist sie beherrscht: daß sie nur gar zu oft auch der Mordgeist einnimmt; denn es kann bei ihnen oder ihresgleichen in grausame Verfolgungswut ausarten. Dann widerstehen die Verkehrten noch in anderer Weise dem HErrn, sofern sie schnurgerade Seine ins Herz geschriebenen Gebote, die Gebote der Liebe und Menschlichkeit, aus den Augen setzen.
Aber zuschanden müssen sie werden, alle, die Ihm widerstehen! Eine Weile läßt Gott sie machen; und oft dürfen sie obenan stehen - als ob Gott sehen wollte, wieweit sie’s doch auch treiben würden! In der letzten Zeit räumt ihnen der HErr sogar noch viel ein, so daß es scheint, als ob sie’s gewinnen dürften und müßten. Aber sie könnten’s, wenn sie nicht blind wären, drunterhinein schon merken, daß sie’s nicht hinausführen werden. Und sie werden sie doch zuletzt erschrecken und zuschanden werden, wenn „Ihn sehen werden alle Augen und die Ihn gestochen haben“ (Off. 1, 7)! Der Sieg ist des HErrn!
Aber bei den Seinen erfordert’s Geduld und Ausdauer, um festzustehen. Denn oft müssen vor Augen eben sie zuschanden werden und Narren heißen mit dem, was sie glauben!
Nur fortgeglaubt und ausgeharrt! Der HErr läßt’s den Seinen nicht fehlen. „Das Feld wird Er behalten!“
Die Widerstehenden
Mitunter können es auch dem Anschein nach fromme Leute sein - wir sehen’s ja an den Pharisäern -, die dem HErrn und Seinem Tun widerstehen, indem sie letzteres nicht erkennen wollen und darum mit ihrer Vernunft, mit ihrem natürlichen Verstand darüber herfahren. Es paßt ihnen nicht, darum sagen sie freihin: „Fort damit!“ So hat der Hohe Rat - der heilig gehaltene! - lauter Gotteswunder gesehen, zuerst an dem HErrn selbst und dann an den Aposteln! Aber jenen haben sie gekreuzigt, und diesen waren sie stets bis auf den Tod aufsässig. Wie fromm aber gebärdeten sie sich dann wieder andererseits zu Haus und im Tempel!
Wie aber die Widerstehenden oft vorläufig schon zuschanden werden - wenigstens Ursache hätten, sich zu schämen -, davon gibt uns auch die Schrift Beispiele. So hatte der Hohe Rat einmal die Apostel ins Gefängnis gesperrt (Apg. 5, 18ff.). Diese wurden, als man sie vor Gericht stellen wollte, hinter den verschlossenen Türen nicht mehr gefunden. Wie wurden die Ratsherren da betreten, was doch werden wolle! Endlich kommt einer und sagt: „Sehet, die Männer, die ihr ins Gefängnis geworfen habt, sind im Tempel, stehen und lehren!“ Wie hatten sich doch da die Ratsherren mit ihrem Eifer so lächerlich gemacht! Und wie hätten sie sich vor dem verborgen waltenden Gott schämen sollen! Aber sie waren schon über die Scham hinaus und dachten dennoch daran, die Apostel zu töten - wohl um sich nicht ferner schämen zu müssen! übrigens war’s damals, daß Gamaliel es wagen konnte zu sagen: „Lasset ab von diesen Menschen und lasset sie fahren! Ist der Rat oder das Wort von Menschen, so wird’s untergehen. Ist’s aber aus Gott, so könnet ihr’s nicht dämpfen, auf daß ihr nicht erfunden werdet als die wider Gott streiten wollen!“ Zu jener Stunde gaben sie denn wohl nach - aber vom Widerstehen konnten sie doch nicht lassen.
Jesaja 49,5
“Der HErr hat Mich von Mutterleibe an zu Seinem Knecht bereitet, daß Ich soll Jakob zu Ihm bekehren, auf daß Israel nicht weggerafft werde. Darum bin Ich vor dem HErrn herrlich, und Mein Gott ist Meine Stärke.“ („…, daß Ich Jakob zu Ihm zurückbringen soll und Israel zu Ihm gesammelt werde; darum bin Ich vor dem HErrn wertgeachtet, …“)
Hier wird der Knecht des HErrn, der kommen sollte und in Christus wirklich kam, in der Weissagung redend eingeführt. Und es wird uns zum voraus vorgehalten, daß Er von Mutterleibe an zum Knecht des HErrn bereitet worden sei.
Damit ist auf Sein wunderbares Kommen in die Welt hingewiesen. Denn Er kam nicht in die Welt wie andre Menschen, obwohl Er von einem Weibe geboren war; Er war also in höherem Sinne von Mutterleib an bereitet als wir. „Das in ihr geboren ist“, sagt der Engel zu Joseph, „das ist von dem Heiligen Geist“ (Matth. 1,20). In Ihm ist das ewige Wort Fleisch geworden; und so wurde Er zum Knecht des HErrn bereitet. Mit Ihm ist etwas Neues in die Menschenwelt gesetzt. Weil aus dieser in gewöhnlicher Weise kein Reiner geboren werden konnte, so hat Gott das größte Wunder getan seit der Erschaffung der Welt, daß „das Wort Fleisch ward und unter uns wohnte“. Dies geschah, damit dem Menschengeschlechte ein Reiner und Unschuldiger gegeben würde - dessen wir bedurften, um nicht ewig verlorenzugehen, und der's nun für alle auswirken kann, daß sie als rein und gerecht vor Gott dargestellt werden könnten. Wie wenig bedenken wir's doch, was damit für uns arme, verlorene Sünder geschehen ist! Wir tun vielmehr, wie wenn gar keine Gefahr vorhanden gewesen wäre! Und doch sind wir wie ein „Brand aus dem Feuer“ errettet (1. Sam. 3, 2). Im Himmel werden wir's erfahren, wie es war, und vielleicht dann noch einmal erschrecken, wenn wir es sehen, vor welchem Abgrund wir gestanden sind!
Die Absicht des HErrn bei alledem war, Israel zum HErrn zu bekehren, und dann weiter, nach und nach die ganze Welt zu bekehren. Denn so ist es nicht, daß wir unbekehrt das Heil finden könnten! Immer noch stehen wir in Gefahr, hingerafft zu werden, - wie der Spruch sagt, d. h. verlorenzugehen, wenn wir nicht mit bußfertigem Geist zu Jesus kommen, nicht uns an Ihn anklammern und uns durch Ihn zu etwas Neuem umgestalten lassen. Aber alles kann der HErr Jesus nun für uns tun, weil Er sich so für uns hingegeben hat, wie Er sagt: „Darum bin Ich von dem HErrn herrlich gehalten und ist der HErr Meine Stärke.“ Alles gab der Vater schon auf Erden Seinem Kind, was dieses in der Liebe an den Elenden tun wollte. Von allen Krankheiten und Übeln konnte Jesus alles, was zu Ihm kam, losmachen. Und das sollte uns ein Vorbild von dem sein, was Er uns auf alle Ewigkeit zu geben vorhatte.
Gott aber war Seine Stärke, daß es Ihm in nichts fehlte. Gott hat Ihn nun auch erhöht und hat Ihm „einen Namen gegeben, der über alle Namen ist“. Wie ist Er doch nun so herrlich auf Gottes Thron! Wie ist nun Gott Seine Stärke, da Ihm „alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden“!
Legen wir uns doch mit allem, was uns drückt, in Sein Erbarmen, selbst unter den schwersten Anfechtungen! Ihm fehlt's an keinen Mitteln, uns zu helfen. Alles steht Ihm zu Gebot.
Glauben wir nur!
Jesaja 49, 8.
“So spricht der HErr: Ich habe dich erhöret zur gnädigen Zeit, und habe dir am Tage des Heils geholfen.“
Es braucht eine Zeit von Seiten des HErrn zur Erhörung und zur Hilfe. Wenn ich heute bete, folgt nicht, daß augenblicklich komme, was ich bete. Es wird auf die gnädige Zeit, auf den Tag des Heils, aufgeschoben; oder eigentlich, es vollendet sich die Erhörung und die Hilfe bis auf den Heilstag. Die Gebete aber wirken darauf hin, daß sich’s aus den Heilstag vollenden kann. So ist’s, um es deutlich zu machen, wenn wir um das Kommen des HErrn bitten, wie wir ja angewiesen sind, zu beten: „Dein Reich komme!“ Da können wir nicht erwarten, daß es gleich da sei.; sondern wir müssen warten auf den Heilstag, auf die gnädige Zeit. Aber unsre Bitte: „Komm, HErr JEsu!“ hat doch die Wirkung, daß es einen Schritt vorwärts geht, oder daß die Vorbereitungen zum Kommen des Herrn im Gange bleiben oder in den Gang kommen.
Der Heilstag und die gnädige Zeit sind auch nicht unabänderlich festgesetzte Zeiten; sondern sie werden und kommen, je nachdem gebetet wird. Wenn nicht und nirgends gebetet wird, steht gleichsam der Wagen stille, und kommt so nicht vorwärts. Wenn recht ernstlich gebetet, gerungen und gekämpft wird, dann läuft er und kommt er schon wieder dem Ziele näher. Je mehr die wahren Kinder Gottes mit Aufrichtigkeit und Ernst anhalten, desto schneller ist der Wagen am Ziel, kommt also die gnädige Zeit und der Tag des Heils. Es ist einer der ungeschickteste Glaubenssatze, wenn man sich alles nach der Zeit so bestimmt denkt, wie’s kommen müsse, und meint also, ungefähr in dem und dem Jahre, da werde es. Solches hindert am ernstlichen Anhalten, das doch der HErr verlangt. Denn dann könnte jemand sagen.: „Wenn’s so ist, nun, dann brauche ich auch nicht zu beten; es kommt doch, ob ich bete oder nicht bete.“ Das ist sicher ganz falsch. Sein Kommen und überhaupt alle seine Gnadenerweisungen stellen sich, wie die Aufforderungen zum Gebet deutlich anzeigen, nur als Erhörungen auf geschehene Bitten und Seufzer heraus. Sie kommen also nicht, wenn nicht gebetet und geseufzt wird, weil es dann keine Erhörungen sind, - und sollen doch Erhörungen seyn. So hat Israel in Ägypten in der Trübsal geseufzt; und endlich hieß es: „Gott erhörete ihr Wehklagen und Seufzen und erbarmte sich seines Volkes,“ und sandte ihnen Mose zum Retter. Ohne das fromme Seufzen des Volks zu dem HErrn, daß Er darein sehe, hätte ein Mose noch lange auf sich warten lassen. So geht’s durch alles hindurch, bis in’s Kleinste. Alles muß hergebetet werden. Aber es braucht auch alles seine Reife, - das übersehen wir oft, - daß Eines das Andere bringen, Eines das Andere machen muß, bis die rechte Zeit geworden ist. Doch je ernstlicher gearbeitet wird mit Bitten und Flehen, desto rascher ist auch die gnädige Zeit da und der Heilstag.
Nun merket’s euch!
Mel. Befiehl du deine Wege.
Hoff’, o du arme Seele,
Hoff’ und sei unverzagt!
Gott wird dich aus der Höhle,
Da dich der Kummer plagt,
Mit großen Gnaden rücken
Erwarte nur die Zeit,
So wirst du schon erblicken
Die Sonn’ der schönsten Freud’.
Jesaja 49,16.*
“Siehe in die Hände habe Ich dich gezeichnet, deine Mauern sind immerdar vor Mir.“
Das Wort des Propheten geht auf Jerusalem, überhaupt auf das Volk des HErrn, das zerstört war, oder von dem Propheten Jesaja, der etwas früher lebte, als zerstört gedacht wurde, und welches wiederherzustellen Gott beständig im Auge hatte. „In die Hände habe Ich dich gezeichnet,“ sagt der HErr, d. h. „zur beständigen Erinnerung habe Ich’s in Meine Hand geschrieben, daß Ich’s, wenn Ich nur Meine Hand aufmache, lese.“ Natürlich ist das menschlich gesprochen, um es lieblich und wohltuend für uns zu sagen. Es wird vorgestellt, wie wenn unser Eins sich ein Zeichen macht, um durch dieses Zeichen beständig erinnert zu werden. So wird‘s auch hier von Gott vorgestellt, als habe Er sich zur Erinnerung ein Zeichen in der Hand gemacht. Es drückt das nachdrücklich aus, wie es Gottes ernstester Vorsatz war, Jerusalem wieder herzustellen und das Volk wieder in Ordnung zu bringen. „Deine Mauern, deine zerstörten Mauern sind immerdar vor Mir,“ sagt der HErr, d. h. „Ich muß immer an sie denken, sie wieder aufbauen zu lassen.“ Dieß ist nun auch wirklich geschehen. Denn schon 70 Jahre nach der Zerstörung wurden die Anfänge zur Wiederaufrichtung des Staats gemacht.
Des HErrn Wort hat aber auch eine allgemein gültige Bedeutung. Was nemlich vom ganzen Volk gesagt wird, daß der HErr seiner gedenke, darf das einzelne Volksglied auch auf sich anwenden, als ein Teil des Ganzen. Was ferner zum alten Bundesvolk gesagt wird, giebt auch dem neuen etwas, und wiederum wie dem ganzen neuen Bundesvolke, so auch den einzelnen Bundesgliedern. Denn Gott bleibt Sich in Seiner Treue gleich, und was Er einem Geschlechte in der Vorzeit war, ist ein Vorbild dessen, was Er zu allen Zeiten denen ist und sein will, die Er Sein nennen kann, oder zu Seinem Eigenthum machen will. So hat Er jetzt alle Völker in Seine Hund gezeichnet, und deren Verstörung ist immerdar vor Ihm, weil Er den bestimmten Vorsatz hat, alle aufzurichten und in Sein Reich hereinzubringen, durch das inzwischen eingetretene Evangelium. Ebenso hat Er alle Gläubigen wieder besonders in Seine Hand gezeichnet, ihrer zu gedenken, daß Er das, was in ihnen noch Verstörtes und Verheertes liegt, möge noch in Ordnung bringen.
Hienach dürfen alle Menschen, namentlich die bereits als in Seine Gnade aufgenommen gelten, sich als solche ansehen, die der HErr in Seine Hände gezeichnet habe, die Ihm also beständig anliegen, daß sie möchten aus aller Verwirrung und Verkommenheit herauskommen, und etwas werden für Ihn, und gerettet werden durch Ihn. Besonders, die in großem Jammer und Elend sind, leiblich oder geistlich, dürfen sich’s wohl denken, daß der HErr ihrer gedenke, und beständig ihrer gedenke, gleichsam ihretwegen sich ein Zeichen gemacht habe, um sie nicht zu vergessen, und daß Er sicher seiner Zeit ihnen die nötige Hülfe leiste. Jede Seele liegt Ihm unzweifelhaft an mit größter Sorgfalt. Zum rechten Glauben aber gehört, - und wir sind ja durch des HErrn Wort selbst dazu berechtigt, - daß man sich als unter der besondersten Pflege Gottes durch JEsum Christum stehend denkt. Solches ist der Höhepunkt des christlichen Glaubens, dabei man’s festhält, daß die eigene Seele so viel vor Gott gelte, daß Er alles im Stande ist zu tun, um sie zu erretten. - Hingegen darin tut der Feind uns am Meisten Tuck an, wie der Lehrtext uns andeutet.
Mel. Befiehl du deine Wege.
Dich mag es nicht gereuen,
Daß Du uns ruhen heißt;
Es darf sich Niemand scheuen,
Weil Du sein Elend weißt.
In aller Noth zu flehen,
Ist allen frei erlaubt;
Und allen soll geschehen,
Wie ihr Herz wünscht und glaubt.
Jesaja 50, 4
“Er wecket mich alle Morgen, Er weckt mir das Ohr, daß ich höre, wie ein Jünger.
Unser Spruch fängt mit den Worten an: hat mir eine gelehrte Zunge gegeben, daß ich wisse mit den Müden zu rechter Zeit zu reden.“ Es ist so gesprochen, daß man dabei denken kann, es sei eigentlich von dem sonst erwähnten Knecht des HErrn, dem zukünftigen Christus, die Rede, dem die gelehrte Zunge gegeben, und dem alle Morgen das Ohr geweckt werde. Wenigstens berechtigt das Nachfolgende dazu, wenn derselbe, der sich in obigem Spruch als Jünger anschickt, von seinem Gehorsam redet, und sagt: „Ich hielt meinen Rücken denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften; mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“ Doch ist‘s auch wieder so gesprochen, daß es der Prophet und jeder Lehrer, ja jetzt jeder Christ, für sich beherzigen kann, indem wir immerhin im Verkehr mit Elenden und Müden einer gelehrten Zunge bedürfen.
Da fragt sich aber dann, von wem gelehrt? Denn es giebt eine Gelehrsamkeit von oben, und eine andere von der Welt her. Die Letztere weiß mit den Müden nicht zu reden, weiß nur verlangende Seelen zu verwirren. Hier ist aber des Propheten Zunge darum gelehrt und geschickt, richtig zu reden, weil er’s alle Morgen vom HErrn bekommt, da er dann recht aufmerksam ist, es ja gut aufzufassen, wie’s der HErr meint. Ganz Schüler ist er dabei, der nicht etwa drein reden und es besser wissen will, sondern demütig und gehorsam nur hört, sich selbst und seinem Wissen mißtrauend. Was er aber hört, hört er ohne Worte, ohne hörbaren Laut durch den Geist Gottes, der sich ihm vernehmlich macht.
Wohl dem, mit dem der Geist Gottes alle Morgen so reden kann! Es kommt aber darauf an, daß man sich dazu richte, und mit sehnsüchtigem Blick nach oben gleichsam lausche. Wenn man innerlich sich sammelt, so hört und vernimmt man bald etwas; ist man aber träge und gleichgiltig, und läßt man sich schnell von andern Gedanken einnehmen, so ist‘s für diesmal verspielt.
Zusatz: Es ist nemlich wohl zu merken, daß immer auch andere Stimmen da sind, die Einem geschwind etwas ins Ohr raunen wollen. Wie der Geist Gottes reden will, so auch der Feind, und je nachdem man sich anschickt, wird die eine oder andere Stimme vernehmlicher. Wie übel aber ist’s, wenn man sich gleich beim Erwachen vom Teufel etwas eingeben läßt! Man nehme sich wohl in Acht! Es ist deßwegen eine gar gute Sitte, wenn man sich’s angewöhnt, gleich ein geistliches Wort zu denken oder zu reden, wie man bei uns häufig betet: „Das walte Gott der Vater, der Sohn und der heilige Geist!“ Wenn so etwas mit einigem Ernst gedacht, oder besser, gesprochen wird, so ruft man damit den HErrn her, daß Er etwas sagen solle. So kann es geschehen, daß man oft über etwas, mit dem man gerade viel Geschäft oder Sorge hat, einen guten Gedanken bekommt, bei und nach dem Erwachen. Der HErr gebe, daß wir’ s lernen, alle Tage Seine Schüler zu sein! Da wären wir gutgezogene Kinder, die dann auch recht gut weiter zu bringen sind, in bösen und guten Zeiten.
Mel. Eins ist noth.
Wie, dieß Eine zu genießen,
Sich Maria dort befliß,
Als sie sich zu JEsu Fußen.
Voller Andacht niederließ.
Ihr Herz, das entbrannte, nur einzig zu hören,
Wie JEsus, ihr Heiland, sie wollte belehren.
Ihr alles war gänzlich in JEsum versenkt,
Und wurde ihr alles in Einem geschenkt.
Jesaja 52, 15.
“Er wird viele Heiden besprengen, daß auch Könige werden ihren Mund gegen Ihn zuhalten.“
Wie umfangreich die Wirkung der Liebe Christi bis in den Tod zu werden versprach, sieht man an dem, daß auch die Heiden sollten mit herzugerufen werden zu seinem Reich, um mit Christo aus dem Tode zu einem. neuen Leben auferweckt zu werden. Auch Königen wird das Herz warm, wenn sie’s vernehmen, was ihnen, wie den andern Seelen, zu lieb geschehen ist. Könige in der alten Zeit waren nicht, wie etwa in der jetzigen, sich fühlend wie andere Menschen; sondern sie standen als allmächtige, willkürlich handelnde Könige da, die ihre Untertanen nach Launen beraubten, mißbrauchten, töteten, wie sie nur immer wollten. Wenn daher auch solche Könige ihren Mund gegen JEsum zuhalten, und als Gnadenhungrige in die Reihen anderer Menschen gleichmäßig sich stellen sollen, um wie diese mit dem Blut Christi besprengt zu werden, so ist das wahrlich viel. Und es ist geschehen, und geschieht heute noch bei heidnischen Fürsten und Königen, die diese böse Art an sich haben, daß das Wort Gottes sie niederbeugt. Auch unsere Könige, wenn in allem noch so hoch gestellt, machen vor dem christlichen Altare sich ihren Untertanen gleich. Vor allem aber sollten wir’s uns ein Anliegen seyn lassen, daß unsere Herzen besprengt würden mit Seinem Blut, durch Buße zur Vergebung der Sünden, um in Sein Leben hineinzuwachsen, und mit Ihm zu all der Herrlichkeit aufzusteigen, die Er für uns erworben hat.
Mel. Was Gott tut, das ist.
Wir kennen JEsum, der die Nacht,
Der Völker wird zerstreuen,
Und endlich wird durch Seine Macht
Die ganze Welt erneuen,
Da offenbar
Der Heiden Schar
Ihm wird entgegenwallen
Und Ihm zu Füßen fallen.
Jesaja 53, 2.
“Er hatte keine Gestalt noch Schöne; wir sahen Ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.“
Ob sich obiger Spruch, - daß er vom Heiland redet, wird wohl Jedermann klar sein, - ob er sich aber blos aus den Tag bezieht, da Er vor dem Richter stand, mit der Dornenkrone aus dem Haupt, könnte man fragen. Wenn es jedoch dort heißt, Er sei gewesen wie ein Reis aus dürrem Erdreich, so liegen weitere Schlüsse aus dieser Weissagung nahe, auf die Zeit hin, aus welcher vom lieben Heiland nach Gottes Ratschluß uns nichts berichtet worden ist, nemlich auf Seine Jugend- und Jünglingsjahre hin. Daß Er auch da durch Kämpfe aller Art, die Er durchzumachen hatte, vom Fürsten der Finsternis herbeigeführt, der Ihn auch durch Krankheiten geplagt haben mochte, oft und lange ein Aussehen hatte, das Niemanden gefiel, ist wenigstens denkbar. Denn Er war ein Mann des Kampfes von Kindesbeinen an, und mußte unendlich viel im Stillen auf die Zeit vorbereiten, da Er öffentlich auftreten sollte. Da mag denn lange keine Gestalt und keine Schöne an Ihm gewesen sein, die gefallen hätte. Schon der Ruf bei der Taufe JEsu vom Himmel herab: „Dieß ist Mein lieber Sohn, an welchem Ich Wohlgefallen habe,“ giebt sich deutlich als einen Siegesruf zu erkennen, als ein Zeugnis bisherigen Wohlverhaltens unter versuchungsvollen Zeiten, als einen Moment, mit welchem schwere Kämpfe für den HErrn nun abgeschlossen waren, obwohl diese in anderer Weise sich erneuerten.
Gerade so wurde abermals kurz vor der Kreuzigung bei der Verklärung das Wohlgefallen Gottes vom Himmel herab ausgesprochen, über dem, was in den letzten drei Jahren geschehen war. Wir werden uns einmal. wundern, zu vernehmen, wie unendlich viel mehr der HErr JEsus für uns auf sich genommen hat, als wir geschichtlich geschrieben finden. Denken wir nur an das Eine, da es von Ihm heißt (Hebr. 4, 15): „Er war versucht allenthalben, gleichwie wir, doch ohne Sünde.“ Eben an diese vielen uns noch verborgenen Kämpfe und Anfechtungen, in welchen der HErr um unsertwillen Sieger geworden ist, kann uns unser heutiger Spruch erinnern. Beherzigen wir’s zu Trost und Aufrichtung!
Jesaja 58, 12
“Du sollst heißen: der die Lücken verzäunet und die Wege bessert, dass man da wohnen kann.“
Zunächst redet da das prophetische Wort mit dem Volke, daß es, wenn es lerne Gott eine rechte Faste darbringen, indem es zu allen Verleugnungen und Aufopferungen gegen den Nächsten sich fähig mache, des Segens des HErrn werde gewiß sein. Da würde es werden wie ein gewässerter Garten, und würde es den Namen eines Lückenverzäuners und Wegeverbesserers bekommen. Bei solchen Verheißungen müssen wir uns aber immer dazwischenhinein den rechten Repräsentanten des Volks Gottes, den verheißenen Knecht des HErrn, denken, der zu den Verbesserungen den Grund legen und den Anfang machen muß, und dem wir’s dann nachmachen sollen in Seiner Kraft. Denken wir uns also auch hier unter dem eigentlichen Lückenverzäuner und Wegeverbesserer nur gleich den Heiland, doch so, daß wir als Seine Jünger es auch sein sollen, weil ja doch die Pflege des Gartens uns übertragen ist.
Das Volk des HErrn und die Ihm angehören, sollen gleichsam in einem Garten sein, der umzäunt ist, daß kein Wild herzu kann, wie man vor Alters kleine Mäuerlein um den Wald her baute, damit Hasen und anderes Wild nicht herauskommen könnten und die leider verderben. Einen solchen Zaun gleichsam hat insbesondere der Heiland um sein Volk her gebaut, sofern es unter seinem Schutz wenigstens vor den Angriffen der Finsternis sollte sicher wohnen könne. Der Zaun aber hat bald, wohl durch Untreue derer, die ihn bewachen sollten, viele Lücken bekommen, und viel Wild dringt jetzt ein. Deswegen ist das Volk des HErrn besonders in unsern Tagen so vielfältig von Schlangen gebissen, vom Wild gepackt und zernagte und grauser Ruin und arge Verwüstung ist im Garten zu sehen. Nirgends kann etwas in erfreulicher Weise heraufwachsen, denn wenn auch etwas schon treibt und grünt und viel versprechen will, so kommt unversehens ein verderbliches Element dazu, daß es doch zerknickt wird und nicht aufkommt, wie viele Verstörung richtet der Feind in unsern Herzen an, auch wenn wir schon gute Eindrücke empfangen haben! Es will nicht gehen. Das Wild umbraust unaufhörlich das Herz, und der Arge kommt mit seinen giftigen Pfeilen, immer drohend, alles wieder zu vernichten und bis auf den Grund zu zerstören. Und wo sind die Lückenverzäuner und Wegeverbesserer? Wo sind die, die nur auch in rechter Weise den HErrn, der’s zu sein versprochen hat, anrufen, daß Er helfe? Ach, daß sie doch bald erstünden, die es im Namen des HErrn ausrichteten!
Zusatz: Was hat doch aber der Herr alles zu tun, einmal, bis Er das Wild und den Graus aus dem Garten herausbringt, und dann, bis Er die Lücken so verzäunt hat, daß der Zerstörer nicht mehr hinzukann. Das Erstere ist besonders schwer. Bis das in die Herzen eingedrungene Böse und Satanische wieder herausgeschafft wird, bis ein Herz, bei dem man’s vornehmlich wünscht, von den höllischen Banden los wird, kostet‘s viel Kampf und Anrufung Gottes. Das Gemüt schon ist durch die List des Feindes mehr oder minder so verderbt und ausgeartet, daß man es kaum vor sich sieht, wie doch soll alles, was vom Feind eingedrungen ist, wieder abfallen, und alles soll wieder in Ordnung kommen. Wenn Gott nicht etwas Besonderes tut, — und wer glaubt an so etwas? — ist alle Hoffnung aus. Indessen wissen wir von dem, der Lückenverzäuner und Wegeverbesserer heißt. So heißt Er einmal; und weil Er so heißt, wird Er’s wohl auch müssen machen können, wie’s nötig ist. Blicken wir denn zu Ihm auf, vertrauen wir Ihm unter aller unsrer Schwachheit. Seine Zeit muß kommen, da Er hilft. Tun auch wir das unsre, so weit Er’s uns heißt; denn, wie oben gesagt, wir sollen ja dem Herrn nach auch Lückenverzäuner und Wegeverbesserer sein. Ach, wir armen Leute!
Eigene Melodie.
O Durchbrecher aller Bande,
Der Du immer bei uns bist,
Bei dem Schaden, Spott und Schande
Lauter Lust und Himmel ist!
Übe ferner Dein Gerichte
Wider unsern Adamssinn,
Bis uns Dein so treu Gesichte
Führet aus dem Kerker hin.
Jesaja 64,4f.
„Siehe, Du zürntest wohl, da wir sündigten und lange darinnen blieben; uns ward aber dennoch geholfen.“ („Siehe, Du zürntest, als wir von alters her gegen Dich sündigten und abtrünnig wurden.“)
Es ist ein großer Trost, wenn man sich dessen erinnern kann, daß Gott auch da, wo Schuld und große Schuld war, dennoch geholfen hat.
Es kann uns freilich bange werden und der Mut will uns ganz entschwinden, wenn wir in der Trübsal das Gefühl haben, daß Gott zürne und darum Seine Strafe so hart mache; und wenn wir uns auch dessen gar gut bewußt sind, warum Er zürne. Aber man hat’s erfahren, daß Gott in ähnlichen Lagen dennoch geholfen hat, wenn man sich ernstlich zu Ihm wandte. Das ist denn ein herrlicher Trost in allen Bedrängnissen. Ja, es ist ein schönes herrliches Dennoch, daß es heißt: „Aber dennoch ist geholfen worden“ Das muß immer wieder wahr werden, daß Gott dennoch hilft, sei die Schuld auch noch so groß. Darum sagt auch David (Ps. 103, 9f.): „Er wird nicht immerdar hadern noch ewiglich Zorn halten. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.“
Darum wollen wir den Mut zur Gnade Gottes nie aufgeben! Oft sagen die Leute, das sei das Ärgste an ihrer Trübsal, daß sie’s selber verschuldet hätten; und das ist’s, was sie ganz in Verzweiflung bringen will. Begreiflich ist es wohl, daß so das Unglück besonders schwer auf dem Menschen liegt, zumal dieser immer so gerne der Unschuldige wäre, der zum lieben Gott sagen könnte: „Warum schlägst Du mich so, der ich doch so brav bin?“ Aber vergessen wir’s nicht, daß wir Gnadenkinder sein und als Gnadenkinder uns fühlen müssen. Darum lässt’s Gott oft recht herausgestellt werden, wer wir sind, damit wir um Gnade schreien lernen. Wenn Er aber unsre Sünde heimsucht, so dürfen wir darüber, daß wir selbst schuld an
allem sind, die Hoffnung nicht aufgeben; und auch wenn wir fühlen, daß Gott zürne - und mit Recht zürne -, dürfen wir nicht denken, Er werde ewiglich zürnen und sei nicht mehr zu versöhnen. Wir dürfen uns dennoch an die Gnade anklammern.
Und es wird nach der Erfahrung dennoch geholfen, obwohl wir selbst schuld sind, wie es eben sein kann. überhaupt ist oft das, was wir bei Gott „Zorn“ nennen, lauter Liebe. Und zuletzt wird das Erbarmen Gottes - wenn auch anfangs langsam, doch immer mehr - so offenbar sein, daß nichts als Lob und Dank im Herzen übrig bleibt.
Dennoch Hilfe
Der Prophet spricht diese Worte in einem eigentümlichen Zusammenhang aus. Er versetzt sich in eine Zukunftszeit, da für das Volk Gottes der Himmel wie verschlossen sein und da Gott sich gar verborgen haben würde, ohne auf das Bitten und Flehen Seiner Kinder zu amten. Man erinnere sich, wie unmittelbar sich einst der HErr Seinem Volke bezeigt hatte! Da seufzt der Prophet (Jes. 64, 1): „Ach, daß Du den Himmel zerrissest und führest herab, daß die Berge vor Dir zerflössen!“ Dabei hält er dem HErrn vor, daß Er doch in früheren Zeiten, auch wenn Er zornig gewesen sei, Sich doch habe erweichen lassen und dennoch geholfen habe. „Warum“, sagt er (64, 12) „willst Du jetzt so hart sein und schweigen und uns so sehr niederschlagen?“ Und vorher hatte er gesagt (63, 17): „Warum lässest Du uns, HErr, irren von Deinen Wegen und unser Herz verstocken, daß wir Dich nicht fürchten?“ So seufzt und betet der Prophet aus einer Zukunftszeit heraus, die kommen würde.
Wir wissen aber, wie Jesaja stets auf die messianischen Zeiten hin redet, und zwar nicht nur auf deren Anfang, sondern auch auf ihren Schluß, welcher die Vollendung bringt. Auf beides beziehen sich daher unsre Worte. Ehe Christus kam, war’s wirklich so, als ob Gott ganz ferne getreten wäre und als ob alles Flehen derer, die auf das Reich Gottes warteten, umsonst wäre. Aber endlich tat sich der Himmel auf und offenbarte sich der HErr in der verheißenen Herrlichkeit (in Christus).
In unserer Zeit aber ist’s wieder so geworden, daß der HErr in weiter Ferne zu stehen scheint, als ob Er vergessen oder aufgegeben hätte, das Angefangene zu vollenden. Man sieht Verfall und Schwachheit und übermacht der Finsternis von innen und außen in hohem Grade allenthalben; und das persönliche Sich-Bezeigen und Helfen Gottes scheint fast aufgehört zu haben. Da hat man Ursache wieder zu beten, wie es uns Jesaja auf solche Zeit hin in den Mund legt: „Warum lässest Du uns, HErr, irren auf unsern Wegen und unser Herz verstocken, daß wir Dich nicht suchen?“ Da liegt selbst in dem der Zorn Gottes verborgen, daß Er uns nicht den Geist der Buße und der Furcht sendet; daß Er also Kräfte zur Erneuerung der Herzen, wie sie uns so nötig wäre, gleichsam vorenthält. Ein Zorn Gottes aber ist es darum, weil uns der rechte Ernst und das rechte Verlangen nach Ihm und Seinen Erweisungen fehlt, wodurch die Gesamtschuld der Christenheit, des Volkes Gottes, groß geworden ist.
Sollen wir aber nun weitere Hoffnungen aufgeben? Nein, wir nehmen den Seufzer des Propheten als einen Wink, daß wir in ähnlicher Weise seufzen und beten sollen, weil dies der Weg zu etwas Besserem ist. Wir halten uns auch wie er an die geschichtlichen Tatsachen, daß Gott, „auch wenn Sein Volk sündigte und lange darin verblieben war, dennoch geholfen hat“. Der HErr kann nicht ewiglich Zorn halten, Er kann nicht - wenn Er auch noch so viele Ursachen dazu hätte - das Weitere, das verheißen ist, aufgeben. Wir können Ihn wieder herbeibeten, wie auch der Prophet endlich Antwort bekam (Jes. 65, 1ff.). Endlich wird Er’s wieder in die Hand nehmen, wird Er sich aufmachen und Seine Gnaden und Gnadengaben in Strömen kommen lassen über Sein verlassenes, verstörtes und weit verirrtes Volk - auf den Tag der letzten Offenbarungen hin.