Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 1. Von der heiligen Dreieinigkeit.

Was Du bist, o Gott, das bist Du von Ewigkeit zu Ewigkeit. Du bist dreieinig; drum bist Du dreieinig von Ewigkeit. Du bist gut. Gut kann Niemand ohne Liebe sein. Die Liebe aber kann nicht sein ohne einen Gegenstand. Wäre Dein Sohn nicht bei Dir gewesen von Ewigkeit, was hättest Du zu lieben gehabt von Ewigkeit, da doch die Welt erst in der Zeit geworden ist? Öde und leer wäre Dein Sein gewesen ohne Ihn, den Geliebten, mit dem Du Eins warst im heiligen Geiste, ehe der Welt Grund gelegt war. Ja ohne den Glauben an Gottes ewige Dreiheit in der Einheit würde ich hingedrängt zu der Annahme einer Schöpfung der Welt von Ewigkeit her. Denn den Gedanken an eine öde Einheit, an eine unlebendige Alleinheit, die Nichts hat, worauf sie ihre Liebe richtet, kann ich mit meinen Begriffen von göttlicher Vollkommenheit nicht vereinigen und im Herzen nicht ertragen. Ich müsste also annehmen, Gott habe die Welt aus eigenem Bedürfnis, aus innerer Notwendigkeit, also um Seinetwillen geschaffen. Aber Sein heiliges Wort sagt mir, dass Er die Welt in der Zeit geschaffen hat. Gott kann also ohne sie sein und brachte sie hervor aus freier Liebe, damit Wesen außer Ihm da wären, die Freude und Seligkeit genössen. Gott ist selig ohne die Welt und war es vor ihr; denn Er ist allgenugsam. Aber allgenugsam kann Er nur sein, weil Er dreieinig ist. Genüge konnte Er nur haben im Sohne, den Er von Ewigkeit bei sich hatte, auf den von Ewigkeit her im heiligen Geiste Seine Liebe flutete und von dem sie in demselben heiligen Geiste zu Ihm zurückfloss.

Ein Dichter sagt: „Einsam war der große Weltenmeister; fühlte Mangel, darum schuf er Geister.“1) Der Dichter hat die richtige Ahnung gehabt, dass Gott in liebeleerer Vereinsamung nicht sein kann. Aber, weil er das Licht des göttlichen Wortes nicht hatte, in dem wir allein das Licht sehen, 2) geriet er sofort ins tiefste Dunkel. Denn er setzt in Gott einen Mangel, den Er erst nachträglich befriedigt und hebt damit die uranfängliche Vollkommenheit Gottes auf. Nur der Gedanke, dass der Vater im Besitz des Sohnes von Ewigkeit Befriedigung hat, löst uns das Rätsel der Seligkeit Gottes vor der Welt.

Ich danke Dir, dreieiniger Gott, dass Du Deine ewige Dreiheit in der Einheit offenbart hast in der Zeit. Ich danke Dir, dass Du Dich, o Vater, im Sohne, dem Abglanze Deiner Herrlichkeit und dem Ebenbilde Deines Wesens, enthüllst und mit Deinem heiligen Geiste die Gläubigen erfüllst! Ehre sei dem unsichtbaren Gotte, dem Vater! Ehre sei dem erscheinenden Gotte, dem Sohne! Ehre sei dem mitgeteilten Gotte, dem heiligen Geiste!

Ohne den Sohn hätte ich den Vater nicht; denn Er wäre mir verborgen. Ohne den Geist hätte ich den Sohn nicht; denn Er wäre nur vor mir, nicht in mir!

Nur im Dreieinigen habe ich einen Gott, der nahe ist und doch zugleich in heiliger Ferne wohnt. Die Heiden hatten das lebhafte Bedürfnis nach der Nähe der Gottheit. Aber in falscher Befriedigung dieses Bedürfnisses vermischten sie Göttliches und Weltliches und zogen in ihrem Aberglauben die Götter ins Ge= meine, Sündliche herab. Im entschiedenen Widerspruch dagegen haben die Juden ehrfurchtsvoll ihren Jehovah in heiliger Ferne gedacht. Dabei erlagen sie trotz reinerer Ahnung und prophetischer Verkündigung meistens der Gefahr, ihn von der Welt zu trennen.

Die Sehnsucht der Heiden und der Juden wird durch die christliche Lehre von der Dreieinigkeit auf gleiche Weise befriedigt und versöhnt. Wir haben einen Gott, der uns so nahe ist, wie nur die Heiden Ihn ersehnen konnten, ohne dass wir Ihn wie sie, durch Vermischung mit dem Weltlichen entwürdigen. Wir haben Ihn im Menschen Jesus, ja durch den heiligen Geist in innerster Nähe, wir haben Ihn im gläubigen Herzen. Aber wir haben auch einen Gott, der uns so fern ist, wie es die Juden nur ersehnen konnten, ohne dass wir Ihn von der Welt trennen. Wir haben in Gott dem Vater einen Gott, „der da wohnt in einem Lichte, da Niemand zu kommen kann; welchen kein Mensch gesehen hat noch sehen wird“.2) Aber im Sohne sehen wir Ihn und im heiligen Geiste empfangen wir Ihn. So verehren wir einen von der Welt verschiedenen und doch nicht geschiedenen Gott im Dreieinigen.

Gott hat, wie Luther lehrt, in allen Kreaturen ein Bild seiner Dreieinigkeit abgedrückt. Wie ihn soll mich jede Blume an das himmlische Geheimnis erinnern. Da ist Gestalt, Geschmack und Geruch, und Alles Dreies ist doch eine Blume. Ich sehe ein Licht. Da ist Feuer, Glanz und Wärme, und alles Dreies ist doch ein Licht. Ich weiß wohl, dass diese Bilder das Wahre nicht vollständig treffen, wie denn jedes Gleichnis hinkt; aber sie zeigen doch gegen den gemeinen Einwand, dass Drei und Eins zusammen beflehen können, und für den Christen bedarf es ja auch nur eines schwachen Schimmers von Ähnlichkeit, um an das geliebte Urbild erinnert zu werden.

Wohl uns, dass wir einen Spiegel haben, in dem die heilige, hochgelobte Dreieinigkeit, wenn auch immer noch dunkel, doch so hell wir es vertragen können und heller, als in der Natur wiederscheint. Dieser Spiegel ist die heilige Schrift. Nicht nur an einzelnen Stellen, sondern durch ihr Gesamtzeugnis3) offenbart sie uns die Lehre von der Dreieinigkeit als Grundlehre des Christentums. Religion ist Gemeinschaft mit Gott, und die christliche Religion ist, kurz bezeichnet, die Gemeinschaft mit dem Vater durch den Sohn im heiligen Geiste.

So Viele dagegen nur den Vater gelten lassen wollen ohne den Sohn, die verehren einen für sie toten Gott. Sie weisen uns hin auf die Natur. Doch die Natur erzählt wohl von Gott; aber göttlichen Wesens ist sie nicht. So werden sie denn hingedrängt zu einem, Gott über den Sternen. Nach der Lehre der Schrift ist man ohne Christus ohne Gott in der Welt.4)

Die aber den Sohn verehren ohne den heiligen Geist, die verehren einen für sie toten Christus. Denn nur durch den heiligen Geist wird Christus im Menschen lebendig.

„Wird Christus tausend Mal in Bethlehem geboren
Und nicht in Dir, so gehst Du doch verloren.“5)

Die aber nur vom Geiste reden und nicht vom Vater und vom Sohne, die beten eine Seele statt eines Beseelers, Gedanken statt des Denkers an und haben keine andere Aussicht, als im Meere des Geistes zu ertrinken. Allen diesen Verirrungen wehrt die Grundlehre des Christentums von den drei Personen in dem Einen Wesen.

Möge der dreieinige Gott uns segnen!

Der Herr segne Dich und behüte Dich!
Der Herr lasse Sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig!
Der Herr hebe Sein Angesicht auf Dich und gebe Dir Friede!6)

Mit diesem Segen ist schon Israel gesegnet in Ahnung und Sehnsucht. In der Fülle der Zeiten ist offenbar geworden, wer dieser dreifache Herr sei. Es ist der Urquell alles Segens, der Vater, der den Sohn von Ewigkeit gezeugt hat und mit dem Sohne den heiligen Geist sendet. Das leuchtende Angesicht des Vaters aber ist der Sohn, der da spricht: Wer mich sieht, sieht den Vater! Das Angesicht endlich, das der Herr auf uns erhebt, dergestalt, dass wir Ihn nicht bloß über uns und vor uns sehen, sondern Seiner teilhaftig werden, ist der heilige Geist.

So oft ich den hohepriesterlichen Segen empfange, will ich ihn in dem Bewusstsein genießen, dass er vom Dreieinigen handelt und stammt. Dem Dreieinigen will ich dann jedes Mal aufs Neue mich weihen zum innersten, ewigen Frieden. Herr, Herr, Herr! Hilf dazu durch eben diesen Segen! Amen.

1)
Schiller
2)
1 Timoth. 6, 16.
3)
Vgl. u. A. Matth. 28,19. 2 Kor. 13,3. Joh. 14,16. 10,30. 14,9,15,26. 1 Kor. 2,10.11. Matth. 3,16.17.
4)
Ephes. 2,12.
5)
Angelus Silesius
6)
4 Mos. 6,24-26.
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