Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 19, Vers 1-7.

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 19, Vers 1-7.

Der heilige Geist hat in seinem Wort den Gebrauch, uns himmlische, geistliche, ewige Dinge in der Natur wie in einem Bild zu zeigen, dass wir sie gleichsam mit Augen sehen. Und wie Gott zu Abraham sprach: hebe deine Augen auf und siehe die Sterne am Himmel, kannst du sie zählen? also soll dein Same werden (1 Mos. 15,15), so führt der heilige Geist in diesem Psalm den Himmel gleichsam redend ein, Tag und Nacht, Sonne und Firmament, als hielten sie miteinander ein Gespräch und verkündigten an allen Orten der Welt die Herrlichkeit Gottes. Ebenso soll aber auch das Evangelium von Christo einen so schnellen, gewissen, beständigen Lauf haben vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang, und soll ein ebenso gewisser, wahrhaftiger, beständiger Zeuge sein von Christo, als der Himmel mit seiner Ordnung zeugt von Gottes Allmacht und Weisheit.

V. 2. Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk, d. i. das große, wunderbare Gebäude des Himmels und dessen Heer sind Zeugen der Allmacht, der Weisheit und Herrlichkeit Gottes, und die Feste, die unwandelbare Beständigkeit des Firmaments, bezeugt, dass es ein Werk sei der göttlichen Allmacht. Unter dem Wort Himmel versteht hier der Prophet die wunderbare, herrliche und weise Ordnung der Sterne, den Lauf der Sonne, des Mondes und anderer Planeten, die alle ihren besonderen Weg und Lauf haben, immer einer höher denn der andere, und das ist ein großes Wunderwerk, dass ein jeder Stern in seinem gewissen Weg und Lauf bleibt, denselben nicht überschreitet, und keiner den andern hindert. Alle Sterne haben ihre eigene Bewegung in ihnen selbst, stehen nicht einen Augenblick still, noch ruhen sie, sondern es bewegt und regt sich Alles mit solcher Geschwindigkeit, dass es kein Mensch begreifen kann.

Was ists nun, dass die Himmel erzählen? Die Ehre oder die Herrlichkeit Gottes, d. i. dass solche unzählige Menge der Sterne alle sind geschaffen zu Gottes Ehren und loben Gott Nacht und Tag mit ihrem Licht und Schein, mit ihrem Lauf und ihrer Wirkung, als wollten sie sagen: seht ihr's, ihr Menschenkinder, was unser Schöpfer für ein großer Herr ist, welch ein großes Heer des Himmels ihm dient und gehorsam ist! Denn so legt es Sirach aus (43,2.5): die Sonne, wenn sie aufgeht, verkündigt sie den Tag; sie ist ein Wunderwerk des Höchsten. Das muss ein großer Herr sein, der sie gemacht hat und hat sie geheißen, so schnell laufen.

Es ist aber die Verkündigung der Ehre Gottes, so durch den sichtbaren, natürlichen Himmel geschieht, nicht genug, sondern die ganze Natur soll uns viel höher hinauf führen also, dass wir aus dem Sichtbaren das Unsichtbare, aus dem Zeitlichen das Ewige erkennen. Wie nun ein natürlicher Himmel, Sonne, Mond und Sterne sind, so ist auch ein geistlicher Himmel, darin Gott mit seiner Gnade wohnt, das ist die christliche Kirche, durch das Wort des Evangeliums erbaut; und wie die Sonne am Himmel das natürliche Licht führt, so ist unser HErr JEsus Christus die Sonne der Gerechtigkeit, das Licht des ewigen Lebens. So sind auch alle Gläubigen auf Erden geistliche Sterne, die alle ihr Licht nehmen von der Sonne der Gerechtigkeit und die Ehre Gottes erzählen und verkündigen seiner Hände Werk.

V. 3. Ein Tag sagts dem andern und eine Nacht tuts kund der andern. Von Gott zeugen Tag und Nacht, die gewiss auf einander folgen, da der Tag sein Licht hat, das ihn regiert, die Sonne, und die Nacht auch ihr Licht, das ihr dient, den Mond, und durch deren Wechsel Ruhe und Arbeit der Menschen unterschieden wird. Ja die ganze Natur hat ihre Ordnung, dass dieser Tag das Seine an's Licht bringt und der morgende Tag auch wieder das Seine; es ist kein Tag, an welchem uns Gott nicht große Wohltaten erzeigte.

So werden hier die Kreaturen redend eingeführt, als sprächen sie: seht ihr's, es lässt Gott keinen Tag scheinen, an dem er euch nicht große Liebe erzeigte! der eine Tag spricht: heute habe ich dieses hervorgebracht, zur Ehre Gottes und der Menschen Nutz; und der andere spricht: morgen will ich meinen Schöpfer preisen mit meinem Werk. Denn die Natur ruht nicht einen Augenblick; sie bringt ihre Wirkung an's Licht nach Gottes Ordnung und lässt Gottes Lob nicht untergehen.

So ist auch Gottes Wort von Anfang der Welt bald sechstausend Jahre von einem Tag zum andern verkündigt worden durch die Erzväter, Propheten und Apostel. Daraus schließen wir, es muss die Lehre die ewige Wahrheit Gottes sein, welche von Anfang der Welt verkündigt ist und wider so viel Tyrannei und Gewalt erhalten wurde. So wird es auch fortgehen in der Heiligen christlichen Kirche im neuen Testament; da wird die Erkenntnis und Ehre Gottes fortgepflanzt und ausgebreitet werden bis an's Ende der Welt, und wird die Stimme des Evangeliums so lange schallen, so lange die Welt steht. Das ist nun eine Weissagung und ein Trost, dass Gott sein Wort und Kirche auf Erden erhalten werde. So wenig als Tag und Nacht aufhören wird, so lange die Welt steht, so wenig wird auch die Erkenntnis Christi auf Erden aufhören. Denn sollte das natürliche Licht am Himmel allezeit scheinen, und das ewige Licht, Christus, sollte erlöschen? Gott nimmt wohl bisweilen einem Land, Volk oder Stadt sein Wort um ihrer Undankbarkeit oder Verachtung willen, aber er lässt es darum doch nicht untergehen. Darum lasst uns dies Gnadenlicht mit Freuden annehmen durch den Glauben, auch im Licht wandeln, dieweil wir es haben, dass uns die Finsternis nicht überfalle,

V. 4. 5. Es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimme höre. Ihre Schnur gehet aus in alle Lande, und ihre Rede an der Welt Ende; er hat der Sonne eine Hütte in denselben gemacht. An allen Orten der ganzen Welt von Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang regiert der Himmel mit seinem Lauf und gewissen Ordnung Alles wie mit einer Richtschnur, bringt Alles zur rechten, gewissen Zeit hervor, gleich als wäre es Alles abgemessen. Dadurch wird bezeugt die wunderbare Vorsorge Gottes für alle Kreaturen; es ist kein Winkel der Erde unter dem Himmel, da man solches alles nicht sehe und höre, da die Sonne nicht leuchte und wärme, als hätte sie keine Hütte und Wohnung daselbst, da der Himmel und die Sonne nicht alle Völker, was für Sprache sie auch haben mögen, überzeuge, dass ein Gott sei.

So soll es auch mit der Erkenntnis unseres HErrn JEsu Christi gehen, die in allen Sprachen verkündigt und gepredigt werden soll. Es soll keine Sprache sein, wo man nicht die Stimme von Christo höre. Es braucht aber der heilige Geist zwei Gleichnisse, erstlich von einer Meß- oder Richtschnur und vergleicht derselben das Wort Gottes, macht die Prediger zu Baumeistern der Kirchen, dass die Diener Gottes nach der Richtschnur des göttlichen Wortes die Kirche bauen und die Erkenntnis von Christi Amt und Person so vortragen, wie sie vom heiligen Geist durch die Apostel und Propheten geoffenbart ist. Das andere Gleichnis ist genommen von der Hütte der Sonne; gleichwie die Sonne ihr Haus am Himmel hat, darin sie sich erhöht und ihre höchste Kraft erzeigt, so will Christus seine Hütte und Wohnung haben in seiner Kirche, da sein Wort ist, und wenn es gleich am Ende der Welt wäre.

Weil nun Christo, unserem HErrn, der ganze Erdboden unterworfen ist, weil ihm die Heiden zum Erbe gegeben sind und der Welt Enden zum Eigentum, so wird er auch sein Reich unter allen Völkern auf Erden haben, dass ihm alle Völker und Zungen dienen sollen. Wo aber Gottes Wort ist und mit gläubigem Herzen aufgenommen wird, da schlägt unser HErr JEsus Christus seine Wohnung auf, da leuchtet und scheint er wie die Sonne, da erwärmt und belebt er seine Glieder. Denn Gott, der Allmächtige, pflanzt sein Reich durch sein Wort nicht allein unter allen Völkern, sondern er pflanzt es auch durch seinen heiligen Geist in unser Herz und erhält es darin. Hast du nun Gottes Wort in deinem Herzen, siehe, so hat die Sonne der Gerechtigkeit, JEsus Christus, ihre Hütte in deinem Herzen aufgeschlagen und wohnt bei dir, und es heißt dann: siehe da eine Hütte Gottes bei den Menschen; ich will unter ihnen wohnen und wandeln; ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein (Offenb. 21, 3).

V. 6. 7. Und dieselbe geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, und freut sich wie ein Held, zu laufen den Weg. Sie geht auf an einem Ende des Himmels und läuft um bis wieder an dasselbe Ende; und bleibt nichts vor ihrer Hitze verborgen. Das ist zunächst eine Beschreibung der Sonne, wenn sie am Morgen aufgeht; denn da geht vor ihr der ein überaus schöner leuchtender Glanz, wunderbar geschmückt mit Farben, und breitet sich am Himmel weit und breit aus, dass es eine Freude ist, es anzusehen, gleich, als wenn man ein schönes Gezelt von einander breitet und auftut. Und nicht ohne Ursache wird die Sonne einem Bräutigam verglichen, denn sie vereinigt und vermählt sich mit allen Kreaturen, wirkt in allen, lieber alle und wird von allen geliebt, und ohne ihren Einfluss, Wärme und Licht kann nichts leben auf Erden, noch seine Kraft und Vollkommenheit erreichen. Danach wird sie hier genannt ein freudiger Held, ein starker, unverzagter, streitbarer Kriegsmann, der sich vor Niemanden fürchtet, sondern unverhindert durchdringt und seinen Lauf vollendet. So ist die Sonne die mächtigste, stärkste und herrlichste Kreatur, nach deren wunderbaren, aber doch gewissen Laufe die ganze Natur sich richten muss; sie regiert mit ihrem Laufe das ganze Jahr, sie macht die Tage lang und kurz und lässt sich von Niemanden aufhalten ohne von Gott. Darum sagt unser Psalm, sie geht auf an einem Ende des Himmels und läuft um bis wieder an dasselbe Ende, und meint damit die Veränderungen der Zeiten, dadurch die Sonne an verschiedenen Orten der Welt Sommer und Winter macht. Denn den Landen, welchen sie am Höchsten steht, bringt sie den Sommer, und denen sie zu gewisser Zeit am fernsten ist, den Winter, und bleibet so nichts vor ihrer Hitze verborgen.

Von diesem herrlichen Zeugnis der Vorsehung Gottes, welches uns das Buch der Natur vorhält, wollen wir jetzt schreiten zum geistlichen Sinn dieser Verse, welcher hier verborgen liegt. Denn mit alldem will uns der heilige Geist den HErrn Christum, die Sonne der Gerechtigkeit mit seiner schönen Morgenröte des heiligen Evangeliums vorhielten. Die Sonne ist die schönste und größte Kreatur, welche mit ihrem Licht die ganze Welt erleuchtet, ohne welches Licht eitel Traurigkeit, Betrübnis und Verderben wäre; so ist der HErr Christus der Allergrößte, Höchste und Schönste und nennt sich selbst das Licht der Welt. Wäre er nicht gekommen und hätte uns mit seinem heiligen Evangelium erleuchtet, so wären wir in ewiger Blindheit, Irrtum und Finsternis geblieben. Ja wenn diese Sonne nicht in unserem Herzen aufgeht und darin leuchtet, so bleiben wir in ewiger Finsternis. Und wie die Sonne ihr Licht und Wärme allen andern Kreaturen umsonst mitteilt, ihr Licht Niemanden missgönnt und in Allen ein Ursprung der Kraft des Lebens ist, so bietet Christus allen Menschen seine Gnade und alle himmlischen Güter umsonst an, wenn nur die Welt mit ihrer Unbußfertigkeit dieselben nicht von sich stieße, wie die undankbaren Gäste, welche die himmlische Mahlzeit verachten; dann könnte er auch ihnen allen der einige Ursprung des ewigen Lebens sein. Gleichwie aber die Sonne mit ihrem Glanz alle Sterne übertrifft, dass diese gleichsam Finsternis sind gegen die Sonne, so übertrifft Christus, unser HErr, mit seinem Licht, seiner Herrlichkeit, Heiligkeit und Gerechtigkeit alle Engel und Menschen, dass auch die Engel von dieser Herrlichkeit und diesem Glanz der Gerechtigkeit ihre Angesichter verhüllen müssen. Aus dein Allen sollen wir nun lernen: wenn wir die ganze Natur ansehen, so sollen wir nicht bei den Kreaturen stehen bleiben, sondern in den Kreaturen den Schöpfer lernen anschauen. Denn das ist eine hohe Weisheit, wenn man in dem Irdischen das Himmlische sieht, in dem Zeitlichen das Ewige. Dahin geben alle Gleichnisse der Propheten, der Psalmen und des neuen Testaments, dass uns Gottes Wohltaten, Gottes Liebe und Barmherzigkeit, unsere Erlösung und Seligkeit gleichsam vor Augen gestellt und in's Herz gebildet werden mögen.

Wird aber die Sonne einem Bräutigam verglichen, der aus seiner Kammer geht, so ist Christus der rechte Bräutigam unserer Seelen, der Aufgang aus der Höhe. Er kommt aus dem Schoß seines himmlischen Vaters zu uns lieblich, freundlich, holdselig, tröstlich. Und wenn wir uns diese herzliche Liebe Christi könnten recht vorstellen, so könnte uns kein Leid so hoch betrüben, als uns diese Liebe könnte erfreuen. Und wie ein Bräutigam um seine Braut wirbt und sich bemüht, ihre Liebe zu gewinnen, so wirbt der HErr um unsere Seelen durch Wort und Sakrament und durch den heiligen Geist, dass wir uns ja sollen abwenden von der Welt und Christum lieb haben, auf dass wir nicht mit der Welt verderben. Und wie ein Bräutigam seiner Braut aus reiner Liebe alle seine Güter mitteilt und auch alle ihre Schwachheit und Gebrechen trägt, so nimmt Christus unser Elend auf sich und teilt seinen Gläubigen alle seine Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit und sein ewiges, himmlisches Erbe mit. Wenn wir das bedächten, es würde uns das Zeitliche nicht so hoch betrüben und bekümmern! Ein Bräutigam schützt auch seine Braut; so schützt der HErr mächtiglich seine Kirche und erhält Alle, die ihm vertrauen, wider alle Höllenpforten.

Endlich ist aber auch der HErr Christus der freudige Held: es wird das Szepter von Juda nicht genommen, bis der Held komme, und dem werden die Völker anhangen (1 Mos. 49,10). Er heißt Rat, Kraft, Held, ein rechter Durchbrecher, der Löwe vom Stamme Juda, der überwunden hat (Jes. 9.6. Mich. 2.13. Offenb. 5,5). Und wie Joseph, Josua und David Helden waren, denen alles gelingen musste, so ist auch Christus beschrieben (Ps. 45,4): gürte dein Schwert an deine Seite und schmücke dich schön, du Held! Und Jes. 53,11.12: darum, dass seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust sehen und die Fülle haben, und des HErrn Werk wird durch seine Hand fortgehen. Niemand wird ihn hindern und aufhalten können in seinem Werk, wie die laufende Sonne am Himmel. Denn wie die Sonne regiert er Alles und herrscht über Alles, und ist unbegreiflich, wie er regiert. Ihm sei Macht und Ehre in Ewigkeit! Bald werden wir ihn auch sehen wiederkommen in seiner Herrlichkeit und hören sagen: kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters! So ist sein ganzer Lauf vollendet. Amen.

Gebet.

Dir sei Lob, Preis, Ehre und Dank, du treuer, barmherziger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, für die gnadenreiche Predigt deines lieben und heiligen Evangeliums, durch welches du dir in aller Welt, so weit der Himmel ist, und Tag und Nacht wechselt, in allen Sprachen eine ewige Kirche sammelst und erhältst, die dich, Gott Vater, recht erkennt, und dich, HErr JEsu, für ihren Bräutigam und Gnadenschatz hält, und dich, o heiliger Geist, recht ehrt, und durch dich in das Geheimnis der heiligen Schrift geführt wird. Hilf ja, du treuer Gott, dass wir dies dein Evangelium und seligmachendes Wort hochhalten und dadurch recht unterwiesen, getröstet, gestärkt und erhalten werden, in deiner Furcht leben und Vergebung aller unserer Sünden aus Gnaden erlangen, vor falscher Lehre uns hüten und dich recht anrufen, recht fürchten, lieben, ehren, loben und preisen und dir allezeit angenehm und wohlgefällig seien und bleiben von nun an bis in Ewigkeit! Amen.

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