Zuletzt angesehen: Klagelieder - Kapitel 1

Klagelieder - Kapitel 1

Klagelieder - Kapitel 1

(Leander van Eß)

Klaglied über das überwundene und entvölkerte Jerusalem.

1 Wie einsam sitzet sie, die Stadt, die sonst so volkreich war! Wie eine Wittwe ist geworden der Völker Königin, zinsbar der Länder Herrscherin!
2 Sie weinet bitter in der Nacht, und Thränen sind auf ihren Wangen, Keiner tröstet sie von allen ihren Buhlen; treulos gegen sie sind alle ihre Freunde, zu Feinden sind sie ihr geworden.
3 Juda wandert fort wegen der Bedrückung, und der Größe seiner Dienstbarkeit; es wohnet unter fremden Völkern, es findet keine Ruhe; alle seine Peiniger halten es unter Drangsal fest.
4 Die Straßen Zions trauern, weil Niemand kommt zum Fest; öde sind alle ihre Thore; ihre Priester seufzen; ihre Jungfrauen jammern; und sie - bitter ist es ihr!
5 Ihre Feinde sind zum Haupt geworden, wohl lassen sichs ihre Gegner seyn; denn Jehova hat sie tief gebeugt um der Menge ihrer Sünden willen; ihre Kinder wandern vor ihren Feinden her in die Gefangenschaft.
6 Verschwunden ist von Zions Tochter ihre ganze Herrlichkeit; den Hirschen gleichen ihre Fürsten, die keine Weide finden, und kraftlos vor dem Jäger fliehen.
7 In den Tagen ihres Elends, und ihrer Unterdrückung denkt Jerusalem zurück an alle ihre Herrlichkeit, die sie in der Vorzeit hatte. Als ihre Mannschaft fiel in Feindes Hand, und Niemand ihr zu Hülfe kam; da sah auf sie der Feind, und lachte ihrer Sabbathe.
8 Schwer hat sich Jerusalem versündigt, darum ward sie zum Abscheu. Alle, die sie verehrten, verachten sie; weil sie ihre Blöße sahen; sie aber seufzet, und kehrert sich um.
9 Ihr Unflath klebte an ihres Kleides Saum; aber sie dachte nicht an ihr Ende. Darum sank sie so erstaunenswürdig tief; und Niemand war, der sie getröstet hätte. „Sie doch, Jehova! mein Elend an; denn der Feind thut groß.“
10 Der Feind hat ausgestreckt seine Hand nach allen ihren Kostbarkeiten. Ja sie hat sehen müssen, daß Heiden in ihr Heiligthum drangen, da du doch geboten, daß sie niemals in deine Gemeinde kommen sollten.
11 Ihr ganzes Volk seufzet, es suchet Brod, sein Liebstes gäbe es hin für Speise, um sein Leben nur zu fristen. „Sieh doch, Jehova! und blicke her, wie ich entwürdigt bin!“
12 Ist das Nichts für euch, die ihr den Weg vorüber gehet? blicket her, und sehet, ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz, der mir ist zugefüget worden, womit Jehova mich gebeuget hat am Tage seiner Zorngluth.
13 Er schleuderte von oben herab Feuer in mein Gebein, und zermalmte es. Ein Netz legte er meinen Füßen, und zog mich zurück; er richtete mich zu Grunde, und machte mich elend für immer.
14 Geflochten ist ein Joch von meinen Sünden, zusammengeknüpft sind sie in meiner Hand; sie kommen herab auf meinen Hals, und drücken nieder meine Kraft. Gott hat mich solchen Händen überliefert, unter denen ich mich nicht aufrichten kann.
15 Alle meine Tapfern verwarf der Herr in meiner Mitte; er rief wider mich einen Festtag aus, zu würgen meine Jünglinge. Es kelterte der Herr die Jungfrau Tochter Juda's.
16 Darüber weine ich, in Thränen badet sich mein Auge; denn fern von mir ist der Tröster, der mich erquicken könnte. Meine Söhne sind zu Grunde gegangen, denn übermächtig war mein Feind.
17 Ob Zion ringt mit ihren Händen, für sie ist kein Tröster da, Jehova hat wider Jakob seine Feinde rings um ihn her aufgeboten; Jerusalem ist zum Abscheu geworden unter ihnen.
18 Doch gerecht ist Jehova! denn ich war widerspenstig gegen seinen Befehl. O! höret es doch, ihr Völker alle, und sehet meinen Schmerz! meine Jungfrauen und meine Jünglinge sind hingewandert in die Gefangenschaft!
19 Ich rief meine Freunde an; aber sie haben mich getäuscht; meine Priester, und meine Greise sind verschmachtet in der Stadt, obschon sie Speise suchten, ihr Leben noch zu fristen.
20 Sieh, Jehova, meine Bedrängniß! es toben meine Eingeweide, mein Herz kehret sich in meinem Leibe um, daß ich so widerspenstig war. Von Außen hat das Schwert mich kinderlos gemacht, wie die Pest von Innen.
21 Wohl höret man, wie ich seufze, aber Niemand tröstet mich; alle meine Feinde hören mein Unglück, und jauchzen; denn du hast es verhängt! doch du führest einen Tag, den du schon verkündet hast, herbei, wo sie werden, wie ich bin.
22 All ihr Böses komme vor dein Angesicht; und verfahre mit ihnen, wie du mit mir verfuhrest um aller meiner Sünden willen! Denn groß ist mein Jammer, und kummervoll mein Herz.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
andachtsbibel/at/klgl/kapitel_1.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain