11:1 Es lag aber einer krank mit Namen Lazarus, von Bethanien, in dem Flecken Marias und ihrer Schwester Martha.
11:2 (Maria aber war, die den HERRN gesalbt hat mit Salbe und seine Füße getrocknet mit ihrem Haar; deren Bruder, Lazarus, war krank.)
11:3 Da sandten seine Schwestern zu ihm und ließen ihm sagen: HERR, siehe, den du liebhast, der liegt krank.
Dieses ließen Maria und Martha dem HErrn Jesu melden, als ihr Bruder Lazarus krank lag. Der HErr Jesus hat den Lazarus und seine Schwestern nicht nur heimlich lieb gehabt, sondern Seine Liebe auch durch freundliche Mienen und Worte geäußert: weil man sagen konnte, daß Er diese und jenen lieb habe. Der HErr Jesus hatte den Lazarus lieb, und dieser wurde doch krank. Also kann das Kranksein und von Jesu geliebt werden, bei einander stehen. Die Schwestern des Lazarus hatten bei der Botschaft, welche sie zu Jesu schickten, dieses zum Zweck, daß Jesus kommen, und ihren kranken Bruder gesund machen sollte: allein der HErr Jesus that's nicht, sondern ließ den Lazarus sterben. So kann also ein Christ ungeachtet einer gethanen Fürbitte an seiner Krankheit sterben, und doch von Jesu geliebt werden. Freilich weckte der HErr Jesus hernach den Lazarus wieder zu dem irdischen Leben auf; wenn Er aber dieses bei einem andern Verstorbenen nicht thut, so kann Er ihn doch lieb gehabt haben, und nach seinem Tod noch lieben. Jesus hatte auch Martham lieb, und ihre Schwester und Lazarum, wie der Evangelist Johannes K. 11,5. bezeugt, allein Martha und Maria ließen dem HErrn Jesu nicht sagen: siehe, der Bruder der zwei Schwestern, die Du lieb hast, liegt krank, sondern beriefen sich nur auf die Liebe des HErrn Jesu gegen ihren Bruder, der ihnen ohnehin als ein Kranker einer neuen Erweisung der Liebe Jesu am meisten bedürftig zu sein schien. Freilich hatten sie dabei auch die Absicht auf sich selbst. Ihr Bruder war todtkrank, sie hatten ihn lieb, und mißten ihn ungern; doch waren sie nicht so keck, den HErrn Jesum geradezu zu bitten, daß Er kommen, und ihren Bruder gesund machen sollte, ob sie solches gleich wünschten; gleichwie sie Ihm auch hernach den groben Vorwurf nicht machten, den Ihm einige Juden Joh. 11,37. machten, sondern nur sagten: HErr, wärest Du hier gewesen, unser Bruder wäre nicht gestorben, V. 21.32. Die Bescheidenheit leuchtete also aus ihrem ganzen Betragen heraus, und diese soll auch in unser ganzes Bezeugen gegen unsern Heiland und Seinen himmlischen Vater einfließen. Der HErr Jesus zeigte diesen zwei Schwestern und ihrem Bruder, daß Er denjenigen, die Er lieb hat, nicht immer so willfahre, wie sie es verlangen; denn Er besuchte den kranken Lazarus nicht, und machte ihn nicht gesund, wiewohl Er hernach mehr that, als man Ihn gebeten hatte. In diese Seine Weise müssen wir uns schicken lernen, und bei unserm Bitten uns immer hüten, daß wir nicht Seine Rathgeber sein wollen. Wie glücklich ist derjenige, den Jesus lieb hat! Lazarus war, wie ein jeder anderer Liebling Jesu, den Vornehmsten unter den Juden und vielen gemeinen Leuten verhaßt. Auch nach seiner Auferweckung trachteten die Hohenpriester darnach, daß sie ihn tödteten, weil um seinetwillen viele Juden hingingen und an Jesum glaubten, Joh. 12,10.11.: allein die Liebe Jesu ersetzte ihm Alles. Und wie reichlich ist er seit seiner seligen Hinfahrt, nach welcher er nicht mehr zu dem irdischen Leben erweckt wurde, durch sie erquickt worden! Alle diejenigen, die Jesus lieb hat, sagen mit einander: lasset uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebet!(Magnus Friedrich Roos)
11:4 Da Jesus das hörte, sprach er: Die Krankheit ist nicht zum Tode, sondern zur Ehre Gottes, daß der Sohn Gottes dadurch geehrt werde.
Aus den Worten unsres Herrn vernehmen wir, dass jeder Krankheit ein Ziel gesetzt ist. Hier ist ein „zum“, in welchem ihr letztes Ziel zusammengefasst ist, und über welches hinaus sie nicht gehen kann. Lazarus musste wohl durch den Tod hindurch gehen, aber Tod war nicht Ziel und Zweck seiner Krankheit.
In jeder Krankheit spricht der Herr zu den Wogen des Leidens: „Bis hierher sollst du kommen, und nicht weiter.“ Sein vorgesetztes Ziel ist nicht die Zerstörung, sondern die Bewährung seines Volkes. Die göttliche Weisheit hängt an der Tür des Trübsalsofens ihr Thermometer auf und überwacht die Glut.
1. Es ist ermutigend, dass die Grenze genau bestimmt ist. Der Gott der Vorsehung hat bei allen unsren Krankheiten eine Grenze gesetzt für Zeit, Art, Größe, Dauer und Wirkung unsrer Leiden; jeder Krampfanfall ist zum voraus bestimmt, jede schlaflose Stunde festgesetzt, jeder Rückfall vorbedacht, jede geistige Niedergeschlagenheit zuvor versehen, und jede heiligende Wirkung von Ewigkeit her im ewigen Vorsatz verordnet. Nichts Großes und nichts Geringes entgeht der Hand Dessen, der auch die Haare auf eurem Haupte zählt.
2. Die Grenze ist weise abgewogen nach unseren Kräften, nach dem vorbestimmten Zweck und nach der beabsichtigten Gnadenwirkung. Die Heimsuchung kommt nicht aufs Geratewohl, die Gewalt jedes Rutenschlages ist aufs genaueste abgemessen. Derjenige, der sich nicht irrte, als Er die Wolken wog, und die Weite des Himmelsraumes maß, lässt sich keinen Missgriff zu schulden kommen, wenn Er die Mittel auswählt, die zur Heilung unsrer Seele nötig sind. Wir dürfen nie zu viel leiden, noch werden wir zu spät erlöst. 3. Die Grenze ist mit liebevoller Rücksicht bestimmt. Das Messer des himmlischen Wundarztes schneidet nicht tiefer, als unumgänglich nötig ist. „Denn Er nicht von Herzen die Menschen plagt und betrübt.“ Ein Mutterherz ruft: „Schone meines Kindes!“ Aber wo wäre eine Mutter so barmherzig wie unser gnädiger Gott? Wenn wir bedenken, wie unbändig wir sind, so ist‘s zu verwundern, dass wir nicht schärfer gezüchtigt werden. Es ist ein trostreicher Gedanke, dass Der, der die Grenzen unsrer Erde festgestellt hat, auch festgestellt hat die Grenzen unsrer Leiden. (Charles Haddon Spurgeon)
11:5 Jesus aber hatte Martha lieb und ihre Schwester und Lazarus.
11:6 Als er nun hörte, daß er krank war, blieb er zwei Tage an dem Ort, da er war.
11:7 Darnach spricht er zu seinen Jüngern: Laßt uns wieder nach Judäa ziehen!
11:8 Seine Jünger sprachen zu ihm: Meister, jenes Mal wollten die Juden dich steinigen, und du willst wieder dahin ziehen?
11:9 Jesus antwortete: Sind nicht des Tages zwölf Stunden? Wer des Tages wandelt, der stößt sich nicht; denn er sieht das Licht dieser Welt.
11:10 Wer aber des Nachts wandelt, der stößt sich; denn es ist kein Licht in ihm.
11:11 Solches sagte er, und darnach spricht er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, daß ich ihn auferwecke.
11:12 Da sprachen seine Jünger: HERR, schläft er, so wird's besser mit ihm.
11:13 Jesus aber sagte von seinem Tode; sie meinten aber, er redete vom leiblichen Schlaf.
Große Leutseligkeit des HErrn Jesu, daß Er von dem Lazarus zu Seinen Jüngern sagte: unser Freund schläft, und dadurch andeutete, daß Er und Seine Jünger bisher einen gemeinschaftlichen Freund an dem Lazarus gehabt haben! Lazarus scheint keiner von denjenigen gewesen zu sein, die Jesu überall hin nachfolgten; er war aber ein Freund Jesu und Seiner Jünger, er erwies ihnen allerhand Liebesdienste, beherbergte sie, und genoß ihres vertraulichen Umgangs. Lazarus und seine zwei Schwestern waren gute und fromme Leute, und fähig, von dem Heiland freundschaftlich behandelt zu werden. Er hatte auch Martha lieb, und ihre Schwester und Lazarus, V. 5. Die Schwestern wußten auch solches, und ließen deßwegen, als ihr Bruder krank war, dem HErrn Jesu sagen: HErr siehe, den Du lieb hast, der liegt krank, V. 3. Ob Sich gleich der HErr Jesus zu einem liebreichen und freundschaftlichen Umgang mit ihnen herab ließ, so ließen sie sich doch aus der Ehrerbietung gegen Ihn nicht verrücken, sondern nannten Ihn HErr, welcher Titel damals nicht so gewöhnlich war, als er jetzt ist. Ja sie verehrten Ihn als den Sohn Gottes, dem Gott Alles gewähre, V. 22., und glaubten, daß Er ihren Bruder gesund gemacht hätte, wenn Er bei seinem Krankenbett zugegen gewesen wäre, V. 21.32. Sie ließen es auch dem HErrn Jesu, der damals jenseits des Jordans war, sagen, daß ihr Bruder krank sei; Jesus aber bleib noch zwei Tage an selbigem Ort, und trat nach dem Verfluß derselben die Reise nach Bethanien an. Nun lag Lazarus, als Jesus zu Bethanien ankam, schon vier Tage im Grabe; wenn wir nun zu den schon gemeldeten zwei Tagen zwei andere Tage rechnen, welche zur Reise angewendet worden, so ist es ersichtlich, daß Lazarus bald darauf gestorben sei, nachdem seine Schwestern einen Boten an Jesum abgefertigt hatten, ja daß er ungefähr um dieselbe Zeit gestorben, da der Bote zu Jesu gekommen und daß er ohne Verzug nach der Juden Weise begraben worden sei. Jesus sagte hernach von ihm: er schläft, aber Ich gehe hin, daß Ich ihn auferwecke; gleichwie Er auch von dem Mägdlein des Jairus gesagt hatte: es ist nicht gestorben, sondern es schläft. Die Gewißheit und Leichtigkeit der nahen Auferweckung veranlaßte Jesum, den Stand des Todes einen Schlaf zu nennen; denn wie ein Schlafender wieder aufwacht, so wachten auch diese Todten wieder auf, und so leicht ein Schlafender durch einen lauten Ruf aufgeweckt werden kann, so leicht war es Jesu, diese Todten durch Seine Stimme zum Leben zurückzurufen. Auch von andern Todten wird gesagt, daß sie vor ihrer Auferweckung schlafen. Viele, sagte ein Engel zu dem Propheten Daniel, so unter der Erden schlafen liegen, werden aufwachen, etliche zum ewigen Leben, etliche zur ewigen Schmach und Schande, Dan. 12,2.; und Paulus nennt 1 Thess. 4,13-16. die Gerechten, die der HErr Jesus bei Seiner Zukunft auferwecken wird, sowohl Schlafende als euch Todte in Christo. Einem Christen gebührt, mit der Hoffnung der Auferstehung sterbend einzuschlafen. Sein Grab ist seine Schlafkammer, in welcher er die Auferweckung erwartet, und nicht sein Kerker, aus welchem er zur Anhörung des Urtheils der Verdammung herausgeführt werden müßte. (Magnus Friedrich Roos)
11:14 Da sagte es ihnen Jesus frei heraus: Lazarus ist gestorben;1)
11:15 und ich bin froh um euretwillen, daß ich nicht dagewesen bin, auf daß ihr glaubt. Aber laßt uns zu ihm ziehen!
11:16 Da sprach Thomas, der genannt ist Zwilling, zu den Jüngern: Laßt uns mitziehen, daß wir mit ihm sterben!
11:17 Da kam Jesus und fand ihn, daß er schon vier Tage im Grabe gelegen hatte.
11:18 Bethanien aber war nahe bei Jerusalem, bei fünfzehn Feld Weges;
11:19 und viele Juden waren zu Martha und Maria gekommen, sie zu trösten über ihren Bruder.
11:20 Als Martha nun hörte, daß Jesus kommt, geht sie ihm entgegen; Maria aber blieb daheim sitzen.
11:21 Da sprach Martha zu Jesus: HERR, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben!
Wie groß und wie klein! Wie groß, daß Martha geglaubt, in Jesu Gegenwart könne kein Mensch sterben, und wie klein, daß die bloße räumliche Entfernung seine Kraft sollte ausgeschaltet haben. Wäre er nicht gestorben, hätte Jesus ihn nicht auferwecken können. Und wie viel größer als eine Bewahrung eines Kranken war die Auferweckung eines Toten! So ähnlich gehen wir auch hin mit unserm Glauben zwischen groß und klein. Da trauen wir dem Herrn die Umwandlung der ganzen Welt zu, und im selben Augenblick zweifeln wir an der Erhörung von kleinen Alltagsgebeten. Da trauen wir ihm die herrliche Auferweckung unseres Leibes für die ewige Herrlichkeit zu und zweifeln, ob er heute die Kraft darreicht zum Überwinden einer Versuchung oder einer Schwäche. Da trauen wir ihm die Bekehrung der Millionen von Heiden zu, und im selben Augenblick zweifeln wir, ob er das trotzige Kind herumholen kann, das uns gerade Not macht! Wann werden wir lernen glauben, daß ihm kein Ding unmöglich ist, es sei groß oder klein, wenn er es will und wenn er es jetzt und hier durch uns will geschehen lassen. Mehr Liebesumgang muß in das Verhältnis unseres Herzens zu Jesu hinein, damit wir erraten, welches Ziel er jetzt gerade mit dieser Sache verfolgt.
Herr Jesu, wir wollen dir nichts vorschreiben, aber alles zutrauen. Öffne uns die Augen unseres Herzens, daß wir mit Liebesaugen sehen, wohin du siehst und was du vorhast. Amen. (Samuel Keller)
11:22 Aber ich weiß auch noch, daß, was du bittest von Gott, das wird dir Gott geben.
11:23 Jesus spricht zu ihr: Dein Bruder soll auferstehen.
11:24 Martha spricht zu ihm: Ich weiß wohl, daß er auferstehen wird in der Auferstehung am Jüngsten Tage.
11:25 Jesus spricht zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe;
Um zu erfassen, was geschah, als Jesus das Kreuz trug, muss ich auf die herrliche Gewissheit des Lebens achten, die Ihn trägt. „Wir wollen mit ihm sterben“ sagten die Jünger. Aber das ist nicht der Sinn, mit dem Jesus nach dem Kreuz greift. Er ging als der Lebendige in den Tod und hat darum an den Eingang seines Leidens die Erweckung des Lazarus gestellt, durch die Er sich uns als die Auferstehung und das Leben bezeugt. Sein Gang nach Golgatha war sein Bekenntnis zur Auferstehung, seine Ehrung Gottes als dessen, der die Schlüssel zum Ort der Toten hat, dessen Werk am Tod keine Schranken hat, dessen Gnade nicht endet, wenn menschliche Hände oder die Natur ihr Leben zerbrechen. Jesus hat aber nie nur an sich selbst gedacht und nicht davon mit Martha gesprochen, wie er sich selbst erhalte und für sich selbst die Vollendung erlange. Er und sein Amt sind eins und sein Werk ist von seinem Leben nicht geschieden. Darum ist er die Auferstehung nicht so, dass sie nur ihm selbst zuteil wird, und das Leben nicht so, dass er es in sich selber hat, sondern er ist die Auferstehung als der, der sie uns bereitet, und das Leben als der, der es uns schenkt. Daher zerfallen die Ziele Jesu nicht in einen zwiespältigen Gegensatz, so dass er zwar jetzt stürbe, dennoch aber lebte, sondern weil er uns das Leben gibt, darum stirbt er. Sein Ziel ist, aus unserem Sterben für uns das Heil und das Leben zu machen. Daraus, dass er sich als das Leben in die Gemeinschaft mit uns stellt, entstand seine Gemeinschaft mit uns im Todeslos. Das legte auf ihn die Pflicht zu sterben. Er ist dadurch das Leben, dass er uns unsere Schuld von uns nimmt, und tut dies als Gottes Lamm, das für Gott das Leben lässt.
Deine mit Gottes Kraft gefüllte Hand einigt, was für uns geschieden ist. Für uns führt aus dem Sterben kein Weg in das Leben; denn für uns gibt es keinen Weg aus der Schuld in die Gnade. Du aber verwandelst Tod in Leben; denn Du verwandelst durch Dein Vergeben Schuld in Gerechtigkeit. Darum verkündigt deine Gemeinde Deinen Tod und empfängt durch das Wort von Deinem Kreuz Gottes Evangelium. Amen. (Adolf Schlatter)
Sehr froh wurden die Jünger, als sie den Herrn sahen. Das können wir gut begreifen. Als Sünderfreund war Er ihnen längst bekannt, sie waren Ihm sehr anhänglich, weil sie in Ihm den längst erwarteten Messias fanden. Seine gewaltigen Predigten und Seine alle in Staunen seienden Wunder machten sie getrost und befestigten sie im Glauben: Du bist Gottes Sohn, der König Israels. Aber jetzt erst wurde Er ihnen geoffenbart als die Auferstehung. „Jesus die Auferstehung!“ so mussten sie sich jetzt immer wieder sagen. Das war ihnen völlig neu. Ihre Hoffnung war groß gewesen, aber dies Größte hatte diese nicht zu ihrem Inhalte gehabt. Sehr nahe lag also die Entfaltung einer wunderbaren Herrlichkeit Christi. Als die Auferstehung sollten die Seinen Ihn kennen lernen, und sie ahnten hiervon nichts, weil ihre Blicke auf einen anderen Punkt der Verheißung gerichtet waren. Wie reich, wie beglückt sind sie nun! Unendlich mehr als je haben sie nun an Jesus. Sie wussten es ja, dass noch Großes ihrer wartete, aber diese Seligkeit übertraf alle ihre Hoffnungen. Ganz neue Gnadengebiete standen jetzt erschlossen vor ihren Geistesaugen. Jesus ist Israels König! das stand ihnen bis jetzt im Vordergrund. Jesus ist die Auferstehung und das Leben, das erfüllte sie nun so sehr, dass sie Jerusalem, ja das ganze Land davon in Kenntnis setzen mussten. So fingen sie an, in Jesus die Auferstehung der Toten zu verkündigen. Wer an Ihn glaubt, der wird Seiner Auferstehung teilhaftig. O, welch eine gewaltige Wahrheit! Wie herrlich ist doch die Botschaft von Jesus, sie enthält gerade das, was unser Sehnen befriedigt. (Markus Hauser)
11:26 und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?2)
Ja, Herr, wir glauben es; wir werden nimmermehr sterben. Unsre Seele mag von unsrem Leibe getrennt werden, und dies ist eine Art von Tod; aber unsre Seele soll nie von Gott getrennt werden, was der wahre Tod ist - der Tod, welcher der Sünde gedroht war - die Todesstrafe, welche die schlimmste ist, die verhängt werden kann. Wir glauben dieses ganz gewiß, denn wer mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu, unsrem Herrn, ist? Wir sind Glieder des Leibes Christi; wird Christus Teile seines Leibes verlieren? Wir sind mit Christo vermählt; kann Er seiner Braut beraubt und verwitwet werden? Es ist nicht möglich. Es ist ein Leben in uns, das nicht fähig ist, von Gott geschieden zu werden: ja, und der Heilige Geist wohnt in uns, und wie könnten wir dann sterben? Jesus selber ist unser Leben, und deshalb gibt es für uns kein Sterben, denn Er kann nicht wiederum sterben. In Ihm sterben wir der Sünde einmal, und das Todesurteil kann nicht zum zweitenmal vollzogen werden. Nun leben wir und leben auf immer. Der Lohn der Gerechtigkeit ist das ewige Leben und wir haben nichts Geringeres, als die Gerechtigkeit Gottes und können deshalb den höchsten Lohn beanspruchen.
Lebend und glaubend, glauben wir, daß wir leben und uns freuen werden. Deshalb eilen wir vorwärts in der vollen Gewißheit, daß unser Leben in unsrem lebendigen Haupt sicher ist. (Charles Haddon Spurgeon)
11:27 Sie spricht zu ihm: HERR, ja, ich glaube, daß du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.
11:28 Und da sie das gesagt hatte, ging sie hin und rief ihre Schwester Maria heimlich und sprach: Der Meister ist da und ruft dich.
11:29 Dieselbe, als sie das hörte, stand sie eilend auf und kam zu ihm.
11:30 (Denn Jesus war noch nicht in den Flecken gekommen, sondern war noch an dem Ort, da ihm Martha war entgegengekommen.)
11:31 Die Juden, die bei ihr im Haus waren und sie trösteten, da sie sahen Maria, daß sie eilend aufstand und hinausging, folgten sie ihr nach und sprachen: Sie geht hin zum Grabe, daß sie daselbst weine.
11:32 Als nun Maria kam, da Jesus war, und sah ihn, fiel sie zu seinen Füßen und sprach zu ihm: HERR, wärest du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben!
11:33 Als Jesus sie sah weinen und die Juden auch weinen, die mit ihr kamen, ergrimmte er im Geist und betrübte sich selbst
11:34 und sprach: Wo habt ihr ihn hingelegt? Sie sprachen zu ihm: HERR, komm und sieh es!
11:35 Und Jesus gingen die Augen über.
11:36 Da sprachen die Juden: Siehe, wie hat er ihn so liebgehabt!
11:37 Etliche aber unter ihnen sprachen: Konnte, der den Blinden die Augen aufgetan hat, nicht verschaffen, daß auch dieser nicht stürbe?
11:38 Da ergrimmte Jesus abermals in sich selbst und kam zum Grabe. Es war aber eine Kluft, und ein Stein daraufgelegt.
11:39 Jesus sprach: Hebt den Stein ab! Spricht zu ihm Martha, die Schwester des Verstorbenen: HERR, er stinkt schon; denn er ist vier Tage gelegen.
11:40 Jesus spricht zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, du würdest die Herrlichkeit Gottes sehen?
Ja, das hat er uns auch oft genug gesagt, aber wenn es so gegen allen Augenschein geht, wie dort bei Martha in Bethanien, dann bricht der Glaube wie ein schwacher Keim nicht durch die gefrorene Erdkruste hindurch. Wir mögen sogar schon verschiedene kleinere und größere Proben seiner wunderbaren Hilfe erlebt haben, und wenn die neue Angst wieder da ist, haben wir alles vergessen. Da hilft nichts, er muß hienieden uns wieder und wieder „Toren und trägen Herzens“ schelten, was den Glauben an sein Wort anlangt. Außerdem erschweren wir dem Heiland sein Hilfswerk durch solchen Mangel an Vertrauen in einer Weise, die uns selbst Schaden tut. Es ist nachgerade zum Niederfallen und Anbeten, daß er mit solchen Leuten, wie wir sind, noch Geduld hat und sie immer wieder der gnädigen Hilfe würdigt. Wenn er nur zuletzt den ganzen Prozeß gewinnt und den Sieg behält und die letzte Decke kann von unsern Augen genommen werden und wir sehen buchstäblich die Herrlichkeit Gottes in vollkommener Schöne. Bis das geschehen kann, was muß da doch aus uns werden, die ihm soviel Mühe gemacht haben mit ihrem Kleinglauben und soviel Schwierigkeiten mit ihrer Kurzsichtigkeit!
Vergib uns, Herr, den mangelhaften Glauben und das Auf und Niederschwanken zwischen Zutrauen und Zweifel. So es möglich ist, mach unsere Herzen fest und still im Glauben an dein Wort und dein Herz voll Liebe. Amen. (Samuel Keller)
11:41 Da hoben sie den Stein ab, da der Verstorbene lag. Jesus aber hob seine Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast.
11:42 Doch ich weiß, daß du mich allezeit hörst; aber um des Volkes willen, das umhersteht, sage ich's, daß sie glauben, du habest mich gesandt.
11:43 Da er das gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus!
11:44 Und der Verstorbene kam heraus, gebunden mit Grabtüchern an Füßen und Händen und sein Angesicht verhüllt mit dem Schweißtuch. Jesus spricht zu ihnen: Löset ihn auf und lasset ihn gehen!3)4)
Welch eine That! Nie ist ein ähnliches Wunder auf Erden verrichtet worden. Und welch ein Wort: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet im Glauben an mich, der wird nimmermehr sterben!“ Nie hat ein Mensch, so lange die Welt steht, ein so großes, außerordentliches Wort von sich gesagt. Nie hat Einer es von sich sagen können. Es hat freilich nicht an stolzen Menschen gefehlt, die manchmal ein großes Wort von sich gesagt haben, wie Nebucadnezar; aber die Strafe und Demüthigung für solche Erhebung ist niemals ausgeblieben. Der Demüthigste unter allen Menschen und der Heiligste, der konnte und durfte das große Wort aussprechen: Ich bin die Auferstehung und das Leben, und wurde, nachdem Er durch Leiden des Todes vollendet war, erhöhet über alle Namen, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und ist Ihm gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und Er wird kommen, um einst zu richten die Lebendigen und die Todten. Je mehr man in seinen Worten sucht, desto mehr findet man darin. Jesus sagt nicht: Ich bin der Todtenerwecker und der Lebenbringer; auch nicht: Ich bin der Auferstehende und der Lebendige; sondern: Ich bin diejenige, einzige Person, auf deren Persönlichkeit alle Auferstehung allein beruht, ich bin die Ursach aller Auferstehung und die Quelle alles Lebens. Die Gotteskraft aber, wodurch der Mensch einen persönlichen Antheil an der Person und dem Geiste Jesu Christi erhält und sein Leben ganz erneuert wird, ist der Glaube an Ihn, d.h. die göttlich gewirkte und vom Menschen ergriffene Gewissheit, daß Jesus mit dem ganzen Verdienst seiner erlösenden Hingebung dem gläubigen und bußfertigen Menschenherzen zur ewigen Seligkeit aus Gnaden geschenkt ist. Wer den Sohn hat, der hat darum das Leben, und dieses Leben ist stärker als der natürliche Tod, es überdauert ihn ewiglich, und fällt dem ewigen Tode nicht anheim. Du fragst, lieber Herr: „glaubst du das?“ – Herr, ja, ich glaube! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
11:45 Viele nun der Juden, die zu Maria gekommen waren und sahen, was Jesus tat, glaubten an ihn.
11:46 Etliche aber von ihnen gingen hin zu den Pharisäern und sagten ihnen, was Jesus getan hatte.
11:47 Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer einen Rat und sprachen: Was tun wir? Dieser Mensch tut viele Zeichen.
11:48 Lassen wir ihn also, so werden sie alle an ihn glauben; so kommen dann die Römer und nehmen uns Land und Leute.
11:49 Einer aber unter ihnen, Kaiphas, der desselben Jahres Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wisset nichts,
11:50 bedenket auch nichts; es ist uns besser ein Mensch sterbe für das Volk, denn daß das ganze Volk verderbe.
11:51 (Solches aber redete er nicht von sich selbst, sondern weil er desselben Jahres Hoherpriester war, weissagte er. Denn Jesus sollte sterben für das Volk;
11:52 und nicht für das Volk allein, sondern daß er auch die Kinder Gottes, die zerstreut waren, zusammenbrächte.)
11:53 Von dem Tage an ratschlagten sie, wie sie ihn töteten.
11:54 Jesus aber wandelte nicht mehr frei unter den Juden, sondern ging von dannen in eine Gegend nahe bei der Wüste, in eine Stadt, genannt Ephrem, und hatte sein Wesen daselbst mit seinen Jüngern.
11:55 Es war aber nahe das Ostern der Juden; und es gingen viele aus der Gegend hinauf gen Jerusalem vor Ostern, daß sie sich reinigten.
11:56 Da standen sie und fragten nach Jesus und redeten miteinander im Tempel: Was dünkt euch, daß er nicht kommt auf das Fest?
11:57 Es hatten aber die Hohenpriester und Pharisäer lassen ein Gebot ausgehen: so jemand wüßte, wo er wäre, daß er's anzeige, daß sie ihn griffen.5)
So rückte denn die entscheidende Zeit immer näher herbei. Alles vereinigte sich, sie vorzubereiten: der Hohepriester weissagte, und musste, obwohl zum Fluchen bereit, wie einst Bileam, an der Schwelle des neuen Bundes über das ächte Israel den Segen aussprechen, indem er die Weissagungen des Gesetzes und der Propheten vom Versöhnungstode des Lammes Gottes bestätigte; der hohe Rath ließ den Befehl ausgehen, daß diejenigen, die da wüssten, wo Jesus wäre, es anzeigen sollten, damit sie Ihn greifen könnten: - kam Jesus zu Ostern nach Jerusalem, es warum Ihn geschehen. Und Jesus kam frei und öffentlich. Er stand unter dem allmächtigen Schutze seines Vaters. Er war getrost und fürchtete sich nicht: was konnten Ihm Menschen thun? Sind wir nicht auch in der Nachfolge Jesu und unter seinen Schirmen vor der Wuth und dem Stürmen aller Feinde frei? Ist Gott für dich, was kann dir schaden, ob sich dir Alles widersetzt? Bist du bei deinem Gott in Gnaden, so bleibst du stets unverletzt. Wer Gott nur hat, hat immer Schutz, er bietet Welt und Teufel Trutz. – Jesus kam nach Jerusalem; denn nach des Vaters ewigem Rathschluß sollte Er sterben, und nach seiner eignen Liebe zu den Menschen wollte Er für sie sterben, zu ihrer Versöhnung und Beseligung. Unter den entfernten Heiden sahe sein allwissendes Auge bereits eine große Anzahl, die durch den Glauben an den Namen seines eingeborenen Sohnes seine Kinder werden sollten. Diese werden schon zum voraus Kinder Gottes hier genannt, so wie der Erlöser solche gleichfalls Joh. 10,16. schon zum voraus seine Schafe nannte, noch ehe sie herzugeführt waren. Sie sollten durch den Tod des Sohnes Gottes zu einer Heerde gesammelt werden, hier in der Zeit durch die Einigkeit ihres Glaubens, und dort in der Ewigkeit, wo sie die vollkommene Gemeinde der vollendeten Gerechten ausmachen werden. O meine Seele, preise deinen Erlöser, und verkündige seinen Tod, daß auch du kraft desselben als ein verlornes und verirrtes Schaf zu seiner Heerde gesammelt bist, und laß dich durch keinen Verführer von diesem einigen Grunde deines Heils abwendig machen! Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)