25:1 Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen aus, dem Bräutigam entgegen.
25:2 Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug.
25:3 Die törichten nahmen Öl in ihren Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich.
Auch dadurch erweist sich Jesus als der Träger göttlicher Gnade, dass er uns die Hoffnung gibt. Sie ist wie alle Gaben Gottes voller Süßigkeit und Kraft. Wie könnten wir froh arbeiten und dankbar leiden, Gott zum Preise leben und Gott zum Preise sterben, wenn wir nicht Hoffende wären? Es gibt aber keine Gnade Gottes, aus der wir nicht den Anlass zum Sündigen machten. Davor behüte uns die Treue Jesu, indem er uns in seinem Gleichnis zeigt, wie aus unserem Hoffen Torheit wird. Er beschreibt die, die am Vorabend des Festes auf seinen Anfang warten. Die Vorfreude der bald beginnenden Feier leuchtet warm in ihrer Seele und sie sind gewiss, dass ihnen die Teilnahme am Fest beschieden sei. Allein ihre Hoffnung betrügt sie, weil sie töricht waren, und ihre Torheit besteht darin, dass sie zwar hofften, sich aber nicht rüsteten. Eine Hoffnung, die das nicht tut, was nötig ist, damit das Gehoffte komme, macht aus uns Toren. Das widerfährt uns dann, wenn sie nur unsere Gedanken füllt und unser Begehren anregt, weil sie durch ihre Seligkeit uns lockt. Es ginge von der Verheißung Jesu eine mich lähmende Wirkung aus, wenn sie mich untätig machte, wenn ich das jetzt uns Gegebene gering achtete, weil es noch nicht das Vollkommene ist, und die Arbeit des heutigen Tages unterließe, weil uns erst Jesus selbst durch seine neue Offenbarung die Vollendung des göttlichen Reiches bringen kann. Jesu Verheißung ist mir aber nicht dazu gegeben, damit ich einen Stoff für mein Denken und Dichten habe und unter dem Druck dieser Welt mich damit tröste, dass es eine kommende Welt gibt, sondern Jesu Verheißung pflanzt eine lebendige Hoffnung in mich hinein und als lebendig erweist sie sich dadurch, dass sie mein ganzes Verhalten regiert. Es muss an meinem Handeln sichtbar sein, dass ich auf den Tag schaue, der alles Verborgene ans Licht bringt, und auf den Richter warte, der über meinen Dienst sein Urteil spricht, und darnach begehre, dass er in Gottes Macht unsere natürliche Art in das ewige Leben verkläre. Wenn die Hoffnung mein Verhalten durchdringt und regiert, dann macht sie mich klug.
Noch ist der Tag der Feier für uns nicht angebrochen. Noch stehen wir am Vorabend des Festes, Deines Festes, Herr Jesus Christ. Mach uns Deinen Namen deutlich und groß. Dann hoffen wir und machen uns bereit für Deine Gegenwart. Amen.(Adolf Schlatter)
25:4 Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen.
Das heilige Öl ist wohl nichts anderes als der Heilige Geist, wie Er uns unter innigem Gebet und durch das Wort Gottes aus Gnaden geschenkt wird. Auch die törichten Jungfrauen hatten zuerst Öl in ihren Lampen und wussten wie die Klugen ganz gut, dass sie ohne dasselbe dem Bräutigam unmöglich entgegengehen können. Die Gemeinschaft, in der du stehst, die Verbindungen, die du hast und pflegst, bilden und gestalten deine Seele und machen, dass ein ganz bestimmter Geist in dir wohnt. Der treue Gebetsumgang mit Gott und die Pflege der Gemeinschaft mit geistgesalbten Christen mehren in dir die Gabe des Heiligen Geistes. Wenn wir vom Kommen des Geistes zu uns reden, so denken wir zunächst an das Herz. Was liegt da näher, als unter der Lampe eben das Herz zu verstehen? „Eure Lichter seien brennend“, sagt der Heiland. Unsere Herzen sollen, des Geistes voll, brennen und einen hellen Schein geben, sollen leuchten zur Ehre Gottes. Das Gefäß für den Ölvorrat dürfte wohl der Leib sein. Wo der Leib ein Tempel Gottes ist, wo er durchtränkt und durchwohnt ist vom Heiligen Geiste, da kann es dem Herzen niemals, auch zur Mitternachtsstunde nicht, an Öl gebrechen. Die Frage: Bist du bereit? geht also nicht nur die Seele, sie geht auch den Leib an. Vergiss es nicht! Aus den köstlichen Oliven des Wortes Gottes suche täglich möglichst viel Öl zu gewinnen, damit dein Gefäß voll werde. (Markus Hauser)
25:5 Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.
25:6 Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; geht aus ihm entgegen!
25:7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und schmückten ihre Lampen.1)
Was die Braut Christi betrifft, so habe ich den Eindruck, dass schon viele, abgewaschen von ihren Sünden und versiegelt mit Heiligem Geiste, dazu gehören und dass sich in unseren Tagen unter allen Bekenntnissen Leute finden, die in Wahrheit Gotteskinder sind. Gegen die Halbheit und Lauheit der Frommen dürfen wir die Augen nicht verschließen; wir dürfen aber ebensowenig die Tatsache verkennen, dass sich gerade jetzt viele aufmachen, ihrem Herrn zu folgen. Während das innere Leben bei vielen abnimmt, hat Jesus eine Herde, die Ihm nachfolgt, Schafe, die Seine Stimme hören, Leute, die Seiner harren, ein Volk, dem Er sich mitteilen kann. Überall sammeln sich kleinere und größere Häuflein, die Sein Wort halten und Seinen Namen nicht verleugnen. Der Heilige Geist ist sehr tätig, für Jesus ein Volk zu erziehen, zu heiligen, zu erfüllen, das mit dem Heiligen Geiste übereinstimmt und schon mit Ihm ruft: Komm, Herr Jesu! Die Jungfrauen sind unverkennbar in allen Landen am Aufwachen, viele sind eifrig beflissen, ihre Gefäße zu füllen, ihre Lampen zu schmücken, sich fertig zu machen, bereit zu sein, dem Bräutigam entgegenzugehen. Die Zeit bricht an, wo die Gläubigen nicht nur zusammenkommen, Missionsfeste zu feiern, sondern wo sie sich sammeln, um sich persönlich dem Herrn zu weihen und sich vom Heiligen Geiste erfüllen zu lassen. Wie stehst du? O bleibe nicht zurück, lass dich mitziehen, damit auch du bereit seiest. Der Herr wird siegen; Er bricht sich mächtig Bahn! (Markus Hauser)
25:8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen.
25:9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nicht also, auf daß nicht uns und euch gebreche; geht aber hin zu den Krämern und kauft für euch selbst.
25:10 Und da sie hingingen, zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür ward verschlossen.
Welche Freude, welch ein Siegesjubel unter denen, die eingehen zur Hochzeit des himmlischen Bräutigams! Der in ihrem Herzen eingekehrt ist, kommt nun als Bräutigam. Er ist bei ihnen, und sie sind bei Ihm! Den König sehen sie nun in Seiner Schöne! In Verklärungsherrlichkeit umgeben sie Ihn, der ihre Seele gewaschen hat in Seinem Blute. „Vater, ich will, dass die, die Du Mir gegeben hast, Meine Herrlichkeit sehen“, hat einst Jesus inbrünstig gefleht. Und nun ist diese Seine Bitte erfüllt. Die Klugen schauen Ihn und Seine Herrlichkeit, ja, sie sind unzertrennlich und ewig Ihm verbunden. „Und die Tür ward verschlossen.“ Welch ein Rahmen für die Brautgemeinde Jesu! Da beginnt für sie ein Neues! Und was wird dies göttlich Neue alles in sich schließen? Das tiefe Bewusstsein der Sicherheit durchdringt sie. Satan kann ihnen in keiner Weise mehr nachsehen. Sie sind vollkommen und auf ewig geborgen. „Und die Tür ward verschlossen!“ Welche Verwirrung unter den Törichten! Verschlossen! Was muss da das Herz, den ganzen Menschen durchbeben! Ein heiliger Ernst tritt da allen Jesusjüngern entgegen. Es gibt ein „Zu spät!“ Das Locken, Mahnen, Ziehen, Einladen des Heilandes findet einen Abschluss. Dem zaudernden „Nicht-recht-wollen“ wird bald ein markerschütterndes „Nicht-mehr-können“ folgen. Wer jetzt auf des Herrn Stimme nicht hören will, dem ruft Er dann zu: „Ich kenne dich nicht!“ Was willst du anfangen, wenn Jesus nichts mehr von dir wissen will? - Ringe danach, dass du jetzt durch die enge Pforte eingehst. Kaufe die Zeit aus; denn es ist böse Zeit. (Markus Hauser)
25:11 Zuletzt kamen auch die anderen Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf!
25:12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
25:13 Darum wachet; denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
Die Thüre war verschlossen, Matth. 25,10.: schreckliches Wort! Wahrlich Ich sage euch, Ich kenne euer nicht, V. 12.: schrecklicher Ausspruch! Wann wird jenes geschehen, und dieser Ausspruch gehört werden? Alsdann, wenn der Bräutigam, der auch Richter ist, als ein Menschensohn kommen wird. Wenn wird Er aber kommen? Er sagt selber zu uns: ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird. Wem wird aber die Thüre des Hochzeithauses verschlossen werden? Wem wird das schreckliche Urtheil gelten: wahrlich Ich sage euch, Ich kenne eurer nicht? Denen, die vorher thörichten Jungfrauen gleich gewesen, und geschlafen haben. Darum sagte der Heiland: wachet. Er sagte dieses zu Seinen Jüngern, die den jüngsten Tag nicht erlebten: Er sagt dieses auch uns, und wir sollen dieses Sein Wort annehmen und befolgen. Wenn gleich unser Leben nicht bis an den jüngsten Tag hinreichen wird, so sollen wir doch auch wegen allem demjenigen wachen, was uns auf dem Weg zur unsichtbaren Welt begegnen kann. Wachen sollen wir, damit wir nicht in Anfechtung oder Versuchung, folglich von einer Sünde in die andere fallen, Matth. 26,41. Nüchtern sollen wir sein und wachen, weil unser Widersacher der Teufel auch nicht schläft, sondern wie ein brüllender Löwe umhergeht, und suchet, welchen er verschlinge, damit wir ihm fest im Glauben widerstehen können, 1 Petr. 5,8.9. Auch hat die herrliche Zukunft Christi, von welcher man weder den Tag noch die Stunde weiß, ihre Vorboten bei vielen und bei einzelnen Menschen, von welchen man auch nicht weiß, wann sie daher kommen; weßwegen Christus Offenb. Joh. 3,3. zu einem schlafenden Heuchler sagt: so du nicht wirst wachen, werde Ich über dich kommen, wie ein Dieb, und wirst nicht wissen, welche Stunde Ich über dich kommen werde. Gleichwie also 2 Petr. 3,10. von dem Tag des HErrn, das ist von dem jüngsten Tag, gesagt wird, daß er unvermuthet, und unangemeldet über die Schlafenden wie ein Dieb in der Nacht kommen werde: also sagt der HErr in Ansehung der Vorboten Seiner letzten Zukunft, Er werde über einen Schlafenden wie ein Dieb in der Nacht kommen, und zwar unversehens und unangemeldet. Solche Vorboten sind aber alle schweren Gerichte, und zuletzt bei einem jeden Menschen die letzte Krankheit und der Tod. Gott hätte uns von den zukünftigen Dingen Vieles, und so auch den Tag der herrlichen Zukunft Seines Sohnes ausführlich und deutlich offenbaren können: allein wir wären alsdann weniger zu einer beständigen Wachsamkeit gedrungen gewesen, und diese Wachsamkeit nebst der damit verbundenen Geduld hätte weniger Werth gehabt. So lasset uns also nicht vorwitzig nach zukünftigen Dingen, die uns nicht geoffenbaret sind, forschen. Die Hoffnung und die Furcht ist wegen derselben vergeblich. Lasset uns nur täglich, ja an Einem fort wachen, so wird uns nichts, das kommen wird, schaden. Die Zukunft des Menschen Sohnes selber, welche den Umsturz der ganzen Welt mit sich führen wird, wird uns alsdann nicht schädlich noch schrecklich, sondern heilsam und erfreulich sein.(Magnus Friedrich Roos)
25:14 Gleichwie ein Mensch, der über Land zog, rief seine Knechte und tat ihnen seine Güter aus;
25:15 und einem gab er fünf Zentner, dem andern zwei, dem dritten einen, einem jedem nach seinem Vermögen, und zog bald hinweg.
Ungleich behandelt der Herr seine Knechte, und deshalb geht in uns das Murren an: Ungleichheit ist Ungerechtigkeit. Warum soll der eine fünf, der andere dagegen nur zwei und der letzte gar nur ein einziges Talent empfangen? Bin ich nicht verkürzt, wenn es andere gibt, die mehr besitzen und mehr vermögen als ich? Die Verderbnis der Gerechtigkeit zur Gleichmachung liegt auf der Menschheit als giftiger Wahn und quälender Druck, und es gibt keinen, der stark genug wäre, um diese Kette zu sprengen, als Jesus allein. Er hat seinen Jüngern gesagt: ihr habt nicht alle denselben Anteil an dem, was ich euch gebracht habe, habt nicht alle dasselbe Verständnis meines Wortes, nicht alle dieselbe Stärke der Liebe und dieselbe Ausrüstung zu meinem Dienst. Daher vermag bei euch der eine mehr als der andere, weil er reicher ist als der andere. Diese Ungleichheit entsteht nicht durch eure Versündigung, als müsste sich der, der nur ein Talent empfangen hat, anklagen und sagen: hätte ich mehr Glauben und eine tiefere Buße, so bekäme ich auch fünf Talente. Ich gebe euch Verschiedenes; denn ihr seid verschieden und sollt es auch sein auch in Gottes Reich und in meiner Gnade. Warum bewirkt er denn die Ungleichheit? Damit sichtbar sei, dass er der Herr ist, dass die Talente sein Eigentum sind, dass er sie nach seinem Willen verteilt. Das wird darin sichtbar, dass jeder nur das empfängt, was der Herr ihm gibt, nicht das, was der andere hat. Das Verlangen nach der Gleichheit entsteht aus der Eigensucht des Menschen, der seine Ansprüche anmeldet und seine Wünsche als gültiges Gesetz geehrt wissen will. Aber nicht meine Wünsche ordnen meinen Weg; er wird für mich geordnet und für jeden so, wie sein Herr es will. Gibt es aber noch Gemeinschaft zwischen uns, wenn wir nicht nur in unseren natürlichen Eigenschaften, sondern auch in unserem Christenstand verschieden sind? Aber unser ganzer Besitz, die fünf und die zwei und das eine Talent, ist ja des Herrn Eigentum und seine Gabe. Wie können die Knechte gegeneinander streiten und gegeneinander arbeiten, wenn sie doch die Knechte des einen Herrn sind? Er ist unser Friede, er der, der die Christenheit einigt. Weil er der Eine ist, gibt es eine allgemeine Kirche und innerhalb dieser Einheit macht er seine Herrschaft dadurch offenbar, dass er jedem seine Gabe nach seinem Willen gibt. Wenn ich das erfasst habe, so freue ich mich daran, dass die anderen anders sind als ich; denn darin wird der Reichtum Jesu offenbar.
Ich sehe, Herr, auf Dich, nicht auf die anderen, auf Deine mir gegebene Gabe, nicht auf das, was die anderen haben. Wenn ich auf die anderen sehe, werde ich verwirrt; wenn ich auf Dich sehe, stirbt mein Murren ab. Dann kann ich all mein Begehren in die eine Bitte fassen: Hilf mir treu zu sein mit dem, was Du mir gabst. Amen. (Adolf Schlatter)
25:16 Da ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann andere fünf Zentner.
25:17 Desgleichen, der zwei Zentner empfangen hatte, gewann auch zwei andere.
25:18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin und machte eine Grube in die Erde und verbarg seines Herrn Geld.
25:19 Über eine lange Zeit kam der Herr dieser Knechte und hielt Rechenschaft mit ihnen.
Ein böser Knecht sagt in seinem Herzen, mein HErr kommt noch lange nicht, und fänget an zu schlagen seine Mitknechte, isset und trinket mit den Trunkenen; es kommt aber der HErr desselben Knechts an dem Tage, deß er sich nicht versiehet, und zu der Stunde, die er nicht meint, und zerscheitert ihn u.s.w., Matth. 24,48.49.50.51. Gleichwie aber der HErr diesem bösen Knecht zu bald zu kommen scheint, so sprechen hingegen der Geist und die Braut: komm, und wer es hört, der spreche: komm, und Er antwortet: Ja! ich komme bald. Amen. Off. Joh. 22,17.20. Wenn man also die Erscheinung Jesu lieb hat, wenn man auf Ihn wartet, so spricht man zu Ihm: komm, wie man einem Geliebten zuruft, der lange ausbleibt, und Er selbst spricht, um Seine Ihm rufende Braut zu trösten: Ich komme bald. Hingegen beschreibt Er Matth. 25,19. Sich selber als einen HErrn Seiner Knechte, der über eine lange Zeit kommt, und Rechenschaft mit Seinen Knechten halte. Er war nämlich gleichsam über Land gezogen, das ist in den Himmel gefahren, und hatte Seinen Knechten gerufen, ihnen Seine Güter, d.i. Seine Kirche zur Verwaltung übergeben, und Jedem Centner, das ist Gaben, gegeben, um damit zu wuchern, oder etwas Gutes zu schaffen. Hernach kam Er über eine lange Zeit, u.s.w. Diese lange Zeit zeigt an, daß Er den Knechten zur Erweisung ihrer Treue und ihres Fleißes Zeit genug gelassen, und sie, wenn sie mit ihren Gaben nichts gewonnen hätten, sich mit der Zeitkürze nicht hätten entschuldigen können. Auch mag der liebe Heiland, da Er von einer langen Zeit redete, auf den Sinn Seiner treuen Knechte Rücksicht genommen haben, welche, da sie Ihm dienen, sagten: es wird meiner Seele lang, zu wohnen bei denen, die den Frieden hassen. Es mag nun die Zeit, die bis zur Ankunft unsers HErrn verfließt, einem Menschen lang oder kurz zu sein dünken, so ist doch gewiß, daß Er kommen werde, ja schon jetzt komme. Wenn Er nun wird gekommen sein, so wird Er mit Seinen Knechten Rechenschaft halten. Dieses Rechnen wird aber ein anderes sein, als dasjenige, das Matth. 18,23. und ff. beschrieben ist, und bei welchem der Knecht, der seinem Herrn zehntausend Pfund schuldig war, noch die Erlassung der Schuld erlangen, und hernach auf die Probe gesetzt werden konnte, ob er seinem Mitknecht auch eine Schuld erlassen werde. So rechnet der HErr Jesus mit den Menschen, wenn Er ihm in diesem Leben seine Sünden aufdeckt, und Buße in ihm wirkt: aber am Tage Seiner Zukunft wird Er so rechnen, daß die Untersuchung und Offenbarung der Treue und Untreue Seiner Knechte auf ein unwiderrufliches Urtheil hinauslaufen wird. Er wird entweder sagen: ei du frommer und getreuer Knecht, (welche Freude wird diese Anrede machen!) du bist über Wenigem getreu gewesen, Ich will dich über Viel setzen, gehe ein zu deines HErrn Freude; oder du Schalk und fauler Knecht, (welchen Schrecken wird diese Ansprache erwecken!) wußtest du u.s.w., so hättest du sollen u.s.w., darum nehmet von ihm den Centner – werfet den unnützen Knecht in die äußerste Finsterniß hinaus, da wird sein Heulen und Zähnknirschen. Lasset uns täglich an diese Rechenschaft gedenken, und in demjenigen, was uns befohlen ist, treu sein.(Magnus Friedrich Roos)
25:20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte andere fünf Zentner dar und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner ausgetan; siehe da, ich habe damit andere fünf Zentner gewonnen.
25:21 Da sprach sein Herr zu ihm: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!
Leute mit wenig Gaben und geringen Kräften sind dem Reiche Gottes oft nützlicher und förderlicher als andere, die sehr vorteilhaft ausgerüstet sind. Wir sollten ja nicht das ansehen, was uns zu mangeln scheint, sondern vielmehr das in Betracht ziehen, was Gott gerade uns anvertraut hat. Es will uns oft scheinen, als ob wir, wenn der Herr uns das und das verliehen hätte, mehr ausrichten könnten; aber unter solchen Verhältnissen, sagen wir, in denen wir uns jetzt befinden, könne nicht viel erzielt werden. Von solchen Gedanken müssen wir uns losmachen. Die Frage ist: Wie viel kann ich zur Verherrlichung Gottes beitragen mit dem, was ich habe? Die Nützlichkeit für den Herrn und für Sein Reich hängt weniger von den Gaben, als hauptsächlich von der Treue ab. Die Treuen und Beharrlichen erhalten Siege. Wer den Herrn erkannt hat und mit unverbrüchlicher Treue an Ihm hängt, der wächst und gedeiht. Wer treu ist, kommt vorwärts, arbeitet und' gewinnt viel für den Herrn; er überwindet die Welt und die Mächte der Finsternis. Wer treu ist, gleicht dem Licht, das weithin leuchtet. Über solchen Menschen öffnet sich der Himmel, göttliche Kräfte strömen durch ihre Wirksamkeit in die Welt, die Macht der Finsternis muss zurückweichen; fort und fort wird sie dadurch angegriffen, zurückgeworfen und überwunden. Treue Beter sind das Salz und das Licht der Welt. Die Ewigkeit wird das klarmachen, wieviel wir der treuen Fürbitte zu verdanken haben. Es ist unberechenbar, von welcher Tragweite diese Treue ist, und wieviel Gott durch die Geringsten ausrichten kann. (Markus Hauser)
25:22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner erhalten hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner gegeben; siehe da, ich habe mit ihnen zwei andere gewonnen.
25:23 Sein Herr sprach zu ihm: Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!
25:24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, das du ein harter Mann bist: du schneidest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht gestreut hast;
25:25 und fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine.
Weil Jesus die Liebe kannte, kannte er auch die Lieblosigkeit und war imstande, uns ihr schreckliches Bild zu zeigen, so dass es uns in seiner Furchtbarkeit sichtbar wird. Was dieser Knecht sagt, ist eisig kalt und zeigt alle Merkmale des Todes. „Du bist ein harter Herr.“ Warum denn? Für dich soll ich arbeiten, für dich leben. Ich soll säen, damit du erntest. Was ich tun soll, dient dir, macht deine Größe offenbar und deine Herrschaft wirksam. Für dich leben, für dich wirken, das ist unerträgliche Härte. Nimm das Deine! Und doch hat der, der so redet, das empfangen, was ihm Jesus gab, den Schatz des Himmelreichs. Warum heißt er es dennoch hart, für den Herrn zu leben? Weil er auch das, was ihm Jesus gab, nur für sich begehrte. Er wollte seine Seligkeit, sein ewiges Leben, sonst nichts. Darum warf er sein Talent nicht weg, sondern vergrub es und brachte es dem Herrn unverkürzt zurück. Denn auch er will in die Freude des Herrn eingehen, er, nur er; was gehen ihn die anderen an? Wir wollen Jesus von Herzen dankbar sein, dass er uns dieses Wort geschenkt hat, diese scharfe Waffe gegen alle religiöse Eigensucht, gegen unsere fälschlich evangelisch genannte Selbstliebe, die Jesus nur für die eigene Not zum Heiland haben will und Gott nur deshalb sucht, damit unser eigenes Leben gedeihe. Mit Absicht zeigt uns Jesus die Lieblosigkeit an demjenigen Knecht, dem er nur ein einziges Talent gegeben hat. Denn wenn wir weniger empfingen und weniger vermögen als andere, fasst uns der versuchliche Gedanke leicht mit großer Stärke: was soll ich mit meiner kleinen Kraft anfangen? Ich kann nichts anderes als für mich selber sorgen. Allein die Kleinheit meines Vermögens entschuldigt meine Eigensucht nie. Ich soll nicht das tun, was andere können, wohl aber das, was ich kann. Ob es wenig sei oder viel, was ich von Jesus habe, er gab es mir dazu, damit sein Wille geschehe und seine Gnade wirksam sei.
Du bist der Retter vom Tod; denn Du bist der Retter von der Lieblosigkeit. Du schenktest mir Deine Gnade, damit ich liebe, und ich liebe nur, wenn ich Dir diene. Das ist Dein heilendes Gebot und Dein königlicher Wille. Weil ich mich von meiner Eigensucht nur in Deiner Gemeinschaft lösen kann, nimm mich in Deine uns heiligende Pflege und führe mich. Amen. (Adolf Schlatter)
25:26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du Schalk und fauler Knecht! wußtest du, daß ich schneide, da ich nicht gesät habe, und sammle, da ich nicht gestreut habe?
Wenn wir Jüngern Jesu begegnen, die durch viel Not und Trübsal hindurch müssen, so wollen wir an das Wort denken: Welche der Herr lieb hat, die züchtigt Er! Wir wollen uns nicht abwenden von Mitpilgern, die schwere Wege zu gehen haben. Vielmehr sollten wir uns zu ihnen hingezogen fühlen und sagen: Der ist in großer Not, Gott muss etwas Gutes in ihm entdeckt haben, darum läutert Er ihn. Wenn es der Herr für der Mühe wert hält, ein Herz in Seine besondere Schule zu nehmen, so wollen wir Gemeinschaft pflegen mit solchen Lieblingen Gottes. Sie selbst halten sich jetzt freilich für dessen unwürdig, sie können Bruderliebe kaum verstehen und kommen sich elend und gering vor. Aber desto mehr ist es für sie eine nicht geringe Erquickung, wenn wir ihnen innige Liebe erzeigen und brüderlich mit ihnen umgehen. Wer im Tiegel heißer Leiden, schwerer Krankheiten, niederbeugender Misserfolge schmachtet, der weiß die Gemeinschaft der Gläubigen zu schälen. Bete mit den Betrübten, sie werden dankbar sein. Lies ihnen einen Bibelabschnitt vor; wie oft fällt so das Wort in einen wohlzubereiteten Boden. Und wenn du es vermagst, so singe den Elenden kräftige Jesuslieder, sie werden neuen Mut gewinnen. Teilnahme tut allen wohl, wenn die Hitze der Trübsal groß wird. Rede freundlich mit den Müden; sie bedürfen keiner Schläge, sie brauchen Balsam auf offene Wunden. Nicht Feuer, heilend öl bringe den Brüdern im Leidenstiegel. Es ist nicht unsere Sache, Christen zu schmelzen und zu zerschlagen, der Herr selbst läutert die Seinen, aber Er macht dadurch die arme Seele helle und weiß, wie Silber geläutert wird. (Markus Hauser)
25:27 So solltest du mein Geld zu den Wechslern getan haben, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Zinsen.
25:28 Darum nehmt von ihm den Zentner und gebt es dem, der zehn Zentner hat.
25:29 Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden.
25:30 Und den unnützen Knecht werft hinaus in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappen.2)
25:31 Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit,
25:32 und werden vor ihm alle Völker versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet,3)
Unser göttlicher Erlöser nannte sich, so lange Er in Seiner Niedrigkeit lebte, sehr oft des Menschen Sohn, und zeigte damit an, daß Er, ob Er schon in dem erhabensten Sinn der eigene und eingeborene Sohn Gottes sei, und auf eine übernatürliche Weise im Leibe der Maria empfangen worden, doch ein wahrhaftiger und geborener Mensch, und durch die Geburt von einem Menschen unserm Geschlecht einverleibt worden sei, und uns deßwegen Seine Brüder nennen könne, Hebr. 2,11. Er hat auch Seine von der Maria angenommene menschliche Natur bei Seiner Erhöhung nicht abgelegt, und wird deßwegen, wenn Er nach derselben in einer herrlichen Menschengestalt erschien, auch noch der Menschensohn genannt, s. Ap.Gesch. 7,55. Offenb. 1,13.14. Dieser Menschensohn, der auch Gott über alles gelobet in Ewigkeit ist, wird in Seiner Herrlichkeit kommen, die Welt zu richten; gleichwie Er vorher in der Niedrigkeit gekommen war, die Welt zu erlösen. Alle heiligen Engel, die ein sehr großes Heer mit einander ausmachen, und deren jeder eine feurige und glänzende Natur hat, werden mit Ihm kommen, und Ihm an diesem sehr merkwürdigen Tag besondere Dienste leisten. Er aber, dessen Herrlichkeit und Würde aller Engel Herrlichkeit unendlich übertrifft, wird als ein König einen Stuhl oder Thron haben, der Offenb. 20,11. ein großer weißer Thron genannt wird. Auf diesem Thron wird Er sitzen, gleichwie ehemals die Könige auf ihren Thronen saßen, wenn sie ein Gericht hielten. Alsdann werde alle Völker, die mit einander ein einziges Geschlecht ausmachen, vor Ihm versammelt werden. Kein einziger Mensch, von Adam an bis auf das letzte Menschenkind, das zunächst vor dem jüngsten Tag geboren werden wird, wird da vermisset werden. Auch ich werde dabei sein, und den HErrn Jesum auf Seinem herrlichen Thron sehen, aber auch von Ihm gesehen werden. Doch werden die Menschen nicht lange Einen Haufen ausmachen: denn der König Jesus wird sie von einander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und die Schafe zu Seiner Rechten, die Böcke aber zu Seiner Linken stellen. Alsdann wird das allerwichtigste Gericht gehalten, und das Wohl und Weh eines jeden Menschen auf eine unwiderrufliche Weise entschieden werden.
Diese Zukunft des HErrn Jesu in Seiner Herrlichkeit, und Alles, was damit verbunden ist, stellt uns die heilige Schrift oft vor Augen, um uns anzutreiben, daß wir bei Leibesleben wachen, beten, Gnade suchen, der Heiligung nachjagen, dem HErrn dienen, und auf den Geist säen, damit wir am Tag dieser Zukunft ein Lob, ein herrliches Erbe und eine reiche Ernte erlangen mögen. Jetzt sieht Er den Menschen gleichsam stillschweigend zu, und läßt ihnen Raum, Gutes oder Böses zu thun, und ihre kostbare Gnadenzeit wohl oder übel anzuwenden. Aber an jenem Tag wird offenbar werden, wie viel an demjenigen gelegen sei, was die Menschen vorher gedacht, geredet und gethan haben. Wohl dem, der vorher recht geglaubt, und Ihm treulich gedient hat! (Magnus Friedrich Roos)
25:33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zu seiner Linken.
25:34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!
25:35 Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt.
25:36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.4)
25:37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dich gespeist? oder durstig und haben dich getränkt?
25:38 Wann haben wir dich als einen Gast gesehen und beherbergt? oder nackt und dich bekleidet?
25:39 Wann haben wir dich krank oder gefangen gesehen und sind zu dir gekommen?
25:40 Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
25:41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!
25:42 Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränkt.
25:43 Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besucht.
25:44 Da werden sie ihm antworten und sagen: HERR, wann haben wir dich gesehen hungrig oder durstig oder als einen Gast oder nackt oder krank oder gefangen und haben dir nicht gedient?
25:45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.
Man darf nicht meinen, daß dasjenige, was Christus Matth. 25,31-46. von dem jüngsten Gericht erzählt, eine vollständige Beschreibung desselben sei, als welche ohnehin keines sterblichen Menschen Verstand fassen könnte. Wir wissen, daß die heilige Schrift, welche die wahren Gerichte oder gerichtlichen Aussprüche Gottes enthält, auf den Unglauben und auf viele wirkliche Sünden, die 1 Kor. 6,9.10. Gal. 5,19.20.21. Off. Joh. 21,8. 22,15. und anderswo genannt sind, das Urtheil der Verdammniß lege, und daß nach dem Ausspruch derselben der Mangel der Wiedergeburt und der Heiligung vom Reich Gottes ausschließe. Dieses Alles wird nun auch im jüngsten Gericht gelten; wie denn zwar Himmel und Erde vergehen werden, die Worte Gottes aber nicht vergehen oder nie ungültig werden können. Es hat aber dem lieben Heiland gefallen, in der Rede vom jüngsten Gericht, die Er kurz vor Seinem Leiden hielt, da Er Sich selbst als arm und verfolgt ansahe, und arme und von der Welt gehaßte Jünger um Sich sahe, besonders zu melden, wie im jüngsten Gericht vorzüglich auch auf die Liebe, und bei den Gottlosen auf die Unterlassung der Liebeswerke werde gesehen werden. Er sagte also unter Anderem, der Richter (nämlich Er selbst) werde zu denen, die zur Linken stehen, sprechen. was ihr nicht gethan habt Einem unter diesen Geringsten, das habt ihr Mir auch nicht gethan, gleichwie Er zu denen, die zur Rechten stehen, sagen werde: was ihr gethan habt Einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr Mir gethan. Die Geringsten, auf welche der Richter weisen wird, sind diejenigen unter den Gerechten, welche auf Erden hungrig und durstig und fremd und nackend, oder schlecht bekleidet, und krank und gefangen, folglich bedürftig gewesen waren, daß man Werke der barmherzigen Liebe um Seines Namens willen an ihnen ausübe. Auch die Apostel darf man unter diese Geringsten rechnen.
Man muß aber die Rede des Richters nach dem Inhalt des ganzen Evangelii recht verstehen. indem Er die Liebeswerke preiset, die man an Seine geringsten Brüder verwendet, so nimmt Er Seine andere Rede nicht zurück, worin Er befohlen hatte, auch den Feinden wohl zu thun, Matth. 5,44., und leugnet nicht, daß die Wohlthaten, welche man nach dem Beispiel des himmlischen Vaters (V. 45.) bösen Menschen erzeiget, auch ihren Werth bei Gott haben. Weil aber Matth. 25. nach dem besondern Zweck Jesu nur von solchen Liebeswerken die Rede ist, welche man gegen Seine geringsten Brüder ausübet, so muß man nicht meinen, daß diejenigen Reichen der Rede Christi eine Genüge gethan haben, die unter dem Haufen anderer Armen ungefähr auch Fromme gespeiset, getränket oder bekleidet haben u.s.w., denn es kommt hiebei auf die Absicht an, als welche einem jeden Werk seinen Werth gibt. Wer aber Mittel und Gelegenheit hat, diese Werke zu thun, und sie doch niemals thut, zeiget damit an, daß er ein heimlicher Feind Jesu sei, und als ein solcher von Rechtswegen verdammt werde.(Magnus Friedrich Roos)
25:46 Und sie werden in die ewige Pein gehen, aber die Gerechten in das ewige Leben.5); 6)
In diesem Kapitel erzählet der HErr Jesus erstlich ein anmuthiges Gleichniß von zehen Jungfrauen, deren fünf klug und fünf thöricht gewesen. Jene sowohl als diese waren bestellt, nach jüdischer Gewohnheit dem Bräutigam, wenn er seine Braut abholete, entgegenzugehen; was denn diesmal bei Nachtzeit geschehen sollte. Allein obschon alle zehen Jungfrauen mit Lampen wohl versehen waren, hatten doch nur allein die fünf klugen einen genügsamen Vorrath Oels mit sich genommen; was die fünf thörichten zu thun vergessen. Als daher um Mitternacht ein Geschrei wurde, es komme der Bräutigam, und die Stunde sey vorhanden, demselbigen entgegenzugehen, so merkten die fünf thörichten Jungfrauen, daß ihre Lampen verlöschen wollten, und mußten also, weil sie erst hingingen, Oel einzukaufen, dahintenbleiben. Die Thür wurde zugeschlossen, und da sie riefen: „HErr, HErr, thu uns auf!“ antwortete der Bräutigam: „Ich kenne euer nicht.“
Damit ist angedeutet: wer nicht zu aller Zeit mit Buße und Glauben sein Herz als eine Lampe geschmückt und fertig halte, der werde solchen Abgang zu spät bereuen - und könne von dem Tod übereilet werden, daß er nicht mehr Zeit habe, sich zu Gott zu bekehren. Darum sollen wir denn wachen, das ist, unserer Seelen Heil sorgfältig bedenken - und in dem Kampfe wider die Sünde auf unserer Hut stehen, weil wir weder Tag noch Stunde wissen, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
Ebendahin gehet auch das folgende Gleichniß von dem Menschen, der vor seiner Hinwegreise dem einen Knecht fünf, dem andern zwei, dem dritten ein Pfund, jedem nach seinem Vermögen, gab und einhändigte, daß sie damit handeln und Nutzen schaffen sollten. Wie denn auch der mit seinen fünf - und der andere mit den zwei Pfunden gethan, da ein jeder wiederum so viel gewonnen, als ihm anvertraut worden war; der letzte aber hat sein einiges Pfund aus Mißtrauen und Faulheit vergraben - und nichts damit gewonnen.
Unter diesem Bild will Christus lehren, wie Gott einem jeden unter uns - nach Erforderung seines Standes und Berufs - mancherlei gute Gaben in geistlichen und weltlichen Dingen mitgetheilet, daß wir solche zu Seiner Ehre, zu unserm und des Nächsten Dienst und Erbauung gebrauchen und anlegen sollen.
So sehr es nun dem Herrn mißfallen, daß der Schalk und faule Knecht sein Pfund vergraben, (wie er ihm denn dasselbe nicht nur abgenommen, sondern ihn auch sonst mit geziemender Strafe beleget hat,) - so erfreulich ist der Spruch, welchen die zween getreuen und fleißigen Knechte aus seinem Mund gehöret, da er zu einem jeden gesprochen: „Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen; ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude.“
Daß es nun aber dermaleinst am jüngsten Tag, wann Christus der HErr über Sein Haus zum Gericht kommen soll, auch so zugehen werde, berichtet uns der Heiland selbst, wenn Er in dem letzten Theil dieses Kapitels von dem Prozeß des jüngsten Tags redet, an welchem Er in Seiner Herrlichkeit kommen wird. Denn da sollen alle Menschen in zwei Classen und Ordnungen gestellet - und, ob sie gleich hier ans Erden unter einander gelebet und gewandelt, wie Schafe und Böcke von einander geschieden werden.
Hier auf Erden haben die Ungerechten und Gottlosen gern den Vorzug gehabt - und die Frommen aller Orten verachtet und verfolget. Dort aber wird der HErr Jesus diese zuerst anreden - und sie auf das allerfreundlichste zu Sich einladen, daß sie das Reich ererben, so ihnen vom Anbeginn der Welt bereitet ist. Auch wird Er die Werke ihrer Liebe, die sie im Glauben an Ihn gethan, wenn sie die Hungrigen gespeiset, die Durstigen getränket, die Fremden beherberget, die Nackenden bekleidet, die Kranken und Gefangenen besucht, diese Werke der Liebe wird Er vor allen heiligen Engeln und Auserwählten rühmen, als wenn sie Ihm selbst an Seiner Person geschehen wären.
Hingegen werden die Gottlosen und Ungerechten von Seinem Angesicht hinweg in die Hölle gewiesen und verstoßen werden, weil sie aus Unglauben, da nämlich Jesus nicht sichtbarlich zu ihnen gekommen, Seinen dürftigen Brüdern und Schwestern keine Liebe und Gutthat bewiesen, auch ihre Hoffnung und Vertrauen mehr auf das Zeitliche und Irdische, als auf das Himmlische und Ewige gestellet haben.
Denn was man in dieser Welt dem armen, dürftigen Nebenmenschen gutes oder böses thut, (das ist aber auch böse, wenn man sie aus Geiz hilflos lasset,) das will der HErr Jesus achten und rechnen, als ob Er's selbst empfangen hätte, und im übrigen ohne Zweifel die noch weniger ungestraft lassen, welche aus Ungerechtigkeit und Bosheit dem Nächsten Gewalt und Herzeleid zugefüget haben.
Wer Ohren hat, zu hören, der höre, was Christus sagt, und führe sein Leben so mit Beweisung des Glaubens in der Liebe, daß er an jenem Tag bei Christo Barmherzigkeit finde. Amen. (Veit Dieterich)