23:1 Da redete Jesus zu dem Volk und zu seinen Jüngern
23:2 und sprach: Auf Mose's Stuhl sitzen die Schriftgelehrten und Pharisäer.
23:3 Alles nun, was sie euch sagen, daß ihr halten sollt, das haltet und tut's; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht tun: sie sagen's wohl, und tun's nicht.
Braucht die Welt neue Schriftgelehrte? Jesus sagt: Nein! Die alte Bibel zeigt euch, was recht und gut vor Gott ist, und sie spricht so deutlich, dass sogar einer, der aus der Schule Gamaliels kam, sie auslegen kann. Soll ich fragen: Lieber Herr, wozu sendest du denn deine Jünger, wenn es genug ist, dass es einen Lehrstuhl für Mose bei uns gibt? Lasten binden, antwortet der Herr, ist nicht dasselbe wie die Lasten tragen, und andere sie tragen heißen, ist nicht dasselbe wie sie selber tragen. Woran krankte der alte Lehrstand? In seinem Inneren zerriss ihn ein unheilbarer Riss. Es fiel auseinander, was er sagte und was er war, was er lehrte und was er tat. Das ändert keine Schriftgelehrsamkeit, kein Bibelstudium, keine Kirchlichkeit. Es sind kostbare Erwerbungen, die wir uns dadurch verschaffen, religiöse Haltung , christliche Sitte, der biblische Gedankenkreis. Aber der Mensch ist etwas anderes als seine Tracht, etwas anderes als seine Worte, etwas anderes als seine Gedanken. Den inneren Riss heilt keine Gelehrsamkeit. Es wäre töricht, wenn wir meinten, heute brächte es unsere christliche Erziehung zu etwas anderem, als was sie damals erreichten. Was Unterricht und Erziehung geben kann, war damals in höherem Masse vorhanden als bei uns, befestigte Überzeugung, unerschütterliche Sitte, Treue in der Ausführung der Gebote. Was hilft? Das, was Jesus hatte, die Sohnschaft Gottes, und was er denen gibt, die an seinen Namen glauben, die Kindschaft Gottes, das, was uns zur Kindschaft Gottes bringt, der Geist. Jetzt erhalten wir nicht nur eine religiöse Tracht und Dressur; jetzt ist der Mensch geheilt. Darum hat Jesus den Glauben zu dem gemacht, was er in uns schafft. Denn der Glaube ist derjenige Vorgang, durch den Gottes Wirken unseren Willen bewegt. Darum ist im Glauben alles drin, Gottes Tat und mein Entschluss, Denken und Wollen, Erkenntnis und Tat.
Was krank ist an uns und was Du uns gibst, das, treuer Herr, stimmt zusammen. Du heilst uns da, wo wir krank sind, und so, dass wir genesen. Ich bitte Dich um einen starken Hass gegen jedes leere Wort und allen bloßen Schein. Mach es unserer lieben Christenheit sichtbar, dass Dein Reich nicht in Worten steht, sondern in Kraft. (Adolf Schlatter)
23:4 Sie binden aber schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf den Hals; aber sie selbst wollen dieselben nicht mit einem Finger regen.
23:5 Alle ihre Werke aber tun sie, daß sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Denkzettel breit und die Säume an ihren Kleidern groß.
23:6 Sie sitzen gern obenan über Tisch und in den Schulen
23:7 und haben's gern, daß sie gegrüßt werden auf dem Markt und von den Menschen Rabbi genannt werden.
23:8 Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister, Christus; ihr aber seid alle Brüder.
Der gefährlichste Feind der Gemeinschaft ist das offene oder heimliche Eindringen von hierarchischen Gelüsten. Zwar soll jeder bereit sein, zu dienen, und wenn es auch nur weniges ist, was geboten werden kann, es darf sich niemand in falscher Demut zu Untätigkeit verurteilen, zumal diese am meisten die scharfen Kritiker erzeugt. Aber es ist strenge darüber zu wachen, daß nicht von irgendeiner Seite eine Beherrschung der Versammlung stattfindet. Zeigen sich Ansätze dazu, sondern muß frühzeitig in schonender Weise eine Änderung in der Leitung vorgenommen werden. Dieses geschieht am besten durch Abwechselung, wobei jeder erfährt, daß es auf seine Person nicht ankommt. Hat ein Bruder eine hervorragende Befähigung zur Leitung, sei es durch seine Bildung oder durch natürliche Anlagen oder reifes Erfahrungsleben, so soll er sich freiwillig je und dann zurückhalten, ohne aber die Gemeinschaft zu Schaden kommen zu lassen.
Die in der Reformation wieder an's Licht gekommene Wahrheit, daß die gläubige Gemeinde der Körper, die wahre Kirche ist, muß in der engern Gemeinschaft der Gläubigen immer fest im Auge behalten werden. Wenn Paulus wiederholt schreibt, daß er ein Diener der Gemeine am Evangelium sei (Kol.1,25), nicht Herr des Glaubens, sondern Gehilfe der Freude, ja, wenn sogar das Haupt der Gemeine sagt, Er sei gekommen zu dienen (Matth. 20, 28), so wird es unter uns in der Gemeinschaft nie aus dem Auge zu verlieren sein, daß alles Arbeiten im Reiche Gottes nur ein Dienen am Leibe Christi, in der Gemeine ist. Dieses Dienen ist ein Arbeiten in Vereinen, in der Erbauung der Versammlung, im Lehren, Ermahnen, Trösten, Strafen usw., sei es, daß die Gemeinschaft nur aus wenigen, oder aus vielen Mitgliedern bestehe. Bei dem klaren Bewußt-sein dieser dienenden Stellung wird man dann auch geschickt sein, sich auch gelegentlich beiseite gestellt zu sehen, wenn man nämlich unsern Dienst nicht will oder glaubt, desselben entraten zu können. (Jakob Gustav Siebel)
23:9 Und sollt niemand Vater heißen auf Erden, denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.
23:10 Und ihr sollt euch nicht lassen Meister nennen; denn einer ist euer Meister, Christus.
23:11 Der Größte unter euch soll euer Diener sein.
23:12 Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.
23:13 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließet vor den Menschen! Ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, laßt ihr nicht hineingehen.
23:14 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor! Darum werdet ihr desto mehr Verdammnis empfangen.
23:15 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Land und Wasser umziehet, daß ihr einen Judengenossen macht; und wenn er's geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, zwiefältig mehr denn ihr seid!
23:16 Weh euch, verblendete Leiter, die ihr sagt: „Wer da schwört bei dem Tempel, das ist nichts; wer aber schwört bei dem Gold am Tempel, der ist's schuldig.“
23:17 Ihr Narren und Blinden! Was ist größer: das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt?
23:18 „Wer da schwört bei dem Altar, das ist nichts; wer aber schwört bei dem Opfer, das darauf ist, der ist's schuldig.“
23:19 Ihr Narren und Blinden! Was ist größer: das Opfer oder der Altar, der das Opfer heiligt?
23:20 Darum, wer da schwört bei dem Altar, der schwört bei demselben und bei allem, was darauf ist.
23:21 Und wer da schwört bei dem Tempel, der schwört bei demselben und bei dem, der darin wohnt.
23:22 Und wer da schwört bei dem Himmel, der schwört bei dem Stuhl Gottes und bei dem, der darauf sitzt.
23:23 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr verzehntet die Minze, Dill und Kümmel, und laßt dahinten das Schwerste im Gesetz, nämlich das Gericht, die Barmherzigkeit und den Glauben! Dies soll man tun und jenes nicht lassen.
23:24 Ihr verblendeten Leiter, die ihr Mücken seihet und Kamele verschluckt!
23:25 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr die Becher und Schüsseln auswendig reinlich haltet, inwendig aber ist's voll Raubes und Fraßes!
23:26 Du blinder Pharisäer, reinige zum ersten das Inwendige an Becher und Schüssel, auf das auch das Auswendige rein werde!
23:27 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr gleich seid wie die übertünchten Gräber, welche auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und alles Unflats!
23:28 Also auch ihr: von außen scheint ihr den Menschen fromm, aber in wendig seid ihr voller Heuchelei und Untugend.
23:29 Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Propheten Gräber bauet und schmücket der Gerechten Gräber
23:30 und sprecht: Wären wir zu unsrer Väter Zeiten gewesen, so wollten wir nicht teilhaftig sein mit ihnen an der Propheten Blut!
23:31 So gebt ihr über euch selbst Zeugnis, daß ihr Kinder seid derer, die die Propheten getötet haben.
23:32 Wohlan, erfüllet auch ihr das Maß eurer Väter!
23:33 Ihr Schlangen und Otterngezücht! wie wollt ihr der höllischen Verdammnis entrinnen?
23:34 Darum siehe, ich sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte; und deren werdet ihr etliche töten und kreuzigen, und etliche werdet ihr geißeln in ihren Schulen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zu der anderen;
23:35 auf daß über euch komme all das gerechte Blut, das vergossen ist auf Erden, von dem Blut des gerechten Abel an bis auf das Blut des Zacharias, des Sohnes Berechja's, welchen ihr getötet habt zwischen dem Tempel und dem Altar.
23:36 Wahrlich ich sage euch, daß solches alles wird über dies Geschlecht kommen.
23:37 Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt!
23:38 Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden.
23:39 Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen des HERRN!1); 2)