19:1 Und es begab sich, da Jesus diese Reden vollendet hatte, erhob er sich aus Galiläa und kam in das Gebiet des jüdischen Landes jenseit des Jordans;
19:2 und es folgte ihm viel Volks nach, und er heilte sie daselbst.
19:3 Da traten zu ihm die Pharisäer, versuchten ihn und sprachen zu ihm: Ist's auch recht, daß sich ein Mann scheide von seinem Weibe um irgendeine Ursache?
19:4 Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, daß, der im Anfang den Menschen gemacht hat, der machte, daß ein Mann und ein Weib sein sollte,
19:5 und sprach: „Darum wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und werden die zwei ein Fleisch sein “?
19:6 So sind sie nun nicht zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
„Ich nehme mir eine Frau“, sagt der Mann, der sich zur Heirat entschließt, und Jesus sagt ihm: Gott hat dich und deine Frau zusammengebunden, dass ihr wie zwei Rinder, die den Pflug ziehen, nebeneinander wandert und gemeinsam eure Arbeit tut, die von Gott euch aufgetragene. Nun geht aber, lieber Herr, gegen das, was du sagst, wieder ein Aufruhr in mir an. So nah bringst du Gott an das, was wir Menschen tun, daran und weißt doch, wie es beim Abschluss der Ehen zugeht. Damals wurden oft schon Kinder im frühen Alter miteinander verlobt, und oft war die Stiftung der Ehe ein Geschäft zwischen den Eltern der jungen Leute, ohne dass sie gefragt wurden, und oft führte das männliche Verlangen den jungen Mann zum Mädchen, das seinerseits auf einen Mann sehnlich wartete. Natur war hier wirksam und leider nicht nur Natur, sondern auch Sünde, so hässlich und so sichtbar wie auch sonst im Menschenleben, und dennoch sagst du: Gott hat die beiden zusammengebunden. Ihr kennt Gott nicht, antwortet Jesus, ich aber kenne ihn. Ihr seht nur auf den Menschen und passt nur auf das auf, was ihr wünscht und gewinnt. Ihr seid aber nicht allein. Ihr bewegt euch, weil ihr bewegt werdet, entschließt euch, weil ihr geführt seid, und handelt, weil Gott euch handeln macht, und auch euer Sündigen ist von Gottes Herrschaft umfasst. Wie nun? Soll ich fortfahren und sagen: Wenn der Mann seine Frau entlässt, dann hat Gott sie getrennt? So schließt keiner, der es wirklich glaubt: Gott hat uns zusammengefügt. Wenn wir ernsthaft zueinander sagen: mich hat Gott zu dir und dich hat Gott zu mir gebracht, dann gibt es zwischen uns keine Trennung mehr. Gott führt die Menschen nicht dazu zusammen, damit sie auseinander laufen. Fordert aber wirklich eine zwingende Notwendigkeit, dass das, was geeint war, sich wieder scheide, dann gehen beide, wenn sie Jesus kennen und ihm gehorchen, in Frieden voneinander in der Gewissheit: unsere Gemeinschaft ward aufgehoben durch Gott.
Vater, Du führst uns zu Dir und führst uns auch zueinander und machst dadurch unsere Gemeinschaft miteinander heilig. Mein Auge sieht Dein Walten nicht, aber ich höre Dein Evangelium und will es Dir glauben: jedes Band, das uns miteinander eint, ist Dein Werk. Amen. (Adolf Schlatter)
19:7 Da sprachen sie: Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und sich von ihr zu scheiden?
19:8 Er sprach zu ihnen: Mose hat euch erlaubt zu scheiden von euren Weibern wegen eures Herzens Härtigkeit; von Anbeginn aber ist's nicht also gewesen.
19:9 Ich sage aber euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet (es sei denn um der Hurerei willen) und freit eine andere, der bricht die Ehe; und wer die Abgeschiedene freit, der bricht auch die Ehe.
19:10 Da sprachen die Jünger zu ihm: Steht die Sache eines Mannes mit seinem Weibe also, so ist's nicht gut, ehelich werden.
19:11 Er sprach zu ihnen: Das Wort faßt nicht jedermann, sondern denen es gegeben ist.
19:12 Denn es sind etliche verschnitten, die sind aus Mutterleibe also geboren; und sind etliche verschnitten, die von Menschen verschnitten sind; und sind etliche verschnitten, die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreiches willen. Wer es fassen kann, der fasse es!
19:13 Da wurden Kindlein zu ihm gebracht, daß er die Hände auf sie legte und betete. Die Jünger aber fuhren sie an.
19:14 Aber Jesus sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Reich Gottes.
19:15 Und legte die Hände auf sie und zog von dannen.
19:16 Und siehe, einer trat zu ihm und sprach: Guter Meister, was soll ich Gutes tun, daß ich das ewige Leben möge haben?
Wenn der Jüngling im Evangelium diese Anrede gebrauchte, als er mit dem Herrn Jesus sprach, wie viel mehr schickt es sich für mich, dass ich Ihm diesen Namen gebe. Er ist wahrlich mein Meister in doppeltem Sinne, ein befehlender Meister und ein belehrender Meister. Es ist mir eine Freude, seine Befehle auszurichten und zu seinen Füßen zu sitzen. Ich bin beides, sein Knecht und sein Schüler, und rechne es mir zur höchsten Ehre, dass ich diesen doppelten Gehorsam leisten darf. Wenn Er mich fragen würde: „Was heißest du mich gut?“ so wäre ich gleich mit einer Antwort bereit. Es ist wohl wahr, dass „niemand gut ist, denn der einige Gott,“ aber Er ist ja Gott, und alle Güte Gottes leuchtet aus Ihm hervor. In meiner innern Erfahrung habe ich Ihn „gut“ erfunden, so gut, dass alles Gute, was ich habe, mir durch Ihn zuteil geworden ist. Er war gut gegen mich, da ich noch tot war in Sünden, denn Er weckte mich auf durch die Macht seines Geistes; Er ist gut gegen mich gewesen in allen meinen Bedürfnissen, Prüfungen, Kämpfen und Leiden. Es hat nie einen bessern Meister geben können, denn sein Dienst ist Freiheit, sein Gesetz ist Liebe; ich wollte, ich wäre als Knecht nur den tausendsten Teil so gut. Wenn Er mich lehrt als mein Rabbi, so ist Er unaussprechlich gut, denn seine Lehre ist göttlich, sein Benehmen ist herablassend, sein Geist ist die Sanftmut selber. Kein Irrtum mengt sich in seine Lehre, rein ist die goldne Wahrheit, die Er darlegt, und alle seine Ermahnungen leiten zum Guten, und sind für seine Jünger so heiligend als erbaulich. Engel haben an Ihm einen guten Meister und huldigen Ihm mit Wonne am Fuße seines Thrones. Die alten Heiligen erfuhren, dass Er ein guter Meister ist, und sie sangen Ihm voll Freude: „Ich bin Dein Knecht, o Herr!“ Auch ich muss das bezeugen und will es bezeugen vor meinen Freunden und Nachbarn, ob sie vielleicht durch mein Zeugnis könnten bewogen werden, den Herrn Jesus zu suchen als ihren Meister. Ach, dass dies geschehe! Nie würden sie diese weise Tat bereuen. Wenn sie nur sein sanftes Joch auf sich nehmen wollten, so würden sie erfahren, dass sie in einem königlichen Dienste stehen, dass sie einen „guten Meister“ haben, den sie ewiglich nicht wieder begehren zu verlassen. (Charles Haddon Spurgeon)
19:17 Er aber sprach zu ihm: Was heißest du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott. Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote.
DIe Gebot müssen gehalten sein / oder da ist kein Leben / sondern eitel Tod. Denn auch der Glaube nichts ist / wo die Liebe (das ist / die erfüllung der Gebot) nicht folget. i. Cor. xiii.
Denn Christus Gottes son ist nicht komen / noch darumb gestorben / das wir solten den Geboten frey ungehorsam sein / Sondern das wir die Gebot / durch seine hülffe und mitwircken / erfüllen solten.
Darumb wie es heisst / Werck on glauben sind nichts. So heissts auch / Glaube on frucht ist auch nichts. Denn die Werck on glauben / ist Abgötterey. Glauben on werck ist lügen und kein glauben. (Martin Luther)
Mit lastendem Druck lag die Frage, die der Jüngling zu Jesus trug, damals auf dem ganzen Volk. Sie wurde freilich nur selten ausgesprochen, saß aber in der ganzen Frömmigkeit drin und machte aus ihr die mühsame Arbeit und aus den Frommen die Lastträger, die eine schwere Bürde schleppten. Der Jüngling gab das ans Licht, was in vielen verborgen war. Ihn floh die Ruhe, bis er eine Antwort auf diese wichtigste aller Fragen hatte. Sie war ja die Frage nach dem ewigen Heil. Ewiges Leben ist unser Ziel, das stand damals für den frommen Teil der Gemeinde fest und ihre Überzeugung wurde durch die Beobachtung verstärkt, dass da, wo man für den Tod lebte, die Sünde mächtig wurde. Leuchtete aber das Ziel dieser wunderbaren Höhe, dann bekam die Frage, wie man es erreiche, gewaltigen Ernst. So handeln musst du, sagte jedermann, dass du das ewige Leben bekommst. Wer recht tut, der wird leben. Die Guten gehen in das Leben ein und den Guten erkennt man am guten Werk. War nicht alles in dieser Unterweisung, die in der Gemeinde in Geltung stand und der der Jüngling gehorchte, durchsichtig und einwandfrei? Wird nicht Jesus, weil er der Gütige ist, diesem Unterricht dadurch die Vollendung geben, dass er dem Jüngling mit deutlicher Vorschrift ein Werk aufgibt, mit dem er sich das ewige Leben zu sichern vermag? Jesus wies aber diese Bitte ab; denn sie kennt Gott nicht und nimmt Ihm seine Ehre. Der Jüngling meinte, er finde in Jesus den guten Meister, und Jesus erwiderte ihm: das bin ich nicht. Der Jüngling erwartete, dass ihm Jesus ein Werk nenne, das ihn von seiner Unruhe befreie und ihm die Heilsgewissheit gebe, und Jesus antwortet: ein solches Werk gibt es nicht. Was machte seinen ganzen Gedankengang falsch? Er sieht nicht auf Gott und weiß nicht, dass Gott gut ist, Gott allein. Hältst du Gott für gut, warum ist dir dann so bange vor dem Tod? Hältst du Gott für gut, warum suchst du nach einem besonders verdienstlichen Werk? Hältst du Gott für gut, warum machst du aus dem ewigen Leben dein eigenes Werk? Wer Gott für gut hält, der hält die Gebote und beklagt sich nicht, der Weg ins ewige Leben sei schwer zu finden. Gottes Wille ist dir gesagt. Tue ihn. Es ist der Wille des Guten, und wer Ihm glaubt, dass Er der Gute ist, der weiß, dass Er keinen verderben lässt, der seinen Willen tut.
Alle im Himmel und auf Erden bekennen, dass Du, Gott, gut bist, Du allein. Unser irdisches und unser ewiges Leben ist das Werk Seiner Güte und alles, was mir Deinen Willen kundtut, ist die Offenbarung deiner Güte. Ich weiß und bekenne vor Dir, wie falsch und sündlich all mein Misstrauen ist, wie finster meine Gedanken sind, die Dich verklagen. Du bist der Gute, das soll meine Gewissheit bleiben heut und morgen und in Ewigkeit. Amen. (Adolf Schlatter)
19:18 Da sprach er zu ihm: Welche? Jesus aber sprach: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis geben;
19:19 ehre Vater und Mutter;“ und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Gottes Gebote, sagt Jesus dem Jüngling, sind der Weg ins Leben; denn Gott ist gut. Er spricht, als seien die Gebote allen bekannt und jedem deutlich. Dem widerspricht aber der Jüngling. Seiner unruhigen Seele scheint es, Gottes Wille sei undeutlich und schwer erkennbar und es wäre ein großer Gewinn, wenn ihm Jesus ein neues, besonderes Gebot gäbe, bei dem man gewiss sein könnte, dass es zum ewigen Leben ausreichend sei. Nun zählt ihm Jesus die zweite Reihe der zehn Gebote auf, die der Fragende schon in der frühesten Kindheit gelernt hat, die er nie angezweifelt, sondern immer für heilig gehalten und nie übertreten hat. Jesus sprach mit ihm nicht von den Geboten, die der Gemeinde den Gottesdienst gaben, nicht von der Anbetung, die Gott allein gebührt, vom Namen und vom Tag Gottes, die geheiligt werden sollen. Diese Gebote leuchten wie ferne Sterne in der Höhe. Es gibt aber göttliche Gebote, die in das alltägliche Leben hineinreichen und das feste Fundament jeder menschlichen Gemeinschaft sind, und diese Gebote sind nicht weniger heilig als jene und sind die erste und sichere Antwort auf die Frage: was soll ich tun? Das sollst du, was du kannst, und du kannst dem Nächsten geben, was ihm gehört. Gott hat ihm das Leben gegeben; verdirb es nicht; die Volksgemeinschaft ist zerrissen, wenn das Leben nicht gesichert ist. Gott hat ihm die Frau gegeben; verdirb sie nicht. Wer die Ehe zerstört, zerreißt die Volksgemeinschaft. Gott hat ihm sein Eigentum gegeben; nimm es ihm nicht; du zerreißt die Volksgemeinschaft, wenn du das Eigentum angreifst. Gott hat ihm seine Ehre und sein Recht gegeben; verdirb es nicht durch dein falsches Zeugnis. Wer die Wahrheit bekämpft, zerreißt die Volksgemeinschaft. Gott hat die Eltern gegeben; von ihnen empfingst du das Leben; ehre sie. Sie wurden für dich zum Vater und zur Mutter durch göttliches Wirken. Gott führt dich beständig mit den anderen zusammen; sie sind dir Nächste, von derselben Art wie du und haben dieselben Rechte und dieselben Bedürfnisse wie du. Stelle dich nicht über sie, sondern gib ihnen dieselbe Schätzung, die du dir gewährst. Das unvergleichliche Meisterstück der zehn Gebote stellt Jesus vor den Jüngling hin, das jedem Volk zeigt, wann seine Gemeinschaft besteht und wann es sie verdirbt. Nun weißt du, sagt Jesus, was für ein Werk dir befohlen ist.
Ja, Herr, ich weiß es und wir wissen es alle; aber wir fürchten Dein Gebot und widerstreben dem, was wir wissen. Du aber bist gut und zeigst uns dies durch die Gnade Deines Sohnes und durch die Gemeinschaft Deines Geistes und nun wird uns Dein Gebot lieb und wir glauben es Dir, dass es uns zum Leben führt. Amen. (Adolf Schlatter)
19:20 Da sprach der Jüngling zu ihm: Das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf; was fehlt mir noch?
19:21 Jesus sprach zu ihm: Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach!
19:22 Da der Jüngling das Wort hörte, ging er betrübt von ihm, denn er hatte viele Güter.
19:23 Jesus aber sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich kommen.
19:24 Und weiter sage ich euch: Es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme.
Der HErr Jesus sagte diese Worte, als ein reicher und vornehmer Mann, welcher sich vorher eines tugendhaften Lebens nach dem Gesetz beflissen hatte, Ihn nach einigen andern Reden gefragt hatte: was fehlet mir noch? Er hatte ihm hierauf geantwortet: willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge Mir nach. Der junge Mann scheint viel Eigenliebe gehabt, und viel Vertrauen auf seine eigenen Kräfte gesetzt zu haben, darum demüthigte ihn der Heiland durch ein schweres Gebot, welches seine Schooßsünde, nämlich den Geiz, geradezu angriff. Es hatte aber das Gebot des Heilandes in Ansehung dieses Mannes unter den damaligen Umständen einen guten Grund. Es hatte derselbe gefragt: was ihm fehle? Er hatte dieses, wie die Antwort Jesu anzeigt, in der Absicht, ein vollkommener Heiliger zu werden, gefragt; nun war aber für ihn zur damaligen Zeit, da der HErr Jesus nicht lange an Einem Ort blieb, kein anderer Weg offen, als Jesu nachzufolgen, oder als Sein Schüler mit Ihm zu reisen, um von Ihm unterwiesen, und hernach zur Verkündigung des Evangeliums berufen zu werden. Hätte aber der junge und reiche Mann Jesu nachfolgen wollen, so hätte er seine vielen Güter nicht zugleich verwalten können, ja er wäre auch gehindert worden, ein Zeuge der Wahrheit zu sein, wenn er sie Haushältern oder Pächtern übergeben hätte. Der beste Rath für ihn war also dieser: verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Ohne die Nachfolge Jesu wäre dieses Verkaufen der Güter zur Erlangung der Vollkommenheit ein untaugliches Mittel gewesen, gesetzt, daß er auch den Erlös den Armen gegeben hätte. Da aber der junge Mann das Wort Jesu hörte, ging er betrübt von Ihm; denn er hatte viele Güter. Jesus aber sprach zu Seinen Jüngern: ein Reicher wird schwerlich in’s Reich Gottes kommen. Und weiter sage Ich euch: es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in’s Reich Gottes komme. Was Er also vorher Vollkommenheit genannt hatte, nennt Er jetzt ein Kommen in’s Reich Gottes, nämlich in das Reich des Messias, wo nicht nur eine Frömmigkeit nach der Weise des Alten Testaments, sondern ein neutestamentlicher Gnadenstand anzutreffen ist. Uebrigens ist auch schon manches Kameel, wenn es klein genug geworden ist, durch ein Nadelöhr gegangen; denn wie Christus Matth. 19,26. sagt: bei den Menschen ist’s unmöglich, aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Paulus befiehlt deßwegen 1 Tim. 6,17.18.19.. den Reichen von dieser Welt nicht, daß sie ihre Güter verkaufen sollen, sondern, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich allerlei zu genießen; daß sie Gutes thun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behülflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund auf’s Zukünftige, daß sie ergreifen das ewige Leben. (Magnus Friedrich Roos)
19:25 Da das seine Jünger hörten, entsetzten sie sich sehr und sprachen: Ja, wer kann denn selig werden?
Es wollen Viele selig werden, aber das wollen sie nicht, was zum Seligwerden und Seligbleiben erfordert wird - beharren in der Gottseligkeit, wandeln in der geschenkten Gnade bis ans Ende. Sie möchten selig in Christo und doch zugleich lustig, oder reich, oder angebetet in der Welt sein. Darum glauben sie an Christum, und lieben dabei die Welt, um von beiden etwas Lust und Seligkeit zu genießen. Sie werden aber beides verlieren und ewig unselig sein. Die Beharrlichkeit ist eine Gnade, die man sich alle Tage auf den Knieen von seinem Heilande ausbitten muß; denn der uns zur Seligkeit berufen hat, kann uns auch allein darin erhalten und fördern. Die Sicherheit, das falsche Wissen der Gnadenlehre, ohne mit dem Herzen in das Element und Wesen der Gnade recht hinein zu gehen oder darin zu bleiben, betrügt Viele, daß sie nicht lebendig bleiben in dem, der sie berufen und erwecket hat; sie schlafen wieder ein, und träumen, daß sie noch leben, da sie doch immer auf dem alten Flecke des bloßen Wissens und Schwatzens liegen bleiben, ohne in der ersten Liebe zu beharren. Wachet! wachet auf, und bittes Eines Bittens um das heilige Feuer der Liebe, das ewig brennt und nimmermehr verlöscht. (Johannes Goßner)
19:26 Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei den Menschen ist es unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich.
Offenbar war dieser Jüngling religiös, gottesfürchtig, tugendbeflissen, und glaubte an Unsterblichkeit, Gericht und eine Welt der Seligen und Verdammten, und an eine göttliche Offenbarung, die in Mose und den Propheten, die auch in Jesu, der Propheten Jüngstem, der Welt geworden sei. Er war also ehrenwerther Vernunftgläubiger oder Rationalist. Jesus will ihn von der Oberflächlichkeit seiner sittlichen und religiösen Begriffe befreien und zu gründlicherem Nachdenken über das, was zu seinem Frieden dient, anregen. Darum verweist Er ihm das Spielen mit dem Wörtlein: “gut“ und bezeichnet alle Menschen als sündig und erlösungsbedürftig, und bahnt ihm den Weg zu der naheliegenden Folgerung, daß Er mehr als ein menschlicher Rabbi sein müsse. Man wird jedoch Christo, als dem vermittelnden Gottmenschen, nimmer die Ihm gebührende Ehre geben, so lange man noch wähnt, auch ohne Vertretung und Versöhnung zurechtkommen zu können. Deßhalb suchte der Herr den Stachel der Wahrheit, daß er in sich verdammlich sei vor Gott und der Vergebung bedürfe, noch tiefer in’s Herz zu drücken, indem Er ihn auf das Halten der Gebote verwies und zur Prüfung und Selbsterforschung Anregung gab. Leider bleibt der Jüngling für jetzt hier hängen, und geht betrübt hinweg, weil der Mammon ihm viel näher am Herzen liegt als der himmlische Schatz des Beifalls und der Gemeinschaft Gottes. Ob er später noch seine tiefe Sündhaftigkeit erkannt und Gnade bei Christo gesucht hat? Wir wissen es nicht; der Weg aber dahin war ihm jedenfalls gewiesen. Wer zum Leben eingehen will, - es geht nicht anders, der muß erst zu einem armen Sünder werden. Der Weg der Buße und der Selbstverläugnung ist allein der rechte Weg nach Zion. Zeige und führe mich denn diesen Weg, Herr Jesu, und da die Eigenliebe mir meine Fehler so oft verbirgt, so öffne Du mir durch die Zucht Deines Geistes die Augen, meine Fehler zu erkennen; aber behüte mich auch, daß, wenn Du mir meinen Hauptfehler zu erkennen giebst, ich ja nicht betrübt zurückgehe, sondern mich von Deiner Gnade bessern lasse. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
19:27 Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür?
19:28 Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Ihr, die ihr mir seid nachgefolgt, werdet in der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit, auch sitzen auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels.
Es ist kein Zweifel, daß hier den Aposteln etwas Besonderes verheißen werde. Die zwölf Apostel sollen zwölf Stühle oder Thronen haben, und die zwölf Geschlechter Israels richten. Wann aber? Alsdann, wann des Menschen Sohn sitzen wird auf dem Stuhl oder Thron Seiner Herrlichkeit. Wann wird aber dieses geschehen? Alsdann, wann Er kommen wird in Seiner Herrlichkeit, und alle heiligen Engel mit Ihm, Matth. 25,31. So war ehemals zu Jerusalem der königliche Thron Davids; wenn er aber zu Gericht saß, so saßen auch seine Prinzen und vornehmsten Diener als Richter auf Thronen, wie aus Ps. 122,5. zu schließen ist. Merkwürdig aber ist’s, daß der Heiland hier auch ein Wort braucht, welches sonst nirgends in dem Neuen Testament vorkommt. Er redet nämlich von einer Palingenesie oder Wiedergeburt, welche alsdann geschehen werde, wenn Er auf dem Thron Seiher Herrlichkeit sitzen werde. Menschenseelen müssen wiedergeboren werden, alldieweil sie noch in den sterblichen Leibern sind, und was durch die Wiedergeburt in ihn angerichtet worden, muß durch die Heiligung in ihnen fortgeführt und endlich vollendet werden. Am jüngsten Tag aber wird eine große und sehr weit um sich greifende Wiedergeburt geschehen. Die Leiber der Gerechten, sie mögen todt oder lebendig sein, werden schnell verklärt werden. Auch wird geschehen, was der HErr, der auf dem Thron sitzt, zu dem Johannes sagte: siehe, Ich mache Alles neu, Offenb. 21,5. Die Kreatur, die vorher der Eitelkeit wider ihren Willen, das ist wider ihren Naturtrieb, unterworfen gewesen war, wird nicht zernichtet, sondern frei werden von dem verzehrenden Dienst, und zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes durchdringen, Röm. 8,20.21. Der erste Himmel und die erste Erde werden vergehen, und das Meer wird nicht mehr sein: hingegen wird Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde darstellen, und das neue Jerusalem vom Himmel herabfahren lassen; und alsdann wird das Wort des großen Gottes erfüllt werden: es ist geschehen: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, Offenb. 21,1.2.6. Alsdann wird eine neue Haushaltung Gottes angehen, in welcher, wer sich selbst erniedrigt hatte, erhöhet, und wer sich selbst erhöhet hatte, erniedrigt sein wird. Das größte Beispiel hievon werden die zwölf Apostel sein, welche von der tiefsten Schmach und Armuth bis zum Richteramt über Israel, und von den Richtplätzen, auf welchen fast alle hingerichtet worden sind, bis auf himmlische Throne erhöhet sein werden. Diese Wiedergeburt habe ein Jeder vor Augen, den der Anblick der gegenwärtigen Welt betrübet und ihre Verfassung drücket. Sie sei aber auch ein kräftiger Antrieb zur Bekehrung, bei welcher die Seele wiedergeboren wird, wie auch zur Treue und Beharrlichkeit in der Nachfolge Christi, zur Verleugnung des ungöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste und zur Geduld im Leiden. Derjenige, der gesagt hat: siehe, Ich mache Alles neu, hat dem Johannes befohlen, es zu schreiben, und hinzugesetzt: diese Worte sind wahrhaftig und gewiß. Auch für uns sind diese Worte geschrieben, daß wir sie uns glaubend und hoffend zu Nutze machen. (Magnus Friedrich Roos)
19:29 Und wer verläßt Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben ererben.
19:30 Aber viele, die da sind die Ersten, werden die Letzten, und die Letzten werden die Ersten sein.1); 2); 3)