Matthäus, Kapitel 12

12:1 Zu der Zeit ging Jesus durch die Saat am Sabbat; und seine Jünger waren hungrig, fingen an, Ähren auszuraufen, und aßen.

12:2 Da das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu ihm: Siehe, deine Jünger tun, was sich nicht ziemt am Sabbat zu tun.

12:3 Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, da ihn und die mit ihm waren, hungerte?

12:4 wie er in das Gotteshaus ging und aß die Schaubrote, die ihm doch nicht ziemte zu essen noch denen, die mit ihm waren, sondern allein den Priestern?
Schaubrote aß David und es fiel kein Blitz vom Himmel, der ihn zerschmetterte, und kein Kennzeichen ward an ihm sichtbar, das ihn in das Elend trieb. Obgleich er Schaubrote gegessen hatte, blieb er der Mann nach Gottes Herzen, der Besitzer der königlichen Sendung, der dem Volk zum Herrn gegeben wurde, damit durch ihn Gottes Regierung zuteil werde. und doch war es eine unzweifelhafte Satzung des Gesetzes, dass die Schaubrote Gottes Eigentum seien und daher, wenn sie durch neue ersetzt wurden, allein dem Priester gehören. Kann denn ein Mensch gegen das Gesetz handeln, ohne dass das Gesetz ihn zerbricht? Den Pharisäer machte diese Frage stumm; denn sie warf seine ganze Frömmigkeit um. Jesus sah dagegen in diesem Bericht der Schrift nichts Dunkles, weil Er auch im Gesetz den Willen des Vaters vernahm, der das Gesetz um des Menschen willen gab. Für die anderen war das Gesetz eine schreckliche Macht, die zwischen ihnen und Gott stand wie der Cherub mit dem feurigen Schwert vor dem Paradies. Wehe dem, der es brach; er hat Gott gegen sich. Ist die Schuld geschehen und das Schaubrot gegessen, dann gibt es für den, der schuldig geworden ist, weder Rat noch Hilfe. Für Jesus dagegen gibt es kein göttliches Wort, das Gott nicht als den Gebenden offenbarte, auch dann, wenn Gott gebietet und ein Heiligtum aufrichtet, das der Willkür des Menschen entzogen ist. Für mich ist Gottes Gesetz gegeben, nicht gegen mich. Begehrt David die Schaubrote im Aufruhr gegen Gottes Gesetz, dann fällt er. Gibt sie ihm der Priester, weil David Brot braucht, dann sah Jesus in Gott nichts von Eifersucht; dann gönnt ihm Gott auch die ihm gehörenden Brote gern. Deine Güte, Herr, gibt mir mein Gebot. Deine Gnade bindet mich an meine Pflicht. Behüte mich vor allem Murren gegen Dein Gebot. Mache es mir süß und zu meinem eigenen Willen und binde in mir fest zusammen, was ich soll und was ich will, damit ich Lust habe an Deinem Gesetz. Amen. (Adolf Schlatter)

12:5 Oder habt ihr nicht gelesen im Gesetz, wie die Priester am Sabbat im Tempel den Sabbat brechen und sind doch ohne Schuld?

12:6 Ich sage aber euch, daß hier der ist, der auch größer ist denn der Tempel.

12:7 Wenn ihr aber wüßtet, was das sei: „Ich habe Wohlgefallen an der Barmherzigkeit und nicht am Opfer “, hättet ihr die Unschuldigen nicht verdammt.

12:8 Des Menschen Sohn ist ein HERR auch über den Sabbat.

12:9 Und er ging von da weiter und kam in ihre Schule.

12:10 Und siehe, da war ein Mensch, der hatte eine verdorrte Hand. Und sie fragten ihn und sprachen: Ist's auch recht, am Sabbat heilen? auf daß sie eine Sache gegen ihn hätten.

12:11 Aber er sprach zu ihnen: Wer ist unter euch, so er ein Schaf hat, das ihm am Sabbat in eine Grube fällt, der es nicht ergreife und aufhebe?

12:12 Wie viel besser ist nun ein Mensch denn ein Schaf! Darum mag man wohl am Sabbat Gutes tun.
Der Sabbat in Palästina zur Zeit Jesu war eine herrliche Sache. Überall kehrte die Ruhe ein in jedem Dorf und in jedem Haus. Keine wandernden Scharen zogen durch das Land, kein Bahnzug durchfuhr es eilig. Keine Wirtschaft verdarb ihre Gäste und kein Geschäftshaus verlangte heimlich oder öffentlich den Dienst seiner Arbeiter. Ruhe lag über allem. Sie hatte aber nicht nur für das menschliche Zusammenleben heilsamen Wert, sondern war auch ein mächtiges Zeugnis für Gottes Reich, das keiner überhören konnte. Weil der Mensch Gott gehört, sonderte er einen Teil seiner Zeit aus und machte ihn heilig. Der heilige Tag sagte jedem: Du gehörst zum heiligen Volk, und indem jeder den Satan hielt, bekannte er sich zum Herrn als seinem Gott. Dennoch stellte sich Jesus über das Sabbatgebot. Denn es gibt noch etwas Größeres, noch etwas Heiligeres als den Sabbat, und wenn er dieses Bessere und Heiligere hindert, wird er zur Fessel, die Jesus nicht ertrug. Was ist dieses Bessere? Wohltun, lautet Jesu Antwort. Tun ist besser als Ruhen, wohltun besser als sich selber pflegen, den Menschen wohltun besser als müßiger Gottesdienst. Weil die Judenschaft aus dem Sabbat das Verbot der Liebe an diesem Tag machte, darum hat ihn Jesus übertreten. So gewaltig machte er sein Zeugnis für die Unentbehrlichkeit und Heiligkeit der Liebe! Aus der Übertretung des Sabbats folgte für Jesus das Schwerste, tödlicher Hass seiner Feinde, grimmiger Anstoß, das Kreuz. Aber Jesus schwankte nicht. Im Namen Gottes die Liebe zu verbieten, der Heiligkeit wegen das Wohltun zu unterlassen, das hieß er nicht Gottesdienst, nicht Heiligung, nicht Ehrung Gottes, sondern Streit mit Gott.
Wohltun, Herr, das ist Dein Wille. Du hast Dich selber ans Kreuz gegeben, weil Du wohltatest, und hast dadurch aus Deinem Kreuz die große Wohltat gemacht, für die wir Dir danken. Deine Liebe hast Du offenbart, die nie rastende, die immer zum Helfen bereite, die nicht das Ihre sucht, da sie ganz und vollkommen ist wie Gottes Gnade. Nun zieh uns alle in Deine Bahn. Amen. (Adolf Schlatter)

12:13 Da sprach er zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus; und sie ward ihm wieder gesund gleichwie die andere.

12:14 Da gingen die Pharisäer hinaus und hielten einen Rat über ihn, wie sie ihn umbrächten.

12:15 Aber da Jesus das erfuhr, wich er von dannen. Und ihm folgte viel Volks nach, und er heilte sie alle
Welch eine Menge hässlicher und abscheulicher Krankheiten muss dem Herrn Jesus stets unter die Augen gekommen sein! Doch lesen wir nirgends, dass Ihn davor ekelte, sondern dass Er jedem Kranken seine ganze Sorgfalt widmete. Welche merkwürdige Seuchen der verschiedensten Art mögen sich vor Ihm zusammengefunden haben! Welche fressenden Eiterbeulen und welche stinkenden Wunden! Dennoch war Er bei jeder neuen Erscheinung des Ungeheuers „Seuche“ mit Hilfe bereit und überwand sie siegreich in jeder Gestalt. Der feurige Pfeil mochte fliegen, woher er wollte, so dämpfte Er seine verzehrende Gewalt. Die Hitze des Fiebers, der Frost der Wassersucht, die Entkräftung der Gicht, die Wut der Besessenheit, die Verunreinigung des Aussatzes oder die Finsternis der Blindheit: alle erfuhren die Macht seines Wortes, und entflohen vor seinem Befehl. Auf jedem Teil des Schlachtfeldes blieb Er siegreich über das Übel und empfing die Huldigung der befreiten Gefangenen. Er kam, sah, siegte. Es ist noch heute so. Wie auch mein Übel möge beschaffen sein, so kann mich der geliebte Arzt dennoch heilen; und wie elend auch der Zustand andrer sei, derer ich in diesem Augenblick im Gebet gedenke, so darf ich dennoch zu Jesu hoffen, dass Er imstande sei, sie von ihren Sünden zu heilen. Mein Kind, mein Freund, meine Lieben alle, - für jedes darf ich hoffen, für jedes ohne Ausnahme, wenn ich an die heilende Macht meines Herrn und Heilandes denke; und was mich selber betrifft, so darf auch ich getrosten Mut fassen, wie ernst und schwer auch mein Kampf mit Sünde und Versuchung sei. Er, der auf Erden die Hallen der Siechen und Kranken besuchte, beweist seine Gnade noch immer und wirkt Wunder unter den Menschenkindern: Kommt denn und lasst uns zu Ihm gehen, jetzt gleich und mit rechtem Ernst!
Ich will Ihn jetzt loben, wenn ich daran denke, wie Er von geistlichen Krankheiten heilt; ich will Ihn rühmen und hoch preisen. Er hat unsre Krankheit getragen. „Durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Seine Gemeinde auf Erden ist voller Seelen, die unser geliebter Arzt geheilt hat; und die himmlischen Heere müssen bekennen: „Er heilte sie alle.“ So komm denn, meine Seele, mache weit umher kund die Herrlichkeit seiner Gnade, „und dem Herrn soll ein Name und ewiges Zeichen sein.“ (Charles Haddon Spurgeon)

12:16 und bedrohte sie, daß sie ihn nicht meldeten,

12:17 auf das erfüllet würde, was gesagt ist von dem Propheten Jesaja, der da spricht:

12:18 „Siehe, das ist mein Knecht, den ich erwählt habe, und mein Liebster, an dem meine Seele Wohlgefallen hat; Ich will meinen Geist auf ihn legen, und er soll den Heiden das Gericht verkünden.

12:19 Er wird nicht zanken noch schreien, und man wird sein Geschrei nicht hören auf den Gassen;

12:20 das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis daß er ausführe das Gericht zum Sieg;
Was ist schwächer, als das zerstoßene Rohr oder das glimmende Docht? Ein Rohr, das im Sumpf oder am See wächst, ist so leicht zerbrechlich, das es schon knickt, wenn nur die wilde Ente sich auf ihm niederlässt; sobald des Menschen Fuß nur daran stößt, bricht es und wird zerquetscht; jeder Wind, der über das Wasser zieht, bewegt es hin und her. Man kann sich nichts Zerbrechlicheres und Spröderes denken, nichts, dessen Dasein gefährdeter ist, als ein zerstoßenes Rohr. Dann seht auf das glimmende Docht; was ist es? Es lebt noch ein Funke darin, aber freilich, dieser Funke ist fast erloschen; eines Kindes Hauch löscht ihn gar aus; nichts hat ein vergänglicheres Dasein als dieser Funke. Hier sind recht schwache Kräfte geschildert, und doch spricht der Herr Jesus davon: „Das glimmende Docht will ich nicht auslöschen; das zerstoßene Rohr will ich nicht zerbrechen.“ Manche Kinder Gottes werden so gestärkt, dass sie Großes für Ihn auszurichten imstande sind; Gott hat hier und da seinen Simson, der die Tore zu Gaza aushängt und sie vor die Stadt auf den Berg trägt; Er hat einige Starke unter seinem Volk mit löwengleichem Mut; aber die Mehrzahl der Seinen ist ein schwaches, furchtsames Geschlecht. Sie sind wie Vögel, die jeder Vorübergehende verscheucht, eine kleine furchtsame Herde. Wenn die Versuchung kommt, so werden sie gefangen wie die Vögel in der Schlinge; wenn Trübsal droht, so geraten sie in Angst und Furcht; ihr schwankendes Schifflein wird von jeder Woge auf- und niedergeworfen, sie werden in die Flucht getrieben, wie eine Meerschwalbe vom spritzenden Schaum der Wogen. Schwache Geschöpfe sind sie, ohne Kraft, ohne Weisheit, ohne Umsicht. Und doch, so schwach sie auch sind, ja, eben weil sie so schwach sind, ist ihnen diese Verheißung ganz besonders geschenkt. Hier ist Gnade und Barmherzigkeit! Hier ist Liebe und Freundlichkeit! Wie zeigt uns dies Wort den Herrn Jesum in seiner ganzen Sanftmut und Treue! Er ist so zart, so liebevoll, so gnadenreich! Wir dürfen vor seiner Berührung nicht zurückbeben. Wir haben kein schmerzendes Wort von Ihm zu fürchten; ob Er uns schon schelten könnte ob unsrer Schwachheit, so straft Er uns doch mit keiner Silbe. (Charles Haddon Spurgeon)


Diese Worte werden von dem Evangelisten Matthäus nebst andern aus Jes. 42,1.2.3.4. angezogen und auf den HErrn Jesum gedeutet, von dem sei auch bei dem Propheten handeln. Nachdem nämlich der Evangelist erzählt hatte, wie der HErr Jesus den Pharisäern, welche einen Mordanschlag über Ihn ausdachten, aus dem Weg gegangen, und wie Er zwar die Kranken unter dem Volk, das Ihm nachgefolgt, geheilt, dem Volk selber aber zugleich befohlen habe, Ihn nicht zu melden, und Seine stille Amtsführung durch unvorsichtiges Reden von Seinen Wundern nicht zu stören, so führte Er alsdann die Worte des Jesaias an, um zu zeigen, daß der Messias schon von diesem Propheten nach Seinem sanften und stillen Sinn beschrieben worden sei. Jesaias sagte unter Anderem: Er wird nicht schreien noch rufen; Matthäus aber, um diese Worte einigermaßen zu erklären, schrieb: Er wird nicht zanken noch schreien. Der HErr Jesus hat zwar oft mit einer lauten Stimme reden müssen, wenn Er viele Leute unter dem freien Himmel vor Sich hatte, auch hat Er einigemal Seine Worte im Eifer besonders laut ausgerufen, s. Joh. 7,37. 12,44., und am Oelberg Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert, Hebr. 5,7. Hingegen hat Er nie zankend geschrieen, und Seine Stimme nie zu diesem Ende erhoben. Man hörte auch Seine Stimme nie auf den Gassen. Die Gassen, von welchen hier die Rede ist, sind die breiten Hauptstraßen der Städte, wo gemeiniglich ein Getöse ist, welche in den jüdischen Städten, die ungemein bevölkert waren, besonders groß war. Hier hat Er nun Seine Stimme nie hören lassen, um ein Aufsehen zu machen, und noch weniger hat Er in diesen Gassen das Volk zusammenberufen, um Ihm wider die Pharisäer zu Hülfe zu kommen. Was hat Er hingegen gethan? Er hat das zerstoßene Roh nicht zerbrochen und das glimmende Docht nicht ausgelöscht; das ist, Er hat schwache, aber redliche Seelen nicht durch ein scharfes Verfahren um das wenige Gute, das sie hatten, gebracht, Er hat sie, wenn sie furchtsam waren, nicht weiter erschreckt, und wenn Er sah, daß sie nicht fern vom Reiche Gottes seien, sie nicht fortgejagt. Er war hold, sanft, freundlich, doch ohne Schmeichelei. Was Hiob Kap. 31,18. von sich sagt, daß er nämlich gern getröstet habe, konnte man mit einem viel größern Recht von Jesu sagen, wie es auch Jes. 61,2.3. von Ihm geweissagt war. Er sah alles Fehlerhafte, aber Er übersah viel. Bei der höchstehrwürdigen Heiligkeit, die aus Seinen Geberden, Worten und Werken herausleuchtete, hatten doch alle geängsteten, traurigen, armen und verachteten Leute Zuversicht genug, zu Ihm zu nahen, Ihn um Alles zu bitten, und zuweilen lange bis zu Seiner merklichen Beschwerde bei Ihm zu bleiben. Der Sinn des HErrn Jesu hat sich bei Seiner Erhöhung nicht geändert. Seine Worte lauten auch in der Bibel so, wie Er sie ausgesprochen hat. Lasset uns Zuversicht zu Ihm fassen wenn wir uns auch schwach fühlen, und zuversichtlich hoffen, daß Er uns stärken werde: lasset uns aber auch Seinem Vorbilde ähnlich werden, und mit Schwachen sanftmüthig umgehen. (Magnus Friedrich Roos)


Gar oft bin ich, wie ein zerstoßenes Rohr, wie ein glimmendes Docht, unfähig und träge zu Allem, was gut und göttlich ist. Wenn dieser Zustand anhaltend wäre, so müßte ich mein Amt niederlegen, und nach Brod gehen, wie ein Bettelmann, den die Kraft des Lebens verließ. Aber auf einmal fängt die stehende Uhr wieder an zu gehen, eine unsichtbare Kraft regt und bewegt wieder den Leib und den Geist. Wer ist nun die Kraft, die da macht, daß ich wieder glauben, hoffen, lieben, froh und thätig sein kann? Ich denke mir unter dieser regenden und bewegenden Kraft keinen Andern, als den Geist dessen, von dem geschrieben steht: „Er zerbricht das zerstoßene Rohr nicht, und läßt den glimmenden Docht nicht erlöschen.“ Und wie froh bin ich, daß ich glauben darf: Er ist’s, Er regt, bewegt, belebt, bethätiget mich. (Martin Boos)

12:21 und die Heiden werden auf seinen Namen hoffen.“
Eine köstliche Verheißung hast Du mir da gegeben, Herr Jesu. Bin ich doch oft auch an Schwachheit des Glaubens wie ein zerstoßenes Rohr und an kaltsinniger Andacht und trägem Eifer der Heiligkeit wie ein glimmender Doch. Mein Muth ist manchmal recht klein, meinem Herzen bange; ich bin schwach, trostlos und elend, und sehe keine Hülfe; bin so verzagt, als ob mir das Licht und der Trost wohl nie wieder aufgehen möchte, und durch alle meine Bemühungen und Anstrengungen kann ich nicht bewirken, daß die Flamme des Glaubens und der Liebe wieder emporlodert, sondern ich empfinde nur den stickenden Qualm meines verderbten Herzens. Gottlob, daß Du mir da die Verheißung gegeben hast, Du wollest das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Doch nicht auslöschen, und daß Du immer wieder das Licht aufgehen lässest den Gerechten und Freude den frommen Herzen, immer wieder uns erlösest aus unseren Bekümmernissen, Aengsten, Nöthen und Sünden, selbst das in uns schaffest, was uns unmöglich war, die Niedergeschlagenen aufrichtest und aus ihnen wohl gar Eichbäume der Gerechtigkeit, Pflanzen dem Herrn zum Preise, ja Pfeiler in Deinem Hause daraus machst und ihnen den Sieg verleihest! Gottlob, daß Du das kleine Fünklein des Guten in der Seele erhältst, wie Du einst auch zu Petro sprachst: „Ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre,“ und wenn alles Leben wie erloschen scheint, Du es in dem Grunde der Seele bewahrest, wie im Winter den Saft der Bäume in deren Wurzel, und dies verborgene Leben zeigst in dem Kummer, Seufzen und Sehnen des Herzens. So wirst Du denn auch mir zur rechten Stunde das Oel des Geistes zugießen, daß ich Anfänger fortschreiten, ich Angefochtener neuen, innigeren Trost, Frieden, Licht, Munterkeit und Kraft in mir spüren kann, bis Du dieses Gericht in mir ausgeführt hast zum Siege Deines herrlichen Namens. Stärk uns durch Dein Wort, bis das Schwache dort in der Kraft Dir singt und das Lob der Stärke Dir für Deine Werke in den Himmel bringt. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

12:22 Da ward ein Besessener zu ihm gebracht, der ward blind und stumm; und er heilte ihn, also daß der Blinde und Stumme redete und sah.

12:23 Und alles Volk entsetzte sich und sprach: Ist dieser nicht Davids Sohn?

12:24 Aber die Pharisäer, da sie es hörten, sprachen sie: Er treibt die Teufel nicht anders aus denn durch Beelzebub, der Teufel Obersten.

12:25 Jesus kannte aber ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Ein jegliches Reich, so es mit sich selbst uneins wird, das wird wüst; und eine jegliche Stadt oder Haus, so es mit sich selbst uneins wird, kann's nicht bestehen.

12:26 So denn ein Satan den andern austreibt, so muß er mit sich selbst uneins sein; wie kann denn sein Reich bestehen?

12:27 So ich aber die Teufel durch Beelzebub austreibe, durch wen treiben sie eure Kinder aus? Darum werden sie eure Richter sein.

12:28 So ich aber die Teufel durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen.

12:29 Oder wie kann jemand in eines Starken Haus gehen und ihm seinen Hausrat rauben, es sei denn, daß er zuvor den Starken binde und alsdann ihm sein Haus beraube?

12:30 Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.1)

12:31 Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung wider den Geist wird den Menschen nicht vergeben.

12:32 Und wer etwas redet wider des Menschen Sohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet wider den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt.2); 3)

12:33 Setzt entweder einen guten Baum, so wird die Frucht gut; oder setzt einen faulen Baum, so wird die Frucht faul. Denn an der Frucht erkennt man den Baum.

12:34 Ihr Otterngezüchte, wie könnt ihr Gutes reden, dieweil ihr böse seid? Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.

12:35 Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem guten Schatz des Herzens; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.

12:36 Ich sage euch aber, daß die Menschen müssen Rechenschaft geben am Jüngsten Gericht von einem jeglichen unnützen Wort, das sie geredet haben.
Wer ist, der seine eigene Gerechtigkeit vor Gott zu behaupten sich trauen könnte, wenn er diesen Spruch mit Bedacht liest? Du hast vielleicht diese oder jene Uebelthaten nicht begangen, und dich überhaupt wohlanständiger Sitten beflissen: allein du hast doch in deinem Leben eine große Menge unnützer Worte geredet, und wegen diesen allen mußt du am jüngsten Gericht Rechenschaft geben, wenn du bei Leibesleben keine Vergebung derselben erlangst. Ist’s also nicht wahr, was David Ps. 130,3. schrieb: wenn Du willst, HErr, Sünde zurechnen: HErr, wer wird bestehen? Unnütze Worte sind solche, die man nur aus Langeweile oder Leichtsinn, oder Ehrgeiz, oder in der Absicht, Andere zu verleumden und zu betrügen, redet. Es sind solche, deren Quelle weder das geistliche Leben, das in den Wiedergebornen ist, noch zutheuerst das Gewissen ist, welches alle Menschen haben. Sie sind eine faule Frucht eines faulen Baumes. Sie sind böse Ausflüsse von dem Bösen, dessen das Herz voll ist. Sie sind böse Ausgaben von dem bösen Herzensschatz eines bösen Menschen, V. 33.34.35. Die Lästerung wider den Heiligen Geist, welche die Pharisäer damals, da der HErr Jesus dieses Alles redete, vorgebracht hatten, ist die ärgste Gattung solcher unnützen Worte; die spöttische und aus einem unglaubigen Herzen fließende Rede: Meister, wir wollten gern ein Zeichen von dir sehen, V. 38., gehörte zu einer andern Gattung unnützer Reden; eine andere Gattung sind faule oder stinkende Reden, denen Paulus Eph. 4,29. gute, erbauliche, und zur Gnade verhelfende entgegensetzt, und so sind überhaupt alle Reden, deren Ausbildung im Gemüth, und deren Ausgang aus dem Mund kein Werk ist, das Gott gefallen könnte, unnütze Worte. Wenn meine Worte bei Andern aus ihrer Schuld keinen Nutzen schaffen, so wird es mir nicht zugerechnet: nur sollen sie bei mir aus einem guten Schatz hervorkommen, mit Bedacht geredet, und ein ernsthaftes Werk sein. Am jüngsten Gericht werden die Worte, welche die Menschen geredet haben, sehr Vieles austragen; wie denn Christus V. 37. sagt: aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden. Wenn die Worte ohne alle Heuchelei so lauten, wie der Sinn des Herzens beschaffen ist, so sind sie geradezu ein Beweis von der innerlichen Beschaffenheit des Menschen: werden sie aber in Heuchelei geredet, so daß sie Wahrheit enthalten, wenn schon im Herzen keine Wahrheit ist, so geben sie einen Beweis wider den Menschen selber ab, wovon Luk. 6,46. ein Beispiel vorkommt, da Christus denen, die Ihn mit dem Munde HErr, HErr nannten, vorhält, warum sie denn nicht thun, was Er sage? Auch wird der Richter zu einem faulen Knecht, der von Seinen strengen Rechten geredet hatte, sagen: aus deinem Munde richte ich dich, du Schalk, Luk. 19,22. Ein solches Gericht wird nach Röm. 2,17-24. über alle wohl unterrichteten Juden und Christen, folglich auch in einem noch größern Maß über alle Lehrer und Prediger, die unbekehrt geblieben sind, gehen. Wohlredenheit ist nicht das Erste, worauf sich die Menschen legen sollen. Darum lieben Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn, Jak. 1,19. Gott ist im Himmel, und du auf Erden, darum laß deiner Worte wenig sein. Pred. Sal. 5,1.(Magnus Friedrich Roos)

12:37 Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.

12:38 Da antworteten etliche unter den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprachen: Meister, wir wollten gern ein Zeichen von dir sehen.

12:39 Und er antwortete und sprach zu ihnen: Die böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen; und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden denn das Zeichen des Propheten Jona.

12:40 Denn gleichwie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein.4)

12:41 Die Leute von Ninive werden auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr denn Jona.

12:42 Die Königin von Mittag wird auftreten am Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, Salomons Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr denn Salomo.

12:43 Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausgefahren ist, so durchwandelt er dürre Stätten, sucht Ruhe, und findet sie nicht.

12:44 Da spricht er denn: Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er's leer, gekehrt und geschmückt.

12:45 So geht er hin und nimmt zu sich sieben andere Geister, die ärger sind denn er selbst; und wenn sie hineinkommen, wohnen sie allda; und es wird mit demselben Menschen hernach ärger, denn es zuvor war. Also wird's auch diesem argen Geschlecht gehen.

12:46 Da er noch also zu dem Volk redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen, die wollten mit ihm reden.

12:47 Da sprach einer zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir reden.

12:48 Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ansagte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?

12:49 Und er reckte die Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter und meine Brüder!

12:50 Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mein Bruder, Schwester und Mutter.5)
Lieber himmlischer Vater, ich bekenne es allewege, und Du siehest auch und weißt es, daß ich allenthalben, wo ich gehe oder stehe, inwendig und auswendig, mit Haut und Haar, mit Leib und Seele in das höllische Feuer hinein gehöre. Das weißest Du auch, o Vater, daß meinethalben nichts Gutes in mir ist, nicht ein Haar auf meinem Haupt, es gehöret doch Alles in den Abgrund der Höllen, zu dem leidigen Teufel. Was soll ich viel Worte davon machen? Aber, lieber Vater, ich bitte wieder allewege, ich sei meinethalben, was ich wolle, so bitte ich dennoch, und will es von Dir auch gebeten haben alle Tage, daß Du Dein Aufsehen und Aufmerken nicht haben wollest auf mich, als auf einen solchen Sünder, wie ich bin. O es ist sonst mit mir verloren und verdorben, und wenn hunderttausend Welten auf meiner Seite wären; sondern das bitte ich Dich, Du wollest Dein Aufsehen und Aufmerken also auf mich haben, daß Du wollest Deine Augen kehren, wenden und richten auf das Angesicht Deines liebsten Sohnes Jesu Christi, Deines Gesalbten, meines Mittlers, Hohenpriesters und Fürsprechers, meines Heilandes, Erlösers und Seligmachers, und wollest mir um Seinetwillen, ich bitte Dich, lieber Vater, gnädig und barmherzig sein, und wollest mir um Deines lieben Sohnes Jesu Christi willen verleihen ein seliges Ende und eine fröhliche Auferstehung, und mir hier und dort helfen am Leib und an der Seele. Und um seines rosenfarben Blutes willen, das Er so mildiglich am Stamme des Kreuzes zu Verzeihung und Vergebung meiner Sünden vergossen hat, bitte ich, lieber himmlischer Vater, daß Du dasselbige Blut Jesu Christi, Deines lieben Sohnes, an mir armen Kreatur, meiner mannichfaltigen Sünden halber, die da nicht auszusprechen noch auszurechnen sind, nach Deiner Gerechtigkeit nicht wollest lassen verloren sein; sondern wollest es nach Deiner grundlosen Barmherzigkeit den Nutzen und die Frucht lassen schaffen und ausrichten, dazu es von Dir in Ewigkeit ist verordnet, und von Deinem lieben Sohn Jesu am Kreuz auch vergossen ist, als nämlich, daß Du mir es wollest gereichen und kommen lassen zur Vergebung meiner Sünden, auf daß, welche Stunde und welchen Augenblick bei Nacht oder bei Tag Du kommest und anklopfest, und meinen Geist, welchen Du mir erstlich hast eingeblasen, wiederum hinwegfordern wolltest, so bitte ich Dich allewege, lieber Vater, daß Du Dir denselbigen meinen Geist und meine Seele wollest ja lassen befohlen sein in Deine Hände. Amen. (Martin Luther)


Es ist gewiss, dass Nachfolger Jesu im Tun des Willens Gottes ihre höchste Freude finden. Diesen Willen zu kennen, muss ihnen deshalb sehr angelegen sein. Da uns nun Gott Sein Wort als den Ausdruck Seines Willens gegeben hat, so muss uns nichts so sehr am Herzen liegen als das treue Forschen in dem Buche Seiner Offenbarung. Wer dies versäumt oder darin nachlässig ist, kann keinen bleibenden Frieden haben, folgt seinem eigenen Willen und weiß darum wenig von der Seligkeit des Gehorsams gegen den himmlischen Vater. Lassen wir das Wort Gottes nicht von unserem Munde kommen, so offenbart sich uns der Herr immer klarer. Dann lebt Sein Wort in uns und Sein Geist beherrscht uns. Lernbegierige Kinder Gottes mit zartem Gewissen kommen am weitesten; des Herrn Geist teilt sich ihnen mit, indem sie sich Ihm öffnen und den eigenen Willen Seinem Willen unterordnen. Wer nicht fleißig und betend die Bibel liest, täuscht sich, wenn er sagt, er liebe Gott. Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir Seine Gebote halten, und diese Gebote sind in der Heiligen Schrift verzeichnet. Du sollst auf diesem Felsengrunde stehen, auch dann, wenn solche, die dich den Weg des Lebens gelehrt haben, vom schmalen Pfade wieder abtreten. Nicht an Menschen, an Christum sollst du glauben, und wenn du an Ihn glaubst und mit Ihm verbunden bist, kannst du treu sein, wenn auch andere untreu werden. Unser Friede hangt nicht von Personen, er hängt von dem ewig treuen Christus ab. Wir sind Seine Brüder und Schwestern, so wir tun, was er gebietet. (Markus Hauser)


Die Bande, die die Natur zwischen uns knüpft, vereinen uns fest. Wir empfangen reiche Güter dadurch, dass wir nach der Ordnung der Natur Eltern, Brüder und Schwestern haben, ebenso auch, dass wir als Zeitgenossen zum selben Geschlecht und durch dieselbe Rasse, Sprache und Geschichte zu einem Volk verbunden sind. Es gibt aber noch eine festere Verbundenheit und vollständige Gemeinschaft; das ist die, die uns Jesus bereitet hat. Seine Mutter und seine Brüder machten die Ansprüche geltend, die ihnen ihre natürliche Verbundenheit mit Jesus gab. Jesus wies aber diese Ansprüche ab, nicht weil er das natürliche Recht zerträte und die natürliche Gemeinschaft vernichtete. Er anerkannt sie willig; es muss aber sichtbar werden, dass es noch etwas Größeres gibt, eine Gemeinschaft, die auch da besteht, wo die natürlichen Bande nicht vorhanden sind, und auch das Persönlichste in uns erfasst und uns daher ganz miteinander vereint. In diese Gemeinschaft sind alle hineingesetzt, die den Willen Gottes tun. Mit ihnen macht sich Jesus eins und verbindet sie so fest mit sich, wie die Natur uns zusammenführt. Was diese macht, lässt sich nicht ändern. Unsere Mutter ist für immer unsere Mutter und unsere Brüder bleiben es unser Leben lang. Ebenso unzerbrechlich heißt Jesus seine Gemeinschaft mit denen, die den Willen Gottes tun, und indem er sich mit ihnen verbindet, sind sie auch miteinander vereint. Wenn unsere Einigung nicht an dieser tiefsten Stelle ihren Grund hat, bricht sie. Manche Mütter sahen sich von ihren Kindern verlassen und zwischen Brüdern entsteht oft grimmiger Hass. Wenn aber der Wille Gottes unser Wille wird und von uns nicht nur gekannt, sondern getan wird, dann trennt uns nichts von Jesus und trennt uns nichts voneinander. So werden wir eins.
Du nimmst Dich unser an, o Jesus, gönnst uns deine Gemeinschaft und gibst ihr den sicheren Grund im Willen Gottes. Nichts wird mich von Deiner Liebe scheiden, wenn ich im Willen Gottes bleibe. Um die Verbundenheit mit Dir bitte ich Dich; denn sie ist mein Friede, meine Kraft und mein Heil. Amen. (Adolf Schlatter)


Jedermann sagte: die Blutsverwandten haben das erste Recht an Jesus: langen die Mutter und die Brüder an, so unterbricht dies jede andere Tätigkeit, wie wichtig sie sein mag; die Gemeinschaft, die er zwischen sich und seinen Jüngern stiftet, entrechtet die zu seiner Sippe Gehörenden nicht. Jesus dagegen verließ das Gemach nicht, in dem er mit seinen Jüngern versammelt war; die Mutter und die Brüder riefen ihn umsonst. Denn es gibt eine Gemeinschaft, die noch stärker ist als die Gemeinschaft des Bluts; das ist die, welche diejenigen verbindet, die den Willen Gottes tun. Sie tun, sagte Jesus, den Willen meines Vaters, der in den Himmeln ist; daher sind sie mir Bruder, Schwester und Mutter.
Damit grenzte Jesus seine Gemeinde von jeder anderen Genossenschaft ab, heiße sie Familie oder Volk, Arbeitsgemeinschaft zur Pflege des Wissens oder der Kunst, Schule oder Staat. Diese Verbände helfen uns dazu, daß unser natürliches Begehren erlangt, was es begehrt. Mit Jesus gibt es aber keine andere Gemeinschaft als die, die seinen Willen zum unsrigen macht, und dies heißt, daß wir nicht unseren eigenen Willen, sondern den Willen Gottes wollen und tun.
Diese Regel stellt aber nicht nur fest, wie sich das Ziel Jesu von dem der natürlichen Verbände unterscheidet, sondern trennt auch in den Kirchen zu jeder Zeit, was Jesus fremd ist von dem, was ihm gehört. Die Absage Jesu traf damals seine Mutter und seine Brüder; es waren damals nicht Feinde, denen er das Gehör versagte, nicht boshafte Störer der Ruhe, gegen die er seine Gemeinschaft mit den Jüngern verteidigte. Die Sorge um ihn führte die Seinigen zu ihm. Waren sie nicht berechtigt, ihn zu beraten und sich seiner anzunehmen, da er sich offenkundig in schwerste Gefahr gebracht hatte? Aber kein angeblich ihm geleisteter Dienst und keine ihm bereitete Ehrung bewegt ihn dazu, seine Gemeinschaft zu gewähren, solange es nicht für die, die ihn anrufen, das eine große Anliegen ist, daß sie den Willen Gottes tun. Kirchen, deren Ziel die Erhaltung ihres Bestandes und ihrer Macht ist, sind Kirchen ohne den Christus. Die aber, die ihrem eigenen Willen absagen und mit gesammeltem Verlangen danach begehren, daß Gottes Wille durch sie geschehe, hat Jesus zu unlöslicher Gemeinschaft mit sich vereint. Wie Mutter und Kind, Bruder und Bruder einander gehören, so gehört er ihnen und sie ihm; ein ewiges Band verbindet sie. (Adolf Schlatter)