91:1 Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,
91:2 der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
91:3 Denn er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz.
Gott errettet die Seinen in einem doppelten Sinn vom Strick des Jägers. Vom Strick und aus demselben. Er errettet sie vom Strick, Er läßt sie nicht hineingeraten; und wiederum: wenn sie darin gefangen sind, erlöst Er sie daraus. Dem einen ist die erste Verheißung köstlicher; für die andern ist die zweite von größerem Wert. „Er errettet mich vom Strick des Jägers.“ Wie das? Trübsal ist oft das Mittel, wodurch uns Gott errettet. Gott weiß, daß unser Abfall uns schnell ins Verderben stürzt, und darum schickt Er gnädig seine Zuchtrute. Wir fragen: „Herr, warum tust Du das?“ und wissen nicht, daß unsre Trübsal dazu dienen mußte, uns vor größerem Übel zu bewahren. Viele sind so vom Verderben erlöst worden durch Kummer und Kreuz; das verscheuchte die Vögel vom Netz. Ein andermal bewahrt Gott die Seinen vor dem Strick des Jägers, indem Er ihnen geistliche Stärkung gewährt, so daß sie, wenn sie zum Bösen versucht werden, sagen können: „Wie sollte ich ein solch großes Übel tun, und wider Gott sündigen?“ Aber wie ist's doch etwas so Seliges, daß, wenn der Gläubige in einer bösen Stunde ins Netz fällt, Gott ihn dennoch daraus erlösen will! O Abtrünniger, erschreck, aber verzage nicht. Bist du gleich irre gegangen, so höre dennoch, was dein Erlöser spricht: „Kehrt wieder, ihr abtrünnigen Kinder, denn ich bin barmherzig.“ Aber du sprichst, du könnest nicht umkehren, denn du seiest gefangen im Netz. Dann höre diese Verheißung: „Er errettet dich aus dem Strick des Jägers.“ Du wirst dennoch errettet werden aus allem Übel, in das du geraten bist, und ob du gleich nicht aufhören sollst, Buße zu tun über deine Abwege, so will doch, Der dich geliebet hat, dich nicht verlassen noch versäumen. Er nimmt dich mit Ehren an und gibt dir Freude und Wonne, daß auch die Gebeine, die Er zerbrochen hat, sich freuen müssen. Kein Vogel des Paradieses wird umkommen im Strick des Jägers. (Charles Haddon Spurgeon)
91:4 Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,
Ein herablassendes Gleichnis in der That! Gerade wie eine Henne ihre Brut beschützt und ihr gestattet, unter ihren Flügeln zu nisteln, so will der Herr sein Volk verteidigen und ihm erlauben, sich in Ihm zu verbergen. Haben wir nicht kleinen Küchlein unter den Federn ihrer Mutter hervorgucken sehen? Haben wir nicht ihren schwachen Schrei zufriedener Freude gehört? So laßt uns Schutz suchen in unsrem Gott und überreichlichen Frieden empfinden in dem Bewußtsein, daß Er uns bewacht.
So lange der Herr uns bedeckt, trauen wir. Es würde seltsam sein, wenn wir es nicht thäten. Wie können wir mißtrauen, wenn Jahwe selbst Haus und Heim, Zuflucht und Ruhe für uns wird?
Dies gethan, gehen wir aus, in seinem Namen zu kämpfen, und erfreuen uns derselben wachsamen Obhut. Wir brauchen Schirm und Schild, und wenn wir unbedingt Gott vertrauen, so wie das Küchlein der Henne vertraut, finden wir, daß seine Wahrheit uns von Kopf bis zu Fuß wappnet. Der Herr kann nicht lügen; Er muß seinem Volke treu sein; seine Verheißung muß feststehen. Diese sichere Wahrheit ist der einzige Schild, den wir brauchen. Hinter Ihm trotzen wir den feurigen Pfeilen des Feindes.
Komm, meine Seele, birg dich unter diesen großen Flügeln, verliere dich unter diesen weichen Fittichen! Wie glücklich bist du! (Charles Haddon Spurgeon)
91:5 daß du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen,
Was ist das für ein Grauen? Vielleicht der Feuerruf, oder das Geräusch von Dieben, oder eingebildete Erscheinungen, oder der Schrecken plötzlicher Krankheit oder schnellen Todes? Wir leben in einer Welt voller Angst und Tod, und wir dürfen uns daher in den Nachtwachen so gut auf schlimme Überraschungen gefaßt machen, als unter dem Glanz der glühenden Sonne. Aber das alles sollte uns nicht anfechten, denn trotz allem drohenden Grauen haben wir die Verheißung, daß nichts zu fürchten braucht, wer an den Herrn glaubt. Und warum sollte er auch? Oder, fassen wir es persönlicher, warum sollten wir's? Gott, unser Vater, ist bei uns, und bleibt bei uns durch alle einsamen Stunden; Er ist ein allmächtiger Hüter, ein schlafloser Wächter, ein treuer Freund. Nichts kann uns begegnen ohne seine Zulassung, denn selbst die Hölle muß seine Herrschaft anerkennen. Finsternis ist nicht finster bei Ihm. Er hat verheißen, daß Er um sein Volk will eine feurige Mauer sein, und wer kann durch eine solche Schutzwehr brechen? Weltkinder mögen sich wohl fürchten, denn über ihnen waltet ein eifriger Gott, in ihnen schläft ein unruhiges Gewissen, und unter ihnen droht eine gähnende Hölle; wir aber, die wir in Jesu ruhen, werden von alledem errettet durch seine reiche Gnade. Wenn wir einer törichten Furcht die Zügel schießen lassen, so schänden wir unser Bekenntnis und sind schuld, daß andre an der Wahrheit des gottseligen Lebens zweifeln. Wir sollten uns fürchten zu erschrecken, damit wir nicht den Heiligen Geist durch törichten Unglauben erzürnen. Darum hinweg mit allen törichten Ahnungen und grundlosen Befürchtungen; Gott hat noch nicht vergessen, uns gnädig zu sein, noch uns von seinen lieblichen Gnadenverheißungen ausgeschlossen. Es mag wohl Nacht werden in unsrer Seele, aber wir brauchen uns nicht grauen zu lassen, denn der Gott der Liebe ist unwandelbar. Kinder des Lichts können wohl in Dunkelheit eingetaucht werden, aber sie sind deshalb nicht verworfen, nein, sie können vielmehr ihre Erwählung bekräftigen durch ihre Zuversicht auf ihren himmlischen Vater; die Heuchler aber haben keinen Frieden. „Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zuversicht wird sein unter seinen Flügeln.“ (Charles Haddon Spurgeon)
91:6 vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die im Mittage verderbt.
91:7 Ob tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.
91:8 Ja du wirst mit deinen Augen deine Lust sehen und schauen, wie den Gottlosen vergolten wird.
91:9 Denn der HERR ist deine Zuversicht; der Höchste ist deine Zuflucht.
Die Israeliten waren in der Wüste einem beständigen Wechsel ausgesetzt. Wenn die Feuersäule stillstand, wurden die Zelte aufgeschlagen; aber des andern Tages, noch ehe die Sonne aufgegangen war, ertönte die Posaune, die Bundeslade wurde vorangetragen, und die feurige Wolkensäule zeigte den Weg durch die Engpässe des Gebirges über Abhänge hin oder die dürren Sandflächen der Wüste entlang. Kaum hatten sie Muße, ein wenig zu rasten, so hörten sie schon wieder den Ruf: „Macht euch auf! hier ist eures Bleibens nicht; ihr müßt weiter ziehen, hinauf nach Kanaan!“ Sie blieben nie lange an einem Ort. Weder Brunnen noch Palmenbäume hielten sie zurück. Dennoch hatten sie eine bleibende Heimat in ihrem Gott; seine Wolkensäule war ihr Obdach, und ihre nächtliche Flamme das Herdfeuer. Sie mußten weiter ziehen von Ort zu Ort, unter beständigem Wechsel, ohne Rast und Ruhe, und hatten nie Zeit, sich gemächlich einzurichten, daß sie hätten sagen können: „Nun sind wir geborgen; an diesem Orte wollen wir bleiben.“ „Wir fahren wohl dahin, wie ein Strom,“ spricht Mose, „aber Du, Herr Gott, bist unsre Zuflucht für und für.“ Der Christ weiß von keinem Wechsel bei Gott. Er kann heute reich sein und morgen arm; er kann heute krank sein und morgen gesund; er kann heute voller Freude und Wonne sein und morgen voller Furcht und Trauer; aber es gibt keinen Wechsel und keine Veränderung in seinem Verhältnis zu Gott. Hat mich der Herr gestern geliebt, so liebt Er mich heute wieder. Meine unwandelbare Ruhestätte ist mein hochgelobter Herr. Ob Hoffnungen zerrinnen, ob Erwartungen getäuscht werden, ob Freuden verwelken, und fressender Meltau mir alle Blüten zerstöre: so habe ich dennoch nichts verloren von alledem, was ich in Gott besitze. Er ist „mir ein starker Hort, dahin ich immer fliehen möge.“ Ich bin ein Pilger auf dieser Erde, aber in meinem Gott bin ich geborgen, und bei Ihm wohne ich sicher. In dieser Welt bin ich ein irrender Wanderer, aber in Gott habe ich eine gewisse Zuflucht. „Der Herr ist meine Zuversicht, Mein bester Trost im Leben! Dem fehlt es nie an Heil und Licht, Der sich an Ihn ergeben.“ (Charles Haddon Spurgeon)
91:10 Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen.
91:11 Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen,
91:12 daß sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.
91:13 Auf Löwen und Ottern wirst du gehen, und treten auf junge Löwen und Drachen.
91:14 „Er begehrt mein, so will ich ihm aushelfen; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.
Spricht der Herr dies zu mir? Ja, wenn ich Seinen Namen kenne. Gelobt sei der Herr, ich bin Ihm nicht fremd. Ich habe Ihn versucht und Ihn erprobt und Ihn erkannt, und deshalb vertraue ich Ihm. Ich kenne Seinen Namen als einen sündehassenden Gott, denn durch Seines Geistes überführende Macht bin ich gelehrt, daß Er nie das Böse übersehen will. Aber ich kenne Ihn auch als den sündevergebenden Gott in Christo Jesu, denn Er hat mir alle meine Übertretungen vergeben. Sein Name ist Treue, und ich weiß das, denn Er hat mich niemals verlassen, wenn auch die Leiden sich auf mich gehäuft haben.
Die Kenntnis ist eine Gabe der Gnade, und der Herr läßt sie den Grund sein, weshalb Er eine andre Gnadengabe gewährt, nämlich das Hochstellen. Dies ist Gnade auf Gnade. Beachtet, daß die Stellung gefährlich sein kann, wenn wir hoch klimmen; aber wenn der Herr uns dahin stellt, ist sie sicher. Er mag uns erheben zu großer Wirksamkeit, zu außerordentlicher Erfahrung, zu Erfolg in Seinem Dienste, zur Führung Seiner Arbeiter, zum Platze eines Vaters unter den Kleinen. Wenn Er das nicht thut, so mag Er uns hoch stellen durch nahe Gemeinschaft, klare Einsicht, heiligen Triumph und Vorgefühl ewiger Herrlichkeit. Wenn Gott uns hoch stellt, kann Satan selber uns nicht herabziehen. O, daß es so mit uns diesen ganzen Tag lang wäre! (Charles Haddon Spurgeon)
Wenn Gott diejenigen nicht liebte, die Ihn lieben und Sein begehren, dann müßte er aufhören, Sich Selbst zu lieben. Die Zöllner und Sünder lieben doch auch Die, welche sie lieben. Sollte Gott nicht dasselbe thun? Er sagt, daß Er Alles zu Seines Namens Ehre thue; nun ist es Sein Ruhm, von Denen geliebt zu werden und sich an Denen zu verherrlichen, welche Ihn lieben, indem Er sie segnet und ihnen alle Dinge zum Guten mitwirken läßt. Erwägen wir noch, daß wir Gott nur so viel lieben, als Er es uns giebt, es zu thun. Die Liebe, welche wir zu Ihm fühlen, ist demnach ein sicherer Beweis, daß Er uns liebt; denn man sucht nicht die Liebe Derer, die man nicht seinerseits auch liebt. Uebrigens ist unsere Liebe zu Ihm nur eine schwache Erwiderung unseres Herzens für die ewige Barmherzigkeit, welche Er uns erwiesen, für jene Liebe, welche Ihn bewogen hat, „uns Seinen eingeborenen Sohn zu geben, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Wie dürften wir nun irgend ein Mißtrauen setzen in der Liebe Dessen, welcher in so hohem Grade uns geliebet hat? Könnten wir wohl, zu den Füßen des Kreuzes, an welchem wir Jesum an unserer Statt, als einen von Seinem Vater Verfluchten hängen sehen, noch an Seiner Liebe gegen uns zweifeln? Sollten wir annehmen dürfen, daß, nachdem die vollen Ströme Seiner Barmherzigkeit sich über uns ergossen, da wir noch Seine Feinde waren, dieselben jetzt aufhören würden, uns zu tränken, da wir nun, nachdem wir Ihm, unserm Gott, versöhnt sind, Ihn als unsern Vater lieben? Nein, nein; Gott hört nicht auf zu lieben. Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit! Er sagt Selbst: „Ich habe dich je und je geliebet.“ Wenn es demnach in der Welt irgend eine glaubwürdige Wahrheit gibt, so ist es Die, daß Gott diejenigen liebt, welche Ihn lieben, und daß Er sie immerdar lieben werde, und zwar mit einer unbegreiflichen Liebe, und daß dieser Gott, dessen kostbarste Juwelen sie sind, nicht verfehlen werde, ihnen Alles zum Besten zu wenden. (Auguste Rochat)
91:15 Er ruft mich an, so will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not; ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.1)
Es ist mir besser, in der Not sein, Herr, wenn du nur bei mir bist, als ohne dich zu herrschen, ohne dich Feste zu feiern, ohne dich geehrt zu werden. Es ist besser, in der Not von deinen Armen umfangen zu sein, besser, dich im glühenden Ofen der Trübsal bei mir zu haben, als selbst im Himmel zu sein ohne dich. Wenn ich dich nur habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Im Schmelztiegel wird das Gold erprobt, und in der Anfechtung der Not bewährt sich der Gerechte. (Bernhard von Clairvaux)
91:16 Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.“2); 3)
Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Liebe und Treue, die Er an mir gethan? Der Herr hat Großes an mir gethan, deß bin ich fröhlich. Also. o Du dreieiniger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, spricht meine in Deiner Gnade sich freuende Seele, da ich nun abermals unter Deinem Schutz und Beistand ein Jahr glücklich zurückgelegt habe. Ach, Gott, wie theuer ist Deine Güte, daß Menschenkinder unter dem Schatten Deiner Flügel trauen! Sie werden trunken von den reichen Gütern Deines Hauses; Du tränkest sie mit Wonne, wie mit einem Strom; denn bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht. Mein Gott, der Tage im Jahre sind viel, aber der Wohlthaten noch viel mehr; Stunden und Minuten im Jahre kann man zählen, aber Deine Wohlthaten, die Du mir erwiesen, sind unzählig. Ich danke Dir, daß Du mir dieses Jahr Dein heilig Wort gegeben, und darin mir den Weg zum Himmel und zu meinem ewigen Heile gewiesen hast. Ach, versiegele dasselbe in meinem Herzen, und gieb mir Deinen heiligen Geist, daß ich mein Leben darnach einrichten möge. Ich danke Dir, daß Du mich in Deinem heiligen Mahle mit Deinem heiligen Leib und Blut hast gespeiset und getränkt. Ach, laß es mir zur dauernden Glaubensstärkung und Lebensheiligung gedeihen. Ich danke Dir, daß Du mir oft die Sünde vergeben und die verdienten Strafen abgewendet hast. Ach, gieb Kraft, daß ich mich im neuen Jahre davor hüte und sie nicht wieder vorsätzlich begehe. Ich danke Dir, daß Du meinen Beruf gesegnet, mir Nahrung und Kleidung bescheert, mir Gesundheit verliehen, und Unglück abgewendet, mein Kreuz erleichtert, in meinem Elend mich in Gnaden angesehen hast. Du hast mich behütet wie einen Augapfel im Auge. Du hast in Noth mich erhört und mein Gebet durch die Wolken vor Deinen Thron lassen dringen. Du hast in meiner Trübsal mir Hülfe gesendet vom Heiligthum, und mich gestärkt aus Zion. Du hast Deinen Segen über mich ausgeschüttet, Du hast Dein Angesicht nicht vor mir verborgen, da ich zu Dir schrie. Du liebreicher Vater hast mich, Dein Kind, an Deiner Hand geführt; Du mächtiger König hast mich, Deinen Unterthan, wider meine Feinde beschützt; Du getreuer Hirt, hast mich, Dein Schäflein, auf grüner Aue geweidet. Deine Weisheit hat mich das ganze Jahr hindurch geleitet, Deine Liebe hat mich bedeckt, Deine Hülfe hat mich erfreut, Deine Gnade hat mich erhalten, Deine Allmacht hat mir jederzeit ausgeholfen, Deine milde Vaterhand hat mir Alles gegeben, was ich bedurfte, Dein allsehendes Auge hat Acht auf mich gehabt und meinen Aus- und Eingang behütet, daß mir kein Uebel begegnete. Hast Du mich auch zuweilen erfahren lassen viele und große Angst, so hast Du mich doch wieder lebendig gemacht. Hatte ich auch zuweilen viele Bekümmernisse in meinem Herzen, so haben doch Deine Tröstungen meine Seele ergötzt. War mir oftmals Gefahr und Noth nahe, so war auch Deine Hülfe nahe, und Dein Engel hat mich behütet auf allen meinen Wegen.
Ach, mein Gott, verzeihe mir aus Gnaden alle Sünden, die ich in diesem Jahre gethan habe. Ach, strafe mich deswegen nicht in diesem neuen Jahr, sondern verzeihe sie mir um Jesu willen. Herr, gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Uebertretung, gedenke aber meiner nach Deiner Barmherzigkeit um Deiner Güte willen.
Herr, Herr, so beschließe ich denn das Jahr mit Danken, Loben und Beten, und flehe Dich demüthig an: bleibe auch mein Schutz und gnädiger Gott in dem neuen Jahre, halte Deine Hand über mich, und laß mich Deinem Schutz, Deiner Liebe und Gnade fernerhin befohlen sein. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
So sehr Kreuz, Unglück und Elend niederschlägt, so herrlich richten die göttlichen Gnaden-Verheißungen wieder auf. Darum soll ein Betrübter bedenken: 1) alle göttlichen Verheißungen gehen auch ihn an; man soll sich nicht einbilden, als ob die Verheißungen nur Mose, David, und denen gegeben sind, die dazumal lebten; nein, sie zielen auch auf uns, denn Paulus spricht, Röm. 15,4: Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf daß wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Ferner soll er 2) bedenken, alle göttlichen Verheißungen werden erfüllt werden in der Zeit, die Gott hat bestimmt. Darum soll ein Betrübter Gott nicht Zeit und Stunde vorschreiben, sondern in Demuth und im Glauben die Hülfe erwarten. 3) Soll ein Betrübter bedenken, daß die Verheißungen Gottes von der Hülfe, Erlösung, Errettung, Befreiung von allem Uebel, bisweilen auch in diesem Leben erfüllt werden, so daß Kranke gesund, Traurige erfreut, Elende errettet, Betrübte getröstet werden; aber daß bisweilen Gott seine Verheißungen erst in dem ewigen Leben erfüllt. In Betrachtung dessen soll 4) ein Betrübter stille seyn, und auf die Güte Gottes hoffen, der seine Verheißungen an so viel Tausend schon erfüllt hat. (Johann Friedrich Stark)
Dies ist ein kräftiger Trostpsalm, der uns zum Vertrauen auf Gott reizt, und zwar in aller Noth und Anfechtung; denn er ist voll reicher, tröstlicher Verheißung, aus dem ersten Gebot gezogen, - und ist einer von den Psalmen, darin uns die lieben Engel als unsere Schutzherren und Geleitsmänner verkündiget werden, was sehr tröstlich und wohl zu merken ist.
Wir können und sollen diesen Psalm gebrauchen in allerlei gefährlichen Zeitläuften und bei ansteckenden, pestartigen Krankheiten, doch aber auch in andern Nöthen. Denn es wird uns darin das Vertrauen zu Gott mit seinen Ursachen, Eigenschaften, Früchten und Segnungen trefflich beschrieben, und alle Worte sind so kräftig, daß sie ein solches Vertrauen gar wohl in uns erwecken können.
Zuletzt wird sogar Gott selbst redend eingeführt wie Er den Frommen und Gläubigen sammt und sonders Seine Hilfe, Seinen Schutz und die Errettung aus der Noth gar nachdrücklich zusagt.
Nun, o gnädiger Gott, sey auch unser Schutz und Beistand in aller Noth - und gib, daß wir allezeit als Deine frommen und gläubigen Kinder leben, - Deines Beistandes und der Beschirmung Deiner heiligen Engel uns versichern - und der Erfüllung Deiner Verheißung uns erfreuen können, - durch Jesum Christum. Amen. (Veit Dieterich)