Spener, Philipp Jakob - Göttliche Einwohnung, eine Frucht der Wiedergeburt

(1. Kor. 3, 16)

Jedoch sagt er hier insgemein, sie seien Gottes Tempel. Es kann dieses auf zweierlei Weise verstanden werden, entweder von der ganzen Kirche, daß die ganze korinthische Gemeinde Gottes Tempel sei, oder daß er jegliches der Glieder, jede Person in derselben sei. Wir nehmen aber beides zusammen …

Wir merken sobald dieses, weil wir bereits gehört, daß die korinthische Kirche noch so viel Ärgernisse unter sich gehabt und doch hier den Titel des Tempels Gottes trägt: daß Gott eine Kirche noch nicht ganz verstoße, in der auch viele Ärgernisse im Schwang gehen, solange noch einige wahrhaftig Gläubige darinnen übrig, sonderlich solange das Wort und die Sakramente noch vorhanden sind: Es ist solche Gemeinde noch ein Tempel Gottes, aber ziemlich schadhaft. Er ist's noch wegen der wahren Christen, die drinnen sind und als lebendige Steine zu dem rechten himmlischen Bau gehören: obwohl demselben äußerlich andere gleichsam tote Steine angeflickt sind, die zum rechten Bau nicht gehören noch auf dem gemeinen Grund stehen, sondern deren äußerliche Anfügung alles nur mehr verstellt. Es ist eine solche Gemeinde wie ein Baum, der viel verdorrte Äste an sich hat, die zwar an dem Baum stehen, aber mit den übrigen grünen Ästen dessen Leben und Safts nicht teilhaftig sind. Also werden sie zwar unter dem gemeinen Namen des Baums mit begriffen, aber sie gehören nicht eigentlich zu dem Baum …

Die ganze Dreieinigkeit wohnt in den Gläubigen, Joh. 14, 23; Job. 17, 21-23. Wir sehen allein die genaueste Vereinigung, wie der Gläubigen unter sich, also auch mit Gott, der in ihnen wohnt. Wir wissen auch, daß sie nicht wesentlich nach ihrer Art, doch auch nicht nur nach dem Willen sei. Wie sie aber dann bewandt sei, müssen wir ein Geheimnis bleiben lassen …

In der Taufe ist der Gläubige zu einem Tempel Gottes geweiht, denn sie ist das Bad der Wiedergeburt …

Also dürfen wir Gott auch nirgend anders, wenn wir ihn finden wollen, als in unsern Herzen suchen, wo er sich finden, von uns anbeten lassen und unsern Dienst annehmen will. Damit werden unsere Tempel und Kirchen oder deren Gebrauch nicht verworfen, Hebr. 10, 25. Aber wenn wir in der äußerlichen Kirche Gott recht dienen wollen, so müssen wir ein jeglicher seine innerliche Kirche gleichsam mitbringen, das ist, unser Herz muß so bewandt sein, daß Gott drinnen wohne und wir auch selbst in der Versammlung den meisten Dienst in demselben verrichten müssen: dahingegen aber dieser, so bloß außer dem Herzen geschehe, für Heuchelei geachtet werden würde. Weil wir aber sollen Gottes Tempel sein und heißen, so müssen wir auch heilig sein und uns heilig halten.

Ach, das lasset uns angelegen sein, als versichert, wo wir uns nicht heiligen lassen, so sind wir keine heiligen Tempel Gottes. Sind wir keine heiligen Tempel Gottes um die Zeit, wenn wir hier abscheiden, so gehen wir auch dort in jenes Allerheiligstes nicht ein.

Hingegen, die Gott sein Werk gern lassen wollen, können sich versichern, welche derselbe einmal, wie uns allen in der Taufe geschehen ist, zu seinen Tempeln geweiht hat, da sei er willig, sie bei solcher Gnade zu erhalten … Er schützet und erhält seinen Tempel, auch ziert er ihn immer mehr, bis wir in jenes Jerusalem kommen, davon es heißt (Off. Joh. 21, 22): „Ich sah keinen Tempel darinnen, denn der Herr, der allmächtige Gott, ist ihr Tempel und das Lamm.“