„All meine Arbeit und Unruh streckt sich dahin, daß alle Menschen recht erlernen, was große Gnade und Heil der Sohn Gottes uns gegeben habe, daß alle Zuflucht zu Gott werde gehebt durch das theure, heilige Leiden Christi, daß seine Lehre hervorgezogen und der Menschen Lehre hinter sich gethan werde, daß jene unvermasget, unvermischt und lauter bleibe.“
„Alle, die als Hirten unter die Schafe des Herrn ausgesandt werden, sollen ihr Amt und ihren Beruf von keinem andern Vorbild lernen verwalten, denn von dem einigen wahren Wort Gottes, das sich in dem Herren Jesu Christo, dem wahren Sohne Gottes, sichtbarlich und allereigentlichst ausgedruckt hat, jetzt zu den letzten Zeiten und vordem im Alten Testament (doch geringer) in vielen Vätern und Propheten.“
(Der Hirt)
„Was gepredigt werden solle, mag klar genug verstanden werden aus dem Gesagten, nehmlich nichts anders, denn das Wort Gottes.“
(Der Hirt)
„Was mein lieber Bruder 1) anführt, man solle vor allem aus die Welt wohl unterrichten mit dem Worte Gottes und dasselbe immerfort2) predigen, das gefällt mir fast wohl und bin ganz mit Ihm der Meynung, daß es zum Allertreusten geschehe. Ich hoffe auch, mein Bruder Leo und Ich haben solches auf das treuste gethan und Nichts daran gespart. Ja, Ich zu meinem Theil habe also hier zu Zürich, als ich zum ersten Mahl herkommen bin, von Stund an zur Hand genommen das heilig Evangelium Matthäi zu predigen ohn allen Zusatz des menschlichen Tandes. Ich habe solches auch öffentlich vor Probst und Capitel angezogen, daß ich dieß fürnähme. Weßwegen Ich mich meines Eingangs wohl berühmen mag, wie Paulus, daß Er Euch wohl bekannt gewesen ist. Demnach habe Ich die Geschichte der heiligen Boten geprediget, die Epistel Pauli zu den Galatern, die zwey an den Timotheus, beyde Episteln Petri, die zu den Hebräern und jetzt den Lucas 3) Also vermeine Ich, es habe bey uns nicht Mangel, denn daß Jedermann von Gottes Gnaden des Evangeliums wohl berichtet sey.“
Acta des zu Zürich den 26, 27 und 28 October 1523 gehaltenen Gesprächs.)
„Er muß all seine Zuversicht und seinen Trost zu Gott haben, muß seine Schafe in keine andere Weide führen, als in der er vorher geweidet ist, d. i. in Erkenntniß und Vertrauen Gottes, so muß er je vorhin auch Gott erkennen und all seinen Trost zu Ihm haben.“
(Der Hirt)
„Nachdem die Gläubigen zu der Erkanntniß ihres Heilandes gekommen sind, und die freundliche Gnade Gottes empfunden haben, sollen sie fürhin ein unschuldig Leben führen und wandeln, wie der Herr Jesus Christus gewandelt hat. Dazu hilft treffentlich, so der Hirt das mit den Werken übet, was er mit den Worten lehret.“
„Der Hirt muß sorgfältig verhüten, daß er mit der That nicht breche, was er mit den Worten lehrt: denn die Schwachgläubigen lassen sich das ungleich Werk sehr von dem Worte Gottes abwenden.“
„Ueben sich die Lehrenden selbst in denen Dingen, die sie aus Gott lehren, so lehrt das lebendige Beyspiel mehr denn 100.000 Worte.“
(Der Hirt)
„Ihr sollet Euch nicht fürchten. Nichtfürchten ist der beßte Panzer. So du nun sprechen willst: Das wußt ich ohne dieß wohl, wenn auch Christus nicht also geredet hätte, daß, wo ich mir nicht fürchte, ich alle Dinge tapfer würde angreifen. Wenn mir gegeben würde, daß ich mir nicht fürchte, dann möchte ich bestehen, sonst nicht. Wie kann mir nun geboten werden, ich solle mir nicht fürchten? Darum zeiget uns Christus an, wo wir erlangen, daß wir ohne Furcht seyen. Evang. Joh. XVI. Diese Dinge habe Ich mit Euch geredet, auf daß Ihr Frieden in mir habet. Ihr werdet in der Welt Angst oder Drang haben, aber seyd unerschrocken: Ich habe die Welt überwunden. Hier sehen wir unsern Fürstreiter Christum. Er heißt uns unverworren seyn, und fortfahren in seinem Werk, ob uns gleich hiemit Drang wird zugefügt, die Welt thue Ihm nicht anders: Und so wir seine treuen Diener seyen, werde er dieselbe auch für uns überwinden. Darum sollen wir nun fröhlich seyn. Der Hirt soll die Arbeit seines Herren vollbringen und demnach ihn lassen walten und schirmen.“
(Der Hirt)
So der Mensch aus seiner Vernunft Etwas für gut bildet, und aber das Recht und Gut nicht allein von Gott und seinem Wort lernet, so richtet er einen Abgott in Ihm selbst auf, nehmlich seinen eignen Verstand und Gutdünken. Welcher Abgott schwerlich umgestossen wird, denn er hebt gleich auswendig auch an mit Zauberwerk, das ist, mit gleichsnendem Schein diesen vor den Menschen als wahr und gerecht zu verkaufen. Und wie auch den Aeffinnen ihre Jungen wohlgefallen, also gefallen dem Menschen auch seine Erfindungen. Und doch mag der Mensch keinen größeren Gottesdienst thun, dann dem Einigen Worte Gottes ungeändert nachgehen und sich keines andern Menschen, ja sein eigen Gutdünken nicht lassen verführen.
Das Wort Evangelium heißt so viel als eine gute Bottschaft oder Berichtung, die dem Menschen von Gott kommt in dem, so er unwissend oder zweifelhaft ist. So z.B. der Mensch Durst hat nach dem Heil seiner Seel, und fragt etwa einen Carthäuser: Lieber! Wie soll ich selig werden? antwortet er Ihm ohne Zweifel: Nimm unseren Orden an dich, darin würdest du gewiß selig, denn er ist der strengste. Fragst du einen Benediktiner, so spricht er: Es ist gut zu merken, daß es in unserem Orden am leichtesten ist, selig zu werden, denn er ist der älteste. Fragst du den Barfüßer, spricht er: Unser Orden ist der größte und ärmste in der Welt, rechne nun selbst ob sonst irgendwo leichter die Seligkeit möge gefunden werden u.s.w. Siehe, da zeiget ein Jeder eine besondere Art an, und streitet jeder ernstlich, seine Meynung sey die rechte. Hier spricht aber die durstende Seele: Ach! welchem soll ich folgen? Es thut jeder seinen Weg so hübsch dar, daß ich nicht weiß, wie ihm zu thun ist, und zuletzt darf sie wohl zu Gott eilen, und ängstlich rufen: Ach Gott! zeig mir, welcher unter den Orden oder Wegen der gewisseste sey. Du Thor! hast du die Zuflucht zu Gott, daß er dir einen Unterschied zwischen der Menschen Wegen könne geben, und rufest Ihn nicht an, daß er dir den Weg zeige zu der Seligkeit, der Ihm gefalle und Ihn gewiß dünke. Siehe wie kommst du nun bey Gott Festigkeit dessen zu finden, (bey Gott zu vesten) was dir die Menschen vorgeben. Warum sprichst du nicht lieber: Ach Gott! diese sind uneins, du bist das einige (unverborgne) wahre Gut, zeige mir an den Weg der Seligkeit. Hier höre das Evangelium, eine gewisse Bottschaft, Antwort oder Sicherung. So steht Christus vor dich mit offnen Armen, dich ladend und sprechend Matthäi XI. 28. Kommet zu mir, ihr Alle, die ihr arbeitet und beladen seyd, und Ich will Euch ruhig machen. O der fröhlichen Bottschaft! denn Sie bringet mit Ihr ein Licht, daß wir das Wort wahr erkennen und glauben, denn der dieß geredet hat, ist ein Licht der Welt, Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Meinst du nicht jetzt: deine Seele werde gesichert? (Höre die Sicherheit des Wortes Gottes!) Sie werde berichtet und erleuchtet! (Höre seine Klarheit) daß sie versteht all ihr Heil, all ihre Gerechtigkeit, oder Fromm werden sey in Christo Jesu verschlossen.
(Von Klarheit und Gewiße des Wortes Gottes.)
Die Liebe ist dem evangelischen Lehrer deßwegen nothwendig, daß alle Dinge nach ihr gerichtet und gemessen werden. So wie der Zimmermann mit dem bloßen Augenmaß nicht ausreicht, sondern ihm auch das Richtscheit noth ist, also ist alle Tapferkeit, Kunst und Glauben Nichts, sie werden denn nach der Liebe gerichtet. Die Art der Liebe ist, daß sie für alle andern göttlichen Tugenden noth ist. Kurz, wo die Liebe ist, da trifft man es allweg, da geht man nimmer müßig, man verbreitet (wyteret) für und für die Ehre Gottes und mag dabey alle Dinge erleiden. Denn ohne die Liebe fällt der Mensch leichtlich in Hochmuth; ja, wo die Liebe Gottes nicht ist, da ist Alles nichts denn ein Hochmuth.
(Der Hirt.)
Die falschen Lehrer, die mehr Wissens, denn Liebe haben, werden sich aufrichten und um einer Haselmuß willen alle Blöden und Stillen verletzen, nur daß man sehe, daß sie auch gelehrt seyen.
(Ebendaselbst.)
Der Lehrer soll die Arbeit seines Herren vollbringen und demnach ihn lassen walten und schirmen. Und sollte er auch in treuer Vollbringung seiner arbeit den Tod finden, so bedenke er, daß keiner den Tod um Gottes willen leidet, der nicht Gottes ist. Die Gründe dieser Zuversicht lassen sich leicht so zeigen.
Glaubst du, daß ein einiger allmächtiger Gott setze?
Ja.
Glaubst du auch, daß er dein Gott, Herr und Vater seye?
Ja.
So glaubst du auch ohne Zweifel, daß er dir Nichts verheissen habe, er werde es dir dann leisten?
Ja.
Hältst du Ihn für einen Vater, so wirst du Ihn ohne Zweifel auch lieb haben, und Ihm gefolgig seyn in Allem, was er erfordert?
Ja.
Du wirst auch Freude haben, so du Ihm dienen kannst?
Ja.
Also folgt aus dem Glauben, durch den du Ihn für den Höchsten Gott, für deinen Gott, für deinen Vater hältst, daß du zum Ersten hoffst zu Ihm zu kommen, ja du eilst zu Ihm zu kommen. Denn hältst du Ihn für deinen Vater, so wirst du Ihn auch lieb haben. Hast du Ihn lieb, so wirst du nicht mögen leiden, daß seinem Nahmen etwas abgehe, daß man seinem Worte nicht glaube, daß man so schändlich wider Ihn lebe. Und wie du eher den Tod als deines leiblichen Vaters Schmach, also magst du auch für deinen himmlischen Vater eher den Tod als seinen Nachtheil erleiden; und je minder du den Tod fürchtest, je stärker der Glaube in dir ist. Je mehr du den Tod fürchtest, je minder Vertrauen und Liebe Gottes in dir ist. Wo der rechte Glauben und göttliche Liebe ist, da weiß der Mensch, daß um Gottes willen sterben ein Gewinn ist und ein Anfang des wahren Lebens. Er weiß auch, daß nicht der überwunden wird, der bey stetem Festhalten an dem Worte Gottes stirbt, sondern der sich die Liebe dieses Lebens läßt von Gott abwenden.
(Der Hirt)
Diesem Glauben blieb Zwingli in seinem Tode getreu: Den Leib können sie wohl tödten, aber die Seele nicht. Das waren die letzten Worte Zwinglis, als er in der Schlacht bey Kappel, unter dem Knie durchbohrt, niedersank.
Quelle: Hanhart, Johannes - Ulrich Zwingli's Stimme an die Lehrer des Evangeliums