So wir im Geiste leben, so lasst uns auch im Geiste wandeln.
Gal. 5,25.
Evang. Matth. 21. V. 1 bis 9.
Da sie nun nahe bei Jerusalem kamen, gen Bethphage, an den Ölberg, sandte Jesus seiner Jünger zwei, und sprach zu ihnen: Geht hin in den Flecken, der vor euch liegt; und alsbald werdet ihr eine Eselin finden angebunden und ein Füllen bei ihr; löst sie auf, und führt sie zu mir. Und so euch jemand etwas wird sagen, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer; sobald wird er sie euch lassen. Das geschah aber alles, auf dass erfüllt würde, das gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Sagt der Tochter Zion: Siehe dein König kommt zu dir sanftmütig, und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin. Die Jünger gingen hin, und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte; und brachten die Eselin und legten ihre Kleider drauf, und setzten ihn drauf. Aber viel Volks breitete die Kleider auf den Weg; die andern hieben Zweige von den Bäumen, und streuten sie auf den Weg. Das Volk aber, das vorging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
Unser Gang mit Jesu durch das neue Kirchenjahr soll ein Bekenntnis zu Jesu sein!
Liebe Gemeinde! Mit dem ersten Adventssonntage sind wir wieder in ein neues Kirchenjahr eingetreten. Verhüllt liegt es vor uns. Keiner vermag den Schleier vor der Zukunft zu lichten. Nur eins können wir und eins sollen wir: uns rüsten zum Gang durch dasselbe. Jesus soll mit uns, und wir sollen mit Jesus unsre Wanderschaft beginnen und fortsetzen. Daran mahnt der Festzug Jesu nach Jerusalem.
Jesu Sieg war nicht mehr möglich durch schlichte Predigt, wie einst in Galiläa, sondern nur dadurch, dass er in Jerusalem das Panier seines Messiastums offen entfaltete und so mit Zustimmung des Volkes und mit Hilfe Gottes seine furchtbare Gegnerschaft entwaffnete. Aber was er einst gesagt hatte über die Art und Weise seiner Herrschaft und über das Kommen des Gottesreichs, das hielt er auch bei diesem Festzug. Nicht mit Fäusten und Schwertern des Volkes, nicht mit Esel oder Ross gedachte er ein irdischer Fürst, ein zweiter David zu werden. Er beabsichtigte nur in dieser gehobenen äußeren Form die Würde seines züchtigen Herrschertums wiederzuspiegeln. Er wollte sich offen bekennen und verkündigen als den Messias, den König, den Herrn auf dem Gebiet des Geistes, des religiös-sittlichen Lebens.
Zeigt Jesus sich auch als der Herr, enthüllt er auch frei das Banner seines geistigen Messias-Herrschertums, er trägt doch auf seinem liebevollen Herzen das Volk. Ein Herr, der eine Herr wollte er sein, aber damit zugleich auch dem Volk dienen, es zu sich erheben und auf dem Wege, welchen er ging, dem des Gottvertrauens und des Wandels nach Gottes Willen, zu Gott führen. Dienen! war seine Losung. Nach seinem von ihm einst gesprochenen Wort: „Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, sich dienen zu lassen, sondern zu dienen“ (Matt. 20,18.), handelt er auch hier. Das Reich Gottes in dem Herzen der Mitmenschen zu bauen galt ihm als seine hohe, göttliche Aufgabe und Arbeit. Hält er nach unserm Evangelium auch unter äußerem Prunk und lautem Jubelruf seinen Einzug in die heilige Stadt, so ist das alles doch nur geschichtlich bedingt. Nicht dachte er an ein weltförmiges Aufstehen und Erscheinen des Gottesreichs, nicht dass es unter äußerer Beschauung käme, oder unter dem Ruf: „siehe hier oder da ist es“ (Luk. 17,20.21). Auch bei diesem festlichen Einzug stand ihm fest: das Gottesreich wird gebaut in den Herzen des Volkes durch seine sittliche Arbeit, seinen Dienst an demselben.
Das Volk ging mit Jesu, dem Herrn und Diener. Aus dem Norden des jüdischen Landes kam der Festzug. Je mehr er sich Jerusalem näherte, um so größer wurde die Zahl seiner Teilnehmer. Es galt ja zu pilgern zu dem großen Sühn- und Frühlingsfest, zugleich dem Befreiungsfest aus ägyptischen Ketten. Und die Pilger bekannten sich zu dem Einen, der unter ihnen war, zu Jesus. Ihre Herzen waren ergriffen von der hohen, sittlichen Größe Jesu. Zu ihren Herzen klang's: Jesus ist der Messias! Und was die Herzen fühlten, das trat unter hörbaren und sichtbaren Huldigungen und Taten in die Erscheinung. Aus dem hebräischen Gesangbuch, den Psalmen, sangen die einen ihm die Weisen: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn. „Hosianna in der Höhe!“ ertönte es von ihren Lippen. Andere breiteten ihre Kleider als Bodendecken vor dem Reiter aus, zur Ehrenbezeugung für ihn. Noch andere hieben nach der Sitte der Feste grüne Zweige von den Bäumen und warfen sie auf den Weg. Das Volk bekannte sich zu Jesu von Herzen mit Wort und Tat.
Was wollen wir tun in diesem neuen Kirchenjahr, dessen Schwelle wir eben überschritten haben? Mit Jesu gehen, uns zu ihm bekennen!
Unser Gang mit Jesu durch das neue Kirchenjahr soll ein Bekenntnis zu Jesu sein, und zwar:
Meine Lieben! Sind wir uns der Gnade des lieben Gott-Vaters schon recht bewusst geworden? Wenn wir fragen, worin besteht seine Gnade für uns, so antworten wir, darin dass auch uns der liebe Gott in Jesu ein Vorbild und eine Kraft gegeben hat, damit Jesus, wie Luther treffend sagt, unser Herr sei. Wissen wir solches aus unserer Lebenserfahrung, so ist uns auch gewiss, dass er unser Herr sein soll zu allen Zeiten und an allen Orten, dass wir uns überall, wo wir gehen und stehen, zu ihm zu bekennen haben.
Für keinen gibt es eine Ausnahme hiervon. Ob arm, ob reich, ob hoch, ob niedrig, den Kindern, welche schon zum Alter des Verstandes gekommen sind, der Jungfrau und dem Jüngling, der Frau und dem Manne soll dies Bekenntnis zu Jesu, dem Herrn, eigen sein. Und spricht der mutige Mann, der da hält und vertraut auf eigne Stärke und Kraft: selbst ist der Mann! er mag nicht vergessen das Wort: wer steht, kann doch fallen! Wir alle brauchen Jesus. Wir alle wollen einig sein in dem Bekenntnis zu Jesu, dem Herrn, beim Gang durch dies neue Kirchenjahr.
Jesus ist unser Herr! Doch wie? müsste unser Bekenntnis nicht vielmehr heißen: der allmächtige Gott, der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der die Welten trägt und regiert, und auch das Schicksal unseres kleinen Lebens in seiner starken Hand hält und lenkt, ist unser Herr? Gewiss! das steht uns fest. Aber Gott regiert und erzieht die Menschen auch durch Menschen. Für die Kinder hat er zu seinen Stellvertretern die Eltern auf Erden bestimmt. Durch sie leitet er die Kleinen, die Unmündigen. Und so hat sich der allweise Gott auch zu allen Zeiten einzelne Menschen auserwählt zur Erziehung der unmündigen Menschheit. So hat er, als die Zeiten erfüllt waren, in seiner Liebe und Gnade Jesum zum Herrn über die Geschlechter der Welt bestimmt. Seine Herrschaft bezieht sich nicht auf das Reich der Natur, in welchem Gott selber waltet nach den von ihm gegebenen, unwandelbaren, stetigen Gesetzen. Seine Herrschaft liegt auf einem ganz andern Gebiet, auf dem des Geistes. Hier soll er der eine Herr sein! Gott selbst hat ihn dazu erkoren. Und Jesus selbst hat dies in der Kraft des ihm innewohnenden göttlichen Geistes erkannt. Er stellt sich über den König Israels, bezeichnet sich als den Herrn Davids. Den Herrn, welcher der Herrscher, Gebieter sei der geistigen, religiös-sittlichen Welt! (Matth. 22, 42-45.)
Will der Mensch wissen, in welchem Verhältnis Gott und Mensch stehen, wie Gott mit und über den Menschen waltet, und wie die Menschen mit einander leben sollen, er muss, das ist Gottes Wille, hin zu dem einen Herrn. Diesem hat der liebe Gott zuerst geoffenbart : Gott ist der Vater aller Menschen, sie alle sind seine Kinder, welche Gott, und Gott in den Mitmenschen lieben sollen. Was Gott dem Herzen Jesu offenbarte, das hat Jesus nicht nur gelehrt, sondern so herrlich vorgelebt. Durch sein vollkommenes religiös-sittliches Leben ragt er hoch empor über die Menschheit. Darum ist er der Herr auf dem Gebiete dieses Lebens. Und die Gnade des lieben Gottes uns gegenüber sehen wir darin, dass wir Jesum erkennen als den einen Herren in der Geisteswelt, dass wir an ihn auf all unsern Lebenswegen uns halten, zu ihm uns bekennen können.
Gottes Gnade ist nicht nur einmal offenbar geworden, wenn auch nur einmal in ganzer Fülle. Sie währt fort und fort. Wie Jesus Jünger als Boten entsendet, um seinen Einzug vorzubereiten, so hat der liebe Gott genug Boten gesandt und sendet sie noch, um Jesu, dem Herrn den Weg in die Herzen der Menschen zu bahnen. Solche Boten sind auch in der kurzen Spanne des alten Kirchenjahrs zahlreich zu uns gekommen, alle mit ein und derselben Mahnung: bekennt euch zu dem Herrn des Geistes! Sagten es uns nicht die Sonn- und Feiertage, welche als Boten Gottes sich uns nahten? Wer diese Sonn- und Festtage nicht gehört hat, dem hat Gott andere Boten geschickt. Hier waren es ernst denkende, fromme Christen, welche mit der sittlich guten Tat ihres Lebens riefen und mahnten. Hier die Boten Freude und Leid. Wie verschieden sie auch alle sein mögen, so ist doch keiner des andern Feind, Sie alle sind Bahnbrecher ein und desselben Advents, Engel Gottes vor ein und demselben Herrn des Geistes und mit ein und derselben Botschaft: Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.
In diesem für uns gekommenen neuen Zeitabschnitt wird der liebe Gott zu jedem von uns auch wieder seine Boten senden. Mit allem, was vom Geist des einen Herrn schon durchweht und durchwirkt ist, wird er uns rufen und mahnen. Kommen die Boten, so lasst uns recht erkennen, was sie alle wollen: unser Bekenntnis zu dem Herrn des Geistes. Fassen wir schon heute den ernsten Entschluss, uns Jesum zum Herrn zu erwählen und mit ihm zu gehen durch dies Jahr. Raffen wir uns schon heute dazu auf mit unserer ganzen Willenskraft. Im entschiedenen guten Wollen liegt schon, wenn auch erst keimartig, das gewisse gute Vollbringen.
Meine lieben Freunde und Freundinnen! Beim Gang mit Jesu durch das neue Kirchenjahr, im Bekenntnis zu ihm, dem Herrn, werden wir bald erfahren, dass dieser Herr unser Diener wird. Jesus ist der Herr. Und Jesus ist der Diener. Enthält dies Wort einen Widerspruch? Nur einen scheinbaren. In der Tat! Ein Herr ist zugleich auch ein Diener. Der Grundsatz eines preußischen Königs lautete: ich will der erste Diener meines Volkes sein. Ein recht christlicher Grundsatz, herrührend von dem Christus Jesus, dem Herrn aller Herren. Ein Herr, vermöge besonderer Gaben und Kräfte an die Spitze von vielen gestellt, wird mit seinen Gaben und Kräften denjenigen, über welche er herrscht, dienen können und dienen, und dadurch seine Untertanen heben und fördern.
In der religiös-sittlichen Welt hat der liebe, gnädige Gott Einen ganz besonders ausgerüstet mit den höchsten Gaben, der wahren Gotteserkenntnis und dem wahren sittlichen Leben in dieser Erkenntnis, und ihn dadurch zum Herrn der Menschheit gesetzt Jesus Christus, damit er derselben mit seinem religiös-sittlichen Leben diene.
Als Diener seines Volks erscheint Jesus auch nach unserm Evangelium. In einer anschaulichen Handlung stellt er sich dar, nicht als der in königlichen Purpur gekleidete, auf stolzem Ross einherziehende Messias, sondern als der Messias, wie diesen sich schon ein Frommer des alten Bundes, der Prophet Sacharia, durch die ihm zuteil gewordene göttliche Gnade gedacht hatte: „sanftmütig!“ So leuchtet schon aus dem alttestamentlichen Wort die göttliche Gnade hervor. Das Christentum ist immer in der Welt gewesen. Freilich bis auf Jesum nur bruchweise.
Erst als Gott die Menschheit erzogen hatte, sie reif dafür hielt, erschien es im Leben Jesu in ganzer Fülle. Und weil das Sacharia-Wort ein christliches Gepräge trägt, darum ist es auch von dem Verfasser unseres Evangeliums auf den Christus Jesus angewandt worden. In einer sinnbildlichen Handlung, im Bilde eines sanftmütigen Reiters auf einem „Friedenstier“, macht Jesus dem Volk klar: mein Reich ist nicht von dieser Welt! Herrschen will ich nicht, dienen will ich! Durch sein sanftmütiges Wesen will er das Volk zu sich emporheben, zu Bürgern seines geistigen, sittlichen Reiches machen, dem Volk als der Herr dieses Reiches dienen mit seinen sittlichen Geistesgaben und Kräften.
Jesus ist unser Diener! Unsere Herzen rührt er nicht durch den Glanz seiner überlieferten Wunder. Sein Reich ist keine Wunderanstalt, sondern eine Geistesschöpfung! Er rührt unsere Herzen durch den Zauber seines sanftmütigen Wesens, durch die Macht seiner rettenden Liebe, durch die Größe seines sittlichen Charakters. Bleiben wir bei ihm, ziehen wir mit ihm, bekennen wir uns zu ihm, so bleibt er bei uns, zieht mit uns, bekennt sich zu uns der Herr als der Diener. Brot für den Mund gibt er nicht, Gold in die Hand drückt er nicht. Aber er reicht uns unendlich mehr. Das Brot des ewigen Lebens schon hier in der Zeit. Das Gold der sittlich guten Gesinnung unsern Herzen. Er hat uns schon gedient, uns in das rechte Verhältnis mit Gott gebracht. Wir beten als Gottes Kinder: Unser Vater! lieber Gott! mach mich gut, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm'! Er wird uns ferner dienen mit seinen sittlichen Geisteskräften zum Wandel nach Gottes Willen.
Wohl sind wir entschlossen, mit Jesu zu gehen, uns zu ihm zu bekennen, aber ob wir alle, und alle auch immer unsern Entschluss ausführen werden?! Wird nicht so mancher vom Wind der Leidenschaft und Lust niedergeworfen werden und im Staube liegen! Wer richtet ihn auf, dient ihm mit seiner Hilfe? Jesus ist's. Wenn der Sünder sich zu ihm bekennt, wandelt Jesus das leidenschaftliche Wesen in Sanftmut und die sündhafte Lust in wahre Freude am guten Wollen und Vollbringen. Wird nicht das Lebensschifflein so manches Menschen abstoßen in dunkle Fluten, wird es nicht schwanken und wanken unter Sturmes- und Wogendrang? Wer bringt Rettung, dient mit seiner Hilfe? Jesus ist's. Wenn der Kleinmütige, Verzagte sich zu ihm bekennt, so wird doch, ob schon manch' stolzes Segel seiner Wünsche und Hoffnungen zerreißt, das Heil, der Friede seiner Seele gerettet.
Meine Lieben! Durch den Dienst, welchen Jesus uns, seinen Bekennern, leistet, werden wir zu ihm erhoben. Wir führen ein Leben nach seinem Vorbild. Wir werden durch ihn selber die Herren. Auf dem Gang mit Jesu durch die kommende Zeit sollen wir alle bezeugen können: ich bin ein Herr! ich bin eine Herrin! Worüber soll sich unsere Herrschaft erstrecken? Etwa über ein paar oder gar viele der Mitmenschen? Sollen wir alle nur gebieten, oder sind nicht nur die einen der Ordnung wegen zu Herren gesetzt? Gewiss! diese heilsame Ordnung wird bleiben, so lange es vernünftige Gottesverehrer gibt.. Und doch müssen wir alle Herren und Herrinnen sein, wenn wir den Namen „Bekenner Jesu Christi“ verdienen nämlich über uns selbst, über die Sünde und Schicksalsschläge. Über sie ist Jesus der Herr gewesen, dagegen ein Diener den Mitmenschen. Durch ihn führen wir erst aus jenen Befehl, welchen der ewige Geist schon dem Herzen eines Kain gab: herrsche über die Sünde! (1. Mos. 4,7.) Durch ihn werden wir immer mehr befreit von dem Tyrannen, der Sünde. Durch ihn erheben wir uns nach allem Schweren, was uns trifft, mit neuem Glaubensmut, leben der getrosten Zuversicht: es kann uns nichts geschehen, als was Gott hat ersehen, und was uns heilsam ist. Durch Jesum, unsern Herrn und Diener, werden wir wieder über uns selbst, über unsere Sünden und Leiden die Herren und Herrinnen, und wir sind dann wieder die rechten Diener und Dienerinnen der Mitmenschen.
Meine Lieben! Mit Jesu wollen wir gehen und uns zu ihm bekennen. Doch welcher Art muss unser Bekenntnis sein? Sehn wir uns jenen Festzug an. Aus einer stattlichen Zahl von Bekennern des Herren ist er gebildet. Da jauchzen die einen. Da streuen die andern grüne Palmenzweige. Da breiten die dritten ihre Kleider vor Jesu aus. Herrlich und ergreifend sind diese Huldigungen, wohltuend für Jesum, der nicht wusste, wo er sein Haupt ruhig hinlegen konnte. Was ist aber aus der Huldigung, dem Bekenntnis jener Festschar geworden? Die Berichte der Evangelien geben die Antwort. Das Bekenntnis zu Jesu währte nur kurze Zeit. Der Jubel verstummte schnell. Nach dem „Hosianna dem Sohn Davids“ erscholl bald, ach zu bald aus dem Munde der Festpilger der erschütternde Ruf: ans Kreuz mit ihm!
Wie war der plötzliche Umschlag möglich? Wie kam es, dass die hohe Begeisterung so schnell verrauschte? Jene Begleiter des Herrn waren wohl seine Bekenner, aber nicht seine rechten, wahren. Wohl fühlten sie Begeisterung im Herzen, doch dieselbe war nur ganz vorübergehend, ein flüchtiges Flackerfeuer. Ihre Herzensgemeinschaft mit Jesu war keine bleibende, darum schlug ihre Verehrung für den Herrn rasch um in jene furchtbare Entehrung, in das „Kreuzige ihn!“ Darum ist es mit dem Bekenntnis zu Jesu an und für sich noch nicht getan - es hängt alles ab von der Art desselben, von dem Festgewordensein des Herzens in dem Herren.
Wir gleichen in gewisser Beziehung jener Festschar. Mit Jesu ziehen wir dem nahen Weihnachtsfest entgegen. In diesem Gottesdienst der Kirche bekennen wir uns zu Jesu. Unsere Herzen sind ergriffen und begeistert. Doch, meine Lieben, dauert das alles nur für die Zeit dieses Gottesdienstes, dann machen wir hinter den geschlossenen Kirchentüren gar bald dieselbe traurige Erfahrung. Wir selber kreuzigen den Herren mit neuem Vergessen und Sündigen. Unser Bekenntnis zu Jesu war wohl da, aber es gehörte nur einem Augenblick, der Gott geweihten Stätte an. Es war wohl ein Herzensbekenntnis, aber nur von kurzer Dauer.
Haben wir mit jenen Pilgern gemein, dass wir hier mit Jesu sind, uns zu ihm bekennen, so wollen wir uns doch von ihnen unterscheiden in der Art des Bekenntnisses. Unser Gang mit Jesu durch das neue Kirchenjahr soll ein andauerndes Bekenntnis des Herzens zu ihm sein. Der Herr will nicht Augenblicksbekenner, nicht solche, welche nur an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit: Herr, Herr! rufen. Er will Gesinnungsgenossen, Herzens-Bekenner und -Bekennerinnen, welche allzeit mit ihm aufs innigste verbunden leben. Unsere Herzen müssen allzeit warm für Jesum schlagen. Unsere Herzen müssen jenes Kleinod stets in sich bergen und tragen, nach welchem Jesus einen Petrus fragt. Hast du mich lieb? spricht er zu Petrus, und erhält von ihm die Antwort: Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. (Joh. 21,15 bis 17.) Die Liebe zu Jesu, dem Herrn, das herzinnige Verbundenbleiben mit ihm, macht uns erst zu seinen rechten, wahren Bekennern. Fragt Jesus nach Ansichten, die wir über ihn haben? Fragt er nach Liedern und Sprüchen, die wir gelernt haben und schön hersagen können? Fragt er, ob wir den überlieferten Bekenntnissen der Kirche zustimmen? Nein! Er fragt nicht nach äußerlichen Dingen. Er geht tiefer, auf unsern innern Menschen selbst. An diesen richtet er seine Frage. Sie lautet immer wie diejenige an Petrus: hast du mich lieb? wie steht dein innerer Mensch zu mir? bist du ein Herzensbekenner, eine Herzensbekennerin? O dass wir doch alle diese Frage Jesu bei unserm Gang mit ihm täglich, stündlich vernehmen möchten, nicht nur in den stillen Stunden unsers Lebens fern vom Lärm und Getriebe der Welt, sondern gerade auch in unserm rastlosen Streben und Schaffen, mitten in unserer Tätigkeit, in Haus, Gemeinde, Staat, in unserm Beruf und Amt! O dass wir dann aber auch alle immer antworten könnten ohne Falsch aus unserer Lebenserfahrung heraus: Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!
Meine lieben Freunde und Freundinnen! Bekennen wir uns andauernd mit unsern Herzen zu Jesu, dem Herrn, schlagen sie anhaltend in inniger Liebe für ihn, so nehmen wir in dieser Liebe ihn, seinen Geist, auf in unsere Herzen. Wir gehen mit ihm im Herzen auch durch dies Jahr. Das Leben des Herzens in seinem Geist offenbart sich als Leben nach seinem Vorbild mit den Mitmenschen. Jesus Christus gewinnt in uns eine Gestalt durch ein christliches Leben. Wir bekennen uns zu ihm mit unserm Wandel. Aus der vollen, ungeteilten Hingebung des Herzens an ihn dringt das wahre, wertvolle Bekenntnis unsers Lebens zu ihm. Mit Notwendigkeit tritt sie ohne jegliche Heuchelei in die Erscheinung. Die Natur des Baumes bedingt seine Frucht. Die Gesinnung unsers Herzens unsern Wandel. Wer Jesu sein Herz schenkt und lässt, wird diese Erfahrung an sich selber machen, wird auf dem Gange mit Jesu in seinem Wandel sich zu ihm bekennen.
In jenem Festzug befanden sich auch so manche waren doch schon die Jünger Jesu selbst dabei, welche in einer herzinnigen Lebensgemeinschaft mit dem Herrn standen. Wie diese sich sichtbar zu ihm bekannten mit Wort und Tat, o wir wissen es. Sie sind hingegangen und haben den Herrn mutig verkündigt, von ihm gepredigt der Welt. Palmen haben sie ihm gestreut, vor ihm die Kleider ausgebreitet in einem weit höheren Sinn.
Wir wollen diesen wahren Jüngern gleichen, uns zu Jesu ebenso bekennen. Wir reden ja nicht immer von Jesu selbst, aber all' unsre Worte und Reden sind, wenn Jesu Geist in uns lebt, von seinem Geist durchweht. Man merkt es uns an in unsern Gesprächen, die wir führen, dass wir seine wahren Jünger und Jüngerinnen sind. In dem Wörterbuch unsers Lebens fehlen gänzlich die Worte: Fluch, Zorn, Hass, Neid, die Erkennungszeichen des alten, natürlichen Menschen. An ihrer Stelle behauptet fest den Plass die sanftmütige, christliche Liebe mit ihrem starken mutigen Begleiter, dem heiligen Ernst, sich stets bewährend im selbstlosen Handeln. Wir selber, von Jesu Geist durchdrungen, streuen gleich jenen wahren. Bekennern grüne Palmenzweige in dem höheren Sinn. Die Palmen sind die schönen Sinnbilder des Friedens, dargebracht dem Friedensfürsten. Lebt er in uns, sind wir durch ihn zum festen Vertrauen auf den lieben Gott-Vater gekommen, so beten wir: vergib uns unsre Schuld. Wir machen die Erfahrung, wie es im unruhigen friedlosen Herzen wieder Ruhe, Friede wird. Und im Frieden mit Gott halten wir Frieden auch mit all den vielen Friedensstörern unserer Zeit und stiften noch Frieden. Der Palmenzweige Grün, Auge und Herz erfreuend, ist ein herrliches Sinnbild der Freude, der Freude in und an dem Herrn. In der Kraft seines uns innewohnenden Geistes finden wir im Wandel nach Jesu Vorbild die rechte Freude. Wir wollen wie er nur das, was Gott von uns allen ohne Ausnahme fordert. Wir haben die Kraft zum Streben nach dem einen hohen Ziel: ihr sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist - in Gesinnung und Guttaten. (Matth. 5,48.) Wir selber geben die Kleider hin und breiten sie vor ihm aus. O das heißt ja nicht nur, dass wir, von seinem Geist neu belebt, unsre Güter und Gaben ihm, dem Herrn, in den Armen und Notleidenden geben, uns bereitwilligst und selbstlos in den Dienst an dem leiblichen und sittlichen Wohl der Mitmenschen stellen, und damit erfüllen das Wort: was ihr einem der Bedürftigen getan, habt ihr mir getan. (Matth. 25,42.) Das bedeutet vielmehr noch in tieferem Sinn, dass wir das alte schmutzige Kleid unsres sündhaften Lebens vor ihm ausbreiten, damit er hinübergehe, es weihe und heilige, und wir gleich ihm einen geheiligten Lebenswandel führen nach des heiligen Gottes Willen.
Meine Lieben! Die beiden Bekenntnisse des Herzens und Wandels zu Jesu, dem Herrn, sind die gemeinsamen Bekenntnisse der wahren Christenheit aller Zeiten und aller Orten. Sie machen erst den Christen zum wahren Bekenner Jesu Christi. Sagt doch der Herr selber: „wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder, Schwester“ - mein rechter Jünger, meine rechte Jüngerin. (Matth. 12, 50.) Sie haben bleibenden ewigen Wert. Ihre Folgen reichen über die Zeit hinaus in die Ewigkeit nach des Herren Wort: „es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ (Matth. 7, 21.) Vorbild und Kraft für uns dazu ist Jesus Christus, der Jesus Christus, welcher in unsern Herzen lebt und mit uns geht überall auf unserm Gange durchs Leben.
Beide Bekenntnisse des Herzens und Wandels zu Jesu, dem Herrn, sollen uns bei aller sonstigen, noch so großen Verschiedenheit stets gemeinsam sein. Sind wir nicht verschieden in unserm Äußeren wie in unserm Denken, Fühlen und Wollen, nicht auch verschieden in unserm Denken über Jesum? Dieses verschiedene Denken über Jesum, den Herrn, bringt mit sich, dass der eine noch in dieser, der andere noch in jener Weise sich zu ihm bekennt. Hier hält jemand streng auf eine ganz bestimmte Form des Gottesdienstes der Kirche, hier auf eine Lehre, hier auf ein überliefertes Bekenntnis, und dort hält jemand es anders, und noch jemand so ganz anders. Wollen wir es ihnen etwa wehren? Wollen wir sie etwa zwingen, genau so wie wir über Jesum zu denken, und genau so wie wir uns zu ihm zu bekennen? Ach meine Lieben! der Herr hat sich jene Huldigungen, bestehend im Lobgesang, Palmenstreuen, Kleiderausbreiten, welche doch ein Bild der verschiedenen Arten des Bekenntnisses zu ihm sind, gefallen lassen. Mit ihm in uns sind wir selber duldsam auch gegen die anders Denkenden und anders sich Bekennenden. Wir bezeugen, dass wir uns in Wahrheit zu Jesu mit unserm Leben unter den Mitmenschen bekennen. Und unser Gang, unser Zug mit Jesu durch dies neue Kirchenjahr wird gerade infolge unserer Worte und Taten in Jesu Geist und Sinn immer mehr wachsen an Mitpilgern. Sie und wir gehen durch des lieben Gott-Vaters Gnade trog aller sonstigen Verschiedenheit doch einig in dem ewig wertvollen Bekenntnis des Herzens und Wandels zu Jesus Christus, unserm lieben Herrn, gemeinschaftlich dem himmlischen Jerusalem entgegen. Amen.