Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.
Denn wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die Zukünftige suchen wir.
Heb. 13, 14.
Schon stehen wir im Jahre 1859. Mit dem Worte Gottes beschlossen wir das alte Jahr und fingen das neue an. Der letzte Sonntag rief uns noch zu: Sucht in der Schrift! und erinnerte uns dadurch an die 52 Sonntage, die uns immer wieder in die Schrift führten aus den vielen unnötigen Worten, die unser Alltagsleben beflecken, in das Wort, welches fest und gewiss ist, aus den vielen Sorgen um Nahrung und Kleidung, die unser Fühlen, Denken und Wollen so sehr beschweren, zu dem Einen, was not ist, aus den vielen Täuschungen und Bitterkeiten, welche das irdische, leibliche Leben mit sich bringt, zu dem Glauben, der zum Schauen wird, zu der Hoffnung, die nicht zu Schanden werden lässt, zu der Liebe, die immer bleibt. Gar Manche sind aus ihren vielen Worten, vielen Sorgen, vielen Bitterkeiten hinweggerissen worden, ohne das ewig lebendige Wort beachtet, das Eine Notwendige gesucht zu haben. Wir leben noch in der Gnadenzeit. Wir erleben noch das Jahr 1859. Ob auch sein Ende? Darum lasst uns gleich am ersten Tage dieses Jahres in der Schrift suchen, die von dem Sohne zeugt, die uns zur Quelle des unvergänglichen Lebens hinführt, die also unser zeitliches, wechselvolles Leben auf den allein wahren, ewig dauernden Grund stellt, dasselbe erleuchtet mit dem wahrhaftigen Licht und ihm das Ziel zeigt, welches wahre, volle Befriedigung gewährt.
Der Hebräerbrief enthält in seinem letzten Kapitel verschiedene Ermahnungen zum christlichen Wandel, zum Festhalten an der Lehre Jesu Christi, der, wenn auch Menschen sterben und Zeiten wechseln, derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit. Dieses Festhalten kann nur gewonnen werden durch die im Glauben ergriffene Gnade Gottes in Christo Jesu. Und dieser Glaube kann nur befestigt und gestärkt werden durch den Genuss des Sündopfers Christi, der, weil Er Sich ganz und gar Gott opferte, die Versöhnung für unsere Sünden geworden ist. In Kraft dieses Opfers können und sollen nun die Gläubigen sich ganz und gar Gott opfern, ihr ganzes Leben Ihm weihen in der Nachfolge Jesu Christi. Daran schließt sich dann unser Text, der uns sagt
1. was wir haben,
2. was wir suchen.
Ebr. 13, 14: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt.
Denn: dieses knüpft an das Vorangehende an. Dasselbe ermahnt die Gläubigen, zu Jesu hinaus zu gehen außer dem Lager und Seine Schmach zu tragen. Wie Er, als unrein von Seinem Volke ausgestoßen in tiefster Schmach als ein Verfluchter vor der Stadt Jerusalem am Kreuze gelitten hat, so sollen auch die Gläubigen gerne ausgehen von der Welt und sich absondern, durch Leiden gern ihre Herzen abziehen lassen von dem Irdischen. Denn wir: Das sind die Gläubigen, die Christum angezogen haben, deren alter Mensch mit Christo gekreuzigt ist, in denen Christus lebt, deren Fleischesleben ein Glaubensleben ist an den Sohn Gottes, der sie geliebt hat und Sich selbst für sie dargegeben. Sie sagen von sich: Wir haben: besitzen als Eigentum, hier: auf Erden, in diesem Leben, in diesem Leibe, in dieser Sichtbarkeit, in dieser stets wechselnden Zeit, keine bleibende Stadt. Zunächst bezieht sich dieser Ausdruck auf Jerusalem und das gelobte Land, denn an Gläubige aus dem Judentum ist der Hebräerbrief gerichtet. Kanaan war das dem Volke Israel lang verheißene Land der Ruhe und des Glückes, welches sein ewiger Besitz sein sollte. Jerusalem war die Stadt, in welcher der Bundesgott Israels Seine Wohnung und Seinen Herd hatte. In Jerusalem vereinigte sich alles Hoffen und Sehnen der Israeliten. Die Fleischlich gesinnten glaubten, dass laut des Buchstabens der Verheißung Jerusalem ewig bleiben werde. Die Gläubigen dagegen wissen, dass das gelobte Land, dass Jerusalem keine bleibende Stadt ist, dass die sichtbare, irdische Wohnung und Hauptstadt des auserwählten Volkes, der sichtbare Mittelpunkt seines Gottesdienstes in seiner Bedeutung aufgehört hat, seitdem Christus außerhalb der Stadt gelitten hat, Er, der Erfüller der Propheten, ausgestoßen ist von Seinem Volk. So weit blicken schon die Gläubigen des alten Bundes. Sie Alle bekennen, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind. Und David erklärt: Wir sind Gäste und Fremdlinge vor Dir, wie unsre Väter Alle. Ich bin beides, Dein Pilgrim und Dein Bürger, wie alle meine Väter. Ich bin ein Gast auf Erden. Und die Apostel ermahnen die Gläubigen als die Fremdlinge und Pilgrime. Nur die Gläubigen wissen es und bekennen es: Wir haben hier keine bleibende Stadt, weder für unser leibliches noch für unser geistliches Leben. Sie verstehen die Stimme des Reiches der Natur, welche durch ihre fortwährende Vergänglichkeit ihnen laut und deutlich ins Herz und Gewissen ruft: Wir haben hier keine bleibende Stadt. Sie verstehen die Stimme des Wortes Gottes, welches ihnen die Geschichte der Sünde und Gnade kundtut und sie täglich daran erinnert: Wir sind Erde und sollen zur Erde werden. Wir haben hier keine bleibende Stadt. Mag ihr irdischer Beruf noch so erwünscht sein, mögen ihre irdischen Verhältnisse noch so an genehm sein, an Täuschungen, Störungen, Bitterkeiten fehlt es doch nicht. Mögen sie noch so selig im Umgang mit ihrem Heiland sein, noch so sehr die Kraft Seines Todes und Seiner Auferstehung sich aneignen, immer klebt ihnen doch die Sünde an und macht sie träge, immer haben sie doch zu kämpfen, nicht nur mit Fleisch und Blut, sondern auch mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. In dem Allen haben sie den großen Trost: Die Erde ist nicht unsere Heimat. Dieser Leib wird über kurz oder lang zerbrochen. Wir haben hier keine bleibende Stadt!
Ebr. 13, 14. Sondern die Zukünftige suchen wir.
Die Zukünftige. Die himmlische, ewige Stadt, deren Vorbild das irdische Jerusalem ist. Im alten Bunde ist dieses Zukünftige der verheißene Weibessame, der segensreiche Abrahamssame, der ewige Davidssohn und im Zusammenhang damit die Zertretung des Schlangenkopfes, der Same, zahllos wie die Sterne am Himmel, wie der Sand am Meer, das Königreich, welches ewig bestehen soll, das himmlische Vaterland, die Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist, die ihnen Gott zubereitet hat, der Bau, von Gott erbauet, das Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel, der neue Himmel und die neue Erde, in welchen Gerechtigkeit wohnt. Ein doppeltes ist dieses Zukünftige im alten und im neuen Bund. Dort die Erfüllung der Verheißung und die Teilnahme aller Völker ohne Ausnahme an dieser Erfüllung, also das Aufgehobenwerden der Schranken, welche Israel von den andern Völkern scheiden. Hier die aus der erfüllten Verheißung hervorgehende Ausbreitung und der endliche Sieg des Gnadenreichs im Reich der Herrlichkeit. Dieses Zukünftige suchen die Gläubigen. Sie warten darauf. Sie begehren es sehnsuchtsvoll. Sie jagen ihm nach mit Eifer. Nicht als wenn sie es mit ihrer Kraft und mit ihrem Willen herbeiziehen könnten, nicht als wenn sie schon Zeit und Stunde seines Erscheinens wissen könnten, nicht als wenn sein Kommen durch irgendetwas aufgehalten oder verhindert werden könnte in Folge ihrer Nachlässigkeit. Nein! Denn was Gott verheißt, das hält Er auch. Er weiß nichts von Lüge oder Reue. Er kann Sich selbst nicht untreu werden. Sondern dieses Suchen ist ein sich Sehnen, ein Gerichtet sein des Fühlens, Denkens, Wollens, Redens und Tuns nicht auf das, was auf Erden ist, nicht auf das Sichtbare, sondern auf das, was droben ist, auf das Unsichtbare. Dieses Suchen ist ein Glauben des, das man hofft, ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht. Ein Lieben ist's, dessen Gegenstand nicht Menschen, nicht Kreaturen sind, nicht irdisches Glück und Herrlichkeit, sondern der Gott, der die Liebe ist, der Heiland, ohne den wir von dieser Liebe nichts wissen. Dieses Suchen durchdringt und heiligt das ganze Leben der Gläubigen, gibt ihnen schon jetzt Teil an dem Zukünftigen, Unsichtbaren, Ewigen. Die da Weiber haben, sind, als hätten sie Keine. Die da weinen, als weinten sie nicht. Die sich freuen, als freuten sie sich nicht. Die da kaufen, als besäßen sie es nicht. Die dieser Welt brauchen, ohne derselben zu missbrauchen. Ihre Trübsal dünkt ihnen zeitlich und leicht, gar nicht wert der Herrlichkeit, die an ihnen soll offenbart werden. Ihr Wandel ist im Himmel. Sie sind getrost allezeit und wissen, dass, dieweil sie im Leibe wohnen, so wallen sie dem Herrn, denn sie wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Ja sie sind schon gekommen zu dem Berge Zion und zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem und zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeine der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über Alle, und zu den Geistern der vollkommenen Gerechten und zu dem Mittler des neuen Testamentes, Jesu, und zu dem Blut der Besprengung, das da besser redet, denn Abels.
Was haben wir? Hier keine bleibende Stadt. Was suchen wir? Die Zukünftige. Gilt dieses Haben, dieses Suchen auch von uns? Ja, wenn wir das Wir auf uns beziehen können. Selbst wenn das nicht der Fall ist, lehrt uns schon die ganze Sichtbarkeit Jahr aus, Jahr ein, dass es nichts Bleibendes in derselben gibt, und wir hoffen immer auf die Zukunft, dass unser Sehnen gestillt, unsere Hoffnung erfüllt wird. Aber wenn diese Zukunft da ist, lässt sie uns eben so leer, weil wir im Grunde immer noch die Sichtbarkeit festhalten wollen. Ruhe finden wir nur bei dem, der gekommen ist, dass wir das Leben und volle Genüge haben. Ist Er unser Gut und unser Teil geworden, unser Licht und unser Weg, dann ergreift unser Glaube in der wechselnden, vergänglichen Gegenwart die ewigdauernde, unvergängliche Zukunft, dann sind wir nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen. Er ist unser! Wir sind Sein! Lass Jahre kommen und gehen, lass die Tage kommen, die uns nicht gefallen, alle irdischen Hoffnungen zerrinnen, Einer ist und bleibt bei uns: Jesus Christus, Gestern und Heute und derselbe in Ewigkeit. Eines ist und bleibt bei uns: Die zukünftige Stadt, das unvergängliche und unbefleckte und unverwelkliche Erbe im Himmel. Wir wissen nicht, was das Jahr 1859 in seinem Schoße birgt, aber das wissen wir: Es mögen Berge weichen und Hügel hinfallen, Seine Gnade weicht nicht, der Bund Seines Friedens fällt nicht hin! Himmel und Erde werden vergehen, des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. Das ist aber das Wort, welches unter uns verkündigt wird. Amen.
Gebet: Nun, Herr, hebe an zu segnen, denn was Du segnest, das ist gesegnet ewig. Ohne Dich können wir nichts tun. Durch Dich vermögen wir Alles. Bleibe bei uns mit Deinem Wort und gib uns Deinen Geist als das Pfand unsers Erbes. Amen.