Weller, Hieronymus - Über Luther

Daran ist kein Zweifel, daß alle diejenigen, so da wollen mit Verstand und Erfahrenheit durch Schrift über Dr. Luther sein und seine Schriften verachten, recht abtrünnige Mamelucken und irrige Fladdergeister sind. Luther ist weit mehr, denn sich solche Leute, der Sachen im geistlichen Streiten unerfahren, bedünken lassen. Denn er an Geist, Kraft, Weisheit, Geschicklichkeit und Erfahrenheit den vornehmsten Propheten und Aposteln ist gleich gewesen. Sintemal er erstlich die reine Lehre des Evangelii wieder an den Tag gebracht. Zum andern den römischen Papst, wider den niemand auch nicht das geringste hat dürfen vornehmen, angegriffen, und sich allein, ohne aller Menschen auch die geringste Hülfe und Schutz, freudig dürfen wider ihn auflehnen und setzen; wodurch er alle Könige und Fürsten, ja vielmehr alle Pforten der Hölle wider sich erwecket und erreget; welches er wahrlich nicht hätte thun können, wo nicht in ihm ein prophetischer Geist, sonderliche Stärke, Großmuth und Kraft des Glaubens gewesen, welche, wie wir lesen, in dem Propheten Elias gewesen, daß ich ihn wahrhaftig und billig den dritten Elias nennen mag, der kurz vor dem jüngsten Tage vorher kommen und Alles wieder zurechtbringen soll.

Und solches hat er nicht allein aus der heiligen Schrift gelernt, sondern die großen Verfolgungen und Anfechtungen sind seine Meister und Lehrer gewesen, und so vormals ein anderer Prophet und Apostel die Malzeichen unsers Herrn Jesu Christi an seinem Leibe getragen, so hat es fürwahr Luther gethan, deß kann ich ein Zeuge sein, als der ich sein innerlich Leben mit stetem Fleiß gesehen und angeschaut habe und fürwahr acht ganzer Jahre sein Tischgänger gewesen bin. Ich gedenke, daß einer einmal von seinen Tischgesellen fragte, wie er doch also könnte predigen, daß sich ein jeglicher gleich dünken ließe, als sehe er in der Angefochtenen und Betrübten Herzen hinein, und heilte die zerbrochenen und verwundeten Herzen, daß er ihm also antwortete: Meine großen Anfechtungen haben mich diese Kunst und Meisterstück gelehrt.

Und gleichwie Gott niemals einen großen Propheten und Lehrer erweckt, dem er nicht gewisse Wunderwerke mit gegeben, also hat er auch nicht wollen Luthers Beruf und Amt ohne Wunderwerk sein lassen. Denn ist dieses nicht ein großes Wunderwerk gewesen, daß er mit seinen Schriften allen seinen Widersachern hat können ein solches Schrecken machen, daß sie an ihm keine Gewalt haben üben können. Desgleichen, daß er so viele Schwärmer und Rottengeister zu Schanden gemacht. Item, daß er der Bauern Aufruhr 1524 mit einem Schreiben gedämpft. Item, daß er mit seinem Gebet viel bevorstehend Unglück hat abgewandt. Item, daß er Friedrich Myconius durch sein Gebet sein Leben aufgehalten und verlängert hat wider aller Menschen Gedenken. Item, daß er in so kurzer Zeit so viel Schriften hat können schreiben und drucken. Ich erinnere mich noch wohl, daß er einmal sagte, er habe niemals in Sinn genommen, von Gott zu bitten die Gabe, Todte zu erwecken, und andere Wunderzeichen mehr zu thun, und verzweifelte nicht daran, daß er solches von Gott hätte erlangen wollen; aber er habe es nicht thun wollen, sondern ihm genügen lassen an der reichen Gabe die Schrift auszulegen, und sagt weiter, er habe zwei Todte erwecket, unter welchen Philipp Melanchthon und eine gottesfürchtige Person.

Dieweil nun Luther ein solcher gewaltiger Mann und Prophet gewesen, sollen wir ihn billig allen Scribenten so in der Kirche jemals gewesen, jetzt sind und hinfort sein werden, weit vorziehen. Derohalben warne und vermahne ich alle diejenigen, so Theologie studieren wollen, daß sie sich seine Bücher durch stete Lesung aufs aller läuftigste und gemein machen. Denn mich alle Theologen in ihren Schriften und Predigten, weiß nicht, wie kalt dünken, die nicht Luthers Bücher bei Tag und Nacht durchlesen haben, und hat keine Gefahr, daß etwas Zwietracht oder Spaltung in einem Lande oder Stadt unter den Dienern des göttlichen Worts entstehen möchten, wenn sie Luthers Schriften fleißig und stets allesamt lesen und wiederholen.

Dr. Wellers deutsche Schriften, 3. Theil. S, 215