Matthäus - Kapitel 26

(Leander van Eß)

Die letzte Ostermahlzeit des Herrn, und sein Leiden.

1 Und es geschah, nach vollendetem Vortrage aller dieser Reden sprach Jesus zu seinen Jüngern:
2 Ihr wisset, daß nach zwei Tagen Ostern ist, dann wird man den Sohn des Menschen zur Kreuzigung ausliefern.
3 Damals versammelten sich die Oberpriester und Aeltesten des Volkes in dem Palast des Oberpriesters, Namens Kaiphas,
4 und berathschlagten sich, wie sie Jesum mit List fangen und tödten könnten.
5 Sie sprachen aber: Auf's Fest darf es aber nicht geschehen, damit nicht etwa ein Aufstand unter dem Volke entstehe.
6 Da sich Jesus zu Bethanien in dem Hause Simons, des Aussätzigen befand,
7 kam eine Frau zu ihm mit einem Gefäße von Alabaster, worin sie köstliche Salbe hatte, die sie ihm auf das Haupt goß, als er zu Tische saß.
8 Als dies seine Jünger sahen, waren sie verdrießlich darüber und sprachen: Wozu diese Verschwendung?
9 Das hätte man theuer verkaufen und den Armen geben können.
10 Da Jesus dieses bemerkte, sagte er zu ihnen: Warum kränket ihr diese Frau? Sie hat ein gutes Werk an mir gethan.
11 Arme habet ihr immer um euch, mich aber habet ihr nicht allezeit.
12 Daß sie diese Salbe auf meinen Körper goß; hat sie zum Begräbnis mich zubereitet.
13 Wahrlich! ich sage euch: Wo in der ganzen Welt dieses Evangelium verkündigt wird, da wird man auch zu ihrem Andenken sagen, was sie gethan hat.
14 Hierauf ging einer von den Zwölfen, Namens Judas Iskariot, zu den Oberpriestern,
15 und sprach zu ihnen: Was wollet ihr mir geben, wenn ich ihn euch verrathe? Sie bestimmten ihm dreißig Silberlinge.
16 Und von da an suchte er eine schickliche Zeit, ihn zu überliefern.
17 Am ersten Tage des Festes der ungesäuerten Brode traten die Jünger zu Jesu und sprachen: Wo willst du, daß wir dir zubereiten, das Osterlamm zu essen?
18 Jesus sprach: Gehet in die Stadt zu dem und dem, und sagt ihm: Der Lehrer läßt dir sagen, meine Zeit ist nahe, bei dir will ich mit meinen Jüngern das Ostermahl halten.
19 Die Jünger thaten, wie ihnen Jesus aufgetragen, und bereiteten das Ostermahl.
20 Als es Abend wurde, setzte er sich mit seinen zwölf Jüngern zu Tische;
21 und da sie aßen, sprach er: Wahrlich! ich sage euch: Einer von euch wird mich verrathen.
22 Darüber wurden sie sehr betrübt, und fingen an einer wie der andere zu fragen: Herr bin ich es?
23 Er antwortete und sprach: Der mit mir die Hand in die Schüssel taucht, der wird mich verrathen.
24 Der Sohn des Menschen geht zwar seinen Weg, wie es von ihm geschrieben steht; wehe aber dem Menschen, der den Sohn des Menschen verräth; für ihn wäre es besser, solcher Mensch wäre nie geboren.
25 Da antwortete Judas, der ihn verrieth, und sprach: Lehrer bin ich es? Er sprach zu ihm: Du sagst es.
26 Da sie nun aßen, nahm Jesus das Brod, segnete und brach es, gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmet und esset, dieses ist mein Leib!
27 Darauf nahm er den Kelch, dankte, und gab ihnen denselben und sprach: Trinket Alle daraus!
28 Denn dieses ist mein Blut, das Blut des neuen Bundes, welches für Viele zur Vergebung der Sünden vergossen wird.
29 Ich sage euch aber, daß ich nicht eher wieder von diesem Gewächse des Weinstockes trinken werde, bis an jenem Tage, wenn ich es in dem Reiche meines Vaters neu mit euch trinken werde.
30 Nachdem sie nun den Lobgesang gesungen, gingen sie an den Oelberg.
31 Da sprach Jesus zu ihnen: Ihr Alle werdet noch in dieser Nacht Anstoß an mir nehmen; denn es steht geschrieben: Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden zerstreuet werden.
32 Wenn ich aber auferstanden bin; werde ich vor euch hingehen in Galiläa.
33 Petrus aber erwiederte und sprach zu ihm: Wenn Alle an dir Anstoß nehmen, ich werde nimmermehr Anstoß nehmen.
34 Jesus versetzte ihm: Wahrlich! ich sage dir: noch in dieser Nacht, ehe der Hahn ausgekrähet, wirst du mich dreimal verleugnet haben.
35 Petrus sagte zu ihm: Wenn ich auch mit dir sterben müßte; so werde ich dich doch nicht verleugnen. Eben das versicherten auch alle Jünger.
36 Hierauf kam Jesus mit ihnen zu einem Landgut, Gethsemane genannt, und sprach zu seinen Jüngern: Setzet euch hier, bis ich dort hingehe und bete.
37 Er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich; und fing an, traurig und ängstlich zu werden.
38 Da sprach er zu ihnen: Trauervoll ist meine Seele bis zum Tode; bleibet hier und wachet mit mir!
39 Darauf ging er ein wenig weiter, warf sich auf sein Angesicht, betete und sprach: Mein Vater! wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du.
40 Nun kam er wieder zu seinen Jüngern, fand sie schlafend und redete Petrus an: So habt ihr denn nicht einmal eine Stunde mit mir wachen können?
41 Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung gerathet; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.
42 Darauf entfernte er sich wieder zum zweiten Mal, und betete und sprach: Mein Vater! ist es nicht möglich, daß dieser Kelch mir vorübergehe, ohne daß ich ihn trinke? So geschehe dein Wille!
43 Als er nun wieder zurückkam, fand er sie abermals schlafend, denn ihre Augen waren ermüdet.
44 Da ließ er sie, ging nochmal hin und betete zum dritten Mal, die nämlichen Worte sprechend.
45 Als er nun wieder zu seinen Jüngern kam, sagte er ihnen: Schlafet ihr und ruhet nun? Siehe! die Stunde ist nahe! Der Sohn des Menschen wird in die Gewalt der Sünder geliefert!
46 Auf! lasset uns gehen! Siehe! mein Verräther ist da!
47 Da er noch redete, siehe! da kam Judas, einer aus den Zwölfen, und mit ihm ein großer Haufen mit Schwertern und Knitteln, abgesandt von den Oberpriestern und Aeltesten des Volkes.
48 Sein Verräther hatte aber jenen ein Merkzeichen gegeben, und gesagt: Den ich küssen werde, der ist es, den greifet!
49 Alsbald ging er auf Jesus zu und sprach: Sey gegrüßt, Lehrer! und küßte ihn.
50 Jesus sprach zu ihm: Freund! wozu kommst du? Alsbald kamen sie herbei, legten Hand an Jesus, und nahmen ihn gefangen.
51 Und siehe! es streckte Einer der Begleiter Jesu die Hand aus, zog sein Schwert, traf des Oberpriesters Knecht, und hieb ihm ein Ohr ab.
52 Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert in die Scheide! denn Alle, die das Schwert ergreifen, werden durch das Schwert umkommen.
53 Oder meinst du, ich könnte meinen Vater jetzt nicht bitten, daß er mir auch mehr als zwölf Legionen Engel zur Hülfe sende?
54 Allein, wie würde dann die Schrift erfüllt? So muß es kommen!
55 Zu der nämlichen Zeit redete Jesus jenen Volkshaufen an: Wie gegen einen Mörder seyd ihr mit Schwertern und Knitteln ausgezogen, um mich zu fangen; saß ich doch täglich bei euch und lehrte im Tempel, und ihr legtet keine Hand an mich!
56 Allein alles dieses ist geschehen, damit die Schriften der Propheten erfüllt würden. Jetzt verließen ihn alle Jünger und flohen.
57 Jene führten nun Jesum gefangen zu dem Oberpriester, Kaiphas, wo die Gesetzlehrer und Aeltesten zusammengekommen waren.
58 Petrus aber folgte ihm von ferne bis zu dem Palaste des Oberpriesters. Er ging hinein, und setzte sich zu den Gerichtsdienern, um den Ausgang abzusehen.
59 Die Oberpriester, die Aeltesten, und der ganze Rath suchten nun falsches Zeugnis wider Jesum, um ihn zum Tode verurtheilen zu können;
60 sie fanden aber nichts, ungeachtet viele falsche Zeugen aufgetreten waren. Endlich traten noch zwei falsche Zeugen auf,
61 und sagten aus: Dieser hat gesprochen: Ich kann den Tempel Gottes zerstören, und ihn innerhalb drei Tagen wieder aufbauen.
62 Da stand der Oberpriester auf und sprach zu ihm: Antwortest du nichts? Was zeugen diese wider dich?
63 Aber Jesus schwieg. Nun sprach der Oberpriester weiter zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sage uns, ob du Christus, der Sohn Gottes, bist?
64 Jesus sprach zu ihm: Du sagst es. Außerdem sage ich euch: Von nun an werdet ihr den Sohn des Menschen zur rechten des Allmächtigen sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.
65 Da zerriß der Oberpriester sein Oberkleid und sprach: Er hat Gott gelästert; was brauchen wir weiter Zeugen? Siehe! ihr selbst habet jetzt die Lästerung gehört!
66 Was ist eure Meinung? Sie antworteten und sprachen: Den Tod hat er verdient.
67 Hierauf spie man ihm in's Angesicht, und schlug ihn mit Fäusten; Andere gaben ihm Backenstreiche,
68 und sprachen: Weissage uns du, Christus! wer hat dich geschlagen?
69 Petrus saß inzwischen draußen im Hofe. Eine Magd kam zu ihm und sprach: Auch du warest mit Jesu, dem Galiläer!
70 Er aber leugnete es vor Allen und sprach: Ich verstehe nicht, was du sagst.
71 Als er nun in den Vorplatz hinausging, sah ihn eine andere Magd und sprach zu denen, die da waren: Auch dieser war mit Jesu, dem Nazaräer!
72 Er leugnete es wieder ab, und schwur dazu: Ich kenne den Mann nicht.
73 Nach Kurzem kamen die Umstehenden hinzu, und sagten zu Petrus: Ja, wahrhaftig! du bist doch Einer von ihnen; denn deine Sprache verräth dich.
74 Da fing er an, sich zu verwünschen und zu schwören: Er kenne den Mann nicht. Sogleich krähete der Hahn.
75 Da erinnerte sich Petrus des Wortes Jesu, das Er zu ihm gesagt: Ehe der Hahn ausgekrähet, wirst du mich dreimal verleugnen. Er ging hinaus und weinte bitterlich.