Vadian, Joachim - Aus der Schrift der Prädicanten gegen Doktor Wendelin Oswald

„Mit was gründen fürnemlich Doctor Wendeli Predicant im Kloster zu St. Gallen die leer des Evangelions von den Prädicanten der Pfarr zu St. Laurentzen daselbst gethon anzefechten und vor dem Volk zu verhetzen understanden hab. Daby welcher gstalt uff sollich sin frävel reden von gedachten Prädicanten nit uff ainmal geantwurtet ist. Durch samenhafften radtschlag gemelter Prädicanten, auch durch hilff zu zuthun Dr. Joachimen von Watt ußgangen zu St. Gallen.“

Im Eingang erklären die Prädicanten, sie hätten gern die Unbescheidenheit Dr. Wendelius mit Geduld tragen und leiden mögen. Weil aber sein ungestüm und frech Darthun keineswegs milder werden wolle, und sie ihn zu mehren Malen so freundlich zu Gesprächen erfordert, ja dasselbig zu erlangen auch durch emsig Ansuchen geworben und doch zuletzt ihrem vielfältigen Erbieten nach nicht schaffen haben mögen, wolle es ihnen weiter nicht geziemen, hinter dem Berg zu halten, sondern sich öffentlich und gegen männiglich herfürzuthun, damit Verletzung und Aergerniß, so bei etlichen Kleinmüthigen daraus herfließen wolle, verhütet werde. Wendelin habe Unterred und Gespräch immer abgeschlagen. Man spreche gern: Wer übel zu zahlen hat, der höre ungern von Rechnung sagen. Petrus aber wolle, daß jeder Gläubige bereit sein solle, seines Glaubens einem jeden Begehrenden Rechnung zu geben.

Sollen das die GLäubigen in der Gemeind thun, was will den Predigern, besonders so frechen und fraidigen, als Wendeli ist, nit gebühren? Auf Solches hoffen wir, unser täglich Rufen solle auf dem Erdreich erschallen, wie es gewißlich in den Himmel erschallet, nemlich daß wir uns gegen unserer christlichen Obrigkeit nicht anders zu predigen entboten, denn das lauter, klar und hell Wort Gottes nach Inhalt alts und neues Testaments. Und so Jemand vermeinen wollte, daß wir in unseren Lehren an der Wahrheit nicht wären und die Geschrift nach ihrem eigentlichen Verstand unseren Befohlenen nicht fürhielten, wollten wir Bericht mit hohem Dank, es wäre mündlich oder geschriftlich nehmen.

Sie verwahren sich dann dagegen, daß ihre Lehre die neue gescholten werde: „wie Etliche zu unseren Zeiten mit allem dem Fleiß, so ihnen immer möglich, unterstanden haben, das Bös für gut und das Gut für bös den Einfältigen einzubilden, also kehren sie auch den Mantel um und schreien, das Unsere sei neu, das mit der Wahrheit sich befindet uralt seyn.

Insbesondere wirde dem Vorwurf begegnet, daß die Evangelischen die Vertütschung der Schrift gefälscht hätten: „Es ist bald geredet: das ist falsch, dieses ist unchristlich, das soll nicht sein, dieses kann nicht sein, wie Wendeli zu bladeren im täglichen Brauch hat und es seiner Art nach nicht lassen mag; zeige es aber mit wahrhaften Kundschaften an, so mag man sich versehen, daß er solches aus gutem Grunde rede; wo er aber das nicht thut, muß man wohl achten, daß er mit seinen geschwinden Doctorstücklein das klare Wort unter dem Schein des Falsches den Einfältigen zu entziehen unterstande, damit man zu rechter Erkenntniß nicht komme, sondern bei demjenigen, das (Gott weiß wie) nach und nach zugelassen und einhergewachsen ist, bleiben muß. Denn wo man Schatten haben will, muß man das Licht verhängen, und trägt Keiner selten einen Goldstein bei ihm, der bös Geld zu wechseln gibt. Man sieht auch täglich, daß die Krämer, die schlechte oder vermengte Waaren führen, große Bläuen über die Boutiken ziehen, denn sie den Tag scheuen und in den Waaren nicht gern grübeln lassen; die aber gute Waaren haben, ziehen die Käufer herzu mit Begehr, sie wollen greifen, besehen und versuchen, denn sie wissen die Güte und scheuen nichts. Das melden wir darum, daß es ohne Argwohn nicht sein mag, wo Einer das Licht der göttlichen Geschrift mit Alenfantz antastet. Möchte aber Wendeli sprechen: Ob das neue Testament schon recht vertütscht ist, so ist es dennoch billig, daß es den Einfältigen von des Mißverstandes wegen nicht zugelassen werde: Antwort: Solcher Meinung hat man ohne Zweifel nächst erschienen Mitterfasten bei uns den Gotteshausleuten das Testament zu haben verboten, und das zu thun ohne Zweifel bei den Gelehrten, deren vielleicht Wendel Einer ist, in Rath funden. Wir begehren aber, daßß uns Wendeli anzeig, wo dergleichen je von Anfang der Kirche mit der Geschrift gehandelt sei, nemlich daß man sie von Etlicher Mißverstand wegen verboten und also den Gläubigen abgestellt habe zu lesen. Den Mißverstand hat man wohl abgestellt, nicht mit Verbot sondern mit hellen Kundschaften des Worts Gottes, d.i. der Geschrift, welcher Sinn nicht leichtlich, wo man mit Fleiß denselben erkundet, gefälscht werden mag. Aber der Schrift hat man die Unehre nicht angethan, daß man sie verbiete. Denn wie man das Gold nicht verwerfen mag als ein bös und schnöd Metall darum, daß es von Vielen mißbraucht wird und die Unbesonnenen zu lästerlichen Thaten und verderblichen Anschlägen bringt, denn das Gold ist nicht schuldig, weiß nichts darum, ist ein Erdklötzlie, sondern ist unsere Anfechtung schudig. Lieber, warum verbietet man das Weinschenken nicht, dieweil man so trunken und voll wird und das verderbliche Zutrinken leider bei uns so treffenlich überhand genommen hat? Der Wein hat nicht die Schuld, auch der Weinschenk nicht, sondern der leichtfertige ungezähmte Muthwillen der Säue und Säufer. Also soll man auch den Einfältigen die Speis ihrer Seele nicht entwehren, und ob sie die nicht recht brauchen wollen, soll man sie des guten Brauchs und Verstands berichten. Aber so viel an dem Menschen steht, mag kein ander Mittel künftigen Betrug und alenfantz aller Gleißnerei besser vergaumen und zu Abfall bringen, denn der gemeine rechte Verstand der Schrift in allen Gläubigen und in allen Sprachen. Es ist nicht genug, wiewohl es auch gut ist, daß in einer Stadt oder Gemeind allein die Goldschmiede oder Fürgesetzten sich auf bös Münz verstehen, denn neben ihnen werden die Einfältigen von den Ausgebern betrogen; wo man aber in der Gemeind ein falscch Geld kennen lernt und das gut in täglichem Brauch hat, da mag Niemand mehr betrogen werden. Wäre die göttliche Schrift vom Brunnen ihres Anfangs aus hebräischer und griechischer Sprach von achthundert Jahren her für den gemeinen Handwerksmann dergestalt so gemein und verwandt gewesen, als sie aus Gottes Gnaden zu unseren Zeiten angefangen hat, man wäre schwerer Mißbräuche und großen Uebels, so nach und nach aus Unwissenheit des Mehrentheils der Gläubigen durch Etlicher Eigennutz, die ihren Acker mit fremdem Bau gedüngt haben, gewißlich überhoben gewesen.

Ehe wir von dem Schein des Glaubens reden, den Wendeli den Gleißnern abnehmen und seiner Art nach auf uns drehen will, müssen wir anzeigen, daß er den Brauch auf seinem Katheder langezeit gehabt, Niemand sonders mit Namen herfürzuthun, sondern wo er unsere Lehr und Predigt schupffen, verhetzen und strafen hat wollen mitsammt Anderem, so ihm wider ist, hat er also Meldung gethan: Unsere Gesellen kommen jetzt und sagen also; item unsere Knabatzen, unsere Göuch, Schützen, Bachanten, Narren; item die Lutherischen und Zwinglischen, und darunter die Ketzer laufen lassen, von welcher Bescheidenheit wegen wir ihn billig Bruder Holdselig genannt haben sollten; wir haben aber lassen vor Ohren gehen, und wie man den bösen Weibern thut, unnütz Geschwätz mit guten Worten versetzt. Doch so sind wir zu dem Schärfsten angestochen worden, denn er nicht einmal geredet, wir lehren jetzt, es sei fast genug glauben, glauben, vertrauen, vertrauen, und sagen, der Glaube mache selig ohne die Werke, hat das aufs Allerhäßlichste dahin gezogen, als ob man lehr allein glauben, und dürfte man daneben kein gut Werk thun: ja man fresse, man trinke, man stehle, man hure, habe es keine Noth, wenn man nur glaub, sam der Glaub, von uns verkündet, sich keines Unterschieds der Werke achte: welcher der fürnehmsten Boppen einer ist, den Wendeli gebladeret hat. Es findet sich aber mit der Wahrheit nicht, daß von uns dergestalt je gepredigt oder gehört sei, denn ein jeder noch so kleinverständiger Christ wohl weiß, wie alle Schrift unsere Gerechtigkeit einem wahren und lebendigen Glauben in Gott und gar nicht den Werken zulegt, nicht daß man kein Gutes dürfe thun, ja man muß rechtthun, sondern daß kein Werk in uns gut ist, wir seien denn vorher gerecht worden; welche Gerechtigkeit aber von Gott her ist durch den Glauben, und nicht von den nachfolgenden unseren Werken: wie der Fluß eines Bächleins von dem Brunnen her fließt, und der Brunnen nicht vom Bächlein, so muß auch der Baum vorhin von Art gut sein, soll er anders von Art gute Frucht bringen. Das wissen nun die Kinder auf den Gassen, wendeli aber, wiewohl er Doctor ist, muß es noch lernen; es werden ihn auch Schützen und Bachanten darum bsatzen und ihm das ABC der Gerechtigkeit mit dem Finger zeigen. Aber der Grund alles Hasses, der auf uns geloffen ist, kommt daher, daß wir etlichen vermeinten Geistlichen das Haar zu nahm haben auf der Haut mit dem zweihauenden Schwert des Worts Gottes dannen geschoren, welches ihre Herzen durchdringt, und aber nun verböseret, wie das Wort mit verstopfter Blindheit zu handeln gewohnt ist. Wo wir aber Wendelin und Seinesgleichen menschlicher Satzungen und unnützer Ceremonien halb gewonnen gäben und mit ihm sagten, daß man Solches zu halten ei unserer Seel Seligkeit pflichtig wäre, so hielten wir den Zaum in der Hand und ritten den Grommen mit langen Spornen, es würde aber Gleißnerei unser Sattelgeräth sein. Darum man aber den hellen Mißverstand spürt, daß man den Zaum zu halten vermeint, den man nicht allein dem Roß auf den Hals nicht legen muß, sondern das Biß gar aus den Zähnen thun und hinwiederum den Zaum an der Hand nehmen, den wir bisher leider fahren und fallen haben lassen. Der Geist Gottes, uns von dem Herrn Jesu erworben, durch den wir auf seine einig Lehr und Wort geleitet werden, ist der Zaum, durch den wir von Gott dem Vater gezogen und von dem Uebel enthalten werden, den haben wir mit der Lehr als Diener,m so viel uns Gott Gnad verliehen, noch nicht aus der Hand gelassen. Dieser Zaum aber, den Wendeli in der Faust zu halten vermeint, ist der Zaum des Irrthums und zieht sich auf Hochträchtigkeit eigener Werke und des freien Willens, welchen Wendeli mit den Pelagianern so fest achtet, daß ihn ihm weder Gott noch die Welt nehmen sollen. Wann will man doch, ewiger Gott, die falschen Lehren erkennen lernen und das schandlich Verunglimpfen von der Lehr Gottes unterscheiden?

Auf den andern Tag Herbsts nächst verschienen hat Wendelin geredet: Der Papst Petrus zu Antiochia habe aufgesetzt und geheißen, daß wir Christen sollen genennet werden; deß beschämen wir uns jetzt; die neuen Prediger lehren jetzt, wir sollen nicht mehr Christen genannt werden, sondern sollen Zwinglisch sein oder Lutherisch, ja Tüfelisch, zu dem fahren wir in die Höll hinab, denn wir zantzlind den Unsern und Krätzlind ihnen, sagen was sie gerne hören! Auf die Red aber sagen wir, daß es stracks durch den Bank hinweg erlogen ist. Wir wissen aber dabei, was Schaden unsere Widerwärtigen uns eine Zeit her mit üppigen Vorlügen und Vortrügen zuzufügen unterstanden haben. Denn als wir das achtzehnte Kapitel Levitici von Linien des Bluts und Freundschaften der Schrift nach Meldung auf eine Zeit gethan hatten, erhob sich ein Geschrei, wir hätten geredet, daß Einer seine Schwestern, Töchtern ec. zu der Ehe haben möchte, und dürfte man sich der Nähe der Grade nicht mehr achten. So wir unsere Kirche mit der Gnade Gottes von solchem Wahn eitler Tandtmähren braucht haben, und Etliche der Spieß zu brennen anfängt, so rümpfen sich die und schreit Wendeli: Wer thut mehr Guts? darum daß man nicht viel Pfennig (also versteht man die Sach) zu dem Altar trägt, nicht in die Kefi und Stöck legt, nicht Hühner, Flachs, Eier, Wachs denen im Tempel gibt, die vor zu viel haben, nicht ewige Lichtlein stiftet, damit die Fledermäuse sehen mögen, was ihnen vor den Augen sei, nicht zu Wallfahrten lauft, sondern den Armen nachläßt, sich über denselbigen beherzigt und sich fleißt dieselben ohne Mangel zu erhalten. Item man lehre, man solle nicht beten, so man ihr lang Geschwätz und geldlöhnig Beten verwirft und dabei recht beten lehrt, oder man soll nicht mehr biechten, ja Wendelin oder keinem anderen Menschen zu den Ohren ein, denn die rechte Beicht ist an die Hand genommen und demnach ihr Lüselgmürmel hingefallen….

Wendeli redet hell mit den Pelagianern, daß der Mensch seinen freien Willen und Zug habe zu Gutem und Bösen, und daß in der Hand des MEnschen die Wahl stehe des Heils und des Tods, ja, sagt er auf Sonntag nach Mariä, daß diejenigen, so den freien Willen nicht zuließen, Gott meineidig machen wollten! (Hab Dank, mein Wendeli, du hast den Vogel in der Hand, der noch in dem Baum sitzt!) Desgleichen sagt er auf St. Pelagientag, wie vor oft Christus hab für unsere Sünd gelitten, für wahr, es sei aber an selbigem nicht genug und gehöre mehr dazu, denn er werde uns urtheilen nach seinen Werken; ergo so müsse das Leiden Christi durch unser Nachthun gevollkommnet werden, und liegt an dem Menschen, daß das unaussprechenlich Werk Gottes in seinem Sohn Kraft habe (Rym dich pundschuch!). Wenn dieses Lehren das Roß menschlichen Hochmuths nicht schellig und wild machet und dem Lucifer den Stuhl wider die Gnad Gottes nicht aufrichtet und befestnet, so muß Christus, Paulus und alle Schrift zu Lügner stehen. Damit er aber allem Ansehen des Worts den Hals abdrucke, redet er hell und unverholen, was der Mensch guter Meinung thue zu Ehr Gottes, das sei ihm verdienstlich, mit etlichen anderen Boppen von denen wir mit der Zeit Meldung thun wollen. Denn viel hie von Wendelis Zaum zu sagen wäre, in welchem man die armen Gewissen gefasset hat und dabei durch die Finger gesehen mit Ablaß, Pfründentuschen, Incorporiren und darnach mit Evisteriren, mit Absolviren von aufrechten Eidespflichten, in denen allen den Großgeistlichen der Zaum göttlichen Verbots auf den Hals gelegt und aber dabei den Armen und Einfältigen die raubende Hand in die Taschen gefallen.

Gegen den Vorwurf des Aufruhrs, den sie erregt, bemerken die Prädikanten: „Wiewohl treffenlich Zwietracht und Zank etlicher Lehren halb bei uns entstanden waren, ist es doch Alles durch fürsichtig Ankeren unserer Herren der Räthe, auch unsern möglichen Fleiß ohne all Zerwürfniß abgestellt und gänzlich zu Fried gebracht worden.“ Alles aber, sagen sie, wäre vermieden worden, wenn Wendeli zu einem Gespräch zu bewegen gewesen wäre: „So wollt er sonst auch ab seinem Mist nicht kommmen, sondern (wie die Dorfbellerli thun) daselbst fast schreien und bellen, und sich daneben in keinen Kampf geben wollte. Denn ungefähr vor drei Jahren, wie Dr. Christoph Schappeler bei uns von der Messe un unserer Pfarrkirche gepredigt hat, daß die Messe kein Opfer noch gut Werk wäre, und Wendeli dasselbig mit gar frechen und übermüthigen Worten in seinen Predigten umzustürzen unterstand, ward an ihn mehrmals geschickt, er wollte um Freundschaft, Friedens und der Wahrheit willen so wohl thun und auf einen gemeinen Platz kommen, sich mit Herrn Schappeler und Anderen zu besprechen. Sagt er am Ersten zu; darnach da er den Ernst sah, stund er ab und gab u.A. für: Seines gn. Herrn Wille wäre nicht, daß er sich jetzmal in kein Gespräch gebe. Darnach im 25. Jahr hat ein ehrsamer Rath ehrsame Botschaft an des Abts Anwälte (denn er dazumal mit seinen Bauern zu Radtpoltzwyl vor seinen Herren den vier Orten im Rechten lag) mit Befehl geschickt, daß sie allen Fleiß ankehren sollten, damit man Dr. Wendelin zu freundlichem Gespräch hielte, es wäre (nach seinem Gefallen) droben im Kloster oder unten in der Stadt, auf daß der gemeine Mann nicht verwirrt und dabei der Wahrheit gelebt und die Ehr Gottes gefördert würde; denn wo Solches nicht geschehe, möchte es dergestalt in die Länge nicht geduldet werden. Ist dazumal unseren Herren geantwortet: Man werde Solches an den Abt langen lassen und achte man, seine Gnade werde desjenigen, so zu Ruhe und Einigkeit reiche, keineswegs absein. Bald darnach ist der Hofammann zu dem Bürgermeister kommen und ihm erzählt, wie der Handel dem Herrn Abt fürgewendet und auf Solches seiner Gnad Willen sei, sobald er mit den Gemeinden der Gottshausleute zu Einigkeit bracht werde, wolle er ohne Verzug dazuthun, damit unseren Herren gewillfahrt werde. Nach welchem Dr. Wendeli sich an den Kanzeln nicht einmal merken hat lassen, wie Etliche nun disputiren wollen, und sei aber dasselbig ein freveler Rathschlag, denn die hl. christliche Kirche unsere Mutter habe die Dinge, so jetztmal von den neuen Lehrern herfürbracht wären, längst idsputirt und in hl. Concilien verdammt als ungegründet und ketzerisch; darum wollte er bei der Kirche bleiben, deselbige nicht verachten und fest glauben, daß dieselbige nicht irregangen wäre. Aus welchen Worten männiglich wohl abnehmen mochte, daß Wendeli schlechts mit uns freundlich Unterred zu halten keines Willens war. Jetzt zuletzt im 26. Jahr, etwa ein Monat oder zwei, ehe die Disputatz zu Baden im Aargau ausgeschrieben ward, ließ er sich merken auf das Widerspiel, nemlich daß er Disputiren nicht absein wollte, also auf den großen Donstag, wie er vom Sakrament des Leibs und Bluts redet und auf dem lag, daß das Brod nicht möchte sein ein Bedeutniß des Leibs Christi; wenn aber jetzt (sprach er) in der Disputation die rechten Kapunen zusammenkommen, so wollen wir dann einander recht kützlen. Item am selben Tag ließ er sich merken, er besorgte, man müßt in der Sach metzgen. Sonntags aber vor Pfingsten, wie er gen Baden wollt, redet er dieser Meinung: Er hätte bisher nie nichts Falsches gelehrt und wollte also gen Baden, allda seine Lehr mit göttlicher Schrift zu erhalten und besehen, Wer ihm die umstoßen wollte. Wie man aber gen Baden kommen ist, und wir allda nachmal aus Geheiß unserer Herren auch erschienen, nach mancherlei einfallender Rede, gar nahe zu dem End der Disputation, hub Dr. Wendeli an vor einer ehrsamen Botschaft der zwölf Orte und anderen dahin verordneten Gelehrten zu erzählen: Wie er ungefähr bei vier Jahren zu St. Gallen im Kloster prediget, und wir aber die seien, die ihm seine Lehr geschuldiget, stande also da, begehre von uns zu verstehen, ob seine Lehre gerecht sei oder nicht. Auf welches wir dergestalt Antwort gaben: Es sei nicht minder, wie er, Wendelin im Münster und sie in der Pfarr zu St. Laurenzen gepredigt, haben sie einander der Lehr halber gestraft, und so er etwas geprediget, so ihrer Lehr und hellem Verstand der Schrift wider wäre, habe jetzt der Pfarrer, etwa der Helfer, zu Zeiten Dominikus dieselben mit offenen und klaren Kundschaften an der Kanzel gescholten und widerfochten, daß es männiglich gehört. Dieweil man aber jetzmal in die Fäderen geredet und die Disputation vollendet wäre, könnten wir ihm nicht Anzeige thun seinem Begehren nach, auf das er sich klagte, sondern sofern er sie vermein anzuziehen, daß er heraus laß, warum er sich billig zu beklagen wider uns unternehme, wollten wir ihm gern antworten. Auf Solches wollte Wendeli dazumal nicht herauslassen. Da redet Dr. Johannes Eck, der ob ihm stund, zu Wendelin: Herr Doctor, haltets ihnen für! Und sagt der Murnar: Sagets ihnen! Da redet Herr Jakob Stapffer, der Präsidenten Einer, zu Wendelin: Lasset die Sach jetztmal also bleiben! Da blieb es also, wie unserer Herren ehrsame Boten ohne Zweifel in gutem Wissen tragen. Demnach ein Jeder wohl verstehen mag, ob Wendeli seine Lehr zu Baden gegen uns erhalten habe oder nicht; dieweil er mit uns auf unser Erbieten nie disputirt, ja gar nie auf die Kanzel gekommen, und haben aber wir des mehren Theils nach einander aufstehen und unserer Lehr Anzeigen gegen Ecken und sonst gegen Niemand aus hl. göttlicher Schrift thun müssen, ja auch gutwillig gethan, wie es in den Fädern verfasset, dabei wir es bis zu Entdeckung der Sache bleiben lassen. Darnach auf den 17. Brachmonats, ist Sonntag gewesen vor Johann, wie er von Baden wiederkommen und zu Morgen auf die Kanzel ging, redet er auf nachgehende Meinung: Er habe seine Widersacher zu Baden erfordert, die haben ihm seine Lehr nicht angefochten; man werde aber bald sehen oder hören, darob die Seinen bald all zu Freuden kommen werden. Hätte vielleicht gern nach seiner Gewohnheit mehr daran gethan, wo es in den Abscheiden nicht begehrt wäre worden, daß Niemand den Anderen mit Worten schmützte. Der Dechan aber von Stammen (der Wendelin in seiner Abwesenheit vertreten) hat er voranhin ausgerichtet, da er auf den 3. Brachmonats im Münster an der Kanzel durch gar ein schön Gleichniß auf die Meinung geredet: Diejenigen, so die Messe widerfechten, die stünden jetzt zu Baden und zitterten auf den Beinen wie die Kälber, die neulich von den Kühen gefallen wären; wollte es Einem vor zwei Jahren wohl gesagt haben, daß es ihnen also gehen würde! Wenn wir Einen aus ihnen mit solchem schnöden Gleichnisse je angetastet hätten, so hätte es uns ohne schwere Strafe nicht ausschlagen mögen, ja (wie der Wolf sprach, da er den Rappen auf der Sau sitzen sah) wenn wir das thäten, so würde man eilends Sturm anziehen. Wir achten aber, dieser habe von seiner schnöden Red wegen, die ihm vielleicht in Briefen zukommen ist (wie demjenigen, der bei uns das Bättenbrot gewann, die Meß wär zu Baden erhalten, und hat man aber noch nicht recht angefangen von ihr zu reden), nicht an seinem Tisch desto mägere Suppen geseen. Das ist aber die Wahrheit, damit wir Wendelin auch etwas gewonnen geben, daß wir Wendelis Lehr gegen seiner Person an der Kanzel zu Baden nicht umgestoßen haben, und daß er uns die unsere auch aufrecht hat bleiben lassen dergestalt, daß wir nie gegen einander die Schriften braucht noch je disputirt haben. Nun hätten wir uns endlich versehen, Wendelin hätte allen Handel der Artikel, so zu Baden disputirt und auf die Schrift Gottes zu ermessen verabschiedet und beredet sind, weiter mit so hässigen Verunglimpfen unseres Theils nicht angerührt, sondern im Frieden also lassen bleiben, wie wir uns auf künftige Erkenntniß den Parteien unterschrieben haben, und also gehört orden wäre und erfahren, mit was Gründen jeder Theil seiner Lehr Anzeigung thun thät: aber Wendeli hatte bereits das Urtheil gefällt, denn er in einer Predigt, jüngst im Augustmonat gethan, hell sich merken hat lassen, man soll uns etlicher Lehren halb auf dem Erdboden nicht dulden, sondern abthun und vertilgen. Wir begehren nicht anders denn klarer göttlicher Schrift zu geleben und hoffen zu allen Rechten, ja wenn wir auch in der Türkei wären, es wüde nimmer für billig erkannt, daß man die als unwahrhaft und verführerisch vertilgen sollte, die sich mit dem Urtheil der Wahrheit richten wollen lassen und mit göttlichem Wort gern wollen gewiesen werden, ob sie schon nicht alles das glauben, das einem jeden Ordensbruder in seiner dunklen Zelle geträumt hat. Gott weißts, daß wir nicht weder Ehr noch Nutz noch keinem zeitlichen Frommen und fürbilden, sondern die einig Ehr Gottes suchen und darum nicht allein merklichen Abgang deß, das uns vormals als Blindenführern in Opfern, Vigilien, Sellgrädten, Banschatzen, Bruderschaften, Beychthören, Votiven und anderen Belohnungen zugegangen ist (welche Summ sich ohne die widungen der Pfründen auf 600 Gulden und mehr verlaufen), sondern täglich Schmähreden, Haß, Aufsatz und nicht einerlei Gefährlichkeit erduldet und erlitten haben. Wir haben aber gern fahren lassen, das uns neben der Wahrheit durch verderbliche Mißbräuche die Küche und den Keller gespeist hätte. Gott wolle alle Irrenden an den Weg weisen seiner Wahrheit. Amen.

Quelle: Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche - Band IX