Ein Wort zur Verteidigung der biblischen Wahrheit gegen die Zweifler der Gegenwart.
Der christliche Glaubenssatz, gegen welchen der moderne Zeitgeist seinen stärksten Widerspruch erhebt, ist die Lehre vom Wunder, und im genauen Zusammenhang damit die von der Gebetserhörung. „Für die Wissenschaft gibt es kein Wunder,“ so spricht man, „denn das Wunder wäre ein Durchbrechen der Naturgesetze, und ein solches Durchbrechen derselben ist unmöglich,“ - ein Machtspruch, über den man ohne alle gründliche Prüfung hinweggeht, und unter den sich Tausende und aber Tausende unsrer Zeitgenossen in einem so blinden Glauben beugen, dass sie dem Naturgesetz zu Liebe aus ihrem christlichen Glaubensbekenntnisse den Satz ausstreichen, dass für Gott kein Ding unmöglich ist. Und doch ist die heilige Geschichte, so wie sie vor uns liegt in den Schriften des alten und des neuen Testaments, voll von Wundern, ja, sie ist ihrem ganzen Wesen und Inhalt nach eine Wundergeschichte, denn sie zeigt uns ein übernatürliches, von Gott auf eine ganz unmittelbare Weise gestiftetes und darnach fortgesetztes Verhältnis zwischen dem Himmel und der Erde, welches seinen Haupt- und Angelpunkt in dem wunderbaren Auftreten Jesu Christi, des Sohnes Gottes, auf Erden hat.
Im genauesten Zusammenhang mit dem Glauben an das Wunder steht der Glaubenssatz, dass Gott den Gebeten der Menschen Erhörung schenkt, dass Er auf Grund dieser Gebete tut, was Er sonst nicht getan haben würde, und dass also durch menschliche Gebete eine Einwirkung auf Gottes Weltregierung ausgeübt wird. Dieses leugnet der moderne Zeitgeist ebenfalls, und die Einwendungen dagegen lassen sich kurz in folgende zwei Fragen zusammenfassen, nämlich: „Wie sollte Gott seine eigenen Gesetze brechen, oder von der Weltordnung und von Seinen von Ewigkeit her gefassten Beschlüssen abweichen, um die Wünsche eines Menschen zu befriedigen, selbst wenn diese aus dem reinsten Herzen hervorgingen, und in dem heißesten Gebete vor Gottes Thron gebracht würden?“ und zweitens: „Wozu braucht man Gott umso Etwas erst zu bitten, was Er selbst tun will, was mit Seinem Willen übereinstimmt, da ja Solches Alles geschieht, ohne dass Jemand darum bittet?“ Und diese Einwendungen rufen sogar bei manchen sonst wohlgesinnten Christen so große Bedenklichkeiten gegen die Annahme einer wirklichen Gebetserhörung hervor, dass sie zwar noch zugeben, dass das Gebet einen vorteilhaften Einfluss auf die Gesinnung des Menschen selbst haben könne, aber sich im Übrigen zu der trostlosen Weisheit halten, dass der unveränderliche Gott, dessen Gedanken nicht der Menschen Gedanken sind, Alles in der Welt seinen bestimmten, ruhigen Gang gehen lasse, ohne Rücksicht auf die kurzsichtigen Wünsche und Gebete der Menschen; und doch ist die Heilige Schrift ebenso voller Wunder der Gebetserhörung, wie voll Aufforderungen zum Gebet.
Diejenigen, welche die göttliche Gebetserhörung leugnen, gehen aber im Grunde von der stillschweigenden Voraussetzung aus, als habe die Vernunft des Menschen die Möglichkeit, aus sich selbst die Wahrheit selbständig zu erfinden und zu fassen, und dass man daher alles das für nicht wahr ansehen müsse, was die Vernunft noch nicht erklären könne; während doch der wahre Sachverhalt der ist, dass die menschliche Vernunft nur vermittelst ihrer Dienerin, der Wissenschaft, die Wahrheit, wie sie in der Wirklichkeit und im Leben vorhanden ist, uns bekannt machen, verdeutlichen und erklären kann. Hieraus folgt, dass, je höher und inhaltsreicher dasjenige Leben ist, welches eine Wissenschaft zum Gegenstande der Erforschung macht, es desto schwieriger für die Vernunft sein muss, den Zusammenhang dessen vollständig zu verstehen, was ein solches Leben in sich enthält und uns darbietet. David ruft aus Ps. 92, 6: „Herr, wie sind Deine Werke so groß! Deine Gedanken sind so sehr tief.“ Ps. 139, 17: „Wie köstlich sind vor mir, Gott, Deine Gedanken, wie ist ihrer so eine große Summe?“ Auf dem Gebiete der Religion, diesem höchsten und heiligsten Lebensgebiete, darf daher durchaus nicht dasjenige außer Acht gelassen werden, was uns die Geschichte an die Hand gibt. Es steht fest, dass von den ältesten Zeiten an die besten Menschen zu Gott gebetet haben, dass alle Männer Gottes, welche zur Zeit des Alten Testamentes etwas Großes für das Reich Gottes geleistet haben, solches in der festen Überzeugung getan haben, dass Gott ihre Gebete erhöre. Und diese Überzeugung der gläubigen Israeliten hat der Herr Jesus entschieden bestätigt. Er ermahnt uns zum Gebete, sichert uns die Erhörung zu, beweist in Gleichnissen aus dem Leben, dass wir eine Erhörung zuversichtlich erwarten können, und fügt noch die Worte hinzu: „Denn wer da bittet, der empfängt, wer da sucht, der findet, wer da anklopft, dem wird aufgetan;“ ein Zeugnis, welches eben auf die Voraussetzung gegründet ist, dass Gott durch das Gebet der Menschen veranlasst werden könne, Etwas zu tun, was Er, wenn diese Gebete nicht vor Ihn gebracht würden, nicht getan haben würde. Dies geht besonders deutlich auch aus zwei Gleichnissen des Heilands hervor, dem einen von jenem Freunde, der in der Nacht zu seinem Freunde kommt und ihn aus dem Schlafe stört, um von ihm drei Brote zu leihen; dem anderen von jener Witwe, welche dem ungerechten Richter keine Ruhe lässt, bis er ihr Recht schafft. Da sagt der Heiland (Luk. 11, 5-8) zum Schluss des ersteren: „Ich sage euch, und ob er nicht aufsteht und gibt ihm, darum, dass er sein Freund ist, so wird er doch, weil er so dringend bittet, aufstehen und ihm geben, wie viel er bedarf“ , und fügt hinzu: „Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben, sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan.“ „So doch die Menschen, die arg sind, tun, um was man sie bittet, wie vielmehr wird der Vater im Himmel Gutes geben denen, die Ihn darum bitten.“ Und nachdem Er das andere Gleichnis (Luk. 18, 1) erzählt hat, fügt Er hinzu: „Hört hier, was der ungerechte Richter sagt: Sollte aber Gott nicht auch retten Seine Auserwählten, die zu Ihm Tag und Nacht rufen, und sollte Geduld darüber haben? Ich sage euch, Er wird sie erretten in einer Kürze!“ Aber wie Jesus während der ganzen Zeit Seines Lebens das Volk und Seine Jünger ermahnte, zu Gott zu beten, so sprach Er in Seiner letzten Rede, am Abend vor Seinem Leidens und Todesgange, noch auf eine ganz besondere eindrückliche Weise über das Gebet und die Erhörung desselben. Er sagt zu Seinen Jüngern Joh. 16, 24: „Bisher habt ihr Nichts gebeten in Meinem Namen“, und drei verschiedene Male ermahnt er sie, „in Seinem Namen“ zu beten, mit der Versicherung, wenn sie das tun würden, so sollten sie es von dem Vater erhalten, auf dass ihre Freude vollkommen sei. Gleich zu Anfang Seiner Abschiedsrede Joh. 14, 13 sagt Er: „Was ihr bitten werdet in Meinem Namen, das will Ich tun, auf dass der Vater geehrt werde in dem Sohne. Was ihr bitten werdet in Meinem Namen, das will Ich tun.“ Nachdem er später das Gleichnis vom Weinstock und den Reben erzählt hat, in welchem aufs deutlichste die Einwirkung des Geistes Gottes auf das Leben des Menschen veranschaulicht wird, fährt Er fort Joh. 15, 7: „So ihr in Mir bleibt, und Meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.“ . Und bald darauf Joh. 15, 16: „Ich habe euch gesetzt, dass ihr hingeht und Frucht bringt, und eure Frucht bleibe, auf dass, so ihr den Vater bittet in meinem Namen, dass Er es euch gebe.“ Und zum Schluss Seiner Rede, wo Er die Jünger tröstet mit dem Versprechen, dass Er sie wiedersehen werde, und wo Er diesen Tag des Wiedersehens als einen Tag der Freude bezeichnet, welche niemals von ihnen genommen würde, sagt Er Joh. 16, 23: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch, so ihr den Vater Etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er es euch geben.“ Es kann also kein Zweifel sein, dass solche Gebete ihre Erhörung finden. Hierher gehört auch noch, was Jesus über das gemeinsame Gebet in Seinem Namen gesagt hat Matth. 18, 19: „Weiter sage Ich euch: Wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, dass sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von Meinem Vater im Himmel; denn wo zwei oder drei versammelt sind in Meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“ Auf der Gegenwart Jesu bei den Betenden beruht also die Erhörung, und Er kommt mitten unter uns, wenn wir uns in Seinem Namen versammeln; Sein Geist ist dann in den Betenden wirksam, und hilft ihnen erhörlich beten, und wirkt in ihnen den Glauben und die Liebe zu dem himmlischen Vater, mit dem sie dann zu reden lernen, wie die lieben Kinder mit ihrem lieben Vater reden und ihn bitten. Auf die Kraft des gemeinsamen Gebets hat man in neuerer Zeit mit Recht die Aufmerksamkeit der Christen hingelenkt; aber es ist dabei zu bemerken, dass diese Kraft nicht in der Anzahl der Beter liegt, als ob man gleichsam mit einer großen Menge Menschen den Himmel stürmen wollte, in der Meinung etwa, wenn schon zwei oder drei vereint im Gebete eine so große Macht haben, wie unwiderstehlich sollten da nicht zwei- oder dreitausend sein; o nein, die Worte Jesu sind Geist und sind Leben, aber nicht so mechanisch zu deuten, dass tausend mehr seien wie zehn und zehn mehr als eins, sondern die Kraft liegt darin, dass die Vielen, die sich im Gebete in Jesu Namen vereinigen, die erhabenen Reichszwecke Gottes gemeinsam richtiger erkennen, sich dadurch in ihrem Glauben gestärkt und ermuntert fühlen, ihre Vorurteile, Lieblings-Meinungen und eigenen Wünsche, die den Plänen Gottes entgegen sind, aus den Augen setzen, und statt dessen sich nun gänzlich Jesu hingeben, als dem gemeinsamen Mittelpunkt, so dass sie alle gleichsam mit Einem Herzen, durchdrungen von Jesu Geist, wie Ein Mann beten, und das Wort Jesu in ihnen lebendig wird Joh. 17, 23: „Ich in ihnen, und Du, Vater, in mir, dass sie vollkommen seien in eins.“
Aber alle diese Äußerungen des Heilandes über die gewisse Erhörung der Gebete, sowohl einzelner als mehrerer, erklären diejenigen, welche die Erhörung des Gebetes leugnen, für unrichtig, weil sie die ganze christliche Weltanschauung, diese Ansicht von dem lebendigen Gott und Gottes lebendigem Verhalten zu der Welt und zu den Menschen verwerfen. Sie lassen außer Acht, was die besten Menschen von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart bezeugt haben, die gewissen Worte der Propheten, der Apostel, der ausgezeichnetsten Männer, welche die christliche Kirche aufzuweisen hat, ja die Worte Jesu Christi, den sie doch den allerweisesten Propheten und besten Menschen nennen. Diese Alle haben den lebendigen Gott angerufen, zu Ihm gebetet und Ihm gedankt. Wie erhaben ist dieses Lob in den Psalmen! Welche Klarheit in allen Aussprüchen Christi! Diejenigen aber, welche nicht mehr zu Gott beten, Ihn nicht loben, Ihm nicht danken, verleugnen den lebendigen Gott. Sie lehren, Gott habe keine selbständige Stellung über der Welt, kein persönliches Bewusstsein, keinen persönlichen Willen, regiere nicht mit göttlicher Freiheit; sondern das Wesen und Wirken Gottes sei ganz anderer Art; welcher Art, darüber sind sie sehr verschiedener Ansicht. In neuerer Zeit ist die pantheistische Anschauung von Vielen angenommen. Der Pantheist denkt sich Gott nur als eine in der Natur und in der Geschichte einwohnende Kraft; er gebraucht dafür zwar auch das Wort „Gott“, aber er verbindet damit einen ganz anderen Begriff als ein Christ. Der Pantheist sagt: „Suche Gott nicht außerhalb der Welt, nicht außerhalb des Weltalls, denn alles das ist ja Gott selbst.“ Natürlich meint er damit nicht, dass jedes einzelne Ding in der Welt, jede Pflanze, jedes Tier ein Gott sei, sondern er meint, man müsse einen Unterschied machen zwischen der äußeren Erscheinung und der inneren Bildungskraft, aus welcher die bunte Mannigfaltigkeit dieser äußeren Welt hervorgeht. Ein Baum bringt alle Jahre seine Früchte hervor; kaum sind sie da, so fallen sie wieder ab, aber die Lebenskraft bleibt, im Frühjahr bricht sie wieder hervor. Unsere Erde ist durch viele Revolutionen gegangen, aber die bildende Kraft, welche vor Jahrtausenden wirkte, wirkt auch heute noch, wenngleich auf veränderte Weise. Machen nun alle Weltkörper ein Ganzes aus, so muss ja durch Alles ein wirksames Leben gehen, zu welchem die Bildungskräfte der einzelnen Weltkörper sich wie verschiedene Strahlenbrechungen verhalten. Dieses Eine, sich selbst Gleiche, welches in allem Lebenden lebt, und in allem Sichtbaren vor unsere Augen tritt, obgleich es selbst nicht sehen kann, das ist dasjenige, was der Pantheist mit dem Namen „Gott“ bezeichnet. Die pantheistischen Philosophen haben dieses Eine, Alllebende, welches bewusstlos Alles organisiert, auf verschiedene Weise anschaulich zu machen gesucht; der begreiflichste Ausdruck dafür war der: Gott sei die erzeugende Natur. So denken auch viele Menschen, welche keineswegs Philosophen sind. Von der Natur erwarten sie Gesundheit, wenn sie krank sind, von der Natur erwarten sie Fruchtbarkeit ihrer Äcker, die Macht der Natur bewundern sie, wenn sie die leuchtende Welt der Gestirne am Himmel betrachten, der Natur ordnen sie ihr Leben unter, gerade als wenn dieselbe das Höchste wäre, an welches die Menschen gewiesen sind. Wer übrigens mit der Geschichte der Philosophie bekannt ist, der weiß genugsam, dass eigentlich diese Lehre nichts Neues ist, sondern derselbe heidnische Irrtum, den die Bibel bekämpft.
Aber auch solch ein Gott, wie ihn der Deismus annimmt, der von der Welt entfernt ist, welcher nicht überall gegenwärtig und wirksam ist, und sich nicht mit Liebe um die Welt kümmert, ist nicht mehr der lebendige, nicht der liebevolle, nicht der vollkommene, nicht ein Gott, zu welchem wir beten können und der uns erhört. Der Unterschied zwischen Deismus und Pantheismus liegt, kurz gesagt, darin, dass der Deismus Gottes Transzendenz über der Welt annimmt, der Pantheismus dagegen seine Immanenz. Die erstere Annahme sondert Gott ab von der Welt, und lässt Ihn nicht weiter die Welt regieren, sondern, nachdem Er sie einmal geschaffen hat, sich nach bestimmten Gesetzen fortbewegen; die letztere Annahme fasst Gott als die Summe und Einheit aller Naturkräfte zusammen, spricht ihm aber die Selbstständigkeit, die Persönlichkeit, den freien Willen, die Eigenschaften eines lebendigen Gottes ab; gleichwohl aber versichert dabei der Pantheist, dass die Ungleichheit zwischen seiner Annahme und der Lehre des Bibelwortes nicht groß und wichtig sei. Aber in der Wirklichkeit kann man sich kaum einen größeren Gegensatz denken; denn ist die Natur der Grund, aus welchem alles Leben, auch das Seelenleben des Menschen erzeugt wird, so ist Alles, was geschieht, auch die Sünde, eine Notwendigkeit, so ist unser Glaube an einen Erlöser von dieser Sünde ein Traum, ja die Heiligung und die Abkehr von der Sünde, die Bekehrung, in Wahrheit eine Unmöglichkeit, so kann auch von einem selbstständigen Geisterreich über der sichtbaren Welt keine Rede sein, obgleich der Heiland uns beten lehrt: „Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden;“ auch nicht von einem zukünftigen Leben als der rechten und ewigen Heimat der Seele, nicht von einem Zustande der himmlischen Vollendung, so kann auch, was eben jetzt der Hauptgegenstand unsrer Betrachtung ist, vom Gebet keine Rede mehr sein, denn die Natur kann man nicht um Etwas bitten, noch auch kann man von ihr erhört werden. Bei einer solchen Annahme würdest du nie in deinem Leben die leitende und bewahrende Hand Gottes verspüren, noch könntest du Ihm in einem warmen, innigen Gebet dafür danken. Solche Regungen deines Innersten müsstest du als Einbildungen zurückweisen, es wäre nur eine natürliche Ordnung der Dinge gewesen, das Produkt einer Natur, die Nichts von dir weiß, noch irgend nach dir fragt, und deren unbeugsame Notwendigkeit keine Gotteshand durchbrechen kann. In den entscheidenden Augenblicken deines Lebens fühlst du dich ergriffen, deinen Blick und deine Hände zu Gott zu erheben. Unnötige Mühe, wenn nur Naturgesetze herrschen, die nicht durchbrochen werden können; dein unruhiges Herz hätte nur von einem blinden, tauben Natur- Prozess den Ausgang abzuwarten; du verspürst in deinem Innern den Streit zwischen dem Guten, das du gern tun möchtest, und doch nicht tun kannst, und dem Bösen, das du hasst, aber das dich gefangen hält, und das du immer wieder tust, obgleich du nicht willst; du möchtest seufzen zu Gott um Hilfe, um den Sieg des Geistes über das Fleisch, du möchtest wie David beten: „Schaff' in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, gewissen Geist;“ vergeblich, wenn es keine Gebetserhörung gibt, wenn kein göttlicher Lebensstrom, der eine Kraft zum Guten in dein Herz strömen lassen kann, auf dich einwirkt; es wäre ein unmittelbarer Eingriff Gottes, ein Durchs brechen deiner natürlichen sündlichen Entwicklung; und, wenn du etwa wie jene biblischen Männer des Glaubens aus eigenem Erleben bezeugtest, dass auch du wirklich solch eine Gebetserhörung erfahren habest, so widerspricht man dir mit der Behauptung, dass es seine Täuschung gewesen sei, eine Verwechselung des Objektiven mit dem Subjektiven.
Aus dem hier Angeführten sehen wir, wie die pantheistische Anschauungsweise alles das, was für den Christen das Höchste und Teuerste in diesem und nach diesem Leben ist, leugnet, im völligen Widerspruch mit dem, was uns die Bibel als die einzige Wahrheit lehrt und an Beispielen zeigt, im Widerspruch mit dem wahrhaftigen, lebendigen, persönlichen Gott, der da Wunder getan hat, und Wunder tut, in Erhörung menschlicher Gebete.
Aber diese Ansicht leidet auch an seltsamen inneren Widersprüchen.
Denken wir nur zunächst an die Weisheit und Schönheit, die wir überall in der äußern Welt vorfinden, z. B. an die harmonische Ordnung, in welcher die Tausende von Sternen ihre Bahnen mit solch einer Regelmäßigkeit durchlaufen, dass die Astronomen die Stunde berechnen können, wo sie für uns sichtbar und wiederum unsichtbar werden. Der Pantheismus nimmt nun an, dass die ordnende Weisheit der Natur selbst einwohnt. Aber diese Natur weiß ja nichts von sich selbst, ist keine Persönlichkeit, kein Ich, ist bewusstlos. Es wird also angenommen, dass dasjenige, was kein Selbstbewusstsein hat, dennoch etwas zu Stande bringen kann, was die höchste Weisheit ist, eine Wirksamkeit ausüben, die wunderbar zweckmäßig, die stärksten Werke schaffe. Also eine bewusstlose Weisheit! Liegt nicht in diesem Begriff ein Widerspruch? Doch wir wollen uns in unserm Urteil nicht übereilen. Der Pantheismus will seine Annahme der Möglichkeit einer bewusstlosen Weisheit an Beispielen beweisen, und beruft sich sowohl auf Tatsachen aus dem tierischen Leben als auch auf solche aus dem menschlichen Leben. Vermittelst des tierischen Instinktes z. B., sagt er, bringt die Spinne, die Biene und andere Tiere sehr künstliche Werke zu Stande. Die Entstehung der menschlichen Sprachen beruhe nicht auf einem im Voraus ersonnenen Plan, nicht auf einer klar bewussten Überzeugung von ihrem künftigen zweckmäßigen Bau; dies zeuge doch von einer bewusstlos wirkenden Weisheit. Aber, so sehr auch es Tatsachen annehmbar erscheinen, so werden sie sich doch bei einer genaueren Betrachtung als bloßer Schein erweisen; denn nur alsdann könnte man von einer bewusstlosen Weisheit der Tierseele auf die Weisheit einer Weltseele schließen, wenn nämlich diese Weisheit wirklich der Tierseele eigentümlich angehörte, d. H. wenn die zweckmäßige Wirkung des tierischen Instinktes wirklich seinen Ursprung aus dem Tiere selbst hätte, aber eben das ist nicht der Fall; denn der Trieb, welcher diese Tiere zur Verrichtung ihrer Kunstwerke und ihrer sicheren Geschicklichkeit in ihren Arbeiten antreibt, ist, in ähnlicher Weise wie der Trieb und das Vermögen des Vogels zu singen, in ihrer körperlichen Organisation begründet, und diese Organisation haben sie nicht aus sich selbst, sondern sie haben dieselbe von Gottes Weisheit empfangen. Auf dieselbe Weise ist der Trieb und das Vermögen des Menschen zu reden mit seiner geistigen und körperlichen Naturorganisation gegeben, und die Eigentümlichkeit jeder Sprache geht aus der Eigentümlichkeit dieser Organisation bei jedem Volk hervor.
Gehört nun also diese Weisheit, wie sie sich in den genannten Kunstwerken der Tiere und im Bau der Sprachen offenbart, nicht dem Tiere, noch dem Geiste des Volkes ursprünglich an, sondern vielmehr derjenigen Macht, von welcher das Tier und der Mensch ihre Organisation erhalten haben, so kann man keineswegs von dem Mangel des Selbstbewusstseins beim Instinkt rc. den Schluss ziehen, dass auch die letzte Ursache, welche dem Leben des Menschen und des Tieres, ja überhaupt allem Leben seine Bestimmung gab, ohne Bewusstsein gehandelt habe. Die Vorstellung von einer bewusstlosen Weisheit als letzter Ursache, durch welche das ganze Universum organisiert worden sei, ist eine unsinnige Vorstellung, ein leeres Phantasiebild.- Wie es in der Mathematik Grundsätze gibt, welche die Beweise für die mathematische Wissenschaft tragen, aber selbst keines Beweises bedürfen, noch bewiesen werden können, so ist bei einer unbefangenen Betrachtung der Schöpfung das ein an sich selbst klarer Satz; dass die Urvernunft, in welcher alle lebende Vernunft der Welt ihren Grund hat, nicht selbst blind sein kann, sondern mit voller Klarheit ein Bewusstsein von dem haben muss, was sie tut. Mit anderen Worten: So gewiss die Welt ein Organismus voll Weisheit und Schönheit ist, so gewiss müssen wir daraus zu dem Schluss kommen, dass es einen schaffenden Urgeist gibt, welcher sich selbst weiß, also einen persönlichen Gott, einen solchen wie ihn die Bibel lehrt; aber eine bewusstlose Urweisheit ist und bleibt ein Widerspruch in sich selbst. (Röm. 1, 20.)
Noch viel entschiedener kommen wir aber zu dem obenerwähnten Resultat, wenn wir nicht nur die Weisheit, welche in der Natur und ihren Gesetzen wirkt, sondern die Weisheit, welche in dem sittlichen Gesetz, in dem Gewissen des Menschen wohnt, aufmerksam betrachten. Dem Naturgesetz folgen die Sterne und Pflanzen in pünktlichem Gehorsam ein Jahrhundert nach dem andern, und sind dabei unbekannt mit dem Gesetze selbst, dem sie Folge leisten. Ganz anders verhält es sich mit dem sittlichen Gesetz. Diesem wird vom Menschen nicht Gehorsam geleistet, wenn es nicht vorher ihm zum Bewusstsein gekommen ist. Das sittliche Gesetz verlangt zwar von dem Menschen Gehorsam, aber zwingt ihn nicht dazu, sondern überlässt denselben seinem freien Willen. Das Naturgesetz aber muss befolgt werden. Hieraus könnte man folgern, dass das Sittengesetz nicht eine so große Bedeutung habe, als das Naturgesetz, aber dieses ist nicht der Fall. Das Sittengesetz hat eine ewige Dauer, während das Naturgesetz, dem wir unterworfen sind, mit der Erde aufhört. Das Sittengesetz redet zu unsrem Willen in unsrem Geiste, während das Naturgesetz nur unser körperlich-seelisches Leben beherrscht.
Diese beiden Gesetze treten oft in Gegensatz zueinander. Was das Sittengesetz verlangt, das tut der Mensch nicht, sondern folgt lieber seinem Naturtriebe. Hat aber damit das Sittengesetz seine Majestät verloren? O, nein. Es schweigt nur eine Zeit lang, aber endlich hält es doch zu seiner Zeit Gericht, und bricht den Stab über den Übertreter. Die Befolgung des Naturtriebes ist nicht die höchste Bestimmung des Menschen. Zu etwas Höherem aber kann eine bewusst lose Natur selbst ihn nicht bringen. Folgt aber der Mensch dem sittlichen Gesetz, so durchbricht er oftmals das Naturgesetz seines körperlich-seelischen Lebens, und dabei fühlt er sich gerade in seinem Gewissen freudig erhoben.
Was ist das aber für ein Gesetz, dieses erhabene Sittengesetz, welches es wagen darf, dem in der Natur gegebenen Gesetz in solcher Weise entgegenzutreten, und den Sieg darüber zu gewinnen? Wer kann solche sittlich hohen Gesetze geben, als der über der Natur stehende persönliche Gott. Der Mensch ist göttlichen Geschlechts, ein Wunder der Schöpfer-Allmacht des lebendigen Gottes!
Diejenigen aber, welche behaupten, dass die Natur das Höchste sei, können nicht einmal erklären, woher diese sittliche Gesetzgebung stammt. Über diesen Punkt kann der Pantheist nichts anführen, was in wissenschaftlicher Hinsicht irgendwie zufriedenstellend genannt werden könnte. Der Mensch vernimmt die Lautlose Stimme des Sittengesetzes und fühlt sich verbunden, gegen den Naturtrieb seinem Gewissen zu gehorchen, und, wenn er es nicht tut, so hat er ein peinigendes Bewusstsein davon, dass er durch diesen Ungehorsam sich selbst in seiner geistigen Würde verleugnet hat. Für den, der nur unter dem Naturgesetz stehen will, bleiben Freiheit und Geist leere Worte, für den ist nur der Egoismus der Gesetzgeber. Daher ist auch auf den philosophischen Pantheismus, diese in sich unvernünftige Weltanschauung, alsbald der Materialismus gefolgt, der alles Unsichtbare und Geistige leugnet.
Unser Geist ist aber von Gottes Geist, und der persönliche Gott ist der Schöpfer des Menschen, darum ist unsre Seele frei vom Naturgesetz, und darum ist für sie eine andere Gesetzgebung da als für das Naturleben. Und in Bezug auf das Wesen Gottes offenbart sich uns hierin eine neue Erkenntnis. Da Gott dem Menschen Freiheit gegeben hat, nämlich das Vermögen, durch die Selbstbestimmung seines Willens sich zu entscheiden, entweder dem Naturtrieb oder dem Ges wissen Folge zu leisten, so muss Gott selbst ein Gott der Freiheit sein, und kann nicht selbst abhängen von einer unbeugsamen Natur-Notwendigkeit.
In diesem Satze aber, dass Gott ein freier Gott, ein Gott der Freiheit ist, liegt unendlich viel für unser uns zunächst vorliegendes Thema der Gebetserhörung.
Da ferner das Gesetz des Gewissens mit einer solchen unwiderstehlichen Macht zu uns redet, muss da nicht Gott, von welchem dies Gesetz herkommt, damit vollständig übereinstimmen, also ein heiliger Gott sein?
Was ist schließlich die Ursache davon, dass Gott, welcher die Quelle alles Lebens ist, und als heilig, in sich selbst selig sein muss, dennoch die Welt und alles, was da ist, erschaffen hat? Die Antwort kann nur die sein, dass der in sich selbst vollkommen Selige nur deshalb schafft, weil er auch außer sich Wesen sehen will, die sich freuen und selig sind, mit anderen Worten, Gott schafft, weil er die Liebe ist. Den mit Geist begabten Menschen beruft er zur Gemeinschaft mit Sich; zum Genuss und zum Werkzeuge seiner Liebe.
Nachdem wir nun die pantheistische Weltanschauung zurückgewiesen, und im Zusammenhang damit bewiesen haben, dass ein tieferes Nachdenken über die in der Natur und im Menschengeiste waltenden Gesetze auf den unzweifelhaften Satz führe, dass die ganze Welt und ganz besonders der Mensch von einem lebendigen, persönlichen, freien, heiligen, vollkommen guten, liebevollen Gotte geschaffen sein muss, so stehen wir damit in unsrem ersten Glaubens-Artikel: „Ich glaube an Gott den Vater, Allmächtigen, Schöpfer Himmels und der Erde“, und die Folgerungen hieraus über die Erhörung der Gebete lassen sich nun leicht ziehen.
Ehe wir jedoch dieses ausführlicher tun, ist noch kurz der Entgegnung zu antworten, dass nämlich immer noch Unbegreiflichkeiten und Widersprüche blieben, auch wenn wir einen solchen lebendigen Gott annehmen. Aber wen darf dies Wunder nehmen? Während Gott die von ihm geschaffenen Wesen vollkommen kennt, so können diese Ihn nur unvollkommen erkennen. Unser Bewusstsein entsteht, erweitert sich allmählig mehr und mehr, entwickelt sich durch den Zusammenhang mit der uns umgebenden Welt, und nach kurzer Zeit sind wir nicht mehr da; dagegen bleibt Gott immer sich selbst gleich, und sein ewiges, von der Welt unabhängiges Selbstbewusstsein muss daher für uns etwas Unbegreifliches enthalten. Vermöge der Gottähnlichkeit hat zwar der Mensch ein relatives Vermögen, Gott zu erkennen, aber in Folge der großen und wesentlichen Ungleichheit zwischen dem zeitlichen schwachen Menschen und dem ewigen allmächtigen Gott, muss, neben dem Begreiflichen an Gott, sich auch vieles Unbegreifliche finden. Aber, in dem Begriffe des ewigen Selbstbewusstseins selbst, oder der absoluten Persönlichkeit, liegt kein innerer Widerspruch.
Der Gott der Bibel ist ein freier und liebevoller Gott und hat die Menschen zur Freiheit und zur kindlichen Gemeinschaft mit Sich geschaffen.
Freie Menschen müssen aber in ihrer Freiheit selbst mitarbeiten können an ihrer Glückseligkeit und an der Ausführung der liebevollen Absichten Gottes; aber wie sollten sie dabei mitwirken können, wenn sie nicht die Möglichkeit hätten, auf sich selbst und ihre Umgebung und auch in etwa auf Gott einzuwirken? Das wäre nicht ein rechtes Kind eines Vaters, das zu bitten kein Recht hätte, noch wäre das ein rechter Vater, der die Bitten seines Kindes nicht beachtete. Und ebenso wäre das kein Gott der Freiheit, welcher, sobald die Menschen die ihnen gegebene Freiheit benutzten, dadurch behindert wäre, seine Absichten zu erreichen; der wäre kein allmächtiger Regent der Welt. Aber ein Gott, welcher die Bitten der Menschen nicht erhörte, könnte auch kein Gott der Liebe sein. Er wäre dann auch kein lebendiger Gott mehr, denn das gehört zu den Eigenschaften des lebendigen Gottes, dass er in seiner unendlichen Fülle von Liebe außer Sich lebendige Wesen schafft, die Ihm „ähnlich“ sind auch in der Freiheit, und ihm gleich werden in der Liebe. Wer nur tiefer nachdenkt, wird finden, dass, so gewiss es nicht anders sein kann, als dass Gott ein lebendiger persönlicher Gott ist, so gewiss es auch feststeht, dass er auf die Bitten der Menschen Acht hat. Die Bibel spricht es deutlich aus, dass Gott auf die Menschenkinder schaut, dass er sehe, ob Jemand klug sei und nach Ihm frage.
Gott achtet auf alle unsre an Ihn gerichteten Bitten, aber dabei ist es selbstverständlich, dass die eigentliche Erhörung nur dann geschehen kann, wenn wir umso Etwas bitten, das seinem wesentlichen Inhalte nach in Übereinstimmung mit Gottes Absichten steht. Aus Gottes Wort können wir genugsam ersehen, welcher Art unsre Bitten sein müssen, wenn Er sie erhören soll.
Es ist daher ein Missverstand, wenn viele Christen den Wortlaut einzelner Aussprüche des Heilandes so auslegen, als müssten sie alles von Gott erhalten, wenn sie nur fest an die Erhörung ihrer Bitte glaubten. Dass dieses nicht die Meinung des Heilandes gewesen sein kann, folgt schon daraus, dass Gott als ein heiliger Gott nicht die sündlichen, fleischlichen Bitten eines Schwärmers erhören kann, welcher bei seiner Schwärmerei leichtlich mit vollster Überzeugung vermeinen kann, seine Bitte müsste von Gott erhört werden. Johannes schreibt im 1. Brief Kap. 5, V. 14 darüber ausdrücklich: Das ist die Zuversicht, die wir zu Gott haben, dass, wenn wir etwas nach seinem Willen bitten, so hört Er uns. In den Worten des Heilandes: „Alles, was ihr den Vater bitten werdet in Meinem Namen, das wird Er euch geben“, und im Gebet, das uns Jesus gelehrt hat, liegt nicht nur, dass wir im allgemeinen Vertrauen auf Sein Verdienst im Gebet vor Gott hintreten, sondern vielmehr das, dass wir um dasjenige bitten sollen, was uns Jesus bitten gelehrt hat. Wir verändern damit nicht den Wortlaut des Spruches, sondern legen ihn nur nach der Analogie des Glaubens aus.
Des Herrn Wort über die gewisse Erhörung eines glaubensvollen Gebetes setzt voraus, dass nicht Fleisch und Blut, noch eine bloß menschlich-gute Meinung, sondern dass der Geist des Herrn die Seele des Betenden bewegt, denn nur durch diesen Geist erhält der Beter die rechte Weisheit im Gebet, und dabei diejenige Zuversicht, welche nicht eine schwärmerische Einbildung, sondern die gewisse Zuversicht des Glaubens ist. Wie könnte uns das auch nur eine Veranlassung zur Freude sein, wenn Gott solche Gebete, die gegen Seinen heiligen guten Willen und gegen Seine väterliche Liebe zu uns, und gegen Seine Weisheit streiten, erhören wollte, wogegen das uns Freudigkeit gibt, dass wir wissen, wenn wir umso Etwas bitten, was im Einklang mit Seinem heiligen und liebevollen Willen steht, dass Er solche Gebete anhört. Es sind aber nicht nur die Worte in unsrem „Vater Unser“ damit gemeint, in welchen wir unsre Bitten aussprechen dürfen, nicht nur die Bitte um den heiligen Geist, welcher eine Erhörung zugesagt worden ist, sondern wir dürfen auch in allen den verschiedenen irdischen Angelegenheiten unsre Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden lassen, sie mögen sich beziehen auf die häuslichen Sorgen eines armen Tagelöhners oder auf die Besorgungen der Reichs-Geschäfte des mächtigsten Regenten. Der Heiland hat uns reichlich und deutlich gelehrt, dass Er auch für unsre leibliche Not Augen, Ohren und Herz hat und dass Er auch auf Gebete hin aus solcher leiblichen Not geholfen hat und hilft.
Darum heißt es auch Phil. 4, 6: „In allen Dingen lasst eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden;“ und Ephes. 6, 18: „Betet stets in allem Anliegen, mit Bitten und Flehen im Geist;“ und Jesus sagt Matth. 18, 19: „um was es sei, dass sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem himmlischen Vater,“ und Matth. 21, 22: „alles, was ihr bittet, so ihr glaubt, werdet ihr empfangen;“ und 1 Joh. 5, 14: „so wir Etwas bitten nach Seinem Willen“ „so hört Er uns.“ Je mehr wir recht beten im Geiste Jesu um den heiligen Geist und die Erkenntnis des Willens Gottes und um Gehorsam und Liebe zur Erfüllung Seines Willens, desto mehr bleiben wir im Heilande und Seine Worte bleiben in uns und werden in uns lebendig, und bringen Frucht und je mehr das in uns geschieht, desto mehr kann der Heilige Geist in uns wirken und uns reinigen, dass wir mehr Frucht bringen; bei wem das der Fall ist, von dem gilt dann das Wort Joh. 15, 7: „So ihr in Mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.“ Das ist eine bestimmte Verheißung und eine ebenso bestimmte Bedingung für die Erfüllung dieser Verheißung. Wer aber im Geiste des Willens Gottes zu beten lernt, wird in dem Gefühl, dass er es noch nicht vollkommen kann, seinen Gebeten auch die Bitte hinzufügen: Herr, Dein Wille geschehe!
Wenn nun gleich die wahre Kraft des Gebetes nur von denen ausgeübt werden kann, die sich haben zum Herrn bekehren lassen, und sich danach fortwährend vom Seinem Geiste leiten lassen, so können wir doch daraus nicht den Schluss ziehen, als könnten Diejenigen, welche noch nicht zu dem wahren lebendigen Glauben an Gott gekommen sind, gar nicht zu Gott erhörlich beten. Nein, so gewiss es Gottes zuvorkommende Gnade ist, dass der Mensch dahin gelangt, dass durch Achtgeben auf die Offenbarungen Gottes in der Natur, und in seinem Gewissen das Bewusstsein von einem lebendigen Gott in ihm erwacht, so gewiss kann jeder Mensch auch nach dem Maße seiner Erkenntnis des Willens Gottes, nicht nur um geistige Erleuchtung, sondern auch um solcherlei, was seinen leiblichen Bedarf angeht, zum lebendigen Gott erhörlich beten; und wir sehen aus dem Leben des Heilandes, wie oft er in großer Freundlichkeit die Gebete des schwachen Glaubens mit Wohlgefallen angenommen und erhört hat. Wir finden auch an vielen Stellen der Heiligen Schrift Aufforderungen zum Gebete nicht nur an in der Erkenntnis Gottes Geförderte, sondern auch an solche, die Gott erst unvollkommen kennen; Jesaias 45, 22: „Wendet euch zu Mir, aller Welt Ende, so werdet ihr selig; denn Ich bin Gott und sonst keiner mehr.“ 3 Mos. 10, 3: „Ich werde geheiligt an Denen, die zu Mir nahen.“ Röm. 10, 13: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll selig werden.“ Amos 5, 4: „So spricht der Herr: Sucht Mich, so werdet ihr leben.“ Jerem. 3, 12: „Kehre wieder, du abtrünniges Israel, so will Ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen.“ Matth. 11, 28: „Kommt her zu Mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken.“ Jes. 65, 2: „Den ganzen Tag habe ich meine Hände ausgestreckt nach einem Volk, das sich nicht sagen lässt, und widerspricht.“ In allen diesen und unzählig vielen andern Stellen der Schrift bietet Gott Seine Gnade und Hilfe an, und hat sie Denen immer gewährt, die sich zu Ihm gewendet haben. Der 107. Psalm erwähnt eine Menge solcher Personen, die in verschiedenen Lagen ihrer leiblichen Not den Herrn angerufen haben und errettet worden sind.
In der Apostelgeschichte, Kap. 10, ist uns vom Hauptmann Cornelius, der doch erst einen sehr unvollkommenen Glauben an Gott hatte, berichtet, „dass er allezeit zu Gott betete“ , und gesagt, dass „seine Gebete emporstiegen zu Gott.“ Es heißt wohl, dass Gott die Sünder nicht hört, sondern, „so Jemand gottesfürchtig ist, und tut Seinen Willen, den hört Er“ (Joh. 9, 31); aber damit ist nicht gesagt, dass er uns, die wir allzumal Sünder sind, alle nicht hört, sondern damit ist vielmehr gesagt, Gott erhöre die Sünder nicht zur Durchführung ihrer bösen Pläne, oder wenn ihr Mund zu Ihm redet, während sie in ihrem Herzen Böses gedenken. Hiob sagt von dem Heuchler, der, um noch länger in Eigennutz und Habsucht seine Güter zu genießen, im Sterben Gott um längeres Leben bittet: (Hiob 27, 8-10) „Meinst du, dass Gott sein Schreien hören wird, wenn die Angst über ihn kommt?“ David sagt Ps. 66, 18: „Wo ich Unrechtes vorhätte in meinem Herzen, so würde der Herr nicht hören“, und der Herr spricht Jes. 1, 15-17, dass er die Sünder nicht hören werde, bis sie vom Bösen ablassen und Gutes zu tun trachteten; aber kommt dann, spricht Er, wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden. - Sobald nur solche, wenn auch noch nicht entschieden Gläubige, mit einem Verlangen nach Gutem zu Gott sich wenden, so kommt ihnen Gott entgegen und bietet ihnen die vollkommenste Hilfe dar.
Wir kommen nun zu der Einwendung Derjenigen, welche uns erwidern, um das, was mit Gottes Willen übereinstimmt, brauche der Mensch nicht erst zu bitten, es geschehe das auch ohne unser Gebet. Schon die Worte im Vater Unser, die Jesus uns zu beten lehrt: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden“, müssten sie aufmerksam machen, dass unser Gebet dennoch nötig ist, und dass, ohne unser Gebet, Gott dasjenige nicht tut, um was Er zuvor gebeten sein will. Gott ist ein Gott der Freiheit, und will über freie Menschen regieren; Er will nicht aufzwingen, was sie nicht haben wollen; sondern zuvörderst will Er ihren Willen abwarten, damit sie freiwillig nach dem Guten verlangen, das Er ihnen zu geben beabsichtigt. Wir sehen daraus, wie unumgänglich nötig es für uns ist, um die besten und höchsten Gaben zu Gott zu beten, weil wir auf andre Weise und außer von Ihm die höchsten Güter nicht einmal erkennen, geschweige denn erlangen können.
Aber auf welche Weise erhört denn Gott die Gebete? Dies geschieht nicht bloß so, dass er dem Beter größere Ergebung in Seinen Willen schenkt, sondern positiv in dem Sinne, dass Er ihm dasjenige, um was er bittet, wirklich zu Teil werden lässt. Die Aussprüche und Tatsachen in der Heiligen Schrift sind so klar und beweiskräftig, dass man in Betreff der biblischen Lehre über die Gebetserhörung nicht ohne eine offenbare Verdrehung derselben zu einem anderen als dem angegebenen Resultat kommen kann. Und die Erfahrung hat diese Lehre tausendfach bestätigt und bestätigt sie noch täglich. Der Unglaube macht aber die Einwendung, dass solche Einwirkungen Gottes in Folge der Gebete etwas Wunderbares seien, und wir kommen damit auf den Punkt, wo die Frage über die Wunder mit der Frage über die Gebetserhörung zusammenfällt.
Aber was ist Wunder? Gott kann auf das Innere der Menschen oder auf die äußere Natur so einwirken, dass ein solches Zusammentreffen von an und für sich natürlichen Begebenheiten und Naturerscheinungen stattfindet, wie es zu einem gewissen Zweck nötig ist, damit z. B. ein Gebet seine Erhörung findet; oder Er kann auch durch einen Akt Seiner Schöpfermacht Etwas geschehen lassen, was, obgleich nicht gegen die Naturgesetze streitend, doch nicht durch die Wirksamkeit der Naturkräfte sich erklären lässt. Denkt man nun an Einwirkungen Gottes in der erstbezeichneten Art, so kann man von geistigen und physischen Wundern reden, oder an die letzterer Art, so unterscheidet man relative und absolute Wunder. Die ersteren kann man auch subjektive Wunder nennen, insofern sie als Wunder nur denjenigen Subjekten erscheinen, in Bezug auf welche sie geschehen sind; die letzteren dagegen objektive, insofern sie schon an und für sich, ganz abgesehen von dem Subjekt, mit welchem oder für welches sie geschehen, vor Jedermanns Augen als Wunder erscheinen.
Diese letzte Art ist es nun besonders, welche man meint, wenn man gewöhnlich von Wundern spricht. Dahin gehören z. B. die Wunder, von denen die Bibel erzählt. Unter den geistigen Wundern aber kann man auch einen solchen Unterschied machen von absoluten und relativen, und da gehört unter die absoluten, wie es vor aller Augen als das größte Wunder hervortritt, die Bekehrung eines Menschen. Solche geistige Wunder hat die christliche Kirche von ihrem ersten Entstehen an in so vielen Personen aufzuweisen, dass es kaum möglich erscheint, sie zu leugnen oder zu ignorieren. Eine solche völlige Umwandlung oder neue Geburt kann nicht durch das dem Menschen innewohnende geistige Vermögen und die natürlichen Kräfte, noch durch den Einfluss seiner natürlichen menschlichen Umgebung geschehen, sondern erfordert im Gegenteil ein Durchbrechen seiner natürlich sündlichen Entwicklung. Nur der Geist Gottes kann durch das Wort des lebendigen Wortes und die ihm einwohnende Kraft der Wahrheit solches hervorbringen. Die Einwirkung Gottes dagegen auf das Innere des Menschen, insofern Er ihn zu Beschlüssen und Handlungen leitet, durch welche etwas zu Stande gebracht wird, was die Wünsche eines Anderen erfüllt, kann man als relatives Wunder bezeichnen. Diese geistigen Wunder geschehen nun allezeit fort und fort, während die physischen Wunderarten nur bestimmten Zeiten der Reichsgeschichte angehören. Solche geistige Wunder liegen aber gleichsam in der Natur der Sache und der Beschaffenheit der Bestimmung des Menschen.
In den höchsten Momenten einer sittlichen Spannung durchbricht das höhere Geistesleben die widerstrebende Natur auf eine Weise, dass es der umgebenden Welt wie ein Wunder erscheint. Eine stotternde Person z. B. hört im Augenblick der Entzückung auf zu stottern, und spricht fließend, ein schwacher Greis, ein zitterndes Weib wird im Augenblick, wo es z. B. gilt, ihr Kind zu retten, stark, und vermögend solches zu leisten, wofür gewöhnlich ihre Kräfte nimmermehr ausgereicht hätten. Wenn man nun dieses ein Durchbrechen der Naturgesetze nennt, was der geschaffene Geist in seiner kleinen Welt vermag, wie sollte nicht Gott in seiner großen Welt viel Größeres in dieser Beziehung tun können. Die Gesetze, von welchen man sagt, dass sie nicht durchbrochen werden könnten, erweisen sich also als Anordnungen Gottes, die in Seiner Hand einer Änderung unterliegen können, wenn Er sie verändern will. Über das Wirken Gottes sagt der Heiland Joh. 5, 17: „Mein Vater wirkt bisher und Ich wirke auch.“ Es kann daher von einer Ruhe Gottes in dem Sinne, wie der Deismus annimmt, keine Rede sein. Wir haben bereits die Unzulässigkeit einer solchen Annahme nachgewiesen. In welcher Weise aber Gott es ist, der da wirkt, und wie er nicht an Zeit und Stunde gebunden ist, noch unter den Naturgesetzen steht, sondern frei die Zeit und was darin vor sich geht, regiert, darüber belehren uns die im Buch Hiob, Kap. 38, 21, in fragender Form ausgesprochenen Worte, welche zugleich dem Menschen die freie und erhabene Stellung Gottes über ihm zeigen: „Wusstet du, dass du zu der Zeit solltest geboren werden? und wie viele deiner Tage sein würden?“ „Durch welchen Weg teilt sich das Licht, und fährt der Ostwind auf Erden?“ Wer hat dem Platzregen seinen Lauf ausgeteilt, und den Weg dem Blitz und Donner, dass es regnet auf das Land?“ rc.
Erstreckt sich aber Gottes Wirksamkeit fortwährend auf jeden Punkt in der Ordnung der Natur, und steht bei Ihm die Zeit alles Dinges und „gibt Er jedem Geschöpf Speise zu seiner Zeit“, und erfüllt Alles, was lebt mit Wohlgefallen, Ps. 135, 15, so geschieht dies doch allermeist mit dem Menschen, der Geist von Seinem Geiste ist.
Er hat das Herz des Menschen zu einem Herde Seiner besonderen Offenbarungen gemacht, und hat die Fülle Seiner Gottheit in einem Menschen wohnen lassen, um von da aus die Wirkung Seines Geistes in aller Menschen Herzen ausströmen zu lassen. Es wäre uns natürlich, es wäre eine Auflösung des Zusammenhanges Seines Geistes mit dem unseren, wenn Er nicht Seine gute Einwirkung auf unsern Geist ausüben könnte, wenn Er nicht Wohnung in unsrem Herzen nehmen dürfte, welches ja ein Tempel Seines Geistes sein soll. Er wirkt aber in dieser Art nicht etwa nur auf die einzelne Menschen-Seele, sondern Er offenbart sich so in der gesamten Entwicklung der Menschheit, in der Weltgeschichte; und wie Er von Anfang an die Weltgeschichte auf das Gesetz der Freiheit geachtet hat, so achtet Er auch dieses Gesetz der Freiheit, selbst im Missbrauch, so dass Er nirgends Seine Offenbarungen aufdrängt, sondern sich immer nur dem freien Willen des Menschen anschließt.
In diesem Gesetze der Freiheit liegt der entscheidende Unterschied zwischen Geschichte und Naturprozess. Die Weltgeschichte nicht nur, sondern die Geschichte eines jeden einzelnen Menschen, ja die Begebenheiten eines jeden Tages sind so verschieden, dass sich gar kein Gesetz dafür aufstellen lässt. Überall ist der freie Wille des Menschen zu erblicken, und noch in viel höherem Grade das freie Wirken Gottes in der natürlichen Entwicklung. Oder, wie will man sich überhaupt im Verhältnis zur menschlichen Freiheit eine göttliche Weltregierung denken, ohne eine Freiheit Gottes. Jede, in der Weltgeschichte eingreifende Persönlichkeit tritt, nicht in Folge eines Naturprozesses oder einer Naturnotwendigkeit, zu der bestimmten Zeit hervor, sondern Gott hat sie in ihrer bestimmten Individualität hervortreten lassen, weil Er es an einer bestimmten Stelle und zu einer gewissen Zeit für angemessen hielt. Es gehen also in dieser Weise die Wunder Gottes durch die ganze Weltgeschichte. Aber ein ganz besonderes Gebiet für die göttlichen Wunder eröffnet uns die heilige Geschichte, d. h. die Geschichte der Erlösung.
War die Entwicklung des Menschengeschlechtes von Anfang an auf Freiheit gegründet, so konnte der Mensch auch durch den Missbrauch der Freiheit das Unrechte ergreifen, d. h. sündigen, und den Weg zum Verderben gehen, und das ist es, was Gott, den Vater der Barmherzigkeit, veranlasst, den Menschen wieder zurecht zu weisen, ihm zu helfen und ihn vom Verderben zu erlösen. Während Gott nun in seiner Liebe und Weisheit einerseits dem Menschen in seinem Innern eine Unruhe erweckt über die Sünde, und die Sehnsucht, davon befreit zu werden, und andererseits diese Hilfe und Erlösung vorbereitet, und ihm zur rechten Zeit zuführt; geschieht durchaus nichts Unnatürliches, was man als einen gewaltsamen Eingriff in die Naturgesetze ansehen könnte. Ebenso gut würde man dann auch die sorgsame Pflege des Arztes einen gewaltsamen Eingriff in die natürliche Entwicklung nennen können, wenn er zur rechten Zeit dem Kranken ein Heilmittel darreicht und dadurch die Entwicklung der Krankheit zum Tode in die Entwicklung zum Leben umwandelt.
Es ist jetzt nicht die Absicht, ausführlich über die göttlichen Wunder in der biblischen Heilsgeschichte und vor allem über das größte Wunder, die Menschwerdung Jesu Christi und seine Auferstehung, zu reden, sondern es soll nur gezeigt werden, dass die für die Sinne wahrnehmbaren großen Wunder der heiligen Geschichte als eine Naturordnung höherer Art dastehen. Diese Wunder geschahen, so dass durch das Hinzutreten höherer geistiger Kräfte die von der gefallenen Menschheit nur unvollkommen benutzten Naturkräfte höher als gewöhnlich gesteigert wurden, und dass außer denjenigen Naturgesetzen, welche wir kennen, noch neue und erhabenere hervortreten. Damit offenbart sich im Wunder die in Folge der Sünde gestörte Harmonie zwischen der irdischen und himmlischen Natur und ein Vorspiel jener neuen ewigen Einheit von Himmel und Erde, welche der Zeit der Vollendung eigen ist.
Indem wir also an Wunder glauben, tun wir damit keineswegs das, was die Ungläubigen uns Schuld geben, nämlich dass wir damit in die Natur und in die Geschichte allerlei Willkürlichkeiten, Unnatürlichkeiten und unvernünftiges hineintrügen, nein, wir öffnen damit keineswegs dem Aberglauben und einer törichten Einbildung die Tür, sondern wir erkennen die Weisheit Gottes in der Natur an und wollen sie erforscht haben; aber wir fordern auch Anerkennung für eine höhere Heilsweisheit Gottes in der Geschichte der Menschheit.
Wir betrachten daher viel gründlicher den Zusammenhang von Gott und Natur, und dringen viel tiefer in den Grund und das Wesen der Natur ein, als es diejenigen tun, welche der biblischen Lehre von Gott widersprechen. Christlicher Glaube und Wissenschaft können sehr wohl zusammen bestehen, und Männer, welche mit einem festen evangelischen Glauben an Gottes erhabenes Erlösungswerk in Jesu Christo den Glauben an die Wunder vereinigen, haben sich dadurch keineswegs als ungeschickt oder unfähig erwiesen zur wissenschaftlichen Naturforschung, noch viel weniger haben sie sich dadurch verleiten lassen zu falschen Schlüssen auf ein zusammenhangloses plötzliches Eingreifen von höheren Kräften. Auf solche Irrtümer und Annahme von Zaubereien sind vielmehr gerade diejenigen verfallen, welche sich von dem lebendigen Gott abgewendet haben. Darum wollen wir uns auch mit ganzer Glaubenszuversicht dem Eindruck der biblischen Erzählung an Gottes Wunderwege mit Israel und Gottes Wundertaten durch Jesum hingeben. Auch aus neuerer Zeit liegen ja vor uns unzweifelhafte Beweise, dass Gott der Herr, der Hohe und Erhabene, der in der Höhe und im Heiligtum wohnt, den aller Himmel Himmel nicht fassen, der Allmächtige, der Ewige, der König aller Könige und Herr aller Herren, in Seiner Liebe und Barmherzigkeit herabschaut auf die, so ihn fürchten, und nach Seiner Weisheit Mittel und Wege weiß, um ihren Gebeten die Erhörung zu geben.
August Hermann Franke in Halle, einer der edelsten Menschen, fühlte sich durch eine ihm für die Armen geschenkte Gabe von einem Dukaten im Jahre 1695 zu dem Gedanken angeregt, eine Schule für arme Kinder zu gründen, und schon an demselben Tage begann er diesen Plan ins Werk zu sehen. Bei seinem Tode im Jahre 1727 stand ein Gebäude da, in welchem 130 vater- und mutterlose Kinder erzogen wurden, und gegen 200 andere Kinder und 250 Studenten freie Kost erhielten. Franke hatte über keine Kapitalien zu verfügen, auch war jene Zeit nicht die Zeit vereinter Tätigkeit. Nur mit Einem hatte sich Franke vereinigt, mit dem lebendigen Gott in treuem Gebet, und es ist ermunternd und glaubensstärkend, wenn man seine einfachen Mitteilungen davon liest, wie er oft, und zu Zeiten, wo er von allen Mitteln ganz entblößt war, um die Arbeiter zu bezahlen, oder die Kinder zu versorgen, nach einem Gebet zu Gott alles erhielt, was er bedurfte, oft von Personen, die er nicht kannte, und aus ihm völlig fremden Ländern. Gott wirkte in Seiner wunderbaren Weise auf die Herzen dieser freundlichen Geber ein, und führte ihm zur rechten Zeit die Gaben zu. Aus noch neuerer Zeit können wir eines Mannes erwähnen, den man mit Recht den August Hermann Franke dieses Jahrhunderts nennt. Dies ist Georg Müller in Bristol, welcher sich 1829, damals ein deutscher Student der Theologie, nach England begab, und in diesem, ihm der Sprache und Sitte nach ganz fremden Lande, durch Umstände veranlasst sah, eine Anstalt der Wohltätigkeit zu gründen, wobei er durch Gottes wunderbare Gnade berufen wurde, etwas so Großartiges zu schaffen, dass man in England die Müllerschen Anstalten jetzt „das Wunder des Jahrhunderts“ nennt. Aus seinem 25. Jahresbericht vom Mai 1863 bis Mai 1864 geht hervor, dass damals 1241 vater- und mutterlose Kinder erzogen wurden in drei großen Häusern, und dass schon zu zwei neuen Häusern, in denen 850 Kinder aufgenommen werden könnten, die Mittel in seiner Hand waren. Eine Ausgabe von ca. 100.000 Talern ist jährlich zum Unterhalt dieser Anstalten erforderlich, und alles das ist nur das Resultat seiner Gebete zu Gott; denn er hat mit aller Strenge sich nicht nur jeder Anleihe enthalten, sondern auch jeder direkten oder indirekten Bitte gegen Menschen, ja sogar jeder entfernten Andeutung seines Bedarfs. Nur zu Gott hat er seine Bitten und Gebete gerichtet, damit Gott allein dafür die Ehre und den Dank haben sollte; und sein Glaube an die Erhörung des Gebets ist noch niemals zu Schanden geworden. Es konnte daher mit Recht jener berühmte Prediger Spurgeon in London in seiner Predigt über Mark. 9, 23: „Wenn du kannst glauben, alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ ausrufen: „Da stehen diese großen Häuser zum Segen vieler tausend kleiner Kinder, zu denen die Gelder ohne Komitees und ohne Sekretäre zusammengekommen sind, nur durch die Gebete und den Glauben jenes Mannes; ein gewaltiges Zeugnis dafür, dass Gott Gebete erhört.“ - Wir könnten noch vieler einzelner Personen Erwähnung tun, eines Pastor Harms in Hermannsburg, Pastor Blumhardt in Boll, der Jungfer Trudel u. A., welche uns wunderbare Gebetserhörungen vor die Augen stellen.
Wir kennen jetzt das Gebiet, auf welchem wir die Erhörung unsrer Gebete zu erwarten haben, und wissen auch die Bedingungen, unter welchen Gott uns die Gewährung unsrer Bitten schenkt. Gott kann nicht nur auf die mannigfaltigste Weise Gebete erhören, sondern wir müssen vor allen Dingen unser Gebet ein solches sein lassen, wie Gott es verlangt, denn es bleibt immer ein hohes Gnadenrecht Gottes, dass wir zu Ihm beten dürfen. „So ihr in Mir bleibt, und Meine Worte in euch bleiben“, hat der Heiland gesagt, „mögt ihr bitten was ihr wollt.“ Das ist die Grundbedingung zu Seiner Verheißung. Sein Geist muss in uns zum Vater beten. In diesem Geiste erkennen wir uns vor allen Dingen als Sünder, und beten um Vergebung unsrer Sünden und um die Erlösung von denselben, und dann von allem Übel. Nur wenn wir in diesem Sinne zu dem heiligen Gotte beten, dürfen wir auch in Notzeiten auf Erhörung rechnen.
Viele Gebete aber finden keine Erhörung, weil die Menschen oft die törichtesten Wünsche vor Gott bringen statt der Gebete, von denen hier die Rede ist; ja, viele Menschen suchen nicht Gott, sondern versuchen Ihn, mit dem, was sie von Ihm fordern.
Wenn solche Gebete nicht erhört werden, so ist das kein Beweis, dass überhaupt Gebete nicht erhört würden. Vielmehr sagt das Wort Gottes es deutlich Jak. 4, 3: Ihr bittet und kriegt nicht, darum dass ihr übel bittet, nämlich dahin, dass ihr es mit euren Wollüsten verzehrt.“ Übel bittet Jeder, der nicht vor allen Dingen in seinem Gebete den lebendigen, heiligen, liebevollen, allwissenden Gott vor Augen hat, sondern nur an sich und seine Lüste und Begierden denkt, die er befriedigt sehen möchte. Ein solcher erhält nicht, was er bittet, denn in der Wirklichkeit ist es gar nicht der lebendige Gott, an den er sich wendet, sondern er sucht sich selbst. Gott aber ist ein heiliger Gott, der geheiligte Menschen will, deren Gebete für sie Heils- und Heiligungsmittel werden sollen. Denn Gott war in Christo, und hat sich in Ihm geoffenbart, der uns gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung, und Jesus konnte von Sich sagen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ - Wer im Gebets-Umgang mit Ihm steht, der wird über den Wundern in der Gebetserhörung demütig ausrufen: „Wie gar unbegreiflich und unerforschlich sind Seine Wege,“ und Ihm freudig die Ehre geben, die Ihm gebührt!
In einem solchen Umgang mit Gott hat Moses einst gestanden, von dem die Schrift berichtet, Gott habe mit ihm geredet, wie ein Freund mit dem Freunde redet, (2 Mos. 33, 11.) In solchem Umgange mit seinem himmlischen Vater stand der Eingeborne hier auf Erden, der Anfänger und Vollender unseres Glaubens, in solchem Umgange standen Abraham und die Patriarchen, Elias und die Propheten, Petrus und alle Apostel, und wer, wie sie erfahren hat, dass Gott sein Gebet erhört, der zweifelt nicht mehr daran, dass Gott Wunder tun kann, sondern hofft auf das größte aller Wunder, dass Gott die Sünde in ihm völlig überwinden, ihn einst rein und herrlich im Licht der Ewigkeit vor Sein Angesicht stellen werde, und dass dieser selbe Gott auch die ganze Menschheit zur Vollendung führen und in einer vollkommen geheiligten Gemeinde seine Wunderherrlichkeit abspiegeln werde. Mag bis dahin die Schlange ihm bisweilen ins Ohr raunen: Sollte Gott das gesagt haben? Er kennt den Versucher und lässt sich nicht vom Zweifel überwältigen, sondern hält fest an dem Glauben, dass der lebendige Gott, der Wunder tut, auch seine Gebete erhören kann und will und wird, und kommt deshalb allezeit mit Beten, Loben und Danken vor Gottes Angesicht und genießt die reichen Güter seines Hauses. Ps. 36, 9.
Jud. 4, 12. Gedenkt an Mose, den Diener des Herrn, der nicht mit dem Schwert, sondern mit heiligem Gebet den Amalek schlug, der sich auf seine Kraft und Macht, auf sein Heer, Schild, Wagen und Reiter verließ. Psalm 77, 12. Ich gedenke an die Taten des Herrn, ja, ich gedenke an deine vorigen Wunder. 5 Mose 4, 9. 32-40. 5 Mose 6, 20-25. 2 Mose 14, 15-31. 2 Mose 16. 5 Mose 8. Jes. 1, 2. 2 Mose 12, 37. 2 Mose 17, 4. 2 Mose 17, 10-14. 5 Mose 29, 1-6. 4 Mose 11, 21-32. Jes. 49, 15. Joh. 3, 16.