Die Gewissheit, dass Jesus Christus unser Heiland lebt.
Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns! Amen.
Apostelgeschichte 1,1-11.
Die erste Rede habe ich zwar getan, lieber Theophile, von allem dem, das Jesus anfing, beides zu tun und zu lehren, bis an den Tag, da er aufgenommen ward, nachdem er den Aposteln, (welche er hatte erwählt) durch den heiligen Geist Befehl getan hatte. Welchen er sich nach seinem Leiden lebendig erzeigt hatte, durch mancherlei Erweisungen, und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang, und redete mit ihnen vom Reich Gottes. Und als er sie versammelt hatte, befahl er ihnen, dass sie nicht von Jerusalem wichen, sondern warteten auf die Verheißung des Vaters, welche ihr habt gehört, sprach er, von mir. Denn Johannes hat mit Wasser getauft: Ihr aber sollt mit dem heiligen Geiste getauft werden, nicht lange nach diesen Tagen. Die aber, so zusammengekommen waren, fragten ihn, und sprachen: Herr, wirst du auf diese Zeit wieder aufrichten das Reich Israel? Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht zu wissen Zeit oder Stunde, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat; sondern ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfahen, welcher auf euch kommen wird; und werdet meine Zeugen sein zu Jerusalem, und in ganz Judäa und Samaria, und bis an das Ende der Erde. Und da er solches gesagt, ward er aufgehoben zusehends, und eine Wolke nahm ihn vor ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen gen Himmel fahrend, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Kleidern, welche auch sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr, und seht gen Himmel? dieser Jesus, welcher vor euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahrend.
Das, meine Geliebten, ist der Ausgang unseres Herrn aus dieser Welt. An demselben Orte, der einst Zeuge seiner tiefsten Erniedrigung gewesen war, vom Ölberg aus, an dem er zagend und zitternd im Staube gerungen hatte, kehrt er heim zu der Herrlichkeit seines Vaters, sichtbar wie im Triumph vor den Augen seiner erstaunten Jünger. Mit wie ganz anderen Empfindungen sahen sie ihm nach, als diejenigen waren, da ihnen der Herr seinen Hingang zuerst verkündigt hatte! Damals hieß es: „Nun gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat, und Niemand unter euch fragt mich: Wo gehst du hin? sondern weil ich Solches zu euch gesagt habe, ist euer Herz voll Trauerns geworden.“ Jetzt aber kehren sie fröhlich nach Jerusalem zurück, und auf dem Söller versammelt heben sie betend und preisend die Herzen zu ihm empor. Und mit ihnen hebt noch heute die ganze Christenheit aller Orten ihre Hände auf und bekennt anbetend, dass Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters. Denn Gott hat Jesum auferweckt von den Toten und hat ihn gesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alles Fürstentum, Gewalt, Macht, Herrschaft und Alles, was genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen und hat alle Dinge unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über Alles.
Dies ist es, was das heutige Fest uns aufs Neue in lebendige Erinnerung bringen will: dass Jesus Christus unser Heiland in der Herrlichkeit des Vaters lebt. Merkt wohl, Andächtige, wenn ich sage, dass Jesus Christus unser Heiland lebt, so meine ich damit denselben, der in Knechtsgestalt auf Erden gewandelt hat und am Kreuz für uns gestorben ist, und will also sagen, dass er eben als dieser, als der persönliche Gottmensch, beim Vater lebt, aber verklärt, mit der Herrlichkeit bekleidet, die er vor Grundlegung der Welt gehabt hat. Und von dieser erhebenden, trostreichen Gewissheit will ich heute zu euch reden. Nicht als ob ich sie zu erschöpfen gedächte, denn das ganze Christentum mit allen seinen Heilslehren, die ganze Kirche mit ihren Institutionen ruht auf dieser großen Wahrheit. Ich will vielmehr nur Einiges, was unserer heutigen Erbauung dienen möge, herausheben. Indem ich daher rede von der Gewissheit, dass Jesus Christus unser Heiland in der Herrlichkeit des Vaters lebt, sage ich: diese Wahrheit zeigt uns
erstlich die Würde und Bestimmung des menschlichen Geschlechts, sie verbürgt uns zweitens den Trost der Vergebung für unsere täglichen Sünden, auf ihr beruht drittens die Lebensgemeinschaft mit dem Erlöser, und viertens die Kraft der Sakramente, welche diese Lebensgemeinschaft stärken und den Menschen dem Ziele seiner Bestimmung entgegenführen.
Ihr tadelt uns Prediger oft, dass wir den Menschen so tief herabsetzen und so viel von der Schmach der Sünde reden, der unser Geschlecht verfallen ist. Wollte Gott, wir täten das mit größerem Nachdruck; denn in der Erkenntnis unseres tiefen Falles liegt der Anfang des Heiles, und alle Predigt von der Gnade bleibt umsonst, es sei denn der Boden dafür durch rechtschaffene Buße bereitet. Aber allerdings könnte man gar nicht reden von einer Entfremdung unseres Geschlechtes von Gott, wenn nicht der Mensch von Haus aus mit Gott verwandt und zur Gemeinschaft seines Lebens berufen wäre. So tief, wie er, kann nur eine Kreatur herabsinken, die auf der höchsten Stufe des Daseins gestanden ist. Und so haben wir denn selbst an der Schmach, die wir tragen, und an der Entstellung des Gottesbildes in unserer eigenen Brust ein Zeugnis von dem hohen Adel menschlicher Natur; aber freilich ein Zeugnis von einer verlorenen Herrlichkeit, und welches unsere Schuld nur in ein um so helleres Licht setzt. In Christo, dem Erhöhten, leuchtet hingegen diese Würde mit aufgedecktem Angesicht. Ihr wisst ja, Andächtige, dass dieser Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist, der Eingeborne vom Vater, der unser Fleisch und Blut an sich genommen hat und ein Glied unseres Geschlechtes geworden ist, und hat als Mensch auf Erden gewandelt und sein Blut vergossen zur Erlösung für Viele. Wie hoch er damit unser Geschlecht geehrt hat, dass er es nicht verschmähte, in ihm Wohnung zu machen, das erkennen wir Alle. Nun er aber sein Werk auf Erden vollendet hat und wieder heimkehrt zu dem, der ihn gesandt, nun legt er nicht etwa die Menschheit, die er von uns angenommen, wieder ab, lässt den Leib, in dem er am Kreuz für uns gestorben ist, das Haus seiner irdischen Wallfahrt, nicht im Staub zurück, sondern als Mensch geht er in seine Herrlichkeit ein. Mit ihren leiblichen Augen sehen ihn die Jünger sich zum Himmel erheben, mit ihren Blicken folgen sie ihm nach, bis ihn eine Wolke vor ihren Augen verbarg. Und dass er auch dort noch, obwohl dem Anschauen der Welt entzogen, lebt, fortlebt als erhöhter Menschensohn in der Herrlichkeit des Vaters, wer das bezweifelte, den erinnere ich erstlich an des Herrn eigenes feierliches Wort vor dem jüdischen hohen Rat: „Von nun an wird es geschehen, dass ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft;“ zweitens an die Wirkungen, die seitdem von ihm ausgegangen sind, an die Wunder und Zeichen, die da geschahen, an die Gründung der christlichen Kirche, an die Stiftung eines neuen Gemeinlebens, welches mit einem Male wie ein Garten Gottes aufblühte mitten in der alten ersterbenden Welt - und frage, ob das eines Toten und nicht vielmehr eines Lebendigen Werke sind? Wem aber das Alles nicht genügt, den verweise ich getrost auf den künftigen großen Tag, da er erfahren wird, was die Engel zu den Jüngern sagten: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr hier und seht gen Himmel? Dieser Jesus, welcher von euch aufgefahren ist gen Himmel, wird wieder kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.“ Die Verbindung, welche Gottes Sohn mit unserer Natur einging, da er ein Mensch ward, ist also keine vergängliche. Die Menschheit, in welcher Christus litt und starb, ist zur Miterbin seiner Herrlichkeit erhöht und so sitzt denn, dies ist der große Gedanke, der uns hier entgegentritt, so sitzt denn Einer unseres Geschlechtes auf dem Thron der Majestät im Himmel, so lebt denn Einer aus unserer Mitte, der Menschensohn als Gottessohn, Jesus Christus unser Heiland in der Herrlichkeit des Vaters, gestern und heute und derselbige auch in Ewigkeit. Daran aber haben wir ein Zeugnis von der hohen Würde menschlicher Natur, wie es kein anderes gibt; denn wahrlich höher als alle andere Kreatur, edler als Engel und Mächte muss die menschliche Natur sein, wenn Gott selber sie zum bleibenden Tempel seiner Herrlichkeit erwählt; göttlichen Geschlechtes, Bild des lebendigen Gottes muss sie sein, wenn der Eingeborne vom Vater, der Herr der Herrlichkeit, nicht verschmäht, fortan als Menschensohn zu leben und zu wirken. Darüber könnte man sich freuen, auch wo es uns nicht näher anginge, und wenn man betrübt geworden ist über die Schmach, die wir tragen, und über das Elend, darunter wir seufzen, wieder fröhlich werden in dem Gedanken, einem Geschlechte anzugehören, aus dessen Mitte wenigstens Einer zur göttlichen Herrlichkeit erhoben ist. Aber ich sage euch, meinen Brüdern, es gibt nichts in der Welt, was uns näher anginge, als dies. Denn dieser verklärte Menschensohn ist ja der Erstling seiner Brüder, der Herzog unserer Seligkeit, welchem gleich zu werden wir berufen sind. Verklärung in sein Bild ist das Ziel unseres Weges. Es ist dem Menschen gesetzt, bis zu der Höhe erhoben zu werden, zu welcher Christus unser Heiland vorangedrungen ist; eine Gemeinschaft mit Gott, wie sie vorbildlich in ihm besteht, und in dieser heiligen, seligen Gemeinschaft eine Teilnahme an der Gottesherrlichkeit, die er besitzt, das hat Er selber und es ist gut, dass wir solch eine göttliche Bestätigung haben; denn der Gedanke ist zu hoch, als dass wir ihn außerdem beim Blick auf unser Elend zu fassen vermöchten, aber Er hat das selber als seines Werkes Zweck und Ziel bezeichnet. Denn so spricht er in seinem hohepriesterlichen Gebet: „Und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir; auf dass sie vollkommen seien in eins und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und liebst sie, gleichwie du mich liebst. Vater ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, und dass sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast.“
Und so fasse ich denn dieses Wort meines Heilandes im Glauben, vergesse eine Weile das Elend dieser Zeit und ruhe fröhlich in dem Anschauen dieser verheißenen Herrlichkeit aus. Sind wir einmal dahin gekommen, liebe Brüder, dann ist sicherlich auch jede Hülle, die uns die Wahrheit verbürgt, gefallen, jede Sünde, die uns von dem Frieden Gottes scheidet, verschwunden, und wir leben in seliger Einheit des Willens und der Liebe mit Gott. „Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden, wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Aber was hilft mir das Ziel, das in göttlicher Klarheit vor mir steht, wenn mir die Kraft fehlt, es zu erreichen, wenn die Schuld und Sünde eine Scheidewand zwischen mir und meinem Gotte aufgerichtet hat, wenn meine täglichen Übertretungen mir den Zugang verwehren? Nicht nahen, ja nicht einmal das Auge aufheben kann ich zu dem Vater des Lichts. Aber Freunde, auch darüber gibt uns die Gewissheit, dass Jesus Christus unser Heiland in der Herrlichkeit des Vaters lebt, eine große Beruhigung. Denn ich sage
Und eines solchen Trostes bedürfen wir wohl; denn zwar hat der Herr in seinem Tode Versöhnung gestiftet, und diese Versöhnung umfasst die ganze Welt. Er hat mit seinem einmaligen Opfer, „in Ewigkeit vollendet, die da geheiligt werden“, er hat den Schuldbrief, der gegen uns zeugte, am Kreuz getilgt und Allen, die da kommen, den Zugang zur Gnade aufgetan. Das verbürgt uns das klare Wort der heiligen Schrift. - Aber des Menschen Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding. So lange es auf seiner eigenen Gerechtigkeit steht, fragt es weder nach Gnade noch nach Vergebung. Ist aber sein Trotz durch die göttlichen Gerichte gebrochen und dieser stolze Bau vor dem Zeugnis des göttlichen Gesetzes zusammengesunken, dann genügt es ihm nicht mehr zu wissen, dass die Versöhnung für Alle geschehen sei, es will Gewissheit haben, dass sie für jeden Einzelnen besonders vorhanden ist: dass sie mich angeht, dass sie mir angehört, dass sie für jede einzelne Sünde, für jede tägliche Übertretung aufs Neue mir zugeeignet wird, zugeeignet wird durch denselben Mittler zwischen Gott und Menschen, der sie gestiftet hat: das ist das Bedürfnis jedes aufrichtigen Christen.
Ich weiß wohl, dass ihrer Viele von diesem Verlangen nichts wissen, auch nichts davon wissen wollen, sondern es im besten Fall für eine Schwachheit erklären; aber für diese gibt es überhaupt kein Bedürfnis nach Erlösung. Hingegen wer Gott einmal als den Heiligen und ihm gegenüber die Sünde in ihrer Verwerflichkeit und Fluchwürdigkeit erkannt hat, wer ein Gefühl von der Schuld hat, die jede Übertretung des göttlichen Willens nach sich zieht, der braucht, um zum Frieden zu kommen, eines himmlischen Freundes, eines ihm erreichbaren Mittlers, ja eines menschlichen Bruders, der ihn zu dem Thron der Gnade führe, welchem er für sich selbst zu nahen nicht wagt, und den haben wir an unserem erhöhten Heilande. Dieser, sagt die Schrift, „dieser, darum, dass er ewiglich bleibt, hat ein unvergänglich Priestertum, daher er auch selig machen kann Alle, die durch ihn zu Gott kommen, und lebt immerdar und bittet für sie.“ Das aber ist kein leeres Wort, keine bloße bildliche Redensart, sondern es ist wirklich sein Geschäft im Himmel, uns bei seinem Vater zu vertreten, und jedem, der sein begehrt, den vollen Segen der Erlösung persönlich zuzuwenden. Dazu bewegt ihn die Liebe zu seinen Brüdern auf Erden. Denn er hat noch heute dasselbe treue, erbarmungsreiche Herz, das ihn dereinst bewogen hat, unser Fleisch und Blut an sich zu nehmen, dieselbige Liebe, in der er am Kreuz für unsere Sünden gestorben ist; ein Herz voll Teilnahme und heiligen Mitgefühles, weil er aus eigener Erfahrung unsere Schwachheit kennt und wohl weiß, wie es einer angefochtenen Seele unter der Last ihrer Sünden zu Mute ist. An ihn können wir uns also mit voller Zuversicht wenden: Er steht uns, obwohl er Gottes Sohn ist, doch als unser Bruder so nahe, dass wir getrost seine Gnadenhand fassen und nicht fürchten dürfen, er werde die unsrige von sich stoßen. Wahrlich Freunde, das brauchen wir nicht zu fürchten! denn es gilt noch heute das Wort, das er in den Tagen seines Fleischs geredet hat: „Wendet euch zu mir aller Welt Ende, so werdet ihr selig. Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen.“ Er ist noch fortwährend der Mittler zwischen Gott und Menschen, er bringt unser tägliches Vater Unser, unsere tägliche Bitte um Vergebung zum Vater, mit welchem er ewig eins ist, und der in ihm uns liebt und durch ihn uns erhört. Dass aber solche Vertretung kräftig und wirksam sei, dafür berufe ich mich auf Eure eigene Erfahrung, die Ihr gestern in der Beichte die Absolution empfangen habt; denn das ist eben die Gnade der Absolution, dass da der Herr Christus selber als himmlischer Hohepriester mit dem Bußfertigen persönlich handelt und ihm kraft des Amtes der Versöhnung zuruft: „Gehe hin im Frieden, deine Sünden sind dir vergeben.“ Und das ist der Friede, darin man mit dem Apostel sagen kann: „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht; wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferstanden ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst? oder Verfolgung? oder Hunger? oder Blöße? oder Fährlichkeit? oder Schwert? Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch eine Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem Herrn.“ Eben damit löst sich uns nun schon zum Teil das Bedenken, das wir vorhin erhoben, es möchten uns unsere täglichen Sünden den Zugang zu jenem Ziele verschließen, welches in Christo dem erhöhten Gottmenschen uns vorgestellt ist. Aber es ist noch ein Anderes, was uns mit dieser Gewissheit gegeben ist.
Es beruht darauf
Wenn wir nämlich sagten, dass uns derselbe beim Vater vertrete, so ist das nicht so gemeint, als richte sich seine Wirksamkeit nur nach Oben; sie richtet sich eben sowohl nach Unten, nämlich auf alle, die durch den Glauben mit ihm verbunden sind: und das wieder nicht so, als ob es eine bloße Einwirkung wäre, gleichsam aus weiter Ferne, sondern es ist eine wirkliche Gemeinschaft, in die er mit ihnen tritt und sie mit ihm. Denn er ist ja durch seine Auffahrt nicht so von den Seinen geschieden, dass dadurch sein Verkehr mit ihnen wäre abgebrochen worden; vielmehr ist er gerade dadurch ein recht inniger und naher geworden. Das hat er ihnen selber ausdrücklich zuvor bezeugt. Denn in seinen letzten Reden begnügt er sich nicht, den Jüngern zu verheißen, dass sie einst auch dahin kommen sollten, wo er ist, und dass sie seine Herrlichkeit sehen sollten; auch jetzt schon will er zu ihnen kommen: „Ich will Euch, spricht er, nicht Waisen lassen, ich komme zu Euch. Über ein Kleines, so werdet Ihr mich nicht sehen, und abermal über ein Kleines, so werdet Ihr mich sehen, und Eure Freude soll Niemand von Euch nehmen.“ Und wiederum: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“ Ist nun gleich dieses Kommen kein sichtbares, sondern ein geistiges, so ist es doch ein wirkliches, persönliches Kommen, und begründet zwischen ihm und den Seinigen einen persönlichen Lebensverkehr, ein Verhältnis, da man zu ihm wie ein Freund zum anderen steht und die seligsten Erfahrungen von seiner Treue und Gnade macht. Das wird nun freilich den Meisten unter euch wie ein Rätsel klingen und Etlichen wie eine Torheit; aber wir können euch Zeugen stellen, unverwerfliche Zeugen, die das bestätigen. Da ist erstlich der Herr Christus selbst, welcher nach seiner Auffahrt dem einen seiner Jünger auf dem Wege nach Damaskus erschienen ist und ihn aus einem Feinde seines Namens zu einem Rüstzeug seiner Gemeinde gemacht hat, den anderen aber seine Herrlichkeit also geoffenbart hat, dass, als er den Herrn sah, er zu seinen Füßen fiel, wie ein Toter; und Er sprach zu ihm: „Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot und siehe, ich bin lebendig geworden und lebe.“ Da ist ferner der Apostel Paulus, der schreibt an die Galater: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir; denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich gegeben hat.“ Da ist Johannes, der sagt in seinem ersten Briefe: „Daran merken wir, dass wir in ihm bleiben und er in uns, dass er uns von seinem Geist gegeben hat.“ Und wer von euch die Schriften und das Leben der frommen Gottesmänner unserer Kirche kennt, unseren Luther, unseren Melanchthon, unseren Johann Gerhard, unseren Spener, das wahre Christentum von Arndt, den Seelenschatz von Scriver, und wie sie alle heißen - dem muss doch jedenfalls eine Ahnung davon aufgegangen sein, dass diese Menschen ein verborgenes Leben mit Christo führten, ein Leben, dessen innerstes Wesen das Wort des Erlösers bezeichnet: „Ich kenne die Meinen und bin bekannt den Meinen“; eine Ahnung davon, dass diese Leute den Sinn und das Herz ihres Heilands so wohl verstanden, wie ein Kind das Herz seines Vaters, und wussten, wes sie zu seiner Liebe und Treue in allen Lagen ihres Lebens sich versehen durften, und wurden von seinem Geiste erinnert und gestraft, wenn sie strauchelten, in der Anfechtung getröstet, in der Schwachheit gestärkt, und wenn sie beteten, erhört über Bitten und Verstehen. Dass nun aber solch ein vertrauter Umgang mit dem Herrn den heilsamsten Einfluss auf das innere Leben üben muss, das liegt wohl klar am Tage. Denn wenn schon der Verkehr mit edlen Menschen immer etwas Bildendes und Förderndes hat, wie vielmehr die lebendige Gemeinschaft mit Christo, dem heiligen und barmherzigen Heiland? Wie sollte denn auch vor seiner Nähe und vor seinem Alles durchschauenden Blicke die Heuchelei und Lüge in einem Menschen aufkommen oder die Gemeinheit der Sünde bestehen können? Wird nicht vielmehr die tägliche Erfahrung seiner Liebe eine heilige Scheu nicht nur vor den Werken, sondern auch vor den Lüsten des Fleischs erzeugen, eine zarte Gewissenhaftigkeit, die sich auch vor dem leisesten unreinen Gedanken scheut, und eine Treue im Kleinen, die auf alle Winke und Gnadenzüge des Herrn achtet? Wird sich nicht im Verkehr mit ihm wie von selbst ein tiefer sittlicher Ernst bilden und vor Allem jene innige Gegenliebe, deren Art es ist, in hingebender Selbstverleugnung nicht das Ihre zu suchen, nicht sich selber zu leben, sondern allein dem, der für uns gestorben und auferstanden ist? Und wenn gleich die Schönheit dieses in Gott verborgenen Lebens nicht vor den Augen der Welt sich zeigt, an den Früchten, die es nach Außen treibt, an den Werken, die es bringt, lässt sich doch sein Vorhandensein wohl erkennen. Schauet die Gottesmänner an, die ich droben nannte, ihren Wandel und ihre Werke, so könnt Ihr Euch leicht davon überzeugen.
Mögen nun auch Viele unter uns sein, die davon noch nicht die geringste Erfahrung haben, schon der Gedanke, dass es eine persönliche Lebensgemeinschaft mit Christo gibt, könnte ihnen jedenfalls zu der Erkenntnis verhelfen, dass es bei ihnen noch ganz am wahren Christentum fehle, dass das, was sie bisher ihren Glauben nannten, nichts als ein äußeres Wissen, ein gelehrtes oder ein gelerntes, sei, ja dass sie in Wahrheit noch keinen Heiland haben; denn den Heiland hat man nur dann, wenn man in wirklicher Gemeinschaft mit ihm steht. Und auch das wäre eine heilsame Frucht. Aber jene Wahrheit führt uns sogleich noch weiter und löst uns die andere Seite des obigen Bedenkens. Denn wir sehen jetzt, dass das Ziel unserer Berufung doch nicht so unerreichbar und die Kluft zwischen uns und ihr doch nicht so unendlich ist, als es uns vorher schien, weil derjenige, der in der Höhe und im Heiligtum wohnet, sich selbst zu uns herablässt, um die Verbindung mit sich schon hier wieder anzuknüpfen im Glauben und in der Liebe. Und das ist der Anfang jener Gottesgemeinschaft, welche allmählich, aber sicher der Vollendung entgegenreift. Um jedoch zu reifen, bedarf sie der fortwährenden Nahrung und Stärkung. Die Mittel aber, durch welche solche Stärkung uns zufließt, sind Wort und Sakrament. Und damit sind wir zu dem letzten Punkt unserer Betrachtung gekommen; denn, sagten wir: auf der Wahrheit, dass Jesus Christus lebt, beruht
In den Sakramenten, welche der Herr seiner Kirche zur Verwaltung übergeben hat, vollzieht sich nämlich nicht bloß eine äußerliche Zeremonie, sondern es handelt da Christus in Person mit den Seinigen. Er ist es selbst, der den Menschen durch die Taufe in die Gemeinschaft seines Reiches versetzt, im Abendmahl in dieser Gemeinschaft ihn stärkt. Und was er im Sakrament uns gibt, ist wieder nichts Anderes als sein Selbst: sein Geist, der Geist des verherrlichten Gottmenschen, den er in der Taufe als einer Kraft der Wiedergeburt uns schenkt; die Fülle seines gottmenschlichen Lebens, die er im Abendmahl uns darreicht. „Nehmt hin und esst: das ist mein Leib, der für Euch gegeben wird, nehmt hin und trinkt, das ist mein Blut, das für Euch und für Viele vergossen ist zur Vergebung der Sünden!“ Welcher Segen in diesem teuren Sakramente liegt, das will ich jetzt nicht näher entwickeln, da wir hernach, so Gott will, zum Teil selber erfahren werden, was der Herr gesagt hat: „Ich bin das lebendige Brot, auf dass, wer von diesem isst, nicht sterbe; und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich gebe für das Leben der Welt. Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage. Denn mein Fleisch ist die rechte Speise und mein Blut ist der rechte Trank; wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der bleibt in mir und ich in ihm.“
Ihr seht, Andächtige, es fehlt nicht an ihm. Er reicht uns selber die Hand, um uns zu dem Ziel hinzuführen, zu welchem wir berufen sind, nämlich zur Gemeinschaft mit sich und seinem Vater. Er hat Versöhnung gestiftet durch sein Blut am Kreuz, er vertritt uns noch heute bei Gott. Er kommt im Geiste zu uns hernieder und macht Wohnung in Allen, die ihn aufnehmen durch den Glauben. Er teilt sich uns selber mit in Wort und Sakrament. Was bedürfen wir mehr!
Mitten in der Wüste dieser Welt, durch die unsere Wallfahrt hindurch führt, Manna vom Himmel und Quellen lebendigen Wassers, und an der Quelle der Herr mit dem Zuruf: „Wen da dürstet, der komme und wer da will, der komme und nehme das Wasser des Lebens umsonst!“ Wie weit also auch das Ziel noch entfernt sei, das uns gesetzt ist, wie groß unsere Armut und Schwachheit, wie schwer der Weg und wie heiß der Kampf, - es ist doch nur unsere Schuld, wenn wir des Zieles verfehlen, wenn wir in der Wüste dieses Lebens dürr und erstorben bleiben; es liegt lediglich an unserer Trägheit und Lauheit, an unserem Unglauben, und an unserer Gleichgültigkeit gegen die Mittel der Gnade. Denn in Christo ist uns beides zumal gegeben, das Leben und der Weg, der zum Leben führt.
O, meine Geliebten, so sei denn das fortan unsere erste Sorge, dass wir Ihn suchen, dieweil er zu finden ist, aber da ihn suchen, wo er sich finden lassen will: im Wort und Sakrament; das unsere Arbeit, dass wir immer mehr uns hineinleben in die Gemeinschaft seines Lebens im Glauben und in der Liebe. Und weil wir doch das aus eigenen Kräften nicht vermögen, so beuge ich meine Knie gegen den Vater unseres Herrn Jesu Christi, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er Euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, Christum zu wohnen durch den Glauben in Euren Herzen und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden; auf dass Ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite, und die Länge, und die Tiefe, und die Höhe; auch erkennen, dass Christum lieb haben, viel besser ist, denn alles Wissen, auf dass ihr erfüllt werdet mit allerlei Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen nach der Kraft, die da in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeine, die in Christo Jesu ist, zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.