1. Es ist nicht schwer, menschlichen Trost zu verachten, wenn göttlicher da ist.
Aber groß und sehr groß ist es, sowohl menschlichen als göttlichen Trostes entbehren zu können und zur Ehre Gottes die Verbannung des Herzens gern ertragen zu wollen; und in nichts sich selber zu suchen, noch auf eigenes Verdienst zu sehen.
Was ist es so Großes, wenn du heiter und ergeben bist zum Annähern der Gnade? Allen ist dieß eine erwünschte Stunde.
Gar sanft fährt der, den die Gnade Gottes trägt.
Und was Wunder, wenn der keine Last fühlt, der getragen wird von dem Allmächtigen und geleitet von dem höchsten Führer?
2. Wir haben doch gern etwas zum Troste und schwer entäußert der Mensch sich selbst ganz.
Der heilige Blutzeuge Laurentius sammt seinem Priester überwand die Welt, weil er Alles, was in der Welt ergötzlich schien, verschmähte und es aus Liebe zu Christo mit Geduld ertrug, daß Gottes höchster Priester, Sixtus, den er überaus lieb hatte, auch von ihm genommen ward.
Aus Liebe zum Schöpfer überwand er also die Liebe zum Menschen und statt menschlichen Trostes wählte er lieber das göttliche Wohlgefallen.
So lerne auch du einen Verwandten oder lieben Freund aus Liebe zu Gott missen.
Und nimm es nicht zu schwer, wenn dich ein Freund verläßt, da du ja weißt, daß wir uns Alle endlich von einander trennen müssen.
3. Viel und lange muß der Mensch in seinem Innern kämpfen, bevor er lernt, sich selbst vollkommen besiegen und sein ganzes Herz auf Gott richten.
Wenn der Mensch auf sich selbst sieht, gleitet er leicht zu menschlichen Tröstungen herab. – Aber der ächte Liebhaber Christi und eifrige Tugendfreund verfällt nicht auf solche Tröstungen und sucht nicht solche sinnliche Erquickungen, sondern will lieber harte Uebungen und schwere Arbeiten um Christi willen ertragen.
4. Wenn dir daher geistlicher Trost von Gott gewährt wird, so nimm mit Dank an, aber bekenne, daß er ein Geschenk Gottes ist, nicht dein Verdienst.
Doch überhebe dich nicht, freue dich nicht allzu sehr, noch bilde dir darauf etwas ein; sondern sei nur um so demüthiger wegen des Geschenks und vorsichtiger, denn jede Stunde wird vorübergehen und Anfechtung folgen.
Wenn dir der Trost entzogen wird, so verzweifle nicht sogleich, sondern mit Demuth und Geduld erwarte die himmlische Heimsuchung; denn Gott ist mächtig, dir noch reichlicheren Trost wieder zu schenken.
Dieß ist denen, die Gottes Wege erfahren haben, gar nichts Neues, noch Fremdes, weil bei den großen Heiligen und bei den alten Propheten oft solcher Wechsel wahrgenommen wird.
5. Darum sagte Einer (Ps. 29,7.), der gerade im Genusse der Gnade stand: “Ich sprach in meinem Ueberflusse, ich werde nicht wanken in Ewigkeit.“
Was er aber, da die Gnade fern war, in sich erfuhr, bekennt er gleich darauf in folgenden Worten: “Du hast dein Angesicht von mir abgewendet und ich bin erschüttert worden.“ (Ps. 29,8.)
Dennoch verzweifelt er nicht, sondern betet nur um so inständiger und spricht: “Zu dir, Herr, will ich rufen und zu meinem Gott will ich flehen.“ (Ps. 29,9.)
Zuletzt erlangt er die Frucht seines Gebetes und bezeugt, daß er erhört ward, mit den Worten: “Der Herr hat gehört und hat sich meiner erbarmet; der Herr ist mein Helfer geworden.“ (Ps. 29,10.)
Aber worin? “Verwandelt“, spricht er, “hast du mein Weinen mir in Freude und hast mich umgeben mit Wonne!“ (Ps. 29,11.)
Wenn es also geschehen ist mit großen Heiligen, so dürfen wir Armen und Schwachen nicht verzweifeln, wenn wir bisweilen eifrig und bisweilen kalt sind; denn der Geist kommt und geht wieder nach seinem Wohlgefallen.
Deßwegen sagt der selige Hiob (Kap. 7,18.): “Du suchest ihn heim am Morgen und prüfest ihn unversehens.“
6. Worauf kann ich also hoffen oder auf was kann ich vertrauen, als allein auf die große Barmherzigkeit Gottes und allein auf die Hoffnung der himmlischen Gnade?
Denn mögen auch gute Menschen, oder fromme Brüder, oder treue Freunde, oder heilige Bücher, oder schöne Abhandlungen oder liebliche Gesänge und Hymnen da sein: so hilft doch das Alles nur wenig und gewährt geringen Trost, wenn ich der Gnade ermangele und meiner eigenen Armuth überlassen bin.
Dann gibt es kein besseres Mittel, als Geduld und gänzliche Selbstentäußerung mit der Hingabe an Gott.
7. Noch nie habe ich Einen so fromm und gottselig gefunden, daß er nicht zu weilen einen Abgang der Gnade gehabt oder eine Verminderung seines Eifers gespürt hätte.
Kein Heiliger war je so hoch entzückt oder erleuchtet, daß er nicht früher oder später versucht worden wäre.
Denn Keiner ist der Anschauung Gottes würdig, der nicht um Gottes willen geübt ward in Trübsal.
Denn die vorausgehende Versuchung pflegt ein Zeichen der nachfolgenden Tröstung zu sein.
Nur dem in Versuchungen Bewährten wird himmlischer Trost verheißen. “Wer überwindet“, spricht der Herr, “dem werde ich zu essen geben vom Holze des Lebens.“ (Offenb. 2,7.)
8. Der göttliche Trost aber wird darum gegeben, daß der Mensch stärker sei, Widerwärtigkeiten zu ertragen.
Auch folgt die Versuchung, damit er sich des Guten nicht überhebe.
Der Teufel schläft nicht und das Fleisch ist noch nicht todt; darum laß nicht ab, dich zum Kampfe zu rüsten: denn zur Rechten und zur Linken sind Feinde, die nimmer ruhen.