1. Wir dürfen uns selbst nicht zu viel trauen, weil uns oft die Gnade und das Verständniß abgeht!
Nur ein schwaches Licht ist in uns, und das verlieren wir schnell durch Nachlässigkeit.
Oft merken wir gar nicht, daß wir innerlich so blind sind.
Oft handeln wir schlimm und entschuldigen uns noch schlimmer.
Zuweilen treibt uns Leidenschaft und wir halten es für Eifer.
Kleine Fehler an Andern tadeln wir und die größeren an uns bemerken wir kaum.
Schnell genug fühlen und erwägen wir, was wir von Andern zu leiden haben; aber was Andere von uns erdulden müssen, beachten wir nicht.
Wer das Seine wohl und recht erwäge, der würde keine Ursachen haben, einen Andern so streng zu richten.
2. Der innerliche Mensch stellt die Sorge für sich selbst allen Sorgen voran und wer sich selbst sorgfältig beobachtet, der wird leicht von Andern schweigen.
Du wirst niemals innerlich und fromm sein, wenn du nicht über fremde Angelegenheiten schweigest und insbesondere auf dich selbst siehst.
Wenn du dein Augenmerk ganz auf dich und Gott richtest, so wird dich wenig bewegen, was du außer dir wahrnimmst.
Wo bist du, wenn du nicht bei dir selbst bist? Und wenn du Alles durchlaufen hast, was hast du gewonnen, wenn du dich dabei aus dem Auge verlorst?
Wenn du Frieden haben willst und wahre Einigkeit, so mußt du Alles hintansetzen und dich allein vor Augen haben.
3. Somit wirst du viel gewinnen, wenn du dich frei erhältst von jeder zeitlichen Sorge.
Viel verlieren wirst du, wenn du auf etwas Zeitliches Werth legst.
Nichts sei dir groß, nichts hoch, nichts angenehm, nichts willkommen, denn Gott allein oder was von Gott ist.
Halte Alles für eitel, was dir immer für Trost von irgend einer Kreatur kommt.
Die Gott liebende Seele schätzt Alles, was unter Gott ist, gering.
Gott allein, der Ewige und Unermeßliche, der Alles erfüllt, ist der Seele Trost und des Herzens wahre Freude.