Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 41

Von der Verachtung aller zeitlichen Ehre.

1. Sohn! nimm es dir nicht zu Herzen, wenn du siehst, daß Andere geehrt und erhoben werden, du aber verachtet und erniedriget wirst.

Erhebe dein Herz zu mir in den Himmel, so wird dich die Verachtung der Menschen auf Erden nicht betrüben.

Herr! wir sind in Blindheit und werden von der Eitelkeit schnell verlockt.

Wenn ich mich recht betrachte, so ist mir noch nie von irgend einer Kreatur Unrecht geschehen; darum kann ich mich auch mit Recht nicht gegen dich beklagen.

2. Weil ich aber oft und schwer gegen dich gesündiget habe, so waffnet sich mit Recht jede Kreatur gegen mich.

Mir also gebührt nach aller Gerechtigkeit Schmach und Verachtung, dir aber Lob, Ehre und Ruhm.

Und wenn ich mich nicht darauf vorbereite, daß ich willig von jeder Kreatur verachtet und verlassen, ja gänzlich für nichts gehalten werden wolle: kann ich den innern Frieden und die rechte Festigkeit des Herzens nicht erlangen, im Geiste nicht erleuchtet und nicht vollkommen mit dir vereinigt werden.