Daß man Gottes Wort demüthig hören soll und daß Viele es nicht erwägen.
1. Höre, Sohn, meine Worte, Worte voll Lieblichkeit, die alle Wissenschaft der Philosophen und der Weisen dieser Welt weit übertreffen.
Meine Worte sind Geist und Leben und nicht nach menschlichem Sinne zu erwägen. Du darfst sie nicht zur eiteln Ergötzung mißbrauchen, sondern mußt sie schweigend anhören und mit aller Demuth und großer Begierde aufnehmen.
Und ich sprach: „Selig ist, den du unterweisest, o Herr, und den du belehrest von deinem Gesetze, daß du ihm Linderung gewährest in bösen Tagen und er nicht trostlos sei auf Erden.“ (Ps. 93,12.)
2. Ich, spricht der Herr, habe gelehret die Propheten von Anfang an, und bis auf diesen Tag laß ich nicht ab, zu Allen zu reden; aber Viele sind für meine Stimme taub und verstockt.
Die Meisten hören die Welt lieber, als Gott; sie folgen lieber den Gelüsten ihres Fleisches, als dem Willen Gottes.
Die Welt verheißt Zeitliches und Geringes, und man dienet ihr mit großer Begier; ich verheiße das Höchste und Ewiges und die Herzen der Menschen bleiben starr.
Wer dienet und gehorchet mir in allen Stücken mit solcher Sorgfalt, wie man der Welt und ihren Herren dienet.
Schäme dich, Sidon, spricht das Meer. Und wenn du nach dem Grunde fragst, so höre, warum?
Um eine mäßige Pfründe läuft man einen weiten Weg, um des ewigen Lebens willen heben Viele kaum einmal den Fuß auf.
Einen geringen Vortheil sucht man; um ein einziges Stück Geld streitet man sich bisweilen auf die schändlichste Weise; um ein eitles Ding und ein kleines Versprechen scheuet man nicht, sich Tag und Nacht abzumühen.
3. Aber, o Schande! Für ein unwandelbares Gut, für ein unschätzbares Kleinod, für die höchste Ehre und für endlose Herrlichkeit sich nur ein wenig anzustrengen, dazu ist man zu faul und träge. Schäme dich also, du fauler und mürrischer Knecht, daß die Weltkinder bereitwilliger sind in ihrem Verderben, als du zum Leben!
Jene freuen sich mehr der Eitelkeit, als du der Wahrheit.
Allerdings werden sie manchmal von ihrer Hoffnung betrogen; aber meine Verheißung täuscht keinen, noch läßt sie den, der mir trauet, leer von sich.
Was ich verheißen habe, werde ich geben; was ich zugesagt habe, werde ich erfüllen, sofern Einer bis an’s Ende getreu verharret in meiner Liebe.
Ich bin’s, der die Guten belohnt und die Frommen streng prüfet.
4. Schreibe meine Worte in dein Herz und erwäge sie fleißig; denn zur Zeit der Versuchung werden sie dir sehr nöthig sein.
Was du nicht verstehest, da du es liesest, das wirst du am Tage der Heimsuchung deutlich erkennen.
Auf zwiefache Art pfleg’ ich meine Auserwählten heimzusuchen, durch Prüfung nämlich und durch Tröstung.
Und zweimal nehm’ ich sie täglich in die Schule, einmal, daß ihr ihre Fehler strafe, das andermal, daß ich sie zum Wachsthum in den Tugenden ermuntere.
Wer meine Worte hat und verachtet sie, der hat Einen, der ihn am jüngsten Tage richten wird.
Gebet um die Gnade der Andacht.
5. Herr, ein Gott, all mein Gut bist du! Und wer bin ich, daß ich mich unterstehe, mit dir zu reden?
Ich bin dein allerärmster Knecht und ein verächtlich Würmlein, ja noch viel ärmer und verächtlicher, als ich weiß und aussprechen kann.
Gedenke doch, o Herr, daß ich nichts bin, nichts habe und nichts vermag.
Du allein bist gut, gerecht und heilig; du vermagst Alles, du gewährst Alles, du erfüllest Alles und lässest nur den Sünder leer.
Gedenke deiner Erbarmungen und erfülle mein Herz mit deiner Gnade, der du nicht willst, daß deine Werke leer seien.
6. Wie kann ich aushalten in diesem elenden Leben, wenn mir nicht deine Gnade und Barmherzigkeit Stärke verleiht?
Wende dein Antlitz nicht von mir; schiebe deine Heimsuchung nicht auf; entziehe mir nicht deinen Trost; damit meine Seele nicht werde vor dir wie Erdreich ohne Wasser. Herr, lehre mich thun deinen Willen, lehre mich würdig und demüthig vor dir wandeln; denn du bist meine Weisheit, der du mich in Wahrheit kennest und gekannt hast, bevor die Welt ward und bevor ich in der Welt geboren wurde.