Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 25

Worin der beständige Friede des Herzens und das Wachsthum im Guten besteht.

1. Sohn! ich habe gesagt: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch;, nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.“ (Joh. 14,27.)

Frieden begehren Alle; aber was zum wahren Frieden gehört, dafür sorgen nicht Alle.

Mein Friede ist nur bei denen, die demüthig und von Herzen sanftmüthig sind. Dein Friede wird sein in vieler Geduld. Wenn du mich hörest und meiner Stimme folgst, so wirst du viel Frieden genießen können.

Was soll ich also thun, o Herr?

In Allem habe Acht auf dich, was du thust und was du redest, daß du mir allein gefallest und außer mir nichts begehrest oder suchest.

Aber auch über Anderer Reden oder Handlungen sollst du nicht freventlich urtheilen, noch dich in Dinge mischen, die dich nichts angehen und dann mags geschehen, daß du wenig oder selten beunruhiget wirst.

2. Niemals aber einige Unruhe fühlen, noch irgend eine Beschwerde des Herzens oder des Körpers dulden: das ist nicht der gegenwärtigen Zeit, sondern der ewigen Ruhe Stand.

Wähne also nicht, du habest den wahren Frieden gefunden, wenn du keine Beschwerde fühlst; noch, dann sei Alles gut, wenn du mit keinem Widersacher zu schaffen hast; oder, das sei Vollkommenheit, wenn Alles dir nach Wunsch und Willen geht.

Halte dich auch dann nicht für etwas Großes oder für besonders geliebt, wenn du dich von Andacht und Süßigkeit erfüllt fühlst; denn daran wird der ächte Liebhaber der Tugend nicht erkannt, noch bestehet darin des Menschen Fortschritt und Vollkommenheit.

Worin denn, o Herr?

Darin, daß du dich von ganzem Herzen dem Willen Gottes hingibst, nicht suchend, was dein ist, weder im Kleinen, noch im Großen, weder in der Zeit, noch in der Ewigkeit: also, daß du gleichmüthig in Danksagung verharrest bei Glück und Unglück, indem du Alles auf gleicher Wage wägest.

Bist du so stark und beharrlich in der Hoffnung geworden, daß du, selbst wenn der innere Trost dir entzogen ist, dein Herz bereitet hast, auch noch Schwereres zu ertragen, und rechtfertigest du dich nicht, als solltest du dieß und so viel nicht leiden dürfen; sondern erkennest mich für gerecht in allen Fügungen und preisest mich als heilig; dann wandelst du auf dem wahren und geraden Wege des Friedens und darfst ganz sicher hoffen, daß du mit Jauchzen mein Antlitz wieder erblicken wirst.

Ja, wenn du es bis zur vollkommenen Verschmähung deiner selbst gebracht hast, so wisse, daß du dann so überschwänglichen Frieden haben wirst, als es dein Pilgerleben möglich macht.