Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 23

Von vier Stücken, die großen Frieden bringen.

1. Sohn! ich will dich jetzt den Weg des Friedens und der wahren Freiheit lehren. Thue, Herr, wie du sagst; denn das ist mir angenehm zu hören.

I. Befleißige dich, Sohn! lieber eines Andern Willen zu thun als deinen eigenen.

II. Zieh es stets vor, weniger als mehr zu haben.

III. Suche immer den untersten Platz und unterwirf dich gern Andern.

IV. Wünsche allezeit und bete, daß der Wille Gottes vollkommen in dir geschehe!

Siehe, ein solcher Mensch gelangt in das Land des Friedens und der Ruhe.

2. Herr, diese deine Rede ist kurz, aber sie begreift viel Vollkommenheit in sich.

Arm ist sie an Worten, aber voll Sinn und reich an Frucht.

Denn wenn ich sie treulich zu bewahren vermöchte, so dürfte in mir nicht so leicht Unruhe entstehen.

Denn so oft ich mich unzufrieden und gedrückt fühle, finde ich, daß ich von dieser Lehre abgewichen.

Du aber, der du Alles vermagst und an der Besserung des Herzens Wohlgefallen hast, verleihe mir noch mehr Gnade, damit ich dein Wort erfüllen und mein Heil vollenden könne.

Gebet wider böse Gedanken.

3. Herr, mein Gott! weiche nicht von mir. Mein Gott! siehe auf mich, mir zu helfen, denn vielerlei Gedanken haben sich in mir erhoben und große Schrecken ängstigen meine Seele!

Wie soll ich unverletzt durchkommen, wie sie bewältigen?

Ich, spricht der Herr, will vor dir hergeben und die Ruhmredigen der Erde niederschmettern! Ich will die Thüren des Gefängnisses aufthun und die verborgenen Geheimnisse dir offenbaren.

Thue, Herr! wie du sagst; und weichen werden vor deinem Angesicht alle bösen Gedanken.

Das ist meine Hoffnung und mein einziger Trost, zu dir in jeder Trübsal zu flüchten, dir zu vertrauen, dich von Herzensgrund anzurufen und deinen Trost mit Geduld zu erwarten.

Gebet um Erleuchtung.

4. Erleuchte mich, o gütigster Jesus! mit der Klarheit des innern Lichtes und nimm aus meinem herzen alle Finsterniß. Wehre den vielen Zerstreuungen und ersticke die Versuchungen, die mir Gewalt anthun.

Streite du für mich und bezwinge die wilden Thiere, nämlich die lockenden Begierden, damit Friede werde durch deine Kraft und dein Lob überschwänglich erschalle in der geheiligten Stätte, dem reinen Gewissen.

Gebiete den Winden und den Stürmen; sprich zum Meere: Sei still! und zum Nordwind: Lege dich! und es wird große Stille sein.

5,. Sende aus dein Licht und deine Wahrheit, daß sie leuchten über die Erde; denn ich bin Erde, wüst und leer, bis du mich erleuchtest.

Gieße aus Gnade von oben herab; befeuchte mein Herz mit Himmelsthau; thue die Brunnen der Andacht auf, zu bewässern das Antlitz der Erde, damit sie hervorbringe gute und beste Frucht.

Erhebe mein von Sündenlast zu Boden gedrücktes Gemüth und lege all mein Sehnen und Verlangen auf das Himmlische, damit es mir, wenn ich das Liebliche überirdischer Seligkeit gefunden, ekle, an Irdisches zu denken.

6. Ziehe mich, und reiße mich los von allem vergänglichen Trost der Kreaturen; denn kein geschaffenes Ding vermag mein Verlangen ganz zu stillen und zu befriedigen.

Verbinde mich mit dir durch das unlösbare Band der Liebe, denn du allein genügst dem Liebenden und ohne dich ist alles Tand.