Evang. Matth. 18, 22 - 35.
Petrus hat einmal die Frage an den Heiland gestellt: Herr, wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? ist's genug siebenmal? Jesus sprach zu ihm: Nicht nur siebenmal, sondern siebenzigmal siebenmal, das heißt: unzähligemal, so oft es ihn reut und er abbittet und Vergebung will, die man nie versagen darf, weil wir ja bitten: „Vergieb, wie wir vergeben.“ Da wir nun unzähligemal Vergebung von Gott begehren müssen bei unserer täglichen Gebrechlichkeit, so ist es ja auch nothwendig, daß wir Andern gewähren, was wir von Gott für uns begehren und nöthig haben, wenn wir anders selig werden wollen.
Um dieser Frage willen machte der Heiland ein Gleichnis um es dem Petrus und Allen recht klar zu machen, wie Er es in Seinem Reiche haben will. Er sprach:
Darum ist das Himmelreich gleich einem Könige, der mit seinen Knechten rechnen wollte. Es geht im Reiche Gottes, in Christo, wie in der Welt; wie ein Herr, der Knechte hat, von Zeit zu Zeit mit ihnen abrechnet, so unser Herr mit uns. Er hält uns unsere Schulden vor, führt uns in's Gewissen, und zeigt uns den Schuldbrief. Die Sünden fallen Einem auf's Herz, und da geht's denn, wie es in dem Gleichnisse der Heiland darstellt.
Als er anfing zu rechnen, kam ihm einer vor, der zehntausend Pfund (Talent) schuldig war. Das war eine ungeheure Summe für einen armen Knecht. Ein Talent, wie es im Griechischen heißt, war verschieden, bald gegen sieben hundert und fünfzig, bald fünfzehn hundert Thaler. Wenn der liebe Gott unsere Sünden zählt und wägt, so kommen viel mehr heraus und sind ungleich schwerer, als Silber und Gold, Thaler und Pfund, so daß der Frömmste sagen muß: Herr, meine Sünden sind mehr als der Sand am Meere. Wenn Du Sünde zurechnest, wer wird bestehen? ich kann Dir auf tausend nicht Eins antworten. Das war also wohl ein liederlicher Knecht, der so viel Schulden machte, die er ewig nicht abverdienen oder bezahlen konnte. Sind wir besser? Können wir unsere Sünden-Schulden bei Gott je abverdienen oder bezahlen? womit? wodurch? da ist nicht, der gerecht ist, Keiner, auch nicht Einer. Alle sind abgewichen und mangeln des Ruhms (der Schuldenfreiheit), den sie an Gott haben sollen. Das Dichten und Trachten der Menschen ist böse von Jugend an. Die Gerechtigkeit der Gerechten und Propheten ist, nach ihrem eignen Geständniß, ein beflecktes Tuch. Jes. 64, 6. Wie viel Schulden giebt das? Wer kann sie zählen, geschweige bezahlen?
Da er's nun nicht hatte zu bezahlen, hieß der Herr verkaufen ihn und sein Weib und seine Kinder und Alles, was er hatte, daß es bezahlt würde. Das scheint hart, aber der Herr hat nachher bewiesen, daß er nicht hart, sondern sehr barmherzig war, und daß er so handeln mußte, um den liederlichen, leichtsinnigen Knecht zur Erkenntniß zu bringen und zu demüthigen. Schnelle Vergebung hätte ihn gewiß noch schlechter gemacht. So wird mancher Sünder hart gequält um seiner Sünden willen; er muß mit Todesangst und Verzweiflung ringen; wie selbst David bekennt: Da ich's wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein täglich Heulen, denn Deine Hand war Tag und Nacht schwer auf mir, daß mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Ps. 32, 3 ff. Ich bin verschmachtet von der Strafe Deiner Hand; ich gräme mich, daß mir das Her; verschmachtet. Ps. 39, 11. und 119, 28. Und Jesajas 64, 7. Du verbirgst Dein Antlitz vor uns, und lässest uns in unsern Sünden verschmachten. Das ist ärger, als die Sklaverei, in die der Knecht mit Weib und Kind gehen sollte. Das ist die schrecklichste Zucht, wenn Einen die Sünden ergreifen; da umgeben Einen Leiden ohne Zahl, daß man nicht sehen kann - und Einen das Herz verläßt. Ps. 40, 13. Dieses Gericht, diese Zucht muß seyn, sonst wissen wir nicht, was Sünde für ein Uebel ist, und trinken sie wie Nasser hinein. Darum muß es uns Gott vor Augen stellen und fühlen lassen, wie sehr Ihn unsere Sünden erzürnen, und was wir durch dieselben verdient haben. Der Sünder hat nicht nur verdient, in die zeitliche Sklaverei verkauft, sondern in die Hölle ewig verdammt zu werden. Darum liegt auch ein solcher, mit dem Gott abrechnet, wie in der Hölle; wie David bekennt: Der Höllen Bande umfingen mich und die Stricke des Todes überwältigten mich - Angst der Hölle hat mich getroffen. Ps. 16, 6. und 116, 3. - Ich bin s, ich sollte büßen, an Händen und an Füßen gebunden, in der Höll rc.
Da fiel der Knecht nieder und betete ihn an und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, ich will dir Alles bezahlen. So will's der König haben, das ist die Absicht Seiner scheinbaren und nothwendigen Härte. Zu Seinen Füßen müssen wir, zu den durchbohrten, durch die Zucht und Sündennoth gebeugt werden. Der Knecht hätte sich nimmermehr gebeugt und wäre nie zur Erkenntniß seiner Schuld gekommen, sondern hätte Schuld auf Schuld gehäuft, wäre immer in seinem liederlichen Leben fortgefahren bis an's Ende, wenn ihn sein Herr nicht so ernst und hart behandelt und zur Strafe gezogen hätte. Eben so wenig kommt ein Sünder zur Reue und Buße, zur Bekehrung und Besserung, wenn ihn der Herr nicht züchtigt und straft, ihm seine Sünden nicht vor Augen stellt und ihn fühlen läßt, was er gethan hat. Darum ist es ja Gnade und Erbarmen, wofür man mit David danken muß: Herr, ich danke Dir, daß Du mich gedemüthiget hast. Es ist väterliche Zucht, womit der Vater die Kinder zu sich zieht, um ihnen gnädig seyn zu können.
Das Versprechen des Knechtes: „Ich will dir Alles bezahlen,“ ist freilich unsinnig; was will ein armer Knecht, der schon ohnehin schuldig ist, zu thun, was er täglich kann; was will der abverdienen und abbezahlen - und eine so große Schuld?! Wir wissen es freilich besser, und können sagen: Herr, es ist ja schon Alles für mich bezahlt - oder: ich bezahle Dich mit dem Blut und Tode Jesu, der an meiner statt, für mich alle Schuld gebüßet und bezahlt, meine Sünden versöhnt und für mich genug gethan hat: ich bitte Dich um Christi willen, erlaß, vergieb mir alle meine Sünden. Und wenn schon der Herr dem Knechte, der nur um Geduld bat, und versprach, was er nicht leisten konnte, Alles zu bezahlen, sich aber doch beugte und willig war, Alles zu bezahlen, vergeben hat, wie vielmehr wird der Heiland unsere Bitte annehmen, wenn wir an das Lösegeld, das Er selbst für uns längst bezahlt hat, erinnern und darauf uns berufen.
Da jammerte den Herrn desselbigen Knechts und ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch. Seht, wie gut der hart scheinende Herr ist! Eben so leicht kann jeder Sünder, der schon wie in der Hölle liegt, und sich krümmet und windet wie ein Wurm, als wäre er schon zertreten und dem Satan zugesprochen, Gnade und Vergebung finden, wenn er Jesu zu Füßen fällt und Seine Wunden und Sein Kreuz ergreift als die Zufluchts- und Freistätte armer Sünder; wenn er bittet: Herr, sey mir gnädig, Du hast ja auch für mich bezahlt, um mich zu gewinnen bist Du gestorben; bin ich nicht auch Dein Lohn, Dein Schmerzenslohn? Hast Du nicht für mich Blut geschwitzt und Dein Leben zum Lösegeld für mich hingegeben? Gleich spricht der Menschensohn: Mein Sohn, nimm hin die Absolution, und sieh mich an und glaub, und stehe auf, und freue dich und lauf.
Ist nicht Sein aufgethaner Schooß
Ein sichres Schloß gejagter Seelen?
Er spricht sie von dem Urtheil los,
Und tilget bald ihr ängstlich Quälen;
Es wird ihr ganzes Sündenheer
In's unergründlich tiefe Meer
Von Seinem reinen Blut gesenket,
Und ihnen Gottes Geist geschenket,
Zum Führer auf der Gnadenbahn.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.
Strafe und Schuld, alles wird erlassen, und der Sünder geht frei aus, als wenn er nie eine Schuld gehabt, nie gesündigt hätte. Das kann man bei Jesu Füßen und Wunden haben. Das liegt für alle Sünder der ganzen Welt darinnen. Wie schnell war der Mörder am Kreuze von aller Schuld und Strafe frei und ein Candidat des Himmels, sobald er sich zu Jesu am Kreuze wandte und nur um Sein Andenken bat! Wie bald hatten Magdalena, Zachäus und andere große Sünder bei Jesu Gnade gefunden, sobald sie sich nach Ihm umsahen oder zu Ihm kamen und ihre Sündennoth klagten! Daran soll kein Zweifel seyn. Das ist gewiß und wahrhaftig. So wahr ich lebe, spricht der Herr, ich will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Und wenn seine Sünden gleich blutroth wären, so sollen sie doch weiß wie Wolle werden. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmet, so erbarmet sich der Herr über die, so Ihn fürchten rc. Ps. 103. Gnade ist leicht zu erhalten, aber nicht so leicht zu bewahren; denn
Da ging derselbige Knecht hinaus, und fand einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Groschen schuldig; und er griff ihn an und würgte ihn (faßte ihn bei der Kehle, ihn vor Gericht zu schleppen) und sprach: Bezahle mir, was du mir schuldig bist. Man möchte das für unmöglich halten, daß ein Mensch, der gerade so große Barmherzigkeit erlangt, und aus so schrecklicher Noth durch lauter Gnade und Güte errettet worden ist, in demselben Augenblick an seinem Mitmenschen, der ihm eine Kleinigkeit schuldig ist, solche unverzeihliche Unbarmherzigkeit sollte begehen können. Und doch ist das nichts Ungewöhnliches, sondern sehr oft der Fall. Wenn man gleich täglich betet: „Vergieb, wie wir vergeben,“ und auch Vergebung erhält, so wird es doch den meisten schwer, wenn sie beleidigt worden sind oder werden, ebenso zu vergeben, wie sie sich Vergebung von Gott ausgebeten und erhalten haben. Und Vielen wird es nicht nur schwer, sondern unmöglich; sie können nicht vergeben; ja man sieht sie hinsterben, ohne vergeben zu können. Darum muß man sich's ausbitten, daß mit der Vergebung auch zugleich die Versöhnlichkeit und Gnade, vergeben zu können, dem begnadigten Herzen geschenkt werde. Wenn wir recht bedenken, aus welchen Strafen und Schulden wir errettet sind, welche Gnade uns. so unverdient widerfahren ist, wie viel es Jesum gekostet hat, uns die Vergebung zu erwerben, und wie Er für Seine Feinde und Mörder gebetet hat, und wenn wir dabei bitten: ^,Laß mich an Andern üben, was Du an mir gethan hast!„ so wird der Herr, der uns so viel vergeben und gegeben hat durch Seine Gnade, uns das auch nicht versagen, daß wir Andern verzeihen und vergessen, wie Er uns verziehen hat und unserer Sünden ewig nicht mehr gedenken will. Beim Menschen, besonders wenn er unversöhnlicher Gemüthsart ist, ist es unmöglich; aber bei Gott ist kein Ding unmöglich; Er kann und will es geben, Er kann und will ja Alles uns schenken, was wir nöthig haben, und es soll uns an keinem Guten mangeln. Denn alle Gaben und Gnaden nützen uns nichts, sind verschwendet und verloren, wenn uns diese Gnade der Versöhnlichkeit mangelt.
Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, ich will dir Alles bezahlen. Dies Gebetlein hätte ihn doch an das seinige erinnern sollen, was wörtlich so lautete und kurz zuvor geschehen war. Er hätte doch denken sollen, als sein Mitknecht so vor ihm auf den Knieen lag: „So habe ich vor einer kleinen Weile auch vor meinem Herrn gelegen, in einer viel größern Noth, mit einer viel schwerern Schuld, und mein Herr war so gütig! o wie war mir so angst und bange; und wie wohl war mir, als ich aus der Noth und Angst gerissen und auf einmal frei war! Ich will diese Freude auch meinem Mitknechte machen. Es ist schön, wohl zu thun und zu vergeben.“ Aber so dachte er nicht, er vergaß alles Gute, was ihm widerfahren war, und blieb wie ein Stein.
Er aber wollte nicht, sondern ging hin, und warf ihn in's Gefängniß, bis daß er bezahlete, was er schuldig war. Unbarmherziger Knecht! unsinniger Mensch! dadurch raubst du dir ja selbst wieder, was dir geschenkt war, und stürzest dich selbst wiederum in die Noth und Sklaverei, aus der du so gnädig gerettet wurdest. Darum ist es nicht genug, bloß Vergebung von Schuld und Strafe zu suchen, wenn man nicht auch ein neues Herz sich dazu ausbittet. Mancher rühmt sich der Vergebung seiner Sünden, und ist stolz darauf, aber er behält das alte Herz, die alte Natur, und frißt deswegen wieder, wie ein Hund, was er gespeiet hat, wälzt sich wie ein Schwein nach der Schwemme wieder im Koth. - Es muß - und wird uns mit der Vergebung auch die Neugeburt des Herzens geschenkt, wenn wir es nehmen; es ist uns bereitet, verdient und erworben; Christus hat uns nicht nur halb erlöst; Er hat Alles vollbracht, und will Alles neu machen; Er vergiebt Sünde und heilt auch die Gebrechen. Der Gott des Friedens heiliget durch und durch, daß Geist, Leib und Seele unsträflich werden auf den Tag Christi. Wem viel vergeben ist, der liebt viel, nicht nur den Versöhner, sondern auch alle Versöhnten, auch seine Feinde, wie der Versöhner, und um des Versöhners willen.
Da aber seine Mitknechte Solches sahen, wurden sie sehr betrübt, und kamen und brachten vor ihren Herrn, was sich begeben hatte. Man wird sogleich verklagt, thun's die Engel nicht, so thut's doch gewiß der Teufel, der Verkläger der Brüder, der froh ist, wenn er eine Klage anbringen kann - erst versucht er den Menschen, dann verklagt er ihn, und wenn man ihm nicht durch Reue und Bekenntniß, Abbitte und Bitte bei Gott zuvorkommt, so wird nach Gerechtigkeit verfahren und man wird ihm übergeben. Sollte es die Engel nicht betrüben, wenn sie sehen müssen, daß ein Begnadigter so tief fällt, da sie sich so sehr freuten über seine Begnadigung? Sollten nicht alle Begnadigten ungehalten werden, wenn ein Geretteter sich wieder so vergeht und der Vergebung seiner Sünden so sehr vergißt, daß er so unbarmherzig an seinem armen Mitknecht handelt? Sollte eine solche Harte und Unbarmherzigkeit nicht selbst gen Himmel schreien und Rache fordern? O gewiß, es kommt Alles vor die Ohren des Herrn Zebaoth.
Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du Schalksknecht! alle deine Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest, solltest du dich denn nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe? Wem eine so große Schuld erlassen ist, sollte doch wenigstens kleine Schulden erlassen können. Wenn Beleidigungen der höchsten Majestät Gottes, unseres größten Wohlthäters uns vergeben werden von Ihm, warum wollten wir kleine Beleidigungen gegen uns arme Sünder nicht verzeihen, da wir doch keine Liebe und Güte, sondern vielmehr Schmach und Verachtung, ja die ewige Verdammniß verdient haben. Gott vergiebt uns all unsere Schuld, wenn wir Ihn bitten, gedenkt ihrer nicht mehr, und schenkt uns noch obendrein Gerechtigkeit und Stärke, verheißt uns das ewige Leben, und liebt uns wie Kinder; wir dürfen Ihn um Alles bitten. Wie sollten wir unsern Mitmenschen nicht vergessen das, was sie gegen uns gethan haben, und ihnen nicht vielmehr Böses mit Gutem vergelten, und feurige Kohlen auf ihr Haupt sammeln? Sollten wir nicht als Kinder des Vaters, der Seine Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse, und selbst gegen uns, da wir böse waren, die Sonne der Gerechtigkeit hat aufgehen lassen und Heil unter ihren Flügeln, nicht Ihm ähnlich zu werden suchen? Er hat uns Sein freundliches Angesicht leuchten lassen, da wir Sünder waren und Ihn baten um Vergebung, sollen wir unfreundlich und unversöhnlich seyn gegen die, die uns gekränkt haben, und nicht ihr Heil und ihre Besserung suchen, selbst wenn sie nicht die Hand zum Frieden reichen? Ist doch Gottes Gnade uns zuvorgekommen und Christus für uns gestorben, da wir noch Sünder und Feinde Gottes waren, und hat uns Verlorne gesucht, und nicht nachgelassen, bis Er uns auf dem Arme und im Schooße Seiner Liebe hatte.
Und sein Herr ward zornig, und überantwortete ihn den Peinigern, bis daß er bezahlete alles, was er ihm schuldig war. Das wird lange gedauert haben. Wer die Liebe Gottes und die Gnade Christi so gering achtet, wie dieser Knecht seines Herrn Güte, den muß endlich der Zorn Gottes treffen. Gott kann eben so sehr zürnen und strafen, als Er lieben und vergeben kann. Er hat es oft bewiesen, an ganzen Nationen und Städten und einzelnen Personen, die Seine Gnade auf Muthwillen zogen. - Man sieht daraus, daß ein Mensch, der schon Gnade erlangt, und der Vergebung seiner Sünden gewiß war, doch wieder in die alte Schuld und Verdammniß fallen kann. Wer steht, sehe zu, daß er nicht falle. Wer schon ein Kind der Gnade und Liebe Gottes war, kann wieder ein Kind des Zorns und der Hölle werden. Wer schon versöhnt war und von aller Schuld und Strafe frei, kann, wenn er unversöhnlich oder überhaupt rückfällig wird, Alles wieder verlieren, und dem Satan und der ewigen Verdammniß übergeben werden.
Wem Gott also zürnt, daß Er ihn den Peinigern übergiebt, bis er alles bezahlt hat, was er schuldig ist, der wird wohl ewig zu bezahlen haben, und nie mehr schuldenfrei werden. Wer wird alle seine Schulden bei Gott bezahlen, da er für Eine Sünde nicht genugthun kann? Es ist schrecklich, in die Hände Gottes zu fallen mit einem unversöhnlichen Herzen und unbekehrten Sinn. Da ist keine Rettung mehr.
Also wird euch mein himmlischer Vater auch thun, so ihr nicht vergebet von eurem Herzen ein Jeglicher seinem Bruder seine Fehle. Höret doch, gerade so, wie der Herr im Gleichniß seinen unbarmherzigen Schalksknecht den Peinigern überantwortete, bis er alle Schuld, die Er ihm schon erlassen hatte, bezahlt haben würde, gerade so wird der himmlische Vater Jedem, der, nachdem er Gnade und Barmherzigkeit erlangt hat, unbarmherzig gegen seine Mitmenschen verfährt, und Beleidigungen nicht von Herzen vergiebt, Seine Gnade wieder entziehen, und ihn dem strengsten Gericht der Gerechtigkeit übergeben, der ewigen Pein und Qual, wo an keine Bezahlung und Erlösung zu denken ist. Versöhnung, herzliches, aufrichtiges, gänzliches Vergeben aller Beleidigungen und Kränkungen ist also eine so unerläßliche Pflicht des Christen, daß ohne dieselbe auch der Frömmste und Heiligste nicht selig werden kann; es geht alle Gnade wieder verloren, und man fällt in Gericht und Zorn, wenn man nicht die Hand bietet und auch seinen Feind von Herzen liebt. Daher laßt uns beten, unablässig beten um den Geist der Liebe und Versöhnlichkeit, daß wir nichts auf dem Herzen tragen gegen Andere, daß wir immer bereit sind, so zu vergeben und allen Freunden und Feinden wohlzuthun, wie der Herr vergeben hat und Gutes thut ohne Unterlaß.
Christus, der lebend'ge Gott,
Unsre Hoffnung in der Noth,
Ist mit Seinem Lösegeld
Reich genug für alle Welt.
Zahlung ist für Jedermann
Von dem Heiland schon gethan,
Niemand's Fesseln sind so schwer,
Dem nicht loszuhelfen wär.
Aber wer sich so drauf steift,
Daß er Schuld auf Schulden häuft,
Der mißbraucht des Herrn Geduld
Und verscherzt sich Seine Huld.
Nicht daß Gott nicht helfen möcht,
Sondern weil der böse Knecht,
Da er doch schon losgekauft,
Wieder in's Verderben lauft.