Am ersten Weihnachtsfeiertage 1830.
Unsere heiligen Feste, geliebte Brüder, werden, so oft wir sie feiern, jedesmal unter unserm Volke, und in den einzelnen Familien, eine andere Stimmung und andere Bedürfnisse finden; und immer werden diese wichtigen Tage gleichsam mit lauter Stimme zu uns reden, um uns die Lehren zu verkündigen, uns die Gesinnungen und Hoffnungen einzuflößen, die unter den herrschenden Umständen uns Noth thun.
Das heutige Weihnachtsfest erscheint in einer eigenthümlich bewegten, schweren und düstern Zeit. Im Westen von Europa sind Unruhen ausgebrochen, die in zweyen Reichen die bestehenden Verhältnisse umgestürzt oder erschüttert, und sich von da aus, mit abnehmender Kraft, noch weiter verbreitet haben. Im Osten stand bisher nur das Schreckniß einer furchtbaren Krankheit; jetzt ist das größere Schreckniß eines im Aufstand begriffenen Volkes hinzugekommen. Was thut uns Noth, meine Brüder, unter diesen nie gesehenen und unerhörten Umständen? Was bedürfen wir unter diesem Schwanken aller Dinge, um nicht auch ins Schwanken zu gerathen, um in unserm Innern unerschütterlich fest zu bleiben? Was uns Noth thut, das ist ein lebendiger Glaube an den lebendigen Gott, der die Dinge in der Welt nicht ihrer eigenen Bewegung überläßt, sondern sie beherrscht und nach seinen Absichten leitet. Diesen Glauben bedürfen wir, und ihn bringt uns das heutige Fest in neuer Kraft und Stärke.
Wir finden ihn ausgesprochen in den Worten unseres Textes. Sie sind ein Theil des Lobgesanges, welchen Zacharias, Vater Johannis des Täufers, anstimmte, als dieser Sohn, den der Engel ihm verkündigt hatte, geboren war. Voll des heiligen Geistes, preiset er nicht nur Gott für die Geburt seines Kindes, sondern richtet vornehmlich seine Blicke auf den Heiland, zu dessen Vorläufer sein Sohn bestimmt war. Und indem er Gott für die Zukunft des Erlösers dankt, bezeichnet er zuerst den Grund des Glaubens an Gott den Weltregierer; zweitens den Inhalt dieses Glaubens; drittens die Bedingungen, unter welchen dieser Glaube erfüllt wird. Laßt uns in seinen Lobgesang einstimmen; und was der Geist Gottes ihm eingab, das bilde, das belebe er auch in unseren Herzen!
Gelobet sey der Herr, der Gott Israels; denn er hat besuchet und erlöset sein Volk, und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners Davids. So beginnt Zacharias; und auch wir sprechen: Gelobet sey Gott! Denn an dem heutigen Tage hat er vom Himmel herab seinen eingebornen Sohn gesendet, um die Menschheit heimzusuchen, um sich mit der menschlichen Natur zu verbinden. Er, dieser eingeborne Sohn Gottes, ist unser Erlöser, der uns von den Strafen, die auf uns lasteten, von dem Verderben, das in uns einheimisch geworden war, befreit, der uns zu seinem Vater, den wir verlassen hatten, zurückführt. Er ist uns ein Horn des Heils, eint allmächtiger Helfer, der Sünde und Tod, unsere größten Feinde, überwältigt, und unser verlorenes Heil wiederherstellt! Wer hierin mit uns einstimmt, wer das Wunder des heutigen Tages glaubt, in dem ist auch ein fester und sicherer Grund gelegt, zu dem Glauben an Gott, den Regierer der Welt.
Anstatt dieses Glaubens scheint jetzt bei vielen Menschen eine ganz andere Vorstellung zu herrschen, die sie bald mehr bald weniger ausgebildet haben, und die ihren Aeußerungen über die Ereignisse der jetzigen Zeit zum Grunde liegt. Die Menschheit, dies scheinen sie anzunehmen, entwickelt sich nicht nach Gesetzen, die ihr von Gott vorgeschrieben werden, sondern die in ihr selber liegen. Sie ist in einem immerwährenden Fortschreiten, oder wenigstens in einer Bewegung begriffen, durch welche, stets neue Bedürfnisse, neue Anforderungen in ihr entstehen. Haben diese eine Zeit lang auf die Gemüther eingewirkt, den Wünschen und Gedanken eine bestimmte Richtung gegeben, so treten sie in die Wirklichkeit durch Thaten der Einzelnen, durch Unternehmungen, wozu sich Mehrere verbinden, und dadurch gewinnt die Menschheit zu jeder Zeit eine besondere Gestalt. Diese Gestalt ist nothwendig, es ist eine Form und Beschaffenheit, die sie auf ihrem Entwickelungsgange durchaus annehmen muß. Jede Richtung des Zeitgeistes, jede daraus hervorgehende Umwälzung, ist also schon deshalb gut, weil sie vorhanden ist. Man kann sie erklären, sie begreifen ein Urtheil aus höheren Grundsätzen kann darüber nicht statt finden. Was sich nun aus dieser Entwickelung eigentlich entwickeln; zu welchem Ziele diese Bewegung führen; ob das, was Mißbilligung, Tadel, Abscheu verdient, eine vorübergehende Erscheinung, oder eine Ursache unaufhörlicher, ähnlicher Wirkungen seyn werde: darüber getraut man sich eben so wenig eine Meinung zu haben. Mit einem blöden Staunen, mit einer bangen Ungewißheit blickt man hinaus in die Welt, gleich als wäre man dem Spiel aller sich willkürlich regenden Naturkräfte überlassen. Ruhig ist man nur, wenn man nichts sieht, wenn in den sonst so schnell auf einander folgenden Nachrichten einmal ein Stillstand eingetreten ist. Geschah wiederum etwas, so tritt ein neues Entsetzen ein, denn nun, denkt man, wird bald keine Macht die Ordnung wiederherstellen können. Die Schwachen Geister freuen sich, wenn sie einen Tag oder ein paar Tage der Angst entzogen, und für den gewöhnlichen Lebens-Genuß gewonnen haben. Die grossen Geister, oder diejenigen, die sich dafür halten, betrachten und bewundern das, was sie Weltordnung oder Weltgestaltung nennen; Alles, was der Gang der Dinge mit sich bringt, ist ihnen recht, und sie bereiten sich ihm zu folgen, um nicht von ihm zermalmt zu werden.
So denken, so fühlen, so handeln wir nicht, die wir an einen Gott glauben, der die Welt regiert. Die Menschen, ihre Kräfte, Bestrebungen und Leidenschaften, das ist keinesweges in unsern Augen die höchste Macht; wir sehen außer und über der Welt einen heiligen, weisen, allmächtigen Beherrscher derselben, der leicht und schnell alles hemmt und unterdrückt, was seinen Absichten widerstrebt, und der nur dasjenige, was ihnen gemäß ist, wachsen und gedeihen läßt. Diese seine Absichten hat er uns geoffenbaret, seinen heiligen Willen hat er uns durch das Gewissen und durch die Schrift verkündigt; wir billigen nur das, was damit übereinstimmt; jede ihnen zuwider laufende Richtung, die der Geist der Menschen genommen hat, jede daraus hervorgehende Bewegung wird von uns verdammt. Wir entsetzen uns nicht, wenn etwas Seltsames, Ungewöhnliches hervorbricht; oder wenn wir uns entsetzen, so ist es nur vor der Größe der menschlichen Verderbtheit, die sich darin an den Tag legt, aber nicht vor den Wirkungen, die es haben kann, denn wir wissen, daß wenn sie unheilbringend sind, Gott ihnen gewiß Einhalt thun wird. Wir folgen also auch nicht jeder Bewegung; vielmehr halten wir es oft für unsre Pflicht uns den herrschenden Richtungen zu widerregen. Wir fürchten keineswegs dabei durch die Gewalt der Umstände zermalmt zu werden, wir hoffen vielmehr sie zu besiegen durch den Beistand Gottes, mit dessen Willen der unsere übereinstimmt, und dem Alles gehorchen muß. Wir halten uns jedoch zu keinem vorschnellen Handeln berechtigt - denn Gott kann ja auch ohne uns vollbringen, was zu seiner Ehre gereicht! - sondern wir erwarten ruhig, daß er durch Umstände und Gewissen zu uns rede, und uns die Mitwirkung zur Pflicht mache.
Fragt Ihr nun, worauf wir diese Gewißheit gründen? Darauf gründen wir sie, daß Gott hat besucht und erlöset sein Volk, und hat uns aufgerichtet ein Horn des Heils im Hause seines Dieners Davids. Darauf, daß zu der von ihm bestimmten Zeit, sein Sohn den Himmel verlassen hat, und Mensch geworden ist; auf eben die wunderbare Thatsache, die wir in dem Weihnachten feiern, gründen wir unsern Glauben an den Gott, der die Welt regiert. Er, welcher die Gottheit seines Sohnes mit der Menschheit verband, sollte nicht seine eigenthümlichen, segensreichen Absichten mit der Menschheit haben; Absichten, welche so viel höher sind, denn diejenigen, welche die Menschen in ihrem gewöhnlichen Treiben verfolgen, als der Himmel höher, denn die Erde ist? Der Gott, der den natürlichen Kräften Stillstand gebot, um das größte aller Wunder in die von ihnen gelassene Lücke einzufügen, der sollte nicht stets die natürlichen Kräfte nach seinem Willen lenken; der sollte nicht, wenn es zur Erreichung seiner Zwecke nöthig wäre, noch jetzt, wie vormals, Wunder thun können? Nun sollten sich nicht in den menschlichen Dingen deutlich zwei Richtungen unterscheiden lassen, diejenige, welche ausgehend von Christo, zum Himmel führt, diejenige, welche ausgehend von den sündlichen Leidenschaften der Menschen, in die Hölle stürzt? Nun könnte es noch zweifelhaft seyn, welcher von diesen beiden Richtungen man folgen, welcher man seine Kräfte widmen sollte?
Ihr alle, die Ihr an Christum glaubt, die Ihr mit gläubigem Herzen hier erschienen seyd, um sein Weihnachten zu feiern, so hätten wir Euch denn auch gewiß gewonnen für den Glauben an den Gott, der die Welt regiert. Oder vielmehr: Ihr hattet ihn schon diesen Glauben, Ihr seyd euch desselben in Verbindung mit dem Glauben an Christum, nur noch deutlicher bewußt geworden. Wie ist es aber mit Denen, die nicht an Christum glauben? Ich wünsche zwar, daß nur sehr wenige, ja daß keine von solchen unter dieser Versammlung seyn mögen; aber dennoch muß ich an sie denken, ich muß die Einwendung berücksichtigen, die sie mir machen werden. Auf den Glauben an Christum, werden sie sprechen, gründest du den Glauben an den Gott, der die Welt regiert. Wenn nun aber der Grund uns fehlt, wie könnten wir das haben, was du darauf baust? Willst du uns hiervon überzeugen, wohlan, so unterstütze deine Behauptung mit anderen Beweisen, denn diese haben für uns kein Gewicht.
Hierauf antworte ich: Euer Bekenntniß, Ihr, meine ungläubigen Brüder, hat für mich einen großen Werth. Es zeigt, daß mit dem Glauben an Christum uns alles gegeben ist, nicht nur Hoffnung für die Ewigkeit, sondern auch richtige Beurtheilung der Dinge in der Gegenwart; daß ohne den Glauben an Christum man weder das eine noch das andere haben kann. Uebrigens erwartet nicht, daß ich mit Gründen, welche die menschliche Vernunft darbietet, auf Euch eindringen werde.
Auch ich vermag nichts ohne Christum. Hier stehe ich, berufen, ihn und sein Wort zu verkünden; ich kann nicht, ich will nicht mit anderen Waffen kämpfen, als mit denen, die es mir beut. Es würde mir auch gegen Euch wenig helfen, wenn ich es versuchte. Glaubt Ihr nicht dem Gott der Wahrheit, wenn er spricht: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort; und das Wort ward Fleisch; glaubet Ihr nicht diesen Lehren, die Geist und Leben sind, wie wolltet ihr Euch durch menschliche Gedanken überführen lassen?. Uber das muß ich sagen: Ich habe ein herzliches Mitleid mit Euch. Da sitzt Ihr von Kummer gebeugt in Eurer Wohnung, und wenn es eine helle Nacht ist, so schaut Ihr vielleicht die Sterne des Himmels an. Geben sie Euch eine Gewißheit von Gottes Weltregierung? Sagen sie Euch etwas Tröstliches? Ich sollte kaum denken! Aber wenn es so wäre; armselige Gewißheit, armseliger Trost gegen diejenigen, welche die helle Weihnachtssonne uns beut, die vor unsern Augen und in unserm Herzen aufgegangen ist!
Nicht nur den Grund des Glaubens an den Gott, der die Welt regiert, sondern auch den Inhalt dieses Glaubens zeigt uns Zacharias. Er fährt fort in seinem Lobgesang: Als er vor Zeiten geredet hat durch den Mund reiner heiligen Propheten. Die Prophezeihung ist ein sicheres Zeugniß, daß Gott von Ewigkeit an alles, was sich im Ablauf der Zeiten ereignen würde, vorhergesehen hat. Christum hat er verkündigen lassen durch das immer heller und heller leuchtende Wort der Weissagung, Christum, den Ort seiner Geburt, sein Leiden, seinen Tod, seine Auferstehung. Alles ist erfüllt worden; nicht der kleinste Buchstabe, noch ein Titel vom Gesetz ist untergegangen, bis daß alles geschehen ist. Wie wäre dies möglich gewesen, wenn Gott nicht den Rathschluß zu diesen großen Ereignissen von Ewigkeit an gefaßt hätte! Und was von diesen Ereignissen gilt, das gilt von allen. Gott konnte nicht die einen kennen, ohne alle zu kennen, ohne ihr Verhältniß zu einander, und die Folgen, die sich daraus entwickeln würden, zu schauen. Da er Absichten hat, die er gewiß erreichen wird, so muß er auch die Mittel dazu, nämlich die Ereignissen in seiner Gewalt haben, und diese Mittel mußten von Anbeginn auf diese Zwecke berechnet seyn. In einem Wort: Gott sind alle seine Werke bewußt von der Welt her. Dies gehört zuerst zu dem Glauben an einen Gott, der die Welt regiert.
Unter diesen Dingen, die geschehen, sind einige, die zur Ausführung der Rathschlüsse Gottes unmittelbar dienen, in denen sein heiliger, guter Wille lebendig hervortritt. Diese hat Gott nicht nur vorhergesehen, er hat sie auch beschlossen; ja er selbst hat sie ausgeführt; denn, wenn auch Menschen dabei handelnd auftraten, so hat er ihnen doch die Kraft zu ihren Thaten verliehen, er hat die Gelegenheit dazu herbeigeführt. Andere Dinge gibt es, die den Absichten Gottes nicht gemäß, ja, die ihnen entgegen sind; diese hat er nicht gewollt, nicht herbeigeführt; aber er hat sie kommen sehen von Anfang; und er braucht um so weniger ihr Erscheinen zu verhindern, als es ihm nicht an Mitteln fehlt, ihren Fortgang zu hemmen, sie zu vernichten.
Wie verschieden stellen sich also die Dinge unserm und dem göttlichen Auge dar! Allmählig entrollet sich uns das große Buch der Geschicke, es zeigt nur immer einzelne Gestalten, besondere Ereignisse, ohne ihre Wirkungen, ohne ihre Verbindung mit den folgenden Begebenheiten. Aber Gott sieht Alles im Zusammenhang von Anfang bis zu Ende, und er hat auch demjenigen, was wir für das Schlimmste halten, nur deshalb gestattet hervorzutreten, zu erscheinen, weil eigentlich seinen Absichten, und der kleinen Heerde, welcher er sein Reich geben will, und die nach seinem Reiche sich sehnt, kein Nachtheil daraus erwachsen kann. Wer an einen Gott glaubt, der die Welt regiert, der versetze sich, so weit er vermag, in diese höhere Anschauung der Dinge, und wie der Gott nicht fürchtet, dein er vertraut, so fürchte auch er nicht.
Wir haben schon oft die Absichten Gottes in der Weltregierung erwähnt, und sie zu kennen, das gehört ferner zu dem Glauben, wovon wir reden. Welches sind diese Absichten? laßt uns den Zacharias weiter hören, er wird sie uns angeben: Daß er uns errettete, fährt er fort, von unsern Feinden, und von der Hand aller derer, die uns hassen. Dies wäre also die Absicht Gottes. Da, wie die Schrift bemerkt, Zacharias diese Worte weissagend und voll des heiligen Geistes gesprochen hat, so dachte er dabei gewiß nicht allein an die äußeren Feinde Israels, sondern vornehmlich an die geistigen, durch den Bund mit denen auch die äußeren Feinde allein furchtbar werden und schaden können. Er dachte an die Sünde, die unser größter Feind, die, wie die Schrift sagt, der Menschen Verderben ist. Aus ihr entsprang damals, und entspringt auch noch jetzt der Unglaube, der nicht das Wort Gottes in der Schrift, sondern nur die Stimme der eigenen Weisheit hören will, der Christum verworfen und gekreuzigt hat, und ihn immerfort verwirft und kreuzigt; aus ihr entspringt der Hochmuth, welcher Denen, die Gott eingesetzt hat, die Menschen zu regieren, den Gehorsam versagt; aus ihr entspringen die zügellosen Leidenschaften, die durch kein Maaß irdischer Güter gesättigt werden können, und die unglückseligen Thaten, die allen menschlichen und göttlichen Gesetzen Hohn sprechen. Dies sind die größten Feinde der Menschheit; von ihnen will der Herr, der die Welt regiert, uns befreien; er will uns erlösen von aller Ungerechtigkeit und uns heiligen - zu einem Volke seines Eigenthums, das fleißig sey in guten Werken, zu einem Volke, das an ihn glaube, das ihm diene, das Denen, welchen er Macht über uns gegeben hat, gehorche, und das die irdischen Güter gegen die ewigen gering schätze. Alle sollen wir hinankommen zu einerlei Glauben und Erkenntniß des Sohnes Gottes, alle Wesen im Himmel und auf Erden sollen sich vereinigen in Ein Ganzes, wovon Jesus Christus das Haupt sey. Schon vor langen Jahrhunderten waren diese Geheimnisse der göttlichen Weltregierung dem Jesaias offenbart; deshalb ruft er: Bereitet dem Herrn den Weg, macht auf dem Gefilde eine ebene Bahn unserm Gott. Er sieht den Herrn auf einem Wagen, wie er daher kommt in seiner Macht, und er ermahnt, den Weg von allen Ungleichheiten zu befreien, damit er sanft und freundlich dahin fahre. Denn diejenigen, die sich ihm in den Weg werfen, die werden ihn nicht aufhalten, sondern er wird sie zermalmen. Habt Ihr nicht seitdem diesen Wagen der göttlichen Schickungen durch alle Jahrhunderte rollen hören? Was hat ihm widerstehen können; wie viele Hindernisse des göttlichen Reiches hat er nicht besiegt? Vernehmt Ihr nicht auch jetzt seinen Ton? Siehe! er kommt! Freundlich und segnend gleitet er dahin unter einem Volke, das seinen Gott fürchtet und seinen König ehrt, das Recht und Gerechtigkeit lieb hat. Aber verderblich stürmt er daher über alle Bezirke der Erde, wo die Gräuel des Unglaubens, des Lasters und der Empörung sich gesammelt haben, und er bringet über sie Verwüstung und Schrecken. Wohlan! Gibt es noch eine geheime Bosheit, die hervorbrechen; gibt es noch ein Werk der Finsterniß, das an das Licht kommen; gibt es etwa noch ein Volk, das von seinem rechtmäßigen Fürsten abfallen will? Was Du thun willst, das thue bald, sprach der Herr zum Judas. Nur hervor mit allem Unheil, das die Hölle noch etwa ausgebrütet hat! Je früher es sich zeigt, um so früher wird es zermalmt durch die gewaltige Rechte des Herrn. Wir können durch menschliche Kraft ihm nicht Einhalt thun, das wissen wir wohl. Aber Gott vernichtet es, denn es ist eine Empörung gegen ihn.
Außer diesen allgemeinen Zwecken hat Gott aber noch besondere Absichten der Gnade und Barmherzigkeit gegen Diejenigen, die ihm treu sind. Deshalb fügt Zacharias hinzu: Und die Barmherzigkeit erzeigete unsern Vätern, und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat, unserm Vater Abraham uns zu geben.
Unter den Vätern des jüdischen Volkes raget als Liebling Gottes Abraham hervor, dem der Herr sich nahet wie ein Freund dem andern, und der diese Gnade durch einen Glauben erwidert, der ihm zur Gerechtigkeit gerechnet wird. Mit ihm errichtete der Herr einen Bund, ja er schwört ihm einen Eid. Da er bei keinem größern zu schwören hatte, spricht der Apostel, schwur er bei sich selbst: Wahrlich, ich will dich segnen und vermehren. Als eine Folge und Wirkung dieses Eides betrachteten die gläubigen Israeliten alle Wohlthaten Gottes, die sie empfingen, und auch die größte unter allen, die Zukunft des Messias; sie sahen darin eine Barmherzigkeit, nicht nur für sie und ihre Zeitgenossen, sondern auch für ihre Väter, denn sie wußten ja, daß ihre Väter bei Gott lebten, sie waren gewohnt sich mit ihnen als Ein Ganzes zu betrachten.
Auch Ihr, meine Brüder, müßt Euch ansehen als Ein Ganzes mit Euren Vätern, und die Barmherzigkeit, die der Herr ihnen erwies, muß Euch ein Unterpfand derjenigen seyn, die er Euch ebenfalls erweisen wird. Jeder einzelne unter Euch denke an seine Vorfahren, an alle Zeichen göttlicher Liebe und Fürsorge, die sie empfingen, und wovon ihn, da er noch ein Kind war, sein Vater vielleicht so oft unterhielt. So hat Gott auch mit seiner Familie einen Bund geschlossen, dessen Wirkungen er in vielen Wohlthaten, in vielen Errettungen schon erfahren hat und noch erfahren wird. Wir gehören aber auch zu einer größeren Familie, einem Volke, dem Volke der Preußen; und o wer dürfte daran zweifeln, da die Geschichte es seit Jahrhunderten beweiset, daß Gott auch mit diesem Volke einen Bund geschlossen und ihn immer treulich bewahrt hat? Wie oft hat er es nicht errettet von seinen Feinden, und aus der Hand Derer, die es hassen? Denkt nur durch welche Wunder der Allmacht er vor fünfzehn Jahren ihm seine Unabhängigkeit wieder gab! Geht in frühere Zeiten hin: auf; erinnert Euch wie jener Krieg, den es sieben Jahre lang gegen ganz Europa führte, so glorreich geendet ward. Das hat Gott an unsern Vätern gethan, und auch uns, ihren Kindern, wird er Barmherzigkeit erweisen, er wird uns schützen, uns erretten.
Wir gehören aber nicht nur zu einem Volke, sondern auch zu einer Kirche, zu jener wahren Kirche, die erbauet ist auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist. Die früheren frommen Geschlechter im Reiche Gottes, das sind unsere geistigen Vorfahren, und durch sie sind wir verbunden mit unserm Haupte, mit Christo, der zur Rechten Gottes sitzt. O wie viel Gnade and Liebe wird uns der Vater nicht erweisen um seines Sohnes willen, der schon hier ihn bat, uns zu bewahren vor dem Uebel, und der immerfort im himmlischen Heiligthum für uns betet und uns vertritt! Welch ein Zeichen des Bundes, den er mit uns aufgerichtet hat, könnte heiliger, deutlicher, sprechender seyn, als die Geburt eben dieses Sohnes, die wir heut feiern, als sein Tod, den wir, so Gott will, noch feiern werden! Ja, meine Brüder, der Gott Abrahams, Isaaks und Jacobs, das ist auch unser Gott. Auch wir haben einen lebendigen Gott, einen Bundes - Gott, der zu einem jeden unter uns in ein besonderes Verhältniß tritt, einen jeden nach seiner Eigenthümlichkeit behandelt, einem jeden helfen und ihn erretten kann. Wir haben nicht einen Gott wie die Weisen dieser Welt; denn sie heben alles Persönliche in ihm auf, sie trauen ihm kein Herz zu, daß er lieben und zürnen könnte, sie meinen nicht, daß er einen starken Arm habe, Diejenigen, die ihn anrufen, zu erretten. Was ist ein solcher Gott mehr, als ein Götze? Sie hauen im Walde einen Baum, sagt Jeremias, und der Werkmeister macht sie mit dem Beil, mit silbernem Bleche und Gold werden sie geschmückt, und ist alles der Weisen Werk. Nehmt von dem Gott, den die heutigen Weisen Euch schildern, und der ganz ihr eigenes Werk ist, das goldene und silberne Blech ihrer schimmernden Worte hinweg, was bleibt? Nichts als Holz, nichts als ein todter Begriff von Schicksal, Weltordnung, Weltgestaltung. Gott bewahre uns vor solch einem Gott! Nein, an den Gott Abrahams, Isaaks und Jacobs; an den Gott der christlichen Kirche, der sie nun achtzehn hundert Jahre geschützt hat, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigten; an den Gott unsers Volkes, der es erhalten, vergrößert, verherrlichet hat; an den Gott unsers Königs, der ihn ruhmvolle Wege geführt, sein Herz mit Weisheit erfüllt, und ihn hoch gestellt hat in der Achtung der Menschen; an meinen und meiner Väter Gott - so spreche ein jeder unter uns - der ihnen und mir in unserm geringen, unbekannten Leben, so viele Beweise von Treue gegeben hat – an den will ich glauben!
Der Schutz und Segen, welchen wir von diesem Gott, der die Welt regiert, erwarten, kann uns aber nur zu Theil werden, wenn wir die Bedingungen, die er uns vorschreibt, erfüllen. Und auch diese Bedingungen sollen wir endlich drittens durch den Zacharias erfahren, wenn er hinzufügt: Daß wir erlöset aus der Hand unserer Feinde, ihm dieneten ohne Furcht unser Lebelang in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist. Wir sollen Gott dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist; dann werden wir an seinem mächtigen Schutze und reichen Segen erfahren, daß Er es ist, der die Welt regiert. Und wem sollten wir denn auch anders dienen, als ihm, der Himmel und Erde und auch unsere Seele aus dem Nichts hervorgerufen, der noch mehr gethan, der sie erlöset hat und in sein himmlisches Haus zu sich nehmen will; der schon von Ewigkeit unsern Lebensweg bezeichnet, auch unsere Irrthümer vorhergesehen, und dafür gesorgt hat, daß es uns an Erinnerungen zur Rückkehr nicht fehlte? Und wodurch dienen wir ihm? Dadurch, daß wir stets Augen und Herzen zu ihm hinwenden, und suchen, ob wir ihn nicht fühlen und finden möchten, der nicht fern ist von einem jeglichen unter uns. Dadurch, daß wir Christum, den er selbst für seinen geliebten Sohn erklärt hat, an dem er Wohlgefallen habe, auch als unsern göttlichen Erlöser anbeten und verehren; dadurch, daß wir um Seinetwillen uns gern in die von ihm eingesetzte Ordnung fügen, und Denen, welchen er Macht über uns gegeben hat, freudig gehorchen; dadurch, daß wir den Götzen, den wir in unserem eigenen Herzen tragen, umstürzen, und unser Streben nicht auf uns und auf unsern Vortheil, sondern auf die Ehre des Herrn und die Verbreitung seines Reiches beziehen. Dies sind Wirkungen des Glaubens an den Gott, der die Welt regiert; es sind aber auch Bedingungen unter denen das erfüllt wird, was dieser Glaube uns hoffen läßt; denn je mehr wir Gott nahen, um so mehr nahet er sich uns; je mehr wir ihm vertrauen, um so mehr wird er uns segnen.
Geht fünfzehn Jahre zurück in der Geschichte unseres Volkes, meine Brüder, und Ihr findet unter uns ein Beispiel von der Erfüllung dieser Bedingungen, und von dem Segen, welchen Gott deshalb über uns ergoß. O wie gern versetze ich mich mit Euch in jene Zeit, an die wir nicht so oft denken als wir sollten; in jene Zeit, die wahrhaft groß und glorreich zu nennen ist, nicht nur wegen jener glücklichen Wiederherstellung, jener ruhmvollen Siege, sondern auch und noch mehr wegen der Gesinnung, die damals fast allgemein die Herzen erfüllte. Alle Gedanken waren damals auf Gott gerichtet; seinen Finger erkannte man in allen Dingen, den großen wie den kleinsten; ihm allein, nicht den Menschen ward von allen unsern glänzenden Erfolgen die Ehre zugeschrieben. Nie brannten von Dankbarkeit gegen ihn, den Beschützer, den Erretter unseres Volkes; alle schienen gewaltig zu ihm hingezogen und von dem Verlangen beseelt, den Gott, den sie als ihren irdischen Wohlthäter priesen, nun auch als ihren Erretter vom ewigen Tode kennen zu lernen. Alle Verhältnisse auf Erden, und vornehmlich das der Könige und Völker, pflegte man in einem höheren Lichte zu betrachten. Man glaubte fest, daß es Gott ist, von dem die Könige ihre Krone haben, daß er sie auf ihrem Haupte beschützt; daß alle Liebe und Fürsorge der Fürsten für die Völker, alle Liebe und Aufopferung der Völker für die Fürsten - ein Gottesdienst sey. In den Zeiten der Noth hatte man, durch eine edle Begeisterung emporgetragen, die drückendsten Entbehrungen kaum empfunden, und es schien, daß man in diesem Sinne fortleben, und daß der freigewordene Geist sich nicht wieder dem Fleische unterwerfen würde.
Sind wir noch, was wir damals waren, meine Brüder? Sind wir vorgeschritten oder zurückgegangen? Ich frage es Euch; ich frage, ob wir die Bedingungen erfüllt haben unter denen wir in der jetzigen Zeit den Schutz des Herrn erwarten dürfen; ob eine Veränderung in uns vorgehen müsse oder entbehrlich sey? Und Ihr fühlt, daß es frevelhaft seyn würde, wenn wir diese Frage nicht ohne Schonung, der strengsten Wahrheit gemäß zu beantworten suchten. Wie steht es also, frage ich, wie steht es unter uns um den Glauben und das christliche Leben? An einzelnen Orten, in einzelnen Gemüthern hat der Glaube sich befestigt, das gebe ich zu; aber - und das scheint mir ebenfalls unleugbar - aus der großen Menge hat er sich zurückgezogen, und eine eisige Kälte gegen Gott und Gottes Offenbarung ist an seine Stelle getreten. Die schönen Hoffnungen für die Verbreitung des Glaubens und das Aufblühn der Kirche, denen man sich damals hingeben konnte, sind nicht erfüllt worden. Hand in Hand, brüderlich hätten wir alle fortschreiten sollen auf der Bahn des christlichen Lebens; dies ist nicht geschehen; viele sind zurückgeblieben, und diese haben nun gemeint, daß die andern zu schnell gingen, und daß sie das Ziel überschritten. Die Einigkeit im Geiste hat aufgehört; anstatt in einem Gefühl der Anbetung und Liebe zu verschmelzen, hat man sich in Partheien getrennt, man hat sich gegenseitig bekämpft, geschmäht, mit Spott überhäuft. Der Gleichgültigen wurden noch mehr als der Gegner, und durch ein von allem Höheren geschiedenes Leben verleugneten diese den Herrn fast noch lauter, als es durch die Stimmen seiner Widersacher geschah. Bei Schätzung der irdischen Angelegenheiten stand man nicht immer auf dem Grund und Boden des Glaubens, und so konnten Unternehmungen, die offenbar in Gottes Ordnung eingriffen, Entschuldigung finden. Diese Geringschätzung dessen, was uns mit dem Himmel verbindet, entflammte um so mehr das Verlangen, dies arme kurze Leben, welches der Mensch hier auf Erden zubringt, mit allen möglichen Ehren und Genüssen auszustatten. Selbst bessere Gemüther fühlten diesen Stachel, dürsteten nach Auszeichnung, überließen sich dem Leichtsinn, der Ueppigkeit, der Leidenschaft. Die Anzahl derjenigen, die ein erbauliches Beispiel gaben,, verminderte sich, und die Aergernisse fingen wieder an, sich zu häufen. Aus den höheren Ständen drang die sogenannte Bildung in das Volk, und auch dieses meinte sich ohne das Christenthum behelfen zu können. Es lernte vieles, nur nicht das Eine, was Noth thut. Seine Ruhe, sein ehrenwerthes Beharren in einem geschlossenen Kreise hatte es verloren, und gegen ungemeßne Wünsche vertauscht.
Ist dem also, meine Brüder, nun so sey diese ernste, trübe, schwere Zeit uns gesegnet zu einer Zeit der Buße. Zur Buße ermahnen uns die Gefahren, mit denen Gott uns umgeben hat, von denen noch keine genaht ist, die er noch alle entfernen kann. Buße wollen wir thun wegen dieser schönen, ruhigen Friedensjahre, welche viele unter uns so durchaus verloren haben; welche kein Einziger ganz nach Gottes Willen angewendet hat. Buße sollen Alle thun, Lehrer und Zuhörer, Hohe und Geringe, Alte und Junge. Und zugleich wollen wir fromme Entschließungen fassen; horchen wollen wir auf die Stimme des Herrn, der durch die Ereignisse so gewaltig zu uns redet, und thun, was er uns befiehlt. Er spricht: Jerusalem, erkenne in der jetzigen Zeit, was zu deinem Frieden dient; und wir wollen erkennen, daß Er selbst unser Friede ist, innerlich und äußerlich jetzt und künftig, und wollen zu ihm zurückkehren. Er spricht in seinem Worte: fürchtet Gott, ehret den König; und wir wollen in dem Könige, den er uns gab, nicht nur den hochbegnadigten Menschen, sondern auch den Gesalbten Gottes ehren. Er spricht: So seyd nun wacker alle Zeit und betet, daß ihr würdig werden möget zu entfliehn diesem allen, was geschehen soll! Ja, wir wollen erwachen aus dem Schlafe der Lust und der Leidenschaft, wir wollen uns gürten, wir wollen beten für unsern König, unser Volk, uns selbst. Er spricht: Daran wird man erkennen, daß ihr meine Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt. Aufgehoben sey alle Zwietracht, die durch Verschiedenheit der Meinungen herbeigeführt ward; in unser Aller Brust schlage nur Ein Herz, brenne nur Ein Gefühl der Liebe für Gott, König und Pflicht!
Wie hieß es doch in unserm Texte? Es hieß: Daß wir erlöset von der Hand unserer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Lebelang. Furcht - sie war noch kurz zuvor in unserm Herzen, weil das Bewußtseyn der Schuld dunkel und drückend auf uns lag, weil wir es nicht ausgesprochen, nicht fromme Entschließungen gefaßt hatten. Jetzt haben wir unsere Sünden bekannt, wir haben fromme Entschließungen gefaßt - und die Furcht ist verschwunden. Wir sind ruhig, denn wir sind erlöset aus der Hand unsrer schlimmsten Feinde, der Sünde und des Unglaubens; wir sind mit Gott vereint; und weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andre Creatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. Den König an unsrer Spitze stehen wir, ein gläubiges, frommes, treues Volk, alle wie Ein Mann; und über uns breitet Gott segnend und schützend seine Hände.
Nun ist auch das Weihnachtsgefühl wieder in unsere Herzen zurückgekehrt; es ist Ruhe, Sicherheit, Freudigkeit; wir verdanken es dem hohen Wunder, das wir heute feiern, der Menschwerdung des göttlichen Wortes. Schöne Weihnachtssonne, du gehst auf, du verscheuchest die Wolken, die über dem Erdkreis hangen, du verscheuchest wenigstens die Wolken von unserm Herzen. D Sohn Gottes, allmächtiger Regierer der Welt, siehe, wir vertrauen Dir ganz. Thue, was Dir gefällt. Tödte uns, wenn Du willst, aber laß uns nicht sündigen, laß uns nicht untreu werden! Amen.