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Theremin, Franz - Der Friede, den uns Christus gibt.

Am sechsten Sonntage nach Trinitatis 1831.

Evangelium Johannis K. 14, V. 27.
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

Welch ein herrliches Vermächtniß, das hier Jesus seinen Jüngern hinterläßt! Seinen Frieden, denselben Frieden, der in seinem göttlichen Herzen wohnte und es immerdar erfüllte, den gibt er ihnen, der soll auch in ihrem Herzen wohnen, und alle Unruhe und Angst aus demselben entfernen. Hätte er ihnen wohl seine Liebe deutlicher beweisen, hätte er ihnen wohl ein größeres Gut, ein vollkommneres Gnadengeschenk verleihen können? Denn das ist doch gewiß; wenn wir von der einen Seite den Inbegriff Alles dessen, was wir uns wünschen und was uns beseligt, - wenn wir von der andern Seite den Inbegriff Alles dessen, was uns quält und was wir verabscheuen, mit einem Worte ausdrücken wollten: so würden wir das erste Frieden, das andere Unruhe nennen.

Haben denn auch wir, geliebte Brüder, an diesem himmlischen Vermächtnisse, das der Herr den Seinigen versprochen hat, Theil genommen? Besitzen auch wir seinen Frieden? Behauptet er sich stets, während das äußere Leben nur die Oberfläche des Gemüthes bewegt, in den Tiefen desselben? Oder werden wir nur in einzelnen Augenblicken durch ihn beseligt, um bald wieder schmerzlich seinen Verlust zu beklagen? Kennen wir ihn vielleicht durchaus nicht; haben wir noch nie seine Seligkeit empfunden? War das, was wir mit seinem Namen belegten, kein wahrer Friede, sondern nichts als die Gleichgültigkeit des Leichtsinns und die gefährliche Sicherheit des Hochmuths? Nach diesen Fragen prüfe ein Jeder sich selbst; und da, wie wir sie fluch beantworten mögen, doch bei uns allen das Bedürfnis; sich kund geben wird, entweder den uns noch unbekannten göttlichen Frieden kennen zu lernen und zu erlangen, oder den zwar bekannten, aber uns stets entschlüpfenden fest zu halten und uns tiefer in seinem Besitze zu gründen: so laßt uns untersuchen erstlich, wo ist der wahre Friede zu finden; und zweitens, wie finden wir ihn.

I.

Erstlich, wo ist der wahre Friede zu finden? Nicht in der Welt, antwortet sogleich unser Text. Ich gebe Euch einen Frieden, spricht Christus, wie die Welt ihn nicht geben kann. In der Welt, das heißt, in den Verhältnissen der Menschen, in den sichtbaren, einem unaufhörlichen Wechsel unterworfenen Dingen, in den irdischen Gütern, in den Neigungen, welche sich auf diese Güter richten - da ist kein Friede zu finden.

Ich wünschte, daß es mir schwerer seyn möchte, Euch dies zu beweisen, doch der jetzige Zustand der Welt macht es mir nur leider gar zu leicht. Durchlauft mit Euern Blicken den Welttheil, den wir bewohnen, betrachtet ein Land nach dem andern: wenige beglückte Länder, und vor allen das unsere, ausgenommen - wo findet Ihr Frieden, auch nur äußeren Frieden? Er hat aufgehört seit jener großen Erschütterung der menschlichen Verhältnisse, die vor nun bald einem Jahre begann, und die noch stets in ihren Wirkungen fortdauert. Alles schwankt; alles stürzt ein, oder drohet einzustürzen; die aufs Aeußerste getriebene Ungeduld der Menschen will die Dinge neu schaffen und gestalten, und indeß, bis die neue Ordnung eingeführt werden mag, wird die alte aufgelöset, daß nur ein Chaos davon übrig bleibt. Auch die Waffen werden geschwungen, und der Krieg, dessen Schrecknisse so lange geruht hatten, fängt wieder an, einzelne Länder mit seinen blutigen Spuren zu bezeichnen.

Uns, wie gesagt, uns ist durch die Gnade Gottes, und durch die Weisheit Dessen, den er uns zum Herrscher gegeben hat, bei dieser allgemeinen Unruhe, Friede in den innern und in den äußern Beziehungen erhalten worden; aber auch in unsern Gemüthern? Wohl schwerlich! Denn von Allem, was in der Welt geschieht, kommt zu uns eine schnelle, ungeduldig erwartete, begierig aufgenommene Kunde, und durch das, was wir hören und lesen, werden wir in beständigem Wechsel mit Freude und mit Schmerz, mit Hoffnung und mit Besorgniß erfüllt. Wir richten die Augen bald auf den einen bald auf den andern von jenen Punkten, wo die Unruhe am größten, die Bewegung am stärksten, der Kampf der Leidenschaften am heftigsten sich zeigt; und nun ist uns, als würde von diesem Punkte aus eine Feuersäule sich erheben, und bald über ganz Europa einen allgemeinen Brand verbreiten. Da wir nicht abzusehn vermögen, wie diese Verwirrung sich auflösen wird, so denken wir oft, diese Auflösung in eine noch größere Verwickelung, in einen Kampf Aller gegen Alle setzen zu müssen. Heute und morgen, dieses Jahr noch, sprechen wir, dauert vielleicht der Friede! Und seine Segnungen, womit Gott uns begnadigt, genießen wir nicht recht, weil wir fürchten, daß sie nur zu bald aufhören werden.

Indessen ist auch jene in dem fernen Osten entstandene Plage, jene Krankheit, die uns darum furchtbarer scheint als andere, weil sie eine größere Anzahl Menschen befallt, und ihrem Leben schneller ein Ende, macht - sie ist in ihrem verheerenden Fortgange über unsere Grenzen getreten, und an einem Orte innerhalb derselben ausgebrochen. Alles, was menschliche Weisheit, was eine väterliche, erleuchtete Fürsorge thun kann, um das Uebel auf einen engeren Kreis zu beschränken, um seine Verbreitung zu hindern - dies ist geschehn, wir erkennen es mit dem gebührenden Dank! Aber diese Maaßregeln, die unter Gottes Schutz, zur Abwehrung des Uebels von dieser Hauptstadt vielleicht hinreichen werden, sie reichen nicht hin zur Stillung der Gemüther; jede öffentlich gegebene Kunde erregt, anstatt zu beruhigen, weil sie den Gegenstand der Furcht näher vor die Augen bringt. Nirgend kommen Menschen zusammen, wo nicht alsbald im Gespräch der unheilschwangere Name ertönte, und nicht eher werden die gewöhnlichen und beliebten Gegenstande der Unterhaltung hervorgesucht, ehe man sich nicht über diesen matt und müde geredet hat.

Nur an dies Alles durfte ich Euch erinnern, um Euch mit geringer, nur mit allzu geringer Mühe darzuthun, daß die Welt Euch keinen Frieden geben kann. Freilich wohl, versetzt Ihr; und mit Unwillen fügt Ihr vielleicht hinzu: Warum aber uns daran erinnern? Ist es nicht genug, daß wir uns die ganze Woche hindurch mit diesen Gedanken plagen; müssen wir auch noch am Sonntage, wo wir im Hause des Herrn ihnen zu entgehen meinten, damit gequält werden? Wohl, meine Brüder; ohnehin bedarf ich der jetzigen Zeitumstände nicht; und daß in der Welt kein Friede zu finden ist, das kann ich, auch ganz abgesehn davon, Euch beweisen.

Wir wollen uns also einen Zustand der Welt, so ruhig, so glücklich, wie er hienieden nur seyn kann - wie er fünfzehn Jahre hindurch für uns gewesen ist; wir wollen uns mitten in einer solchen Welt einen Menschen denken, dessen Gemüth ihr zugewendet ist, und an ihr hängt. Dieser bemerkt, so weit sein Blick reicht, Alles, was sich in ihr ereignet und verändert; denn Etwas ereignet und verändert sich doch immer. Seine Neugier ist gespannt; immer will er etwas noch nie Gesehenes sehen, noch nie Gehörtes hören; und wenn dies Verlangen nicht befriedigt wird, wie es doch auch zuweilen geschehen kann, fühlt er Mißbehagen und Unruhe. Sein Inneres füllt sich ganz mit den Bildern der äußeren Gegenstände, die in demselben hin und herwogen, die durch mannigfaltige Zusammensetzungen bald freudige Stimmungen hervorbringen, bald aber auch - er weiß selbst nicht warum, ihn in Trauer und Schwermuth versenken.

Er will aber nicht dastehn in der Welt, als ein gedankenloser Zuschauer, er will prüfen und beurtheilen, er will den Erscheinungen ihre Stelle anweisen, er will den Werth dessen, was gethan wird, bestimmen, es loben oder tadeln. Da ereignen sich nun aber unzählige Dinge, denen er durchaus nicht seine Zustimmung ertheilen kann; Einrichtungen werden getroffen, die er mißbilligt; Menschen, von denen er eine ungünstige Meinung hat, gelangen zu Macht und Ansehn; Grundsätze verbreiten sich und scheinen herrschend werden zu wollen, die er für irrig und falsch, deren Einfluß er für gefährlich hält und erklärt hat. So hat er sich denn eine große Sorge und Mühe, die er zu übernehmen keinesweges verpflichtet war, freiwillig aufgeladen, und die Welt, die er lenken will, und die sich doch nicht von ihm will regieren lassen, hält stets den Frieden von ihm entfernt.

Zu verwundern wäre es, bei einer solchen Hingebung an die Welt, wenn nicht das Ich, wie es pflegt, hervortreten und seine Ansprüche geltend machen sollte. Warum werden denn nur immer Andere von dem Glück, und von Denen, welche Glück, Lob, Ansehn ausspenden können, begünstigt, und ich niemals? Warum bleibe ich arm, während Jener Schätze sammelt? Warum hält man mich zurück auf einer niedrigen Stufe, während Jener emporsteigt? Ist er besser als ich; hat er länger, hat er treuer gearbeitet? Aber sie wird auch für mich kommen, die Gelegenheit, jene goldenen Früchte zu brechen, und wenn sie kommt, soll sie nicht unbenutzt bleiben. Die Gelegenheit kommt, und mit ihr die Versuchung zur Sünde; die Frucht wird gebrochen, und die Sünde wird begangen. O jammervoller Einfluß der Hingebung an die Welt, und der Begierde, die sich auf ihre Güter richtet! Redet, Ihr, in denen irgend eine von diesen Leidenschaften wohnte, redet und bezeugt es uns, bekennt es wenigstens vor Euch selber: Ob Ihr gleich zu den edleren Menschen gehört, obgleich in Euch einige Anfänge des christlichen Glaubens waren, dennoch, habt Ihr keine einzige Eurer Leidenschaften ohne Sünde befriedigen können! Nicht die heilige Wahrheit, die in Gott wohnt und die in allen Worten eines gottesfürchtigen Christen hervortreten soll, nicht sie hat immer aus Eurem Munde geredet, sondern Statt ihrer nur zu oft die Lüge. Ob Ihr Etwas thun oder lassen, loben oder tadeln, bekämpfen oder vertheidigen solltet, dazu hat Euch nicht immer Pflicht und Gerechtigkeit, dazu hat Euch nicht selten der Nutzen und Vortheil des Augenblickes bestimmt. Euer äußeres und inneres Leben hat zwei ganz verschiedene Seiten; von der einen dienet Ihr Gott und erfüllt seine Gebote, seyd aller Achtung und Ehre werth; von der andern dient Ihr der Leidenschaft, vollbringt die Sünde, und, was Ihr verdient, das mögt Ihr euch selber sagen. Bei diesen entgegengesetzten Richtungen, denen Ihr folgt, und die Euch selbst inwendig zerreißen, bei diesem Kampf der Gedanken, die sich verklagen und entschuldigen, bei diesem Wechsel des Aufstrebens zu Gott und des Niedersinkens in die Lust: da wolltet Ihr Frieden haben? Niemals, und wenn auch auf der ganzen Erde der Friede blühte und sie äußerlich in ein Paradies verwandelte! Denn Ihr gehört wenigstens zum Theil der Welt, und die gibt nicht, die nimmt den Frieden.

Nun will ich gern zugeben, daß manche Güter hienieden ohne Sünde angestrebt, besessen, genossen werden können, und daß sie, die ein wesentlicher Bestandtheil des Glückes sind, auch dem Herzen große und reine Freuden gewähren. Aber geben sie ihm auch Frieden? Um ihm den zu geben, müßten sie es ganz ausfüllen, müßten für kein anderes Verlangen Raum übrig lassen; und das vermag kein irdisches, sichtbares Gut, das vermag nicht einmal ein geistiges, wenn es mit dem Irdischen, Sichtbaren zusammenhängt, wenn es selber endlich und beschränkt ist. Manche unter Euch haben vielleicht solche Augenblicke erlebt, wo Alles, was nur Gegenstand eines erlaubten, rechtmäßigen Wunsches seyn kann, um sie zusammenströmte und sich vereinigte. Sie waren glücklich; waren sie auch ruhig? Wenn sie den Frieden nicht aus einer höhern Quelle schöpften, so glaube ich nicht zu irren, wenn ich behaupte, daß er ihnen fehlte, und daß auf dem Gipfel des Glückes eine seltsame Unruhe sich in ihnen erhob. Kann dieses keinen Frieden geben, so kann es doch ihn rauben, wenn es verschwindet; und verschwinden muß es einmal: diesem Gesetze sind hienieden alle Dinge unterworfen. Welche Kraft wird nicht durch die Jahre gebeugt; welche Fähigkeiten erleiden nicht Abnahme und Verfinsterung? Welcher Wohlstand, welcher Ruf, welches Ansehn ist dauernd gegründet? In welchen Freundschafts- oder Familienkreis kann nicht durch den Tod eine Lücke gebrochen werden, durch welche alles Uebrige zusammenstürzt? Mit Unruhe und Angst sieht man Jahre hindurch einen solchen Unfall herannahen; er ist gekommen, man sieht am Grabe seines Glückes, am Grabe Derer, die man liebte. Alles dahin, nur die Angst ist geblieben.

Wo ist denn also der Friede? Denn das glauben wir Euch dargethan zu haben, daß er in keinem Sinne, unter keinen Umständen, auf Erden, in dieser Welt zu finden ist. Eins bleibt nur übrig: Der Friede ist in Gott! Was könnte sie stören die Ruhe des Unendlichen, der in sich selber die Fülle der Güter und vollkommene Genüge findet; des Unwandelbaren, dessen Thron durch den Wechsel der Zeiten, der tief unter ihm hinzieht, nicht berührt wird; des Weisen, des Heiligen, dessen weiser und heiliger Wille von Ewigkeit zu Ewigkeit feststeht; des Allmächtigen, der mit Einem Worte schafft und vernichtet, mit Einem Winke Himmel und Erde regiert, mit Einem Hauche Alles ihm Widerstrebende zu Boden stürzt? Niemals endigen für ihn die sechs Tage, an welchen er schaffet; aber auch der siebente, an welchem er ruhet, hört niemals für ihn auf. Diesen Frieden verbreitet er in dem Himmel, wo er wohnt, und den er ganz mit seiner Herrlichkeit und seiner Gegenwart füllt. Für die hohen Gewalten, die er früher als den Menschen erschuf, die seinen Thron umgeben, sein Angesicht schauen, und mit des Blitzes Kraft und Schnelle seine Befehle vollziehn - wie viel Jahrtausende, nach unserer Art zu reden, sind schon für sie verflossen, seitdem sie sich in Demuth ihres glänzenden Daseyns erfreun: aber wie ihre Stirn nicht gealtert ist, so ward auch noch niemals die Ruhe ihres Herzens gestört. Für die Seligen, die Auserwählten, seitdem ihr verklärter Fuß jene himmlische Wohnung betrat, welche Zeit - wenn in Beziehung auf sie noch von Zeit zu reden ist - welche Zeit des Friedens hat für sie begonnen! Sie verließen eine sich immer mehr in Kampf und Streit verwirrende Welt; ein Haus, das die Gestalt und Einrichtung, die sie ihm gegeben hatten, bald gegen eine andere vertauschen mußte; einen irdischen, aus Staub gebildeten Leib, der sich mehr und mehr in Staub verwandelt, mehr und mehr der Erde, aus welcher er genommen ward, ähnlich wird, dessen Ruhestätte ein selbst der Vergänglichkeit unterliegendes Denkmal bezeichnet; Angehörige, die mit einem zerrissenen Herzen, das den Frieden, bis Gott ihn wiedergibt, entbehren wird, an ihrem Grabe stehn; ein Leben, wo sie selber, in allen Augenblicken, wo sie nicht fest an Gott hingen, der Angst und der Unruhe Preis gegeben waren. Nun haben sie Gott, und in ihm haben sie Alles; von ihm ausgehend ist in ihr Herz ein unermeßlicher, nie versiegender Strom von Seligkeit geflossen; ihr Geist ist aufgegangen in der Beschauung des göttlichen Wesens, bei welcher die Mannigfaltigkeit der Dinge ihm zwar nicht verschwindet, aber ihn nicht mehr zerstreut. Ganz beherrscht von dem göttlichen Einfluß, der sie vor aller Verirrung schützt, reden sie nie ein Wort, das sie bereuen, spüren sie nie in sich die leiseste Regung, die sie verdammen müßten. In einer Gedanken-, Gefühl-und Thatenreichen Ruhe wandeln sie ohne zu gleiten in den Räumen des Himmels, welche der Hauch des ewigen Friedens durchweht.

Warum habe ich dies geschildert? Etwa um nun den Seufzer hinzuzufügen: Ach! daß doch auch wir nur erst aus der Unruhe des Erdenlebens zum Frieden des Himmels entrückt wären? Nein, das ist nicht meine Absicht. Jener Wunsch ist zwar gut, ein großer Apostel hat ihn gehegt, also kann er auch uns vergönnt seyn. Aber nicht um ihn hervorzurufen, rede ich heute, sondern vielmehr um gemeinschaftlich mit Euch einen Frieden zu suchen, der schon unter den Kämpfen und der Verwirrung dieser Welt gefunden und bewahrt werden kann. Wir wissen jetzt, wo er ist; er ist in Gott, er ist im Himmel; also kann er auch auf Erden seyn. Denn wahrlich, Gott ist nicht fern von einem jeglichen unter uns; in ihm leben, weben und sind wir. Der Himmel ist nicht fern von der Erde; und wäre zwischen beiden die ungeheuerste Kluft, so ward sie ja überschritten durch Christum, und nicht vergeblich haben die Engel bei seiner Geburt: Friede auf Erden gesungen. Wir wissen, wo der Friede, laßt uns zweitens sehn, wie der Friede zu finden ist.

II.

Er ist aber einzig und allein dadurch zu finden, daß man sich von der Welt losreißt, um sich zu Gott zu erheben. Von der Welt sich losreißen - ein großes Wort und eine schwere Aufgabe! Man lebt doch einmal in der Welt, man hat in ihr manche Pflichten zu erfüllen; man ist an sie durch manche Bande, die gewiß nicht alle sündlich zu nennen sind, gefesselt; gibt es nun wohl ein Mittel, uns von der Welt loszureißen, das nur die sündlichen Bande trennt, indem es die rechtmäßigen und heiligen bestehn läßt; das die Begierden unterdrückt, ohne der Pflichterfüllung zu schaden? Ein solches Mittel gibt es: dies ist die Buße, und zur Buße hat unsre ganze bisherige Betrachtung uns auffordern müssen. Denn in dieser Welt, die keinen Frieden geben kann, haben wir Thörichten doch den Frieden gesucht; und da sie unzählige Irrgänge eröffnet, da sie mit ihrer verführerischen Stimme bald auf Kiesen, bald auf jenen lockt: so sind wir unser Leben hindurch auf diesen falschen Wegen gerannt, getaumelt, geschlichen, und haben nur den einen verlassen, um uns auf den andern zu begeben. Erst dienten wir der Lust und der Eitelkeit, dann dienten wir der Habsucht und dem Stolz; erst wollten wir verschwenden und dann zusammenscharren; erst wollten wir gelobt, und dann wollten wir bewundert seyn. Erst wollten wir genießen, sey's auch mit dem Verluste unserer Seligkeit; dann wollten wir beides verbinden: nach der Seligkeit trachten und doch wie ein Sünder denken, fühlen und leben. O der vielen, schönen, kostbaren, in dieser schrecklichen Thorheit verschwendeten Jahre! O der bittern Schmerzen, die wir so ganz und ohne Noth uns bereitet haben, und denen wir so leicht hatten entgehen können! Ach! und wie gern wollten wir die Schmerzen vergessen, wenn wir nur die Sünden vergessen könnten, die Sünden, welche wir in unserm blinden Jagen nach Glück und nach Freude, in unserm Rausche, unserer Betäubung, unserer Schwache begangen; durch die wir uns selbst, aber auch Anderen geschadet, Viele verwundet, Viele geärgert, durch die wir - was mehr als Alles ist - Gott erzürnt haben; die nicht nur das ganz verworfene frühere Leben, nein, auch das scheinbare bessere, seit unserer vermeinten Bekehrung geführte, beflecken; die sich mit unvertilgbaren Spuren unserm Gedächtniß eingeprägt haben, und die unsern Frieden zerstören, sey's, daß wir sie betrachten, sey's, daß wir streben, sie zu vergessen. So wollen wir sie denn nicht vergessen, wir wollen ihrer gedenken, nicht vor uns allein, sondern vor Gott; ihm, der sie kennt, wollen wir sie bekennen; seine Gnade und Barmherzigkeit wollen wir anrufen: verabscheuen wollen wir die Sünde in uns: meiden wollen wir alles in der Welt, was nicht ohne Sünde besessen, genossen, begehrt werden kann. Dadurch nahen wir uns Gott; dadurch reißen wir uns los von der Welt; das ist der erste Schritt zum Frieden.

Dieses großen und sicheren Mittels - der Buße - bedienen erleuchtete Gemüther sich immer, um, bei innerer und äußerer Unruhe, Frieden in sich selbst und mit Gott zu haben; durch Buße stärken sie sich, wenn sie einem schweren Geschäfte, einer drohenden Gefahr entgegen gehn; durch Buße bereiten sie sich zum Tode; zur Buße pfleget ein Volk beim Herannahen eines Krieges aufgefordert zu werden. Buße beruhigt immer, denn die Sünde quält nur, so lange man an ihr hängt, und sie verschweigt; alle Kraft, uns zu peinigen, hat sie verloren, so bald man sie bekennt und ihr entsagt. Zur Buße - das dürfen wir dreist behaupten, so wenig wir auch im Einzelnen die Absichten Gottes verstehn mögen - zur Buße will er uns erwecken durch diese Erschütterung aller Dinge, diese vielgestaltige Verwirrung, durch diesen Geist der Besorgniß und Angst, der über die Menschen gekommen ist. Warum hätte er gestattet, daß die Unruhe so groß würde, als um sie desto mächtiger zur Ergreifung des ersten, Ruhe gewährenden Mittels aufzufordern? Warum hatte er ihnen die Wohlthat des allgemeinen Friedens genommen, als um ihnen zu zeigen, daß sie diese Wohlthat nicht verdienten, und daß sie die Jahre des Friedens nicht, wie - es sich gebührte, angewendet haben? Warum hätte er dies zügellose Toben der menschlichen Leidenschaften so lange geduldet, als um dem Menschen darzuthun, was von Natur im Menschen ist, damit er vor sich selber erschrecke? Warum hätte er so plötzlich alle Aussichten auf irdisches Wohlergehn verdunkelt, als damit wir einmal die Welt für das, was sie ist, erkennen, und uns von ihr zu ihm wenden sollten?

Dies ist die Absicht Gottes - und diese Absicht wird nicht erfüllt. Noth hat, so weit wir es beurtheilen können, das bange Erwarten der Dinge, die da kommen werden, die Gemüther zu keiner Buße erweckt. Wir hören zwar Einige klagen, daß Handel und Gewerbe stocken; wir hören Andere bedenklich ausrufen: Wie wird es übers Jahr in Europa aussehn! Wir hören noch Andere seufzen: Ach! wenn nur. diese Krankheit, diese furchtbar verheerende Plage an unserer Stadt vorüberginge und sie verschonte! Wir hören, daß man sich von den Maaßregeln unterhält, ihre Einschleppung zu verhindern, von den Mitteln, sich gegen sie zu verwahren und sie zu heilen: daß man aber Bedacht nähme, das furchtbare Uebel der Sünde zu heilen, das schon so früh in die menschliche Natur ist eingeschleppt worden, und wovon wir alle ergriffen sind - das hören, das sehen wir nicht. Keine Veränderung ist noch eingetreten in dem gewöhnlichen Leben der Menschen; der Kreislauf, worin es sich bewegt, hat noch keine Stockung erfahren. Wie es war zu den Zeiten Noahs und Lots, wo sie aßen, tranken, freieten und ließen sich freien; wo sie kauften, verkauften, pflanzten und baueten, so ist es auch jetzt. Und jenes Geschlecht zwar ahndete nicht seinen Untergang; Ihr aber, meine Brüder, fürchtet das Hereinbrechen großer und schrecklicher Verhängnisse: solltet Ihr denn nicht eilen, Euch mit dem Gott, der sie sendet, zu versöhnen, Euern Bund mit ihm zu erneuen, um, ganz erfüllt von seinem Frieden, allen äußern Feinden muthiger begegnen zu können? Ihr fürchtet das Hereindringen einer Krankheit, die in wenigen Stunden einen Menschen befallen, auf das Lager werfen und tödten kann: und Ihr sorgt nicht für das Heil Eurer Seele? Ihr fragt nicht nach den Bedingungen eines seligen Todes? Ihr erfüllt nicht die erste von allen, Buße zu thun? Dies Alles, sage ich, fürchtet Ihr; ich sage nicht, daß es zu fürchten sey. Ich vertraue der Allmacht des Herrn, der nur Ein Wort sprechen darf,, so muß der Sturm schweigen, und die Wellen müssen sich legen- Ich vertraue der Gnade des Herrn, die sich an unserm Volke so oft verherrlicht hat, und auch in Zukunft sich nicht verleugnen wird. Ich habe auch immer gelehrt, daß ein jeder Tag ein Tag der Buße seyn, und daß man nicht die Tage der Angst und Noth abwarten müsse. Aber ich versetze mich in Eure Stimmung; und da ich denn sehe, wie groß Eure Besorgniß ist, so möchte ich wenigstens, daß Eure Buße auch recht tief und entschieden wäre.

Durch Buße trennt man sich von der Welt, und das ist viel; aber es ist noch nicht Alles, man muß sich auch zu Gott erheben, sich mit ihm verbinden; und durch wen wird dies möglich? Einzig und allein durch Christum. Durch wen wißt Ihr denn, daß die Sünde, die Ihr bereut, in das Meer eines grundlosen Vergessens geworfen ist, daß ihre verdienten Strafen in der Ewigkeit, der Ihr entgegen geht, Euch niemals ereilen und ergreifen werden? Einzig und allein durch Christum, der allein es Euch versichern konnte, weil nur Er im Stande war, diese Strafen Euch abzunehmen, und weil er sie Euch abgenommen und sie selbst erduldet hat. Durch wen wißt Ihr denn, daß Ihr, entflohen dieser streitenden und kämpfenden Welt, eingehen werdet zu den Wohnungen des Friedens, um dort aus dem Strome des Lebens eine Seligkeit zu trinken, deren Hoffnung schon hienieden beseligt? Einzig und allein durch Christum, den Auferstandenen, der Eure unvergängliche Fortdauer in das hellste Licht gesetzt, und Euch im Hause seines Vaters eine Stätte bereitet hat. In wem ist Gott, der Unendliche, in wem ist der Himmel mit seinem Frieden, in wem ist das ewige Leben mit seiner unvergänglichen Freude Euch nahe? Einzig und allein in Christo, wenn Ihr an ihn glaubt, wenn Ihr ihn liebt, wenn Ihr seine Gegenwart fühlt; denn in ihm hat sich Gottheit und Menschheit verbunden, auf daß der Mensch in ihm, der auch ein Mensch ist, die Fülle der ewigen Güter finden könnte. Deshalb spricht er in unserm Texte: Meinen Frieden gebe ich Euch. Er allein kann ihn geben, er ist sein Eigenthum, und immer hat er ihn Denen gegeben, die, durch Glauben und Liebe, Kinder des Friedens und seine Jünger geworden waren; und die nun, selig in dieser Gemeinschaft, um nicht aus derselben herauszutreten, ihr inneres und äußeres Leben sorgsam gegen die Sünde bewachten. Manches mochte ihnen fehlen, Ehre und Ansehn vor der Welt, Gesundheit und Wohlstand; Weib und Kinder, welche sie einst besaßen; - vielleicht oft das tägliche Brot: aber was ihnen gewiß niemals gefehlt hat - niemals wenigstens in allen den Augenblicken, wo sie sich recht fest anschlossen an den großen Fürsten des Friedens - das ist der Friede, den er gibt. Diese haben oft große Kämpfe bestanden gegen sich selbst und gegen die Welt; sie haben, sagt die Schrift, Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängniß; sie sind gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getödtet; sie sind umhergegangen mit Mangel, mit Trübsal und Ungemach, in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften der Erde. Aber unter solchen schrecklichen Bedrängnissen hat der Friede stets in ihrem Herzen gewohnt; und er wird nicht weichen aus dem Herzen aller Gleichgesinnten, wenn dereinst Sonne und Mond ihren Schein verlieren und die Sterne vom Himmel herabfallen werden.

O daß Du es wüßtest, Jerusalem, daß Du in der jetzigen Zeit deiner Heimsuchung es erkennen und beherzigen wolltest, daß in keinem andern Friede ist als in Christo! Aber Du willst es nicht erkennen; immer noch erheben sich Stimmen aus Dir, welche rufen: „Dieser soll nicht über uns herrschen; er soll nicht für den eingebornen Sohn Gottes und unsern Erlöser, seine Lehre soll nicht für göttliche Weisheit gelten. Wir, auch ohne ihn, wissen, was wahr ist; wir, unbekümmert um seine Gesetze, gestalten nach unserm Belieben die Welt.“ O daß du es wüßtest, Jerusalem, daß diese Irrlehre und ihre Verbreitung Schuld ist an der Verwirrung, worüber du klagest; daß sie es ist, die alle Dinge aus ihren Fugen gehoben, und die jetzige Zeit der Noth und Bedrängnis; herbeigeführt hat; und daß in der Begünstigung, welche dieser Irrthmn auch bei Dir findet, das größte Hinderniß deines Friedens liegt! Ach! und wir selber, die wir erleuchtet worden, und geschmeckt haben die himmlische Gabe und die Kräfte der zukünftigen Welt, geschmeckt haben den seligen Frieden, den man in Christo findet, wenn man unverwandt Blick und Herz auf ihn richtet: o wie ist es möglich, daß wir ihn so oft aus den Augen verlieren; daß wir oft kaum Einmal des Tages an ihn denken, der unser immerwährender Gedanke seyn sollte; daß wir oft so reden und handeln, als wollten wir mit Petrus sprechen: Ich kenne diesen Menschen nicht! Wie soll der Friede in uns wohnen, und, wenn wir ihn entbehren, ist es ein Wunder?

Blieben wir nur fest und unerschütterlich in der Gemeinschaft mit Christo, so müßte auch das ängstliche Brüten über die Zukunft und ihre Ereignisse, diese große Störung des Friedens, verschwinden. Wer führt sie denn herbei, diese Ereignisse? Ist es nicht der Vater, der uns durch die Sendung seines Sohnes gezeigt hat, wie er es mit uns meint, und daß er die Liebe eines Vaters gegen uns hegt; ist es nicht der Sohn, der sein großes Reich hienieden, weise und milde, wie ein Hirte seine Heerde, regieret? Was da kommen wird, das ist seinen Rathschlüssen gemäß; denn wenn es das nicht wäre, wie könnte es überhaupt sich ereignen? Es soll dienen zu seiner Verherrlichung, zur Verbreitung seiner ewigen Wahrheit; es soll den endlichen, entschiedenen Sieg des Lichts über die Finsterniß vorbereiten. Möchten wir, daß es nicht geschähe; daß der Herr, der für uns gestorben ist, nicht verherrlicht, daß die Wahrheit, die von Gott kommt, nicht verbreitet, daß die Finsterniß nicht von dem Lichte besiegt würde? Es geschehe, was zur Ausführung dieser großen Absichten nothwendig ist, und wenn es uns auch furchtbar und entsetzlich scheinen sollte; der Wille des Herrn geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden; wir haben keinen andern Willen als den seinigen: also haben wir auch Frieden, denn seinem Willen kann nichts widerstehn.

Was aber wird über uns und unsere nächsten Angehörigen verhängt werden? Nur das, was zur Ehre des Herrn dient, nur das, was unser und ihr eignes Heil befördert; ich sage noch mehr, nur das, was zu diesem Heile nothwendig, unentbehrlich ist. Dazu können auch Trübsale gehören, freilich; aber möchten wir diese, und unser Heil, das davon abhängig ist, auslöschen aus der Ordnung der Dinge? Möchten wir, auch wenn wir es könnten, ein Leiden ablehnen, ohne welches unsere Seligkeit Gefahr liefe? Solcher Leiden haben wir schon manche in der Vergangenheit ertragen, und wir wollen eben nicht behaupten, daß sie uns leicht geworden wären, aber der Herr unterstützte uns so mächtig mit seiner starken Hand, er ließ aus der bittern Wurzel der Trübsal eine solche friedsame Frucht der Gerechtigkeit hervorgehn, daß wir auch jene erduldeten Trübsale segnen: so werden wir auch diejenigen, die, uns noch erwarten, dereinst segnen können.

Besonders gnädig zeigt sich der Herr gegen die Seinigen in der Bestimmung des Augenblicks, der sie von hinnen abrufen soll; dies ist immer unter allen, die sie erlebt haben oder noch erleben könnten, derjenige, wo ihre Seele am besten vorbereitet ist zu jenem großen Uebergange, und wo derselbe ihr am leichtesten wird. Unzählige Mittel stehn dem Herrn zu Gebote, um diesen Augenblick herbeizuführen. Mag eine ansteckende Krankheit wüthen und tausend Opfer an Deiner Seite hinwegraffen, jener Augenblick, treuer Jünger des Herrn, wird deshalb nicht früher erscheinen, als es von ihm beschlossen war; jener Augenblick würde aber auch, wenn es keine solche Krankheit gegeben hätte, deshalb nicht später erschienen seyn. So glaube denn also nicht, daß eine äußere, Verderben bringende Macht über Dich gebiete; blicke empor zu dem Herrn, der allein Dein Schicksal entscheidet, und lebe also, daß jeder Augenblick, wo er Dich abruft, ein Augenblick der Gnade seyn könne.

Wird dennoch der Friede Eures Herzens dauernd gestört, so seyd überzeugt, daß auch euer Verhältniß zu dem Herrn eine Störung erlitten habe; ach! wie oft widerfährt ihm diese, da unsere Schwäche so groß und die Versuchung so mächtig ist! Dann nehmet schleunig Eure Zuflucht zum Gebet; schleunig stellet dies unsere Gemeinschaft mit dem Herrn in ihrer ganzen Innigkeit, und auch den Frieden unserer Seele wieder her. Die Christen sollten jetzt viel, eifrig, brünstig beten, nicht nur für sich, sondern auch für ihre Brüder, nicht nur für ihr Vaterland, sondern auch für die Menschheit. Ein jeder, ehe er spräche: Unser täglich Brot gib uns heute, und dabei an seine näheren Bedürfnisse dächte, sollte beten: Dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel!

Dieses Gebet des Herrn werden wir jetzt zum Schlusse unserer Andacht sprechen; wir werden Euch darauf den Segen ertheilen, der mit einer Anwünschung des Friedens schließt. Betet es heute mit besonderer Andacht, dies Gebet, tragt seine Bitten fort in Euerm Herzen, um sie oft im Namen des Herrn zu wiederholen; dann werdet Ihr auch seinen Frieden, den wir Euch wünschen, mit hinwegnehmen. Möchtet Ihr ihn in Euern Wohnungen finden; möchte er Euch stets begleiten; möchte, Ihr heutigen Abendmahlsgenossen, der Friede des Herrn, der höher ist als alle Vernunft, an seinem heiligen Tische Euch durchströmen und Euch niemals verlassen! Amen.