Wir sind eine einheitliche Körperschaft. Wir sind durch unsere gemeinsame religiöse Überzeugung, durch ein und dieselbe göttliche Zucht und durch den Bund gemeinsamer Erwartung zusammengehalten. Wir treten zu einer bleibenden Vereinigung und zu gemeinschaftlichen Versammlungen zusammen. Wir bilden gleichsam ein Heer um Gott und belagern ihn mit unseren Bitten. Das ist die Gewalt, die Gott freut. Wir beten auch für den Kaiser, für alle, welche verantwortliche Ämter und Machtvollkommenheiten bekleiden. Wir beten um den Aufschub des Endes. Wir kommen zusammen, um uns den Inhalt der Heiligen Schrift zu vergegenwärtigen, so oft die Lage der Zeit zur Warnung oder Erinnerung drängt. In jedem Falle nähren wir durch heilige Worte unseren Glauben. Wir straffen die Erwartung. Wir stärken das Vertrauen. Wir befestigen die Zucht durch Einschärfung unserer Vorschriften. In dieser unserer Vereinigung und Versammlung kommt es zur Aufmunterung, zur Zurechtweisung und zu göttlicher Beurteilung. Denn es wird mit großem Nachdruck Gericht gehalten, wie es bei Menschen sein muß, die der Gegenwart Gottes gewiß sind. So wird es zu einem tiefergreifenden Vorspiel des zukünftigen Gerichts, wenn jemand sich so vergangen hat, daß er von der Gemeinschaft des Gebets, von der Gemeinschaft des gesamten geweihten Verkehrs ausgeschlossen wird. Den Vorsitz führen immer die Bewährtesten, „die Älteren“, wie wir sie nennen. Diese Ehre haben sie niemals durch Geld, sondern durch ihren guten Ruf erlangt. Denn für Geld ist keine Sache Gottes zu haben. Wenn auch eine Art Kasse vorhanden ist, so kommt sie nicht durch Eintrittsgeld, wie man sich etwa in eine Gesellschaft oder Stellung einkauft, zusammen. Das wäre ja eine Art „Kaufen der Religion“. Es legt vielmehr jeder einzelne an einem Tag im Monat irgendeinen Betrag ein, oder auch wann er es sonst will, und wenn er es überhaupt will, und wenn er es kann. Denn es besteht für niemand ein Zwang; sondern jeder gibt freiwillig seinen Beitrag. Es sind dies gleichsam Spareinlagen der Gemeinschaft mit Gott. Denn nichts davon wird für Schmausereien und Trinkgelage oder unnütze Freßwirtschaft verausgabt, sondern vielmehr für die Ernährung und Bestattung der Armen, wie vermögensloser und elternloser Jungen und Mädchen, wie für Schiffbrüchige und für Strafarbeiter in den Bergwerken, auf den Verbannungsinseln oder in den Gefängnissen. Es geschieht dies unter der Voraussetzung, daß es für die Gemeinschaft Gottes dahin kam, so daß die so Betroffenen Versorgungsberechtigte ihres Bekenntnisses geworden sind. Aber sogar dieser hohe Charakter von Liebestätigkeit drückt unsern den Augen gewisser Leute ernsten Makel auf: „Seht“, sagen sie, „wie sie sich untereinander liebhaben“, sie nämlich hassen sich gegenseitig; „seht, wie sie bereit sind, einer für den anderen zu sterben“, sie nämlich sind eher bereit, sich gegenseitig zu töten. Aber auch, daß wir mit dem Namen „Brüder“ genannt werden, regt sie, meine ich, aus keinem ändern Grunde auf, als aus dem einen, daß bei ihnen jede Anwendung eines Wortes der Blutsverwandtschaft, die herzliche Zuneigung ausdrücken soll, Heuchelei ist. Brüder aber sind wir sogar auch Euch; wir sind es nach dem Recht der Natur, die unsere gemeinsame Mutter ist; wenn Ihr auch nicht wahre Menschen seid, solange Ihr schlechte Brüder seid. Wie viel mehr entspricht es der Sache, daß die als Brüder angeredet und angesehen werden, welche ihren einen Vater, Gott, erkannt haben, welche, aus dem einen Schoß gleicher Unwissenheit staunend aufgeschreckt, zu dem einen Licht der Wahrheit gelangt sind. Aber vielleicht werden wir deshalb für nicht recht legitim gehalten, weil unser Brudersein in keiner lärmenden Deklamation einer Tragödie auftritt, oder weil wir auch für das Familienvermögen Brüder sind, bei dem für Euch in der Regel die Brüderlichkeit aufhört. Wir, die wir nach Geist und Seele innerlich verbunden sind, können keine Bedenken für das Hingeben unseres Besitzes haben. Alles ist bei uns gemeinschaftlich, nur nicht die Frauen. In diesem Punkte lösen wir die Gemeinschaft auf; und das ist gerade der einzige Punkt, in dem die anderen Menschen Gemeinschaft haben. Ach, dieses Beispiel altgriechischer Weisheit und römischer Würde! Kuppler ist der Philosoph wie der Staatsbeamte! Wie kann man sich aber darüber wundern, wenn eine so große Liebe wie die unsere auch in gemeinschaftlichen Mahlzeiten gemeinsam lebt. Sogar unsere bescheidenen Mahle verlästert ihr aber als verschwenderisch, nachdem ihr sie als verbrecherisch in Verruf gebracht habt. Nur über das Gastmahl der Christen stellt man Untersuchungen an. Rechtmäßig ist es unerlaubt, weil es unerlaubten Zusammenkünften gleichgerechnet wird. Rechtmäßig ist es zu verurteilen, sobald jemand darüber auf den Paragraphen hin klagen will, auf den man über die geheimen Vereine klagt. Zu wessen Schaden aber sind wir irgend einmal zusammengekommen? Versammelt sind wir doch gerade das, was wir auch zerstreut sind; alle miteinander sind wir doch gerade das, was die einzelnen sind. Wir sind es ohne Schädigung und ohne Benachteiligung für irgend jemand. Wenn rechtschaffene und gute Menschen zusammenkommen, wenn gläubige und reine Menschen sich vereinigen, so verdient das nicht den Namen eines geheimen Vereins, sondern vielmehr den eines hohen Senates. Umgekehrt müßte man den Zusammenkünften den Namen des verbotenen Parteivereins beilegen, welche sich zum Haß gegen die guten und rechtschaffenen Menschen verschwören, denen, die nach dem Blut Unschuldiger rufen. Um ihren Haß zu rechtfertigen, brauchen sie jenen unbegründeten Vorwand, der in ihrem Wahn besteht, von jedem öffentlichen Unglück, von jedem Unheil für das Volk seien die Christen in erster Linie die Ursache. Wenn der Tiber bis innerhalb der Stadtmauern steigt, wenn der Nil umgekehrt nicht die Feldfluren beströmen will, wenn die Witterung nicht günstig werden will, wenn Erdbeben ist, wenn eine Seuche kommt, immer wird gleich das Geschrei laut: „Vor die Löwen mit den Christen.“
Tertullian, Apol.cap.39 u. 40
Wird jemand von den Unseren jemals unter einem anderen Titel angeklagt als um des Namens „Christ“ willen? Keine Affäre hat jemals der Christ zu erleiden als nur die seiner Sekte, welcher niemand in einem so langen Zeitraum eine Blutschande oder ekle Grausamkeit nachgewiesen hat. Für unsere große Unschuld, für unsere große Rechtschaffenheit, für unsere Gerechtigkeit, Reinheit und Wahrheitsliebe, ja für den lebendigen Gott werden wir verbrannt. Damit wird eine Strafe an uns vollzogen, die bei wirklichen Tempelschändern, bei den Staatsfeinden und der großen Menge von Majestätsverbrechern gewöhnlich nicht angewendet wird.
Tertullian 4 ad Scapulam.
So erscheint denn als das ganze gegen uns behauptete Verbrechen nicht irgendeine Freveltat, sondern die Führung eines Namens. Es stellt sich nicht die Bezeichnung eines Verbrechens heraus, sondern vielmehr das Verbrechen, eine Bezeichnung zu führen. Überall sind also hier Namen das, was mit Schwert, Galgen, Kreuz und Bestie bestraft werden muß.
Das Gebet einer ganzen Christengemeine.
Wir gehen mit einander zu Gott, als holten wir mit gewaffneter Hand, was wir verlangen. Diese Gewaltthätigkeit gefällt Gott.1)
Gott hat uns befohlen, den heiligen Geist mit Ruhe, Sanftmuth und Frieden in unserm Herzen zu bewahren, und ihm nicht durch Zorn, Rachsucht, oder sonst ein Leid, darin zu stören und zu beleidigen, denn er ist von einer sehr zarten und feinen Art. 2)
Da es Gott nicht genügte, daß allen Menschen die Erkenntniß Gottes natürlich eigen ist; so gab er noch darüber uns die Schriften, damit wir vollkommener und eindrücklicher sowohl ihn selbst, als seine Verordnungen kennen lernen sollten, wer nur immer Gott suchen, den Gesuchten finden, dem Gefundenen glauben, und dem Geglaubten dienen will. (Apolog. c. 18) 3)
Lese nur Gottes Wort, unsere heiligen Schriften, die wir nicht unterdrücken, und die so viele Pflichten gegen die Nichtchristen uns auflegen. Daraus sollst du wissen, daß es uns befohlen sey, um es in der Menschenliebe zur Vollkommenzeit zu bringen, auch für unsere Feinde Gott zu bitten, und unsern Verfolgern Gutes zu wünschen. (ibid. c. 31.)4)
Wir lesen die heilige Schrift, wenn wir Leiden zu dulden haben; und indem wir uns mit derselben recht vertraut machen, finden wir die Schrift bestätigt. (ibid. c. 20.)5)
Es wird mich gewiß nicht reuen, auch die kurzen Briefe Paulus achtsam zu durchlesen; in ihrer Kürze sind sie doch sehr geschmackreich. (advers. Marcionem.)6)
Wir wohl an Gott gedacht? Christus verehrt? Der Glaube lebendig erhalten durch abwechselndes Bibellesen? woher nun Erquickung für den Geist? wo der göttliche Segen? (ad Uxorem lib. 2. c. 8.)7)