Eine gezwungene Freundlichkeit, Dienstfertigkeit oder einige andere Liebesbezeugungen mit Worten, Gebärden oder mit der Tat, dadurch wird nichts ausgerichtet und bei euern gegenwärtigen Verdrießlichkeiten auch die Sache nicht gründlich gebessert. Wenn man sich allerseits und ein jeder für sich in der wahren Demut gründen läßt, dann fließt dieses äußere Betragen schon von selbst. Will man aber ohne solchen Grund sich auch noch so freundlich stellen, so tut es doch kein gut, wohl aber bisweilen Schaden.
Glaube bei dir selbst und in deinem Gewissen für fest und unstreitig, daß keiner im ganzen Hause verkehrter, ärmer, blinder und untüchtiger sei im Leiblichen und Geistlichen als eben du. Sage solches keinem Menschen, sondern glaube es in aller Einfalt vor Gott!
Aus diesem Grund achte, liebe, diene und hilf, nachdem es die Umstände erfordern, einem jeden von Herzen, als aller Knecht!
Verlange und erwarte aber solches von andern nicht. sondern vielmehr, daß sie dich verachten, hassen und vergessen; denn, welche Ursache wolltest du haben, solches anders zu verlangen, da du fest glauben mußt, daß du nichts anders verdienst?
Als einem solchen muß dir in allen Stücken das Geringste, das Wichtigste, das Verachteste gut genug und noch zu viel sein, weil es doch allezeit noch mehr ist, als du verdienst.
Das Obige ist deine Pflicht; was die Pflicht anderer, darüber bekümmere dich nicht sonderlich, weil du kein Vorsteher des Hauses bist.
Deute alles zum Besten, was andere reden oder tun.
Wenn du einige Lieblosigkeit oder sonst was Arges in andern gegen dich merkst, so denke doch nichts Arges, sondern glaube, daß sie es so böse nicht meinten, sondern daß der Versucher alsdann da sei, dein Gemüt dadurch herauszulocken, zu beunruhigen und zu verstricken; reiß alsbald dieses Schalksauge aus durch plötzliche, aber sanfte Abwendung deines Gemüts und deiner Gedanken von andern auf deine innere Armut oder auf Gottes Gegenwart in deinem Herzen!