Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Des Schreibers Hingebung an die göttliche Vorsehung, und Aufopferung seines Vergnügens an die Einsamkeit und Abgeschiedenheit von allen Menschen.

Werte Schwester!

Es geht mir auch wie Dir, dass ich seit vielen Jahren kein Verlangen mehr nach irgendeinem Menschen fühle; ja ich kann wohl sagen, sie sind mir alle zuwider. Doch habe ich auch darin viel von meinem Vergnügen aufopfern müssen, und muss es noch täglich tun, mich der göttlichen Vorsehung überlassend, ohne der mindesten Unzufriedenheit im Geiste Platz zu gönnen, und ohne mich umzusehen, wie vollkommen oder unvollkommen ich in den Dingen zu Werke gehe, da ich allein wünsche, dem Herrn zu gefallen. Meine Schwäche, die mich für die Menschen so unbrauchbar macht, schützt mich noch oft in der Einsamkeit, und da bin ich dankbar für, weil der Herr es gibt, und wann er es gibt. Aber das fühle ich wohl, ich kann in nichts als in dem Herrn ruhen, der allein unsere reine Ruhe und Seligkeit ist. Je mehr er Platz in uns gewinnt, desto unwissender und fremder macht er uns an uns selbst, und gibt allmählig immer mehr Leichtigkeit im Vergessen unsrer selbst, auf dass das Werk des Herrn so viel reiner bleibe und er durchaus als König in uns herrschen möge! Amen, Jesus, also geschehe es!

Ich bleibe

Dein

verbundener Bruder.

Mülheim, den 19. April 1743.