Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Wenn Gott uns zu einer kindlichen Abhängigkeit von Ihm und zur Ruhe in Ihm bringen will, dann führt Er uns durch Abnehmen, Arm- und Schwachwerden hindurch.

In unserm teuren Heilande Jesu herzlich geliebter Bruder!

Ich fühle mich gedrungen, Dich einmal wieder im Geiste und auch durch einen Brief zu besuchen und von Herzensgrunde zu begrüßen. Der HErr segne Dich, mein Bruder! Er sei bei Dir mit seiner Gnade! Er schenke Dir Frieden, und Er selbst sei Dein wahrer Friede, der allen Verstand, alle Vorstellung und allen Begriff übertrifft! Amen, Jesus! O, wie wahr ist es, dass Gott allein genug ist; denn Er ist der eigentliche Gegenstand, Zweck und Ruhepunkt unsres Geistes und unsre ganze Seligkeit. Mag es mit uns und den Dingen um uns so oder anders beschaffen sein, dies ist durchaus gleichgültig, und alles ist gut und recht, wenn es in der Ordnung Gottes ist. Davon hängt unser Frieden nicht ab, aber von unserm guten Gott in Christo, der unveränderlich gut, selig und genug bleibt in sich selbst, und auch in denen, die nur Ihn allein wünschen. Je mehr ich die Vergänglichkeit oder die wunderbar veränderlichen Ereignisse dieses nichtigen Lebens betrachte und erfahre, denen wir mit Seele und Körper unterworfen sind, um so höher achte ich die Barmherzigkeit, dass wir uns so unbekümmert dem ewig-festen Fundament, das Gott selbst ist, hingeben dürfen. Ja, je tiefer wir empfinden, dass wir und alle Dinge so sind, wie sie sind, nichtig, gebrechlich, schwach und veränderlich, um so mehr muss uns dies bewegen, uns selbst und allen Dingen zu entsagen, um allein in unserm Gott zu ruhen, kindlich von Ihm abzuhängen und in Ihm, so zu sagen, gläubig niederzusinken. Ich denke dabei an das, was David sagt Psalm 22, 11: Auf dich bin ich geworfen aus Mutterleibe. Alles Zeitliche ist uns so zuwider, man findet auch in sich selbst nichts Festes mehr, man fühlt sich wie weggeworfen, um nur so ganz auf und in den HErrn niederzufallen; und wenn wir dieses tun, wird uns der Friede zu Teil; wir haben genug, wenn wir nichts haben, und uns gleichsam verlierend stehen wir wohlbehalten auf einem festen Grunde. Ja, Er allein muss uns dazu geleiten, nicht indem Er uns zunehmen und stark werden lässt, sondern durch ein wirkliches Abnehmen, Arm- und Schwachwerden, wodurch wir in Ihm niedersinken, und Er uns in sich wiederfinden lässt. Der HErr will allein und ewig allein verherrlicht werden in und wegen unsrer Erlösung. Er, unser guter Gott und unsre höchste Seligkeit, wird uns dieses verleihen und uns dazu vorbereiten, dass wir von ganzem Herzen zufrieden sind mit unserm allgemeinen Nichts, um uns wie einfältige Kindlein allein zu erfreuen in der Größe, Güte und unveränderlichen Seligkeit unsres Gottes.

wie sicher sind unsre Güter in seiner Hand bewahrt, die in der unsrigen nur verderben würden! Dass Er also alles und auch uns ganz in seinen Händen behalte; dann können wir mit Paulus gewiss sein, dass Er unsre Beilage bewahre bis an jenen Tag (2 Tim. 1, 12). Amen. Herr Jesus!

Ich bleibe durch die Gnade

Dein
in der Liebe des HErrn verbundener schwacher Bruder.