Friede und Hilfe von dem HErrn! In Ihm herzlich geliebter Bruder!
Deinen mir angenehmen Brief habe ich zu derselben Zeit erhalten, wo Du auch einen von mir empfangen haben wirst. Ich bin seitdem schwächer geworden, als ich war, muss Dir aber doch einige Zeilen schreiben. Lieber Bruder, der HErr sei Dir nahe mit aller Hilfe! ja, ich weiß, dass Er es ist, und dass Er sein Auge auf Dich richtet. Ich sage dieses nicht, um nur etwas zu Deinem Troste vorzubringen, denn ich weiß sehr gut, wie wenig Einfluss menschliche Worte auf das Gemüt derjenigen haben, die der HErr auf den Weg des innern Leidens führt; es wäre dann, dass man gerade den göttlichen Augenblick träfe; aber ich sage es im Bewusstsein Deines Zustandes und im Drange eines Eindrucks, den ich im gegenwärtigen Augenblicke vom HErrn glaube zu empfangen. Dein Weg ist schwer, aber sicher. Wer die Tiefe der menschlichen Eigenheit nicht ein wenig kennt, der kann sich unmöglich nach solchen Wegen richten; man weiß nicht, was es ist, noch wozu es dienen soll; aber glücklich sind die Kinder Levi, die gewürdigt werden, dass der HErr sie reinigt und läutert wie Gold und Silber. Diese allein können dem HErrn Speiseopfer bringen in Gerechtigkeit (Mal. 3, 3). Diese Speiseopfer und Gerechtigkeit bestehen in der gründlichen und wahren Erkenntnis und dem Bekenntnis unsres eignen Nichts und des göttlichen Alles, in dem auch alle Reinheit, Wahrheit, Freiheit und Seligkeit begriffen ist. In diesem Maße ist zwar dieser Weg kein Weg für alle; aber genug, dass es ein Weg für Dich ist, den unser oberster Herr und guter Vater für Dich auserwählt hat, um sein Werk in Deiner Seele zu vollbringen. Der HErr gebe, dass Du bleibest im Einfältigen, im Gegenwärtigen, in der gänzlichen Abhängigkeit, zufrieden mit dem Schwachen, dem Armen, dein Schweren, dem Nichts und damit, dass es so sei, wie es ist, weil man dann nichts begehrend doch alles hat. Ich nehme, mein Liebster, großen Anteil an Deinem Zustande, und wünsche Dir alle Unterstützung nach des HErrn Wohlgefallen; aber ich würde Dich aus diesem Zustande nicht ziehen wollen, wenn ich es auch vermöchte, weil ich überzeugt bin, dass Dein Weg gut ist, und Du in der gütigen Hand des HErrn liegst. Suche daher auch nichts von dem, was ich Dir schreibe, in Dir selbst; ist etwas darin, das zu einiger Stärkung beiträgt, so lass es eindringen, und nimm es an als vom HErrn kommend; wo nicht, so lass es liegen, wo es liegt, denn ich will Dich nicht in Dich selbst eingehen lassen. Verliere Dich, mein werter Bruder, in die Hände des HErrn, ohne umzuschauen; je mehr außer Dir selbst, desto besser. Wir erkennen unsre gänzliche Abhängigkeit vom HErrn nur im Leiden allein. Alles ist Gnade, bloße Gnade im kostbaren Blut Jesu Christi! In seinem Namen wollen wir hier und ewig unsre Knie beugen und bekennen, dass Er allein alles in allem sei! HErr, deine Wege sind heilig, gut und anbetungswürdig! Lass das Unsrige nur vergehen, auf dass Du allein und ewig in Deiner Kreatur verherrlicht werdest! Aber bleibe an der Arbeit, wenn Du die Kinder Levi reinigst; lass Dein väterliches Auge über uns wachen und unterstütze uns durch Deine verborgene Nähe! Ja, Amen.
Ich grüße und umarme Dich im Geiste und bleibe mit voller Liebe
Dein
treu verbundener schwacher Bruder.