Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Innigkeit der Geistesgemeinschaft.

In dem Herrn Jesu, der unsre einzige Hoffnung und Herrlichkeit ist, sehr werter und innig geliebter Bruder!

Dein Schreiben ist mir zugekommen; es war mir angenehm und erquickend. Dem HErrn Dank und Liebe dafür, dass wir einander durch seine gütige Vorsehung in dem Tal dieser Welt begegnet sind, und uns zusammen als Glieder, die zu dem einen göttlichen Leibe gehören, vereinigt haben. (Ich denke an das Zusammenkommen der Gebeine bei Hesek. 37, 7). Dass der HErr dieses bewirkt hat, daran kann ich nicht zweifeln. Ich kann Dir auch sagen, dass ich oft wie bei Dir bin, und Dich in meinem Herzen finde, Dich im Geiste innig begrüßend, Dich Ihm innig anempfehlend, und mich selbst dann mit Dir vergessend und verlierend, um nur in Gott ohne alle Einmischung zu ruhen, in dem seligen, alles erfüllenden, in allem genügenden Einen, unserm Ursprung und unserm anbetungswürdigen seligen Ende und Ruheplage, gesegnet und geliebt in Ewigkeit! Amen.

Ich lese in Deinem Briefe dasselbe, was ich täglich in meinem Herzen lesen kann, nämlich, dass unsre Gemeinschaft bleibt, und dass diese unsre Gemeinschaft sei mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesu Christo (1. Joh. 1, 3). Briefe also und räumliches Zusammensein sind erquickend, wenn uns der HErr das eine oder andere gönnt, aber notwendig sind sie nicht für uns. Die Uneigennützigkeit, welche das Kindliche mit sich bringt und mitteilt, macht, dass man in dieser Hinsicht, nichts fordert und verlangt, und weder im Besitzen noch Entbehren die innere Ruhe verliert, weil sich die Herzen gegenseitig kennen.

Unser Freund P., unser Freund H. und viele andere unsrer Freunde sind kurz hintereinander dahingeschieden, und wir sind auf dem Wege ihnen zu folgen. Ihr Leiden und ihre Mühen sind vorüber, und auch die unsrigen schwinden mit der eilenden Zeit, so dass wir keine Ursache haben schwermütig darauf hinzublicken. Der HErr ist mit uns, mit Ihm können wir alles tragen und ertragen, wie auch diese Freunde taten. Wir können und dürfen es so recht kindlich glauben, dass der HErr mit und in uns ist, und sein Wohlgefallen darin findet, so recht innig bei uns zu bleiben, und sich unzertrennlich mit uns zu vereinigen. O, über den menschliebenden Schatz und das anbetungswürdige liebe Wesen, was aus Liebe für uns Mensch geworden ist, um uns recht nahe und innig verwandt zu werden, und das göttliche Leben mit allem Heil und Segen wieder in den dürren menschlichen Baum zu leiten! Warum sollten wir also nicht alles auf Ihn ankommen lassen, und Ihn im Leiden und Tragen, im Leben und Sterben nicht ruhig erwarten, da Er unser Leben und alles für uns ist? Aber Er dringt so tief in das Herz ein, dass wir entwöhnte und einfältige Kindlein werden müssen, die nur von seiner Einwirkung leben, seinem Wirken im Innern und seiner Vorsehung im Äußern sich ganz hingeben und überlassen. Tun wir dies, dann wird Er sein Werk für uns vollenden, und unsre wenigen Tage hier unten segnen zu seiner ewigen Verherrlichung. Amen.

Ich bleibe durch seine Gnade

Dein
in dem HErrn verbundener Bruder.