Wie wir uns Tag und Nacht üben, und unsere Leiden in Gottes Leiden tragen sollen.
In Christo Jesu! dominus nostrus. Liebe Kinder! Alle euere Zuversicht sey in Gelassenheit, in Haben und Darben all der Wollust zeitlicher Dinge und auch geistlichen Trostes, mit einem demüthigen Beibleiben bei eueren Herzen zu allen Zeiten, Amen. Dadurch wird Seele und Leib rein von allen Flecken dieser Welt, und auch von aller Falschheit des argen Geistes. Hier soll euere Vernunft wahrnehmen und wachen in all euerem Thun und Lassen des Guten und auch des Argen, und mit euerem Willen von dem Argen zu dem Guten kehren. So oft als ihr euch hiezu ergebet, so wird eure Vernunft mit neuem Lichte erleuchtet von der väterlichen Klarheit des Sohnes, und euer Wille gerichtet zu allen Tugenden Jesu Christi, und euer Herz vereinigt mit Gott in der wonnigen Liebe des heiligen Geistes, und so wird euere Seele eine Wohnung und ein Tempel der heiligen Dreifaltigkeit.
Aber ein Mensch, der diesen Tempel würdig halten will, also daß Gott sein Werk allzeit in ihm wirken könne, der muß sich Gott geben und lassen mit gesammtem Herzen, zu allen Zeiten und in allen Dingen, so daß er die Zeit des Morgens bis an den Inbiß mit Gott zubringe und das mit Betrachtungen von Gott, als wovon er am allermeisten gereizt werden kann, und auch mit Gebet und andern guten Werken, so wie er dazu von Gott jederzeit ermahnt wird. Nach dem Inbiß oder der Mahlzeit soll er sein Almosen senden in das Fegfeuer, mit den Vigilien. Darnach kann der Mensch rufen oder irgend ein äußeres Werk wirken, wie es ihm dann gehört, bis an die Vesper, und dann aber sich selbst mit etlichen Betrachtungen zu Gott kehren und sich selbst reizen. Am Abende soll er dieselbe Weise halten, und mit gesammtem Herzen mit Gott sich zu Bette legen und darin einschlafen; so wirkt Gott in seiner Seele, als ob er erwachte in Gottes Werken.
Dieser Mensch soll sich allzeit sammeln, und besonders, wenn er bei den Leuten ist, soll er seiner selbst ernstlich wahrnehmen. Er soll sich auch allzeit in Gott erfreuen, ohne Ausgelassenheit seiner Sinne, und sich weder Liebes noch Leides zu nahe gehen lassen. Besonders soll er unordentlicher Traurigkeit wiederstehen, und alle Schmähworte der thörichten Leute dieser falschen, betrogenen Welt; alle Beschwerden der Natur und Widerwärtigkeit des Gemüths, was diese Menschen anfallen kann, soll er in das Leiden opfern, das unser Herr Jesus Christus von den schmählichen Worten hatte, als die Juden sprachen, er wäre mit dem bösen Geiste besessen; auch in die Beschwerde und Widerwärtigkeit, die unser Herr auf dem Oelberge hatte, da er aus Todesangst blutigen Schweiß schwitzte, und er spreche mit ihm: Herr! dein Wille geschehe und nicht der meinige, es sey mir lieb oder leid.
Also bringt ihr allzeit angemessene Früchte an dem edlen Baume des Kreuzes unsers Herrn Jesu Christi. Die Kraft des Vaters überwinde in euch alles, was euch irre führen kann; die Klarheit des Sohnes mit seiner Weisheit leite euch in all das Gute, das euch zu ihm befördern kann; die Liebe des heiligen Geistes vereinige euch ewig mit Gott in Christo Jesu. Amen.