Ihr Sieg über die Sünde
„Denn die Sünde wird nicht herrschen können über euch; weil ihr nicht unter dem Gesetz seid sondern unter der Gnade.“ (Röm. 6,14)
Unter Gnade versteht die Heilige Schrift die unverdiente Liebe Gottes, wie sie durch das Werk des Sohnes und durch das Werk des Geistes in die Stellung und in das Leben des Sünders eingreift. Der Sohn Gottes hat uns damit, dass Er unsere Sünden trug, von der Strafe und der Macht von der Sünde befreit, mit unserem Gott versöhnt und wieder verbunden. Der Geist Gottes schließt uns im Worte das Werk des Sohnes auf und macht uns desselben teilhaftig.
Wenn der Stand unter der Gnade und der Stand unter dem Gesetz in der oben angeführten Stelle einander gegenüber stehen, so ist dabei unter Gnade nicht bloß die Vergebung der Sünden zu verstehen, die sie uns bringt, sondern es ist die Gnade als Macht ins Auge gefasst, die das Leben Christi in uns ausgestaltet.
Um im wahren und vollen Sinne des Wortes unter der Gnade zu stehen, genügt es nicht, das Versöhnungswerk Christi durch den Heiligen Geist erfasst zu haben, der Vergebung seiner Sünden und seiner Gotteskindschaft versichert zu sein. Es gehört dazu, dass wir uns der Unterweisung des Geistes nun auch in vollem Gehorsam ausliefern, Ihn unbeschränkt in uns regieren und die Fülle seiner Wirkungen in uns bestätigen lassen. Es gehört dazu, dass wir in Jesus bleiben.
Offenbar, wie der Apostel es ausspricht, kann die Sünde über Christen nicht mehr herrschen, die in dieser Stellung sind.
Die Sünde ist wohl noch in ihnen und bleibt in ihnen, aber sie selbst sind daraus entrückt. Der Heilige Geist hat den Mittelpunkt ihres Lebens und Seins, Ihres Denkens, Liebens und Wollens in Jesus Christus verpflanzt; Er hat sie mit Christus zusammen geschlossen, wie Reben an dem Weinstock. Sie leben wohl noch, ja mehr denn je, oder viel mehr sie leben jetzt erst, aber nicht mehr ihres eigenen Lebens. Alle ihre Erinnerungen und Hoffnungen, all ihr Leben in Freud und Leid, in Ruhe und Arbeit schöpfen sie nicht mehr aus ihrem eigenen, verdorbenen Grunde. Christi Liebesgedanken, seine Interessen und Leiden machen jetzt ihr Leben aus. Christus ist es, der in ihnen lebt und alles wirken will.
Unter der Gnade leben, im Gegensatz zum Leben unter dem Gesetz, heißt nicht mehr selber leben (Gal. 2,19-20); nicht mehr für sich selbst leben (2. Kor. 5,15).
Christen, die im Laufe ihrer Pilgerschaft die Sünde unter stets erneuerten Formen in ihrem Herzen auftreten sehen, machen diese Erfahrung nur, solange sie nicht im vollem Sinne unter der Gnade stehen, nur da wo sie unter das Gesetz zurückfallen, indem sie in sich selbst leben. Nicht als ob der Geist Gottes nicht in ihnen wäre; Er ist es ja, der sie ihre Sünden erkennen lässt; aber dass diese überhaupt vorkommen, hat darin seinen Grund, dass sie sich noch in sich selbst bewegen, sich mit sich selbst abgeben. Sie bleiben nicht unverwandt unter dem Schatten der Gnade, ihrem eigenen Selbst entfremdet und von demselben geschieden. Sie bleiben nicht dabei, sich der Sünde für abgestorben zu halten und darum kann sie der Geist Gottes zu keinem steten Wohnen, zu keinem Bleiben in Jesus bringen.
Wenn wir unter der Gnade bleiben und nach dem Geiste wandeln, ist es unmöglich, dass wir der Sünde erliegen; selbst die inneren Kundgebungen der Sünde hören dann schließlich auf. Wenn Schwierigkeiten, Versuchungen, Leiden an uns herantreten, so finden sie uns in Christus verschanzt, mit seiner Kraft angetan, in ein Leben eingehüllt, mit Ihm zu einem Geiste verbunden; sie können nicht die Oberhand gewinnen, weil sie in uns auf Christus stoßen. Eine Sünde in Wort oder Tat, oder geheimen Regung setzt immer eine Lockerung, eine, wenn auch nur augenblickliche Unterbrechung unserer Beziehungen zu Christus voraus.
Um uns eine Niederlage beibringen zu können, muss der Feind erst dazu gelangen, uns aus unserem Bergungsort, aus unseren festen Stellung in Christus herauslocken. Diese Stellung ist uneinnehmbar; wer noch einwilligt, sie zu verlassen, begeht eine unverantwortliche Torheit.
Wer sich unter das Gesetz stellt, stellt sich unter das erdrückende „du sollst, du musst“; er erschöpft sich in Anstrengungen, die nicht nur vergeblich sind, sondern die Sünde reizen und vermehren (Röm. 5,20). Unter der Gnade ist das „du sollst“ unbekannt. Das Herz mit all seinen Trieben ruht in Gottes Willen, als dem guten, angenehmen und vollkommenen, ohne zu fragen, wie er ihm erscheint, angenehm oder unangenehm, leicht oder schwer, möglich oder unmöglich. Wer unter der Gnade steht, stützt sich auf dieselbe mit unbedingtem Vertrauen und spricht dem Willen Gottes gegenüber jederzeit und von ganzem Herzen: „Ich will, Herr und ich preise dich, dass ich kann. Ich kann, weil du Kraft gibst zu allem, was du verlangst, weil Du wollen und vollbringen selber in mir wirkst.“
Er stützt sich auf die Gnade und auf die Gnade allein für das scheinbar Leichteste und Einfachste so gut als für das scheinbar Unmöglichste. Wer unter der Gnade steht, geht vorwärts, in Christus geborgen und in Christus gehüllt; den Willen und die Kraft seines Gottes allem entgegen setzend, was ihm begegnet. Er hat Zuversicht und Freudigkeit, weil ein Hirte, der alle Hindernisse wegräumt (Micha 2,13), siegreich vor ihm hergeht oder gar ihn trägt.
Man sieht, wie weit die Gnade entfernt ist, die Sünde in uns zu begünstigen (Röm. 6,15) und wie im Gegenteil unter der Gnade das Sündigen notwendig aufhört. Wer unter der Gnade lebt, der wohnt im Schatten des Allmächtigen und ist damit dem Bereich der Sünde entrückt.
Der Stand unter dem Gesetz und der Stand unter der Gnade stehen einander gegenüber, wie Fleisch und Geist (Joh. 3,6). Sei es, dass wir das Leben unter der Gnade noch nie gekostet, sei es, dass wir wieder unter das Gesetz zurückgefallen seien: Niemals werden uns unsere Bemühungen und Anstrengungen aus dem Reiche des Gesetzes in das Reich der Gnade bringen. Es gibt keinen menschlichen Weg und keine menschliche Brücke, die von einem zum anderen führen würde. Die Gnade wäre nicht mehr Gnade, wenn man dazu anders gelangen könnte als durch das unmittelbare und unverdiente Eingreifen Gottes.
Hiermit treten wir den Schwerpunkt unseres Gegenstandes nahe und der Lösung, wie sie uns namentlich in Röm. 8,1-4 gegeben ist. Die lutherische Übersetzung bedarf an dieser Stelle eine Berichtigung: Wir übersetzen: „Gott sandte seinen Sohn in Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch. Was der Mensch nicht vermochte, was dem Gesetz unserem sündlichen Fleisch gegenüber unmöglich war, das hat Gott auf sich genommen und zustande gebracht. Er hat seinem Sohn mit einem unserem sündlichem ähnlichen Fleische angetan und indem Er Ihn für unsere Sünde dahin gab, hat er dieselben im Fleische Christi gerichtet und abgetan. Der sterbende Christus hat das Gesetz der Sünde, das uns gefangen hielt, mit in sein Grab genommen; der Auferstandene hat ein Gesetz der Gnade und der Freiheit aufgerichtet für alle Gebundenen dieser Welt.
Wer uns in dieses neue Gesetz einführt, das ist der Heilige Geist in eigener Person. Seit Pfingsten begleitet sein Walten unzertrennlich jede Botschaft der Versöhnung, die im Namen Christi und im Glauben an Ihn verkündet wird. Dieser Geist zeigt uns unser Verdammungsurteil, dass dort über das Fleisch, über alles menschliche Leben Tun oder Bemühen ausgesprochen und vollzogen wurde. Aber in gleichen Urteil, so wir es nur im Glauben unterzeichnen, verkündigt uns der Heilige Geist unsere Lossprechung und unsere Loslösung; unsere Lossprechung von aller Schuld, unsere Vergebung, unsere Erlösung von aller Macht der Sünde, sofern wir nicht mehr gehalten und verurteilt sein können, in Sünde zu leben oder Sünde zu tun, nachdem die Sünde in Christi Fleisch abgeurteilt, verdammt worden ist. Aber unterschreiben müssen wir das Urteil; wir müssen uns selbst verurteilen, Gott beipflichten, Ihm Recht geben. Indem wir dies tun, öffnen wir dem Heiligen Geist den Weg, dass er Besitz von uns ergreifen, uns mit Jesus Christus verbinden und seines Lebens teilhaftig machen kann. Gott Recht geben, ist aber nichts anderes als „glauben“.
Dies führt uns auf den Glauben und zeigt uns zu gleicher Zeit, was der Glaube ist. Ist unsere Erlösung ganz und gar das Werk Gottes, so kann der Glaube nur darin bestehen, dass wir dies Werk anerkennen, d.h. das von Gott an uns in der Person Jesu Christi vollzogene Todesurteil sowohl als den in Christus uns gebotenen Gnadenbund unterzeichnen. Der Glaube ist die Hand, mit der wir Gottes Gabe, alles, was Er im Werke und in der Person Jesu Christi uns bietet, ergreifen.
Fassen wir den Glauben in seiner ersten Bestätigung, d.h. dem Opfer gegenüber, das Christus für uns gebracht und durch das Gott uns von aller Strafe und Macht der Sünde befreit, uns gerechtfertigt und geheiligt hat (Jes. 53,5; Hebr. 10,10), so finden wir in der Heiligen Schrift den Glauben entgegen gesetzt den Werken (Röm. 4,5). In der Rechtfertigung und Heiligung durch den Glauben bietet uns die Schrift ein vollendetes Heil, vollkommen unverdient und an keinerlei Bedingung von unserer Seite geknüpft, so dass wir nichts mehr zu tun haben, als dasselbe anzunehmen, so wie wir sind. Darin liegt, das wir, um zu unserer Begnadigung und Erlösung zu gelangen, nicht erst einen kürzeren oder längeren Weg zurück zu legen haben, dass wir uns hierfür in keiner Weise erst abarbeiten und vorzubereiten, in Herz und Wandel und nicht erst etwas zurecht zu bringen haben¹.
¹Wir leugnen nur, dass der Sünder von sich aus irgend etwas zu tun habe, um sich auf das ihm von Christus erworbene Heil vorzubereiten. Etwas anderes ist die Art und Weise, wie Gott in unserem Herzen und Leben den Augenblick anbahnt, wo es Ihm gefällt, uns sein Heil zu offenbaren. Das ganze Leben des Sünders ist von der Wiege an darauf angelegt, seine Begegnung mit Christus vorzubereiten.
Lehrt uns die Schrift, dass wir selig werden durch den Glauben, so will das nichts anderes sagen, als das wir den Heiland einlassen sollen im Augenblick, wo er anklopft (Luk. 19,5-6 / Offb. 3.20) und Ihn nicht vor der Türe warten lassen unter dem vermessenen Vorgeben, Ihm erst die Stätte bereiten zu wollen. Ist er erst ins Haus eingetreten, so wird er dafür sorgen, dass hinauskommt, was sich mit Seiner Gegenwart nicht verträgt. Er allein hat Macht, Tempel, Herzen und Häuser zu reinigen (Luk. 19.8-9).
Und die Reue oder Busse? Was Luther mit Reue (2. Kor. 7.9-10) oder mit Busse übersetzt, bedeutet im Grundtext Sinnesänderung. Die Sinnesänderung, die Johannes der Täufer, die Christus und Seine Apostel (Mark. 1,4+15) / Apg. 2,38) und die heute noch die Boten des Herrn predigen, ist im Grunde nichts anderes als die negative Seite des Glaubens, seine Grundlage und notwendige Vorraussetzung; sie hat überall stattgefunden, wo Glauben ist. Sie besteht nicht in irgend welchen inneren Erfahrungen, die man erst durchmachen müsste, ehe man Christus im Glauben erfasst, sondern im Heraustreten aus der Stellung der Entfremdung, der Gleichgültigkeit oder Feindschaft, in der der natürliche Mensch seinem Gott und dem Werke göttlicher Gnade gegenüber sich befindet; im Anerkennen seiner Erlösungsbedürftigkeit, sowie seiner Unfähigkeit, sich selbst zu erlösen. Beruht der Glaube in einem Wieder-in-Verbindung-treten mit Gott durch Christus in einem sich wenden zu Gott mit dem Verlangen nach Hilfe, nach Vergebung und Erlösung, so besteht die Sinnesänderung in einem sich-abwenden von allem, worin man bis dahin Hilfe und Erlösung, worin man sein Leben gesucht hat. Sie ist ein im Herzen sich vollziehender Bruch mit der Vergangenheit, mit der Sünde und Welt, mit dem eigenen Willen und dem eigenen Leben.
Ein Bruch vollzieht sich nicht ohne Schmerz, aber von Schmerz über Sünde oder Sünden ist Sinnesänderung nicht notwendig begleitet; sie besteht nicht in dem, was man im deutschen unter „Busse“ versteht. Der Schmerz über die Sünde kann dem Glauben nachfolgen. Manches Kind Gottes hat denselben erst jahrelang nach seiner Bekehrung erfahren. Eines wirklich göttlichen Schmerzens über die Sünde, einer wirklich lauteren und reinen Busse sind überhaupt nur Kinder Gottes fähig, im Maß als sie ihrem Vater näher kommen und Ihn in seiner Heiligkeit und Liebe kennen zu lernen.
Zweitens finden wir in der Schrift den Glauben entgegen gesetzt dem Schauen und zwar ohne Unterschied, ob vom Glauben, durch den wir Kinder Gottes werden, die Rede sei (Röm. 4,17-5,1) oder vom Glauben als dem Sieg, durch den das Kind Gottes die Welt überwunden hat (1. Joh. 5,4) und der sich in Werken der Liebe betätigt (Gal. 5,6).
Wer glaubt sieht nicht auf das, was vor Augen ist, auf die Heimat, und Vergangenheit, von der er sich trennen muss: Er baut auf seinen Gott der ihm ein besseres Land und eine bessere Zukunft verheißen hat und macht sich auf den Weg ohne zu wissen wohin. Er spürt in sich keinerlei Kraft, um sich unter das im Fleische Christi über ihn ausgesprochene Todesurteil zu stellen, keinerlei Kraft, um mit seinem früheren Leben zu brechen und seine Götzen zu opfern, um sich loszureißen von allem, was ihm hier unten lieb und teuer war. Er fühlt sich gebunden und ohnmächtig. Alles, was er an sich und um sich her wahrnimmt, steht der Verwirklichung der ihm von Gott gegebenen Verheißungen entgegen, ja macht dieselben für menschliches Ermessen unmöglich (Röm. 4,17-24). Trotzdem traut er seinem Gott, dem starken und wahrhaftigen Gott, der sein Wort nicht brechen kann, der die Toten lebendig macht und den was nicht ist, ruft, dass es sei.
Wer glaubt sieht ab von seinen Stimmungen und Erfahrungen, er kümmert weder um seinen Gemütszustand noch um die Schwierigkeiten des Weges; mit einem Gotteswort in der Hand geht er vorwärts, ohne etwas zu fühlen oder zu sehen, ohne Vertrauen oder Glauben in sich zu suchen. Der Glaube ist nicht etwas Greifbares, ein Grund und Boden, auf dem wir fußen könnten. Er ist vielmehr eine Stellung vertrauenden Harrens und Hingebens an Gott, der gesagt hat: „Ich will ihr abtreten heilen.“ (Hos. 14,5) und: „Ich bin der Herr, der euch heiligt“ 2. Mo. 31,13). Der einzige Grund und Boden, auf dem wir festen Fuß fassen könnten, ist das Werk Christi, die Treue eines lebendigen, mächtigen Hirten, die Verheißung unseres Vaters, der uns zugesicherte Beistand des Vaters des Heiligen Geistes. Aber dieser Grund und Boden ist dem Auge verborgen und wer ihn betritt, dem ist es oft, als ob er seinen Fuß in den leeren Raum setzte. Dies ist Glauben. Der Glaube gibt sich nicht Rechenschaft von sich selbst, er gibt sich nicht mit sich selbst ab, er hat es lediglich mit der Natur und den Wesen des Gegenstandes zu tun, auf den er gerichtet ist. Vom Augenblick an, wo der Gläubige sich selbst und seinen Glauben anschaut, lässt er eben damit nach, zu glauben.
Wir verkennen nicht, dass die Laufbahn des Christen eine Laufbahn des Leidens, der Arbeit und des Kampfes ist. Wenn man, wie es beim Christen der Fall ist, in Feindesland sich bewegt und auf seinem Weg nicht mit Fleisch und Blut, sondern mit unsichtbaren und gewaltigen Mächten zu kämpfen hat, wenn man widrigen Winden ausgesetzt ist und Einflüsse, die alle darauf hinzielen, unseren Blick von Christus abzuziehen, so muss man stumm, blind und taub bleiben gegenüber von allem, was unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen will. Dies geschieht aber in gewissen Augenblicken nur mit Zusammenraffung aller geistlicher Kraft. Es braucht unerschütterliche Festigkeit, Kampfesstellungen volle Waffenrüstung, um den geraden Weg weiter zu gehen, wenn man nichts mehr sieht und nichts mehr fühlt, nichts mehr unterscheiden und nichts mehr verstehen kann; wenn der Herr, wie er es früher oder später mit allen seinen Kindern tut, uns auf nackten Glauben verweist.. Ist aber unser Kampf ein Glaubenskampf, d.h. kämpfen wir nicht in eigener Kraft und Anstrengung, sondern in der Kraft, die wir vom Herrn uns schenken lassen, so haben wir dabei ungestörten Frieden und volle Ruhe.
Sind wir einmal des Herrn, (abhängig von Ihm, wie Schafe vom Hirten), so sind wir versichert, dass durch Seine Gnade uns keine Versuchung mehr betreten kann, die über unsere Kräfte ginge; wir wissen, dass der Herr seine Hilfe je nach der Versuchung und nach unserem geistlichen Alter bemessen und die Versuchung einen solchen Verlauf nehmen wird, dass wir sie ertragen und überwinden können (1. Kor. 10,13). Mögen wir es mit inneren oder äußeren Versuchungen, mit Leiden, Schwierigkeiten oder Pflichten zu tun haben, wir wissen, dass jederzeit auf einen treuen und barmherzigen Hohenpriester rechnen können, der daran gedenkt, was wir für ein Gebilde sind und der mit unseren Schwächen Geduld und Mitleid hat. Wenn die Wogen der Versuchung auf uns eindringen, so lassen wir uns nicht erschrecken, sondern halten uns nur umso fester an die Verheißungen des Herrn uns an den Herrn selbst, gewiss, dass uns keine Versuchung etwas anhaben kann, solange wir unseren Blick nicht vom Herrn abziehen lassen. Jede Glaubensprobe bringt uns dann eine Erfahrung mehr und von der Treue und Macht unseres Gottes, macht uns fester in unserer Ruhe und unserem Frieden.
Um in unserem Glaubensgang fest und gewiss zu werden, ist wesentlich, dass wir treu zeugen. Der Glaube hat das Bedürfnis sich auszusprechen; er treibt zu einem Zeugnis in der einen oder anderen Form. „Ich glaube, darum rede ich“, sagt der Psalmist (Ps. 116,10). „so man mit dem Herzen glaubt, so wird man gerecht und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig“, sagt der Apostel (Röm. 10,10); siehe auch Vers 9 und Offb. 12,11). Wo man im Glauben etwas erfasst, da handelt es sich darum, sofort eine Stellung einzunehmen, durch die man sich jeden Rückweg abschneidet und jede Hintertür verschließt. Wer vor dem Zeugnis zurückschreckt, beweist eben dadurch, dass er noch nicht alles Misstrauen gegen Gott abgelegt hat. Der Gerechte lebt des Glaubens, solange er in dieser Welt ist. Der Glaube wird jetzt schon zum Schauen, sofern wir stets die Erfahrung machen dürfen, von dem, was wir geglaubt haben. Aber jede Erfahrung ist wieder eine Ausrüstung für neue und höhere Glaubensproben und wir wandeln so von Glauben zu Glauben.
Je mehr wir auf diesem wunderbaren Pfade vorwärts gehen, desto gewisser werden unsere Tritte. Die Gnade Gottes wird eine Macht, die uns trägt und uns umhüllt. Der Geist Gottes treibt die, die sich ihrem Gott völlig überlassen; sie brauchen sich nicht mehr selbst zu treiben und abzuquälen. Fortwährend auf Christus zu blicken, kostet sie keine Anstrengung mehr; sie können und wissen es nicht mehr anders; sie möchten keinen Schritt mehr tun ohne Ihn.
In dem Kindesverhältnis, in dem sie mit Ihrem Gott jetzt leben, wird ihnen Vertrauen, ein unbedingtes und unbegrenztes Vertrauen, zur zweiten Natur und zu einer bleibenden Herzensstellung. Die Liebe hat Furcht und Zwang ausgetrieben.
Wer den Glaubensweg nicht aus Erfahrung kennt, dem mag es scheinen, als verzeichneten wir mit der gänzlichen Übergabe unseres Herzens und Willens an den Herrn auf unsere Eigentümlichkeit, auf die Würde und Stellung, die uns als einer verantwortlichen, sittlichen Persönlichkeit vor Gott und Menschen zukommt. Es mag scheinen, als erniedrigten wir uns dadurch zu einer Maschine, In Wahrheit verhält es sich aber genau umgekehrt. Dadurch, dass wir uns unserem Gott mit unbedingtem Vertrauen überlassen, wird unser sittliches Wesen, werden alle Kräfte unserer Erkenntnis, Liebens und Wollens erst von dem beengenden und knechtenden Druck erlöst, unter dem die Sünde sie gehalten hatte. Mit dem Eintritt in ein Leben des Glaubens bekommen wir wieder die frische Himmelsluft zu atmen, für die wir geschaffen sind und ohne die keine gesunde, unserer Bestimmung entsprechende Entwicklung möglich ist. Die Gnade, unter deren heilsame, sicheren Unterweisung wir mit dem glauben uns stellen, ist der heimatliche Boden, auf dem unsere, durch die Sünde unterdrückte und entstellte Eigentümlichkeit neu aufblühen und im Rahmen der ihr entsprechenden Lebensaufgabe frei sich entfalten kann.
Der Glaube ist eine Gabe Gottes (Phil. 1,29), so gut wie die Bekehrung (2. Tim. 2,25). Wer sie besitzt - diese Gabe - besitzt sie als eine freie unverdiente Gnade, die Gott ihm geschenkt hat. Der Heilige Geist wirkt den Glauben, indem er das Herz für die Predigt des Evangeliums aufschließt (Apg. 16,14 / Röm. 10, 14-17). Er wirkt ihn aber da, wo Aufrichtigkeit und Liebe zur Wahrheit ist (Joh. 12, 32 / 8,46-47 / 18.37 / 2. Thess. 2,10).
Der Glaube ist uns darum auch in der Heiligen Schrift in den bestimmten Worten geboten (Mark. 1,15 /11,22 / Joh. 12,36 / Apg 16,31 / 1. Joh. 3,23). Wer diesem Gebot Gehorsam verweigert, der misstraut Gott und seinem Zeugnis, der macht Ihn zum Lügner und begeht ein Verbrechen (1. Joh. 5,10).
„Alle Schrift von Gott eingegeben ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt (2. Tim. 3,16-17).
Wir übertragen einige Stellen, die bezeugen, dass die Sünde im Herzen und Leben eines Kindes Gottes keinen Platz mehr zu beanspruchen hat, dass ein reines Herz und ein heiliges Leben Vorrechte eines jeden Christen sind. Das Wort Gottes stellt uns dieses Vorrecht einmal unter der Form eines Gebotes und ein andres Mal unter einer Verheißung dar. Aber im neuen Bunde, seitdem der Pfingstgeist ausgegossen ist, ist ja jedes Gebot Gottes eine Verheißung geworden (Röm. 8,4).
Matth. 1,21 „Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden.“
1. Joh. 3,8 „Der Teufel sündig von Anfang. Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“
Röm 6, das ganze Kapitel. Wir übertragen hiervon zwei Verse:
Röm. 6,6 „Wir wissen, dass unser alter Mensch samt Ihm gekreuzigt ist, auf dass der Leib der Sünde aufhöre, dass wir hinfort der Sünde nicht dienen.“
Röm. 6,11 „Haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebet Gott in Christus Jesus, unserem Herrn.“
Matth. 5,48 „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
Durch das Wörtchen „darum“ lehnt sich dies Gebot an die vorhergehenden an und bildet die Schlussfolgerung des 5. Kapitels. Wenn somit der Herr von uns verlangt, dass wir vollkommen seien, wie unser Vater im Himmel, so meint der Herr dies in dem praktischen Sinn, dass wir das Gesetz der Liebe, dessen verschiedene Anforderungen Er im Lauf des Kapitels auseinander gelegt hatte, in seiner vollen Ausdehnung erfüllen, in einer Weise, die es von Kindern eines vollkommenen Vaters billig erwartet wird.
1. Petr. 1,13-16 „Darum so gürtet die Lenden eures Gemüts, seid nüchtern und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi“… …„und wie der, der euch berufen hat heilige ist, so seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel. Denn es steht geschrieben: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“
1. Joh. 2,5-6 „Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in Ihm sind. Wer da sagt, dass er in Ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleich wie er gewandelt hat.“
1. Petr. 1,22 „Machet keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist zu ungefärbter Bruderliebe und habt euch untereinander brünstig lieb aus reinem Herzen!“
2. Kor. 7,1 „Dieweil wir nun solche Verheißungen haben meine Liebsten, so lasset uns vor aller Befleckung des Fleisches und des Geistes uns reinigen und unsere Heiligung vollbringen (richtiger nach Stier: …unsere Heiligkeit vollenden) in der Furcht Gottes!“
Matth. 5,8 „Selig sind, die reines Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.“
1. Thess. 5,23-24 „Er aber der Gott des Friedens, heilige euch durch und durch und euer ganzes Wesen, Geist, Seele und Leib, müsse behalten werden unsträflich auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Getreu ist Er, der euch ruft, Er wird es auch tun.“
2. Petr. 1,10 „Darum liebe Brüder, tut desto mehr Fleiß, eurem Berufung und eurer Erwählung fest zu machen! Denn wenn ihr solches tut, werdet ihr nie straucheln.“
Judas 24 „Dem aber, der euch behüten kann, dass ihr nicht strauchelt und stellen vor sein Angesicht unsträflich….sei Ehre….in Ewigkeit, Amen!“
Ähnlich finden sich bestimmte Verheißungen oder Gebote der Heiligkeit, Reinheit oder Vollkommenheit vielfach in der Heiligen Schrift.
Dazu kommt das persönliche Zeugnis des Apostels Paulus.
In diesem Briefe an die Philipper (4,13) schreibt er: „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus“. In seinem Brief an die Römer (8,35+37): „Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Fährlichkeit oder Schwert?…in dem allem überwinden wir weit, durch den, der uns geliebt hat“, im zweiten Korintherbrief (2,14) „Aber Gott sei gedankt, der uns allezeit Sieg gibt in Christus.“ und im ersten Brief „Ich bin mir nichts bewusst. Die Philipper ermahnt er (4.8) „Weiter liebe Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach!“…und setzt hinzu (V9) „welches ihr gelernt und empfangen und gehört und gesehen an mir.“
Wir haben gesehen, dass er zu den Korinthern sagen konnte „Seid meine Nachfolger, gleich wie ich Christi.“ (1. Kor. 11,1). Zu den Thessalonicher kann er sagen „Ihr seid meine Zeugen und Gott, wie heilig und gerecht und unsträflich wir wandelten unter euch Gläubigen, wie ihr denn wisset, dass wir, wie ein Vater seine Kinder, einen jeglichen unter euch ermahnt und getröstet und bezeuget haben, dass ihr wandeln sollet würdig des Gottes, der euch berufen hat zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit.“ (1. Thess. 2,10-12). Auf seiner letzten Reise nach Jerusalem richtet er an die in Milet versammelten Älteste von Ephesus folgende Worte „Ihr wisst, wie ich allezeit unter euch gewandelt habe vom ersten Tage an, da ich nach Asien kam und dem Herrn gedient mit aller Demut.“ (Apg. 20,18-19).
Und als er endlich am Ziele angekommen, auf seine Laufbahn zurück blickend, kann er ähnlich wie sein Meister sagen „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten.“ (2. Tim. 4,7) vgl. mit Joh. 17,4).
Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, dass die Heilige Schrift die Kinder Gottes nirgends Sünder nennt. Röm. 5,8 sagt der Apostel „Darum preiset Gott seine Liebe zu uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren“ und Gal. 2,17 „Sollten wir aber, die da suchen durch Christus gerecht zu werden, auch noch selbst als Sünder erfunden werden, so wäre Christus ein Sündendiener, das sei ferne!“
Phil. 3.12 „Nicht das ich es schon ergriffen habe, oder schon vollendet sei. Der Apostel erkennt an, dass es eine Vollkommenheit gibt, die ihm noch fehlt. Es steht ein Ziel vor ihm, das er noch nicht erreicht hat. Zu gleicher Zeit rechnet sich der Apostel nach V15 zu den Vollkommenen und V17 stellt er sich als Vorbild hin, das alle nachahmen sollen. Man sieht daraus, dass man nach der Schrift zu den Vollkommenen gehören kann, ohne zur Vollkommenheit (Vollendung) gelangt zu sein.
Für uns Menschen, solange wir auf Erden sind, heißt „vollkommen sein“ nicht „vollendet sein“, einen Stand erreicht zu haben, wo man nicht mehr wachsen kann, sondern ganz, völlig, entschieden sein, nach Herz und Wandel richtig, normal zu stehen. Siehe Hebr. 10,22. Damit, dass in einem Herzen keine Regung der Empfindlichkeit oder des Neids, des Hochmutes oder sündigen Lust mehr aufkommen kann; damit, dass unser Tun und Lassen unverrückt unter der Unterweisung des Geistes und im Gehorsam des Wortes steht, damit ist Unreines und Eigenes es noch nicht spurlos verschwunden. Es gibt ein Werk der Reinigung, Umgestaltung und Erneuerung, das sich durch das ganze Leben des Kindes Gottes hindurch zieht. Nur stufenweise werden wir in des Herrn Bild verklärt, und kommen Gott näher.
Zinzendorf drückt sich hierüber folgendermaßen aus:
„Dies Werk (der Heiligung) führt der Heiland vom ersten Tage an bis auf den letzten Tag des Lebens fort. Wir werden immer heiliger, gerechter und seliger; und Unheilig sein, macht der Heiland nicht nach und nach gut, wie es die Sittenlehre zu tun sucht, sondern es muss alles auf einmal verleugnet werden. Der Heiland schwemmt alles Böse mit seinem Blute auseinander und unterdrückt es mit seiner Kraft und zerreist das System, des Sündigens. Das Gute aber hat seine Grade. Der Mensch wird keuscher, demütiger, freigiebiger , geschäftiger - der Schüler wird zum Mann und nach und nach zum Lehrmeister“.
Röm. 7,7-25: Die Erklärung dieses Abschnittes ergibt sich aus der Stellung, die er im Zusammenhang des Briefes einnimmt. Dass die Gnade gekommen sei, uns Freiheit von der Sünde zu bringen (Kap. 6), konnte der Apostel leicht nachweisen; hatte aber die Gnade die Aufgabe, uns auch vom Gesetz zu erlösen (7,7-25) von der Aufgabe zu reden die das Gesetz im Leben des Menschen zu erfüllen hat, von der Stellung, indem er dem Gesetz gegenüber sich befindet.
In den Versen 7, 12 und 14 zeigt er, was das Gesetz ist; in den Versen 8-11 beschreibt er die bedenklichen Wirkungen, die es im Menschen hervorbringt, oder „in mir“, wie der Apostel sich ausdrückt, indem er sich selbst in die Lage eines Menschen unter dem Gesetz hineinstellt. Das Gesetz, fährt er in V13 und 14 fort, ist für die Wirkungen nicht verantwortlich; es hat mir nur meinen wahren Zustand zum Bewusstsein gebracht. Dieser Zustand ist aber folgender (V 14-24): Ich trage zwei Menschen in mir; der eine ist fleischlich, an die Sünde verkauft und tut das Böse; der andere, der inwendige Mensch oder das Gemüt, der Sinn nach V25, aber nicht etwa der geistliche Mensch, was etwas ganz anderes wäre hat Lust am Gesetz Gottes, d.h. ist damit einverstanden und pflichtet ihm bei; aber mein Wille ist unmächtig, dasselbe zu erfüllen; ich bin geknechtet von der Macht der Sünde, die in meinen Gliedern ist. Es ist dies ein Zwiespalt im innersten Grund meines Wesens, aus dem ich keinen Ausgang sehe und der mich der Verzweiflung nahe bringt. „Ich elender Mensch, ruft der Apostel aus, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? (V24). Hier angekommen, kann der Apostel nicht umhin still zu stehen, um seinem Gott zu danken für die Erlösung, die er in Jesus Christus gebracht hat (V. 25a), womit er in das 8. Kapitel vorgreift. In der zweiten Hälfte des 25. Verses fasst er dann noch einmal die Stellung des Menschen, der unter dem Gesetz steht und sich selbst überlassen ist, in die Worte zusammen „So diene ich nun, ich selbst, d.h. ich, eine und dieselbe Person, oder ich in mir selbst überlassen, mit dem Gemüte dem Gesetze Gottes, aber mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.“
Indem der Apostel am Anfang des 8. Kapitels seine durch die Frage von Vers 7,7 ununterbrochene Auseinandersetzung wieder aufnimmt, gibt er damit zu gleich die einzig mögliche Lösung, um aus dem Zwiespalt herauszukommen, in dem uns der Schluss des 7. Kapitels gelassen hat. Die Lösung kann nur vom Geiste Gottes kommen, der in dem ganzen Anschnitt (7,7-25) nicht einmal erwähnt ist. Der Geist des Lebens, der in Jesus Christus ist und uns in Jesus Christus versetzt, ist die einzige Macht, die die vom Gesetz erfolglos gestellten Anforderungen in uns zu erfüllen vermag und die uns damit sowohl vom Gesetz der Sünde und des Todes als vom Gesetze selbst erlöst (Röm. 8.1-4 / 7,3-4).
War es die Absicht des Apostels im vorliegenden Abschnitt ein Bild vom Zustand des Menschen unter dem Gesetz zu geben, so fällt die Frage weg, ob derselbe sich nur auf Erweckte oder auch auf Wiedergeborene bezieht. Die Ohnmacht, in welcher der vom Geiste Gottes erweckte Mensch dem Gesetz gegenüber sich befindet, solange er den Geist Gottes noch nicht hat, kehrt auch beim Kinde Gottes wieder, sobald es nicht mehr nach dem Geiste wandelt. Jeder Christ, der sündigt und nicht alsbald zum Herrn zurückkehrt, fällt unter das Gesetz zurück. Der Heilige Geist, den er betrübt hat, steht in ihm nicht mehr auf dem Plan, als eine lebendige, siegreiche Macht, auf die er sich im Augenblick der Versuchung stützen könnte. Er fällt wieder seinen eigenen Anstrengungen, seiner natürlichen Ohnmacht anheim.
Kol. 3,1-5 Wenn es in V3 heißt „ihr seid gestorben“ und V5 „So tötet nun eure Glieder.“(eigentlich „stellet für tot“), so könnte es scheinen, als ob auch Tote, der Sünde tatsächlich Gestorbene, ihre Glieder immer wieder zu töten hätten. Aber V3 sagt nicht: ihr seid gestorben, tote Leute, sondern wörtlich : „Ihr starbet“. Der Apostel erinnert seine Brüder an die Stellung zur Welt, zur Sünde und zum eigenen Ich, die der Kreuzestod und die Auferstehung Christi dem Sünder zuweisen. Mit dieser Bekehrung haben die Kolosser diese Stellung als die Ihre anerkannt und sind in dieselbe eingetreten in ein Leben der Heiligkeit und Freiheit von Sünde. Aber diese Stellung muss bewahrt werden durch den Glauben; man muss darin nur, solange man sich durch den Glauben für gestorben hält. Wahrscheinlich haben es die Kolosser hierin fehlen lassen und sich wieder Befleckungen zuschulden kommen lassen, wie die von denen V3 redet. Daher die Ermahnung des Apostels, abzulegen und tot zu machen, was mit der Stellung und der Berufung eines Gestorbenen im Widerspruch steht. Röm. 8,13 „Wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.“
Hier steht die Zeitform der Gegenwart. Gestorbene Glieder bleiben nur tot, solange wir ihnen durch entschiedene Glaubensstellung jegliches Leben entziehen. Unser Fleisch bleibt nur gekreuzigt, solange wir nach dem Geist wandeln. „Wo ihr aber durch den Geist….“.
Röm. 7,1-6 „Der erste Mann, von dem diese Stelle redet, kann, wie es uns scheint, nicht das Gesetz sein; dasselbe ist im Text ausdrücklich hiervon unterschieden. Es kann darunter nur der Leib der Sünde, das Fleisch verstanden werden (V5). Ehe die Sünde im Fleische Christi verdammt wurde (Röm. 8,3) waren wir an unserem Leib der Sünde und des Todes gebunden (Röm. 7,23-24), gerade wie eine Frau durch das Gesetz an ihren lebenden Mann gebunden ist (V2). Jetzt hingegen, durch den Leib Christi, durch dessen Tötung, sind wir getötet (V4), d.h. von den Banden des Leibes gelöst; in seinem Leib sind unsere Sündenleiber gekreuzigt, in seinem Fleisch ist unser Fleisch abgetan: wir sind nun nicht mehr im Fleisch (V5). damit, dass unser erster Mann gerichtet, ausgeliefert und abgetan worden ist, ist dem Gesetz Genüge geschehen. Zu gleicher Zeit ist durch den Tod dieses unseres ersten Mannes unsere Verbindung mit Ihm gelöst und sehen wir aus diesem doppelten Grund nicht mehr unter dem Gesetz; wir sind frei.
Die Erfahrung hiervon, sowie von allem, was uns Christi Leiden erworben, hängt von unserem Glauben ab. Wirklich, wahrhaftig und tatsächlich hat Gott die Sünde der ganzen Welt auf das Lamm Gottes geworfen (Jes. 53,6) und doch hat die Mehrheit der Menschen diese gleiche Last noch auf sich liegen. Wieso und warum? Weil sie entweder noch gar nichts wissen, was Gott in Christo für sie getan hat (Röm. 10,14), oder weil sie sein Werk durch ihren Unglauben verleugnen, d.h. für sich ungeschehen machen. Wirklich und wahrhaftig hat Christus die Welt überwunden (Joh. 16,33); deswegen ist sie für uns doch erst überwunden, wenn wir erstens von diesem Sieg Christi Kenntnis haben und sodann ihn im Glauben erfassen (1. Joh. 5,4). Ebenso verhält es sich mit der Kreuzigung und Vernichtung des Fleisches. Solange uns die Bedeutung der Kreuzigung von Christi Fleisch nicht aufgeschlossen ist, oder wir das in Christi Fleisch über unser eigenes Fleisch ausgesprochene Todesurteil nicht unterschrieben haben, fahren wir fort im Fleische zu sein. Hingegen diejenigen, die Christus angehören, haben gekreuzigt (oder kreuzigten) ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden (Gal. 5,24). Sie haben den Leib des Fleisches ausgezogen (Kol. 2,11). Solange sie im Glauben ihre Einheit mit Christo festhalten, in ihm und in seiner Lebensgemeinschaft bleiben, solange und soweit bleiben auch ihre Sündenleiber abgetan. Ihr Leib ist jetzt tot um der Sünde willen (Röm. 8,10).
Kol. 3.9 „Lüget nicht gegeneinander, da ihr ausgezogen habt den alten Menschen mit seinen Taten und angezogen habt den neuen. In den drei Stellen, in denen die Heilige Schrift vom alten Menschen redet, redet sie von ihm in der Vergangenheit. Röm. 6,6 „Unser alter Mensch wurde mit Christus gekreuzigt.“ In Eph. 4,17-25 ermahnt der Apostel seine Brüder, nicht nach der Heiden Weise zu wandeln (4.17-19), indem er auf die Zeit zurückgeht, als sie mit Christus bekannt wurden und sie daran erinnert, was damals mit ihnen vorgegangen ist, wie sie gelehrt und dazu gebracht worden waren ihren früheren Wandel zu entsagen (4.20-22). „Ihr aber“, schreibt er, habt Christus nicht so kennen gelernt, wenn ihr wirklich Ihn gehört habt und in ihm gelehrt worden seid.
Unter dem alten Mensch versteht die Heilige Schrift offenbar das, was Kinder Gottes vor ihrer Bekehrung gewesen waren; es ist ihr früherer, ihr voriger Mensch, gebunden und hingegeben, wie wir waren, an das Gesetz der Sünde im Leib, an das Fleisch mit seinen Lüsten uns Begierden.
Hebr. 12,1 übersetzt Luther unrichtig: „Lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht.“ In Lange's Bibelwerk z.B. heißt es: „Lasset uns nach Ablegung jeglicher Behinderung und der rings umstellenden Sünde laufen!“ Laufen kann nur, wer Lasten zu denen vor allem die Sünde gehört, erst abgeworfen hat. Unter der Sünde V4, der gegenüber wir bis auf's Blut widerstehen sollen, kann nach V3 nur die Sünde in der Welt, der Widerspruch der Welt gegen das Evangelium gemeint sein, nicht aber die Sünde in uns. Unser Herr hat im Erdulden des Widerspruchs der Sünder sein Blut vergossen, das habt ihr nicht getan, sagt der Apostel V4.
Jak. 4,14-15 „Ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird, danach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist gebiert sie den Tod.“ Der Apostel unterscheidet zwischen einem Keim der Lust, den wir in uns tragen uns aus den die Versuchungen entspringen (V14), und der Lust, die empfangen hat. (V15). Unsere eigene Lust, die uns reizt und lockt, ist unsere verdorbene Natur, „unser Fleisch“ die Lust, die empfangen hat, sind bewusste Regungen der Lust, die aus diesem verdorbenen Grunde hervorgegangen sind. Die Lust im letzteren Sinne ist Sünde, auch wenn sie nicht zu Wort oder Tat, zu äußerlich vollendeter Sünde wird. Es denke also niemand, dass unreine Regungen an sich keine Sünde seien, sobald wir sie mit unserem Willen sogleich und entschieden abweisen. Genügt nicht das zehnte Gebot und das Wort des Herrn Matth. 5,28 (s. auch V8), um eine Auffassung zurück zuweisen, die den Standpunkt der Heiligkeit herabsetzt und gegen die das christliche Gewissen jederzeit Einsprach erheben wird?
Es ist Gottes Liebeswille, dass seine Kinder Ihm dienen Hand in Hand, dass sie zur Arbeit in seinem Weinberge sich verbinden in aufrichtiger gegenseitiger Hochschätzung, in ungefälschter Bruderliebe. Wie willst du aber dieser hohen Berufung nachkommen, solange die Erfolge, mit denen Gott die Arbeit deiner Brüder krönt, imstande sind Gefühle des Neids und der Eifersucht in dir zu wecken? Wie kannst du deinen Brüdern noch mit der gleichen Herzlichkeit die Hand drücken, ihnen frei ins Auge schauen, nachdem dein Herz sie gerichtet und Übles von ihnen gedacht hast? Wiederum, wie willst du die Früchte, für die dich Gott erwählt und gesetzt hat, wie willst du seine Tugenden verkünden, solange dein Herz nicht gereinigt ist, solange das Zeugnis, das der Herr dir anvertraut, ja selbst ein Gebet, das er dir ins Herz und in den Mund legt, Regungen des Hochmuts in dir erweckt?
Lass es erst darauf ankommen, dass der Herr dein Zeugnis an den Seelen mit sichtbarem Segen begleite und dadurch dem Reich der Finsternis ein empfindlicher Stoss versetzen werde; lass es erst geschehen, dass der Herr dich in engerem oder weiterem Kreise zum Werkzeug einer Erweckung braucht, wozu wir ja als Christen nach Matth. 5,13 und 14 alle bestimmt sind: und du wirst alsbald merken, dass dich der Arge zur Zielscheibe seiner giftigen Pfeile ausersehen hat und mit Anfechtungen alle Art auf die einstürmt. Was unreines in dir schlummerte, was von Selbstgefälligkeit und suchen eitler Ehre bisher nur in flüchtigen Regungen und kaum beachtet durch dein Herz zog, das wird der Feind wachrufen. Die Gefahr dem geistlichen Hochmut zum Opfer zu fallen, kann in kurzem so drohend werden, dass der Herr um dich zu retten, genötigt ist, den Strom seiner Segnungen aufzuhalten. Oh lass um Jesu Christi, deines Heilands willen, der dich mit seinem Blut erkauft hat, keine Stunde länger den alten Sauerteig in dir gären. Lass den Herrn hinausschaffen, was dein Herz noch unreines birgt, auf dass er über das geringste Gefäß verfügen könne frei und uneingeschränkt! Er muss dich brauchen können, auch für Grosses uns Außerordentliches (Joh. 14,12), ohne dass dein geistliches Leben darunter leidet. Oh lasst uns alles in den Tod geben, allem eigenen Leben für immer entsagen, damit er nicht aus Liebe und Schonung für seine Werkzeuge genötigt sei, auf einen Teil vom Lohn seiner Schmerzen, von den Früchten seines Todes und Seiner Auferstehung zu verzichten!
Noch ein Beispiel: Du spürst nur selten und vorüber gehend ein Gefühl der Eifersucht oder sonstige unreine Regungen und du hälst dich dabei nicht weiter auf. Nun bringt dich aber der Herr in Berührung mit einem eher unglücklichem Wesen und es gilt jetzt in der Kraft Gottes, in der Kraft seiner Heiligkeit und Liebe deinem Bruder zu Hilfe zu kommen. Wie willst du es aber wagen, solchen Geistern entgegen zu treten und den Kampf mit ihnen aufzunehmen, solange du selbst von den Gefühlen, die sich in andern verkörpert haben, nicht völlig frei uns rein bist? Und solltest du es dennoch wagen, so kann dir der finstere Geist entgegnen: „Jesus kenne ich wohl und um Paulus weiß ich wohl; wer aber bist du? (Apg. 19,15) und vielleicht musst du an der Wucht, mit der plötzliche besondere Versuchungen auf dich eindringen, gewahr werden, dass der unreine Geist wenigsten versucht hat, sich auf dich selbst zu werfen.
Es gilt sich ans Wort zu halten. Lange genug hat die Gemeinde Gottes geseufzt über ihre Ohnmacht, das ihr anvertraute Pfund zu verwerten und ihr Licht leuchten zu lassen. Wenn das Salz einen guten Teil seiner Kraft verloren hat, kommt es nicht vor allem daher, dass die Christen die Gebote und Verheißungen ihres Gottes nicht mehr hoch und wert halten? Dadurch, dass wir dieselben in ihrem vollen Sinne wieder erfassen und glauben, werden wir der Welt von der Wahrheit des Evangeliums wieder den überzeugenden Beweis liefern, den sie von und erwartet; und dieser liegt in einem echt biblischem Christentum, in einem Christentum, das Herz und Leben umgestaltet.
Jesus Christus, gestern, heute und derselbe auch in Ewigkeit (Hebr. 13,8)
Wenn sich ein Christentum, das sich zwischen Fallen und Aufstehen hin- und her bewegt und bei dem man sich immer wieder überwinden und beflecken lässt, vor der Schrift nicht standhalten kann; wenn es eine Tatsache ist, das Jesus Christus Welt, Sünde und Teufel überwunden hat; wenn wir zu einem Leben steten und völligen Sieges über die Sünde berufen sind und der Herr bereit ist, uns in dieses Leben einzuführen und darin zu bewahren: wie kommt es, dass so wenige Christen darin wandeln?
Vor allem haben wir anzuerkennen, dass der Herr im Laufe der letzten Jahre manchen mit starker Hand aus den Banden der Trägheit und Schläfrigkeit, in der er sich hingeschleppt hatte, herausgerissen hat. Manchmal sind die Ketten gefallen und er hat seine Götzen verbrannt. Mit dem Frieden, der in sein Herz zurückkehrte, hat er auch wieder Kraft bekommen zu freudigem Dienst und Zeugnis. Wo aber der Herr ein Werk angefangen hat, da wird er es auch hinausführen auf den Tag seiner Ankunft. Ihm sei Lob und Anbetung!
Dabei bleibt auch immer noch die Frage: Warum sind ihrer so Wenige, die in ununterbrochener Gemeinschaft mit Gott wandeln, die wissen, was es heißt: In Jesus bleiben? Warum so wenige Überwinder?
Wie mannigfaltig die Ursachen auch sein mögen, so lässt sich doch die Antwort auf diese Frage in dem einen Wort zusammen fassen: „Um ihres Unglaubens willen.“
Der Unglaube ist es, der tausende von Christen hindert, die Gabe Gottes zu ergreifen. Eine Seite im Erlösungswerk Christi haben sie erfasst und sich gläubig angeeignet: sie sind der Vergebung ihrer Sünden und der Gotteskindschaft gewiss; aber die andere Seite ist ihnen noch verdeckt. Sie haben noch nicht erkannt, dass durch Jesu Kreuzestod ihr alter Mensch gekreuzigt, dass ihr Fleisch verurteilt und abgetan, aller und jeder Lebensfähigkeit für immer beraubt ist. Sie haben noch nicht erkannt und können noch nicht glauben, dass sie durch Jesu Opfer wirklich, völlig und für immer von jeder Knechtschaft und Gebundenheit befreit und Gott wieder wahrhaftig geheiligt sind, dass Jesu seine und ihre Feinde überwunden und ihnen alle und jede Macht über die Seinigen genommen hat.
Der Unglaube so vieler Gotteskinder äußerst sich aber nicht nur gegenüber dem Werk, sondern auch gegenüber der Person ihres Erlösers. Sie glauben nicht an die Herrlichkeit und Seligkeit eines Lebens, das man Ihm rückhaltlos und für immer übergeben hat, in dem man Ihn alles sein lässt; sie glauben Ihm nicht, wenn Er seinen Schafen Leben und volles Genüge verspricht. Sie können es nicht fassen, dass es keine größere Gnade und herrlichere Erlösung gebe, als von sich selbst und allem Eigenen los zu sein und mit allen Kräften und Trieben dem Herrn zu leben, dass alles außer Christus, woran unser Herz hängt, nur Schaden und Jammer ist. In dieser Verblendung schonen sie ihr eigenes Leben und nähren ein geheimes Einverständnis mit den Feinden Christi, wenn er diese in ihrem Herzen und Leben bekämpft. Sie sehen nicht ein, dass es lauter Erbarmen und Herablassung von Seiten Gottes ist, wenn er uns einladen lässt (Röm. 12,1), Ihm unsere Leiber und damit uns selbst zum Opfer zu bringen.
Der Gedanke einer unbedingten Auslieferung an den Herrn erschreckt sie und es dünkt sie hart, die Zügel ihres Lebens aus den Händen geben zu sollen, über Gaben, Zeit und Geld nicht mehr selber verfügen zu dürfen. Vielfach steckt auch im Herzen noch ein geheimes Misstrauen gegen Gott, als hätte er keinen sicheren Blick, oder keine feste Hand, um die, die sich Ihm anvertrauen, jederzeit und in allen Lagen richtig zu leiten, als wäre Er fähig, willkürliche, phantastische und ungeheuerliche Anforderungen zu stellen und Dinge von uns zu verlangen, die sich vor einem geraden, nüchternen und gesunden Urteil nicht mehr rechtfertigen würden.
Dieser unverantwortliche Unglaube ist der tiefste Grund, warum es bei so wenigen und bei vielen erst so spät zu einer gänzlichen und bleibenden Übergabe an den Herrn kommt und warum dann so wenige die Kräfte des Todes und der Auferstehung Christi in ihrer Fülle an sich erfahren. Wohl ist man bereit seinen Hirten auf grüne Auen und zu frischen Wasser zu folgen; aber man traut Ihm nicht, wenn es sich darum handelt, mit Ihm in die dunklen Täler des Leidens uns Sterbens zu gehen, sei es in den einfachen Vorkommnissen des täglichen Lebens, sei es in tief eingreifenden Heimsuchungen, man kann sich nicht entschließen, Ja und Amen zu sagen zu allem, was Er einem schickt. Wer aber mit dem Herrn nicht in die Schule gehen will, in der er selbst Gehorsam gelernt hat, dem wird der Weg zur wahren Heiligung ewig verschlossen bleiben (Hebr. 5,8 und 12,10). Solange wir uns vom Herrn nicht in den Schmelztiegel werfen lassen wollen, kann Er uns auch nicht reinigen von den Schlacken unseres eigenen Wesens, von sündlichem Dichten und Trachten; Herz und Phantasie bleiben befleckt. Kann man ohne Leiden nicht ins Reich Gottes eingehen, so gelangt man ohne Leiden nicht zu einem Leben der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude im Heiligen Geist (Apg. 14,22 und Röm. 14,17).
Ohne Leiden wird die eigene Kraft und das eigene Wesen nicht gebrochen; man kommt nicht zur Erkenntnis seiner Schwäche und Ohnmacht. Wer aber noch in eigener Kraft dasteht, der kann jeden Augenblick fallen. Gegen fallen geschützt ist man nur, wenn man ihm Staube liegt. Auch für seinen Dienst kann der Herr nur die brauchen, die sich im Ofen der Trübsal läutern lassen. Er gebraucht nur gereinigte Gefäße und alle Kinder Levis, alle die Ihm dienen wollen, müssen durchs Feuer (Mal. 3,3 und 1. Petr. 1,7)
Was aber auch die Führungen des Herrn sein mögen, durch die er uns läutert und für seinen Dienst sowohl als auch für die Herrlichkeit zubereitet, sie sind bitter und peinlich, nur solange wir unserem Herrn misstrauisch widerstreben. Wie der Stachel des Todes die Sünde ist, so liegt auch der Stachel der mannigfachen Leiden, die dem Tod voraus gehen, in unserem Trotz und Widerstand. Ist man einmal in die Schule des Herrn eingetreten und hat man sein Joch auf sich genommen, ist erst der letzte Rest von Widerstand gebrochen und jeder Gedanke der Schule zu entlaufen und Christi Joch abzuschütteln, aus dem Herzen geschwunden, so macht man sofort die Erfahrung, dass Christi Joch sanft und seine Last leicht ist. Man kann ihm dann auch für die Demütigungen danken. Wenn wir im Schmelztiegel sind, so genügt es uns zu wissen, dass der Herr Jesus sich neben uns setzt (Mal. 3,3), um das Feuer zu überwachen, damit die Hitze auch zu keinem tausendsten Teil den Wärmegrad übersteige, der für das Werk unserer Heiligung erforderlich ist, darum strecke deine Hände aus, mein Bruder und lass dich gürten von deinem Gott (Joh. 21,18), lass dir das Letzte, dass dir noch lieb und teuer ist fahren, seien es Erinnerungen und Zukunftsträume; traue der Liebe deines Gottes und es wird nicht solange währen, so wirst du beschämt sein durch die Erfahrung der zarten Schonung und treuen Fürsorge, mit der Er dich umgibt und leitet! Dein Herz wird in seinen Wegen und in seinen Gedanken Erquickung, Ruhe und Sicherheit finden.
Solange dich Unglauben und Misstrauen zurückhalten alles in des Herrn Hände abzugeben und du in dieser schwersten aller Sünde gefangen bist (Joh. 16.9), solange ist es dir nicht möglich, von besonderen Sünden bewahrt zu bleiben. Unglaube und Misstrauen sind die Wurzel aller anderen Sünden. Aber auch nachdem du im Vertrauen schon alles dem Herrn ausgeliefert hast, darf es dich nicht verdrießen, wenn du nicht gleich verstehst, dich von Ihn Stunde für Stunde, Augenblick für Augenblick vor Sünde bewahren zu lassen; wundere dich nicht, wenn dir dann auch manchmal der Zugang zu diesem Pfad wie verschlossen scheint oder wenn du wenigsten erst nur schwankenden Fußes darauf zu gehen vermagst! Zulage hast du in dir selbst und für dich selbst gelebt, als dass es dir leicht werden könnte, dich dieser traurigen Welt zu entreißen, deinem eigenen Leben fremd zu werden und mit deinem Glaubensblick so im Herrn gewurzelt zu bleiben, dass keine Sünde mehr in dir aufkommen kann.
Bleibe nur fest, um keinen Preis mehr etwas von dir wissen zu wollen, weigere dich standhaft, mit deiner Vergangenheit und deinem eigenen Leben wieder anzuknüpfen und deine Treue wird reich belohnt werden! Nachdem der Herr deine Aufrichtigkeit und Lauterkeit erprobt hat, wird er unmittelbar und gewaltig ins Mittel treten; Er wird deine Banden lösen und die Macht der Sünde in dir brechen. Er wird dich in eine reinere Luft einführen in der dir der Blick auf Ihn und damit jeder Sieg bedeutend leichter wird. Der Heilige Geist wird dir die Augen öffnen, dass du erkennst, was du für einen Heiland hast, einen Heiland, auf den man sich verlassen kann und dem gegenüber Zweifel und Misstrauen verstummen müssen.
Was den Weg hiezu und namentlich die ersten Schritte auf diesem Weg erschwert, das ist, außer den erwähnten inneren Schwierigkeiten, insbesondere der Tatsache, dass das christliche Leben unter uns im allgemeinen auf einer so niedrigen Stufe steht und was die unmittelbare Folge davon ist, dass wir kein normales und gesundes Christenleben, dass wir keine christliche Familie mehr bilden. Was das Erste betrifft, so wird es auch Aufrichtigen schwer fallen, sich die Vorrechte eines Kindes Gottes in ihrer ganzen Fülle anzueignen. Wie bestimmt die Erklärungen der Heiligen Schrift auch sein mögen, es ist immer schwer, zu erfassen und sich anzueignen, was man von niemanden verwirklicht sieht.
Was das zweite betrifft, so sind wir als Kinder Gottes nicht für ein Pflanzenleben angelegt. Pflanzen finden alles, was sie zu ihrem Wachstum bedürfen, in den Einflüssen der Sonne, der Luft und des Bodens, ohne von einander abhängig zu sein. Kinder Gottes hingegen sind aufeinander angewiesen. Sie bilden einen Leib, eine Familie, in der alles Glieder sich gegenseitig mitteilen, was einem jeden von Haupt her zufließt. Ein Gesetz der Liebe hat bei der Wiederbringung alles Verlorenen gewaltet und dieses Gesetz zeigt sich auch darin, dass wir in Wohl und Schmerz solidarisch miteinander verknüpft sind. Kommt nun das Familienleben, kommt die brüderliche Gemeinschaft zum Ausdruck, findet unter den Gliedern des gleichen Leibes keine fortwährende geistliche Handreichung statt, so werden diesen Mangel besonders diejenigen schmerzlich empfinden, die noch Kinder im Glauben sind. Für sie wäre es wichtig, Väter in Christus zu finden, die ihnen mit ihrer Erfahrung und ihrem Rat zur Seite stehen und ihre ersten Schritte auf dem wunderbarem Pfad des Glaubens leiten würden. Ihnen würden Männer in Christus not tun, in derer Berührung ihr inneres Leben allmählich erstarken könnte.
In so schwierigen Verhältnissen fühlen wir uns doppelt gedrungen den Seelen zuzurufen: Lasset den Mut nicht sinken! Noch schlimmer und bedenklicher als die Sünde selbst wäre Verzagtheit und Entmutigung. Wer von einem Falle nicht gleich wieder aufsteht, der fällt leicht immer tiefer und tiefer. Was der Apostel Johannes in seinem ersten Brief seinen Brüdern schreibt, das schreibt er ihnen, auf dass sie nicht sündigen (1. Joh. 2,1); aber er setzt alsbald hinzu „und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher“. So wichtig ist es, dass wir allen Ernst anwenden und entschieden dabei bleiben, dass das Sündigen aufhören muss, so wichtig ist es und soviel liegt Gott daran, dass wir den Mut nicht verlieren, wenn es uns nicht mit einem Male gelingt, aus dem Sündigen nicht völlig heraus zu kommen. Wenn der Herr von uns sündigen Geschöpfen verlangt, wir sollen unseren Brüdern, wenn sie reuig zu uns kommen, nicht siebenmal, sondern siebzig mal sieben mal vergeben sollen. (Matth. 18.22), bindet er sich nicht durch dieses Gebot, uns gegenüber das Gleiche zu tun? Nur Pharisäer können anderen Lasten auflegen und selber nicht mit dem kleinen Finger rühren. Ist es nicht lauter Erbarmen, wenn uns unser Gott ein solches Gebot gegeben hat und soll es uns da noch bange werden, wenn wir auch ein siebenmal siebzigstes Mal mit der Bitte um Vergebung zu Ihm kommen müssten?
Um vor Verzagtheit bewahrt zu bleiben, vergiss nicht, dass die Lebensverbindung mit Christus, in die dich die Wiedergeburt eingeführt hat ununterbrochen fortgeht durch alle Wechsel und Trübungen hindurch, die deine Gemeinschaft mit Gott unter dem Einfluss der Sünde erfährt. Jede Untreue betrübt den Heiligen Geist (Eph. 4,30); aber auch wo der Saft aus dem Weinstock sich nicht mehr in die Rebe ergießen kann, ist die Rebe damit noch nicht vom Weinstock losgelöst. Des Herrn Eigentum bist du trotzdem geblieben; Er ist dir nicht untreu geworden. Anstatt dich zu fragen, ob der Herr den Bund noch aufrecht erhält, den Er mit dir geschlossen, stütze dich im Gegenteil auf diesen, seinen Bund. „Seine Gabe und Berufung können ihn nicht gereuen“; Sein Bund ist ewig und unzerbrüchlich.
So wichtig es aber ist, dass wir uns unter keinen Umständen entmutigen lassen, so wichtig ist es auch, dass wir uns nicht mit einer Vergebung begnügen, die von keiner Reinigung unseres Herzens begleitet wäre. „So wir unsere Sünden bekennen“, sagt der Apostel Johannes in seinem ersten Briefe (1,9). „so ist Er treu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Untugend.“ Wo es zu keiner Reinigung kommt, da kehren die gleichen Sünden immer wieder und wir fallen je länger je mehr in ein inneres Siechtum, in einen Zustand der Gebundenheit und Lähmung. Das Herz verliert seine Empfänglichkeit für die Zucht der göttlichen Gnade, für die Offenbarung seiner Heiligkeit und Liebe. Um dem zu entgehen, bedürfen wir nach jeder begangenen Sünde nicht nur die Vergebung, sondern auch der Reinigung; es muss wieder zu einer völligen Wiederherstellung unserer Kindschaft zu Gott kommen. Die Bedingung hiezu ist nach dem Wort des Apostels ist, dass wir unsere Sünden bekennen. Darunter dürfen wir aber nicht ein flüchtiges Bekenntnis verstehen; unser Bekenntnis muss gründlich und vollständig sein. Wir müssen unserem Gott alles sagen, was wir Ihm zu sagen haben und dürfen nicht fürchten die Dinge beim Namen zu nennen. Haben wir dies getan, so müssen wir stille halten und warten, was uns Gott zu sagen hat. Was wir von Sünden zu bekennen haben, hat seinen Wert nur; wenn wir dadurch Gott Gelegenheit und Raum geben, sich seinerseits auszusprechen. Die einzelnen Fehler und Sünden, die uns begegnen, sind nichts Zufälliges, sondern kommen aus einem unrichtigen Herzenszustand, wie Geschwüre aus unreinem Blut. Wir kennen aber unser Herz nicht, nur Gott; nur Er kann uns den verborgenen Grund aufdecken, aus dem wir aus der Wahrheit, aus der Lauterkeit oder aus der Demut gewichen sind, wo wir dem eigenen Leben und dem eigenen Willen wir irgendwie wieder Raum gegeben haben. Bei jeder Sünde in innerer Regung, Wort oder Tat in Begehung oder Unterlassung müssen wir uns vom Herrn sagen lassen, wie das gekommen ist; wir müssen uns richten lassen. Das Stehen vor Gott führt dann bald zu einem liegen im Staub. Wer sich aber vom Herrn demütigen, richten und strafen lässt, den heilt Er; was Er aufdeckt, dass nimmt Er weg. Überall wo sein Flammenblick eindringt, kommt mit dem Licht auch Freiheit und Erlösung (Joh. 8,32). So führt ein Bekenntnis der Sünde, bei dem man Gott gründlich mit sich reden lässt, durch Gericht hindurch zu einer Reinigung, die man vorher nicht gekannt, zu einer Reinigung der inneren Luft und unseres ganzen Wesens. Es wird dadurch in ganz neuer Weise ein Wall zwischen uns und der Sünde aufgerichtet, sodass es nachher nicht so leicht zur gleichen Sünde mehr kommen kann.
Wird die Erfahrung einer wirklichen Reinigung von Sünde verhältnismäßig nur von sehr Wenigen gemacht, so liegt der Grund namentlich darin, dass in der gegenwärtigen Christenheit der Boden für eine gründliche Busse erst wieder gewonnen werden muss. Ein Auge entzündet sich durch das Eindringen eines Fremdkörpers, wie klein dieser auch sei und bleibt entzündet, bis er wieder entfernt ist. Was gesund und lebenskräftig ist, stößt sofort alles ihm Feindliche oder Fremde von sich. Busse ist eine Entzündung des inneren Auges, die der Heilige Geist wirkt, sobald dasselbe durch eine Sünde getrübt worden ist und die Er, wo das Auge noch gesund genug ist, fortsetzt, bis aller Sündenstoff aus dem inwendigen Menschen ausgeschieden ist.
Solche Menschen sind wahrhaft göttlicher Reue nicht fähig, weil ihnen die Furcht Gottes, der Sinn für Gottes Heiligkeit, Größe und Majestät abhanden gekommen ist und dies wiederum, weil sie sich daran gewöhnt haben, mit den Gnadengütern, die der sterbende Christus uns vermacht hat, leichtsinnig umzugehen. Heiden sind in Verfinsterung und Verstockung gesunken, weil sie die Offenbarung Gottes in Natur und Gewissen nicht gewürdigt und gebraucht haben (Röm. 1,19-22). Christen fallen in Verfinsterung und Verhärtung, wenn sie die Offenbarung Gottes am Kreuz nicht würdigen und brauchen, wenn sie sich in irgend einem Punkt noch von Mächten beherrschen lassen, die Christus in den Staub gelegt hat. Wer dagegen treu auf dem angegebenen Weg wandelt, der darf bald erfahren, dass die Gnade wirklich von Sünde frei macht; er lernt die Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu Christi kennen.
Zum Schluss weisen wir noch darauf hin, wie wichtig es für Kinder Gottes ist, ihre Aufgabe und ihre Berufung in ihrem Leben nicht aus den Augen zu verlieren und diese Berufung ist, Frucht zu bringen für ihren Vater im Himmel (Joh. 15,8). Dem Dienste der Sünde können wir unsere Glieder nur dadurch entziehen, dass wir sie in den Dienst des Herrn stellen (Röm. 6,13) und von Sünde bewahrt bleiben wir nur, solange wir Ihm Leben, Zeit und Kräfte weihen. Das eigentliche Wesen der Sünde liegt ja darin, dass man für sich selbst lebt. Gott hat uns neu geschaffen, damit wir in den guten Werken wandeln, die Er für uns bereitet hat. Zu Reben Jesu Christi hat uns Gott gemacht, damit wir die Lebenskräfte des Weinstocks in uns ergießen können und wir in ihrer Kraft viele Früchte tragen zu Seiner Ehre. In sein wunderbares Licht hat ER uns versetzt und Sein Eigentum sind wir geworden, damit wir in unserem Sein und Wesen, in Wort und Wandel, Seine Tugenden verkünden.
Es ist ein Grundgesetz der geistlichen Welt, dass man sein Leben nur findet, indem man es verliert. Als Kinder Gottes ist uns ein Erbe versichert, dessen Reichtum und Herrlichkeit alles Denken übersteigt und das unverwelklich droben auf uns wartet. Eben dadurch sind wir aber für dies gegenwärtige Leben Fremdlinge geworden, die darin nichts mehr zu suchen, zu erwarten oder zu fürchten haben. Wer darum zu einem Leben ununterbrochenen Gemeinschaft mit Gott, zu einem steten bleiben in Jesus gelangen will, der sucht dabei nicht das eigene Leben, auch nicht im geistlichen Sinne. Er suche beim Herrn nicht geistlichen Genuss und innere Befriedigung. Er sehe ab von sich selbst, im in reinem, uneigennützigen Dienen einzig nur die Wünsche und Interessen seines Herrn ins Auge zu fassen. Sein Herr sorgt dann für ihn im Geistlichen wie im Leiblichen. Er gibt seinen Schafen Leben und volles Genüge. Wer seine Befehle erfüllend, Ihm dient, den behandelt er als Freund, dem offenbart Er sich selbst, Gott zu erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat. Sein Dienst ist Leben und Seligkeit.
Wer dies einmal erfasst hat, der hat nur noch ein Verlangen, dass der Herr ihn gebrauche, wie und wann Er will. Er denkt nicht mehr daran, sich seine Tätigkeit selbst auszuwählen. Er fragt nicht, wozu er sich hingezogen fühlt, wozu er eine Vorliebe hätte; ohne dem Spiel seiner Einbildung Raum zu geben, ohne nach hohen und außerordentlichen Dingen zu trachten, arbeitet er treu, da wo ihn der Herr hinstellt. Der Wert und die Bedeutung einer Tätigkeit liegen ja nicht in der äußeren Natur, sondern im Geist, in dem man sie treibt, dass man nämlich alles im Namen und zur Ehre Gottes tut, aus Liebe zu seinem Herrn und Heiland. An Haushaltern sucht der Herr nicht mehr, denn dass sie treu erfunden werden (1. Kor. 4,2).
Lebt der Gerechte des Glaubens, so dient er auch im Glauben. Im Glauben hat er gelernt, nicht mehr hinter seinem Hirten zurück zu bleiben; im Glauben lernt er Ihm nicht mehr voraus zu eilen; er lässt sich erst zubereiten für den Dienst, der ihm zugedacht ist. Was den wahren Knecht kennzeichnet, ist nicht nur brennender Eifer, sondern vorerst geduldiges Warten. Wer sich nicht in der Stille langsam zubereiten lässt, gleicht einem Baum, der unreife Früchte trägt oder gar zusammen bricht unter der Last von Früchten, die er noch nicht reif und stark genug ist zu tragen. In Gottes Haushaltung ist alles so eingerichtet, dass die Früchte den Lebenssaft des Baumes nicht nur aufzerren, sondern ihn erneuern und vermehren. Ein Arbeiter in des Herrn Weinberg, der recht steht und im Geiste dient, lebt von seinem Dienste; er zieht daraus Wachstum und Gedeihen für sich selbst, für seinen eigenen inwendigen Menschen. Wenn der befohlen hat, dass, die das Evangelium verkünden, sich vom Evangelium nähren (1. Kor. 9,14), so gilt dies nicht nur für ihre leiblichen, sondern auch für ihre geistlichen Bedürfnisse.
Die Frucht, die alle anderen in sich schließt, ist die Liebe. Wer sich im Glauben Christus völlig überlässt und zur Verfügung stellt, in dessen Herz wird die Liebe Gottes ausgegossen durch den Heiligen Geist. Erfüllt mit der Liebe, mit der Christus uns geliebt hat (2. Kor. 5,14), und erfüllt mit Liebe zu Ihm (Joh. 21,15), vermögen wir seine Lämmer zu weiden, die Kleinen und Schwachen zu pflegen und als wirkliche Priester anderer Lasten zu tragen. Wir vermögen dann, wenn auch nur in unserem geringen Teil, am Wiederaufbau eines wirklichen Gemeindelebens mitzuarbeiten, indem wir den jungen Pflänzlein, die in unserer Nähe erblühen, nachgehen soweit wir sie mit unserer Pflege erreichen können. Als Ersatz für das Familienleben, dass wir den Neubekehrten noch nicht bieten können, werden wir ihnen wenigstens nach bestem Wissen und Vermögen und Rat und Tat an die Hand gehen. Neben der Liebe zu den Gliedern des Leibes Christi entfaltet sich dann in unserem Herzen auch die Liebe zu den noch Verlorenen, eine tatkräftige, einsichtsvolle und fruchtbare Liebe. Geleitet, belebt und getragen vom Geiste Gottes, der unser Herz erfüllt in dem Masse, als die Sünde daraus weicht, sind wir fortan nicht mehr auf unsere eigenen Gedanken, Versuche und Anstrengungen angewiesen um dem Heiland Seele zuzuführen. Unser Zeugnis wird lebendig und fruchtbar durch die Kraft des Heiligen Geistes.
Es muss der Sünde, den Krieg erklärt werden, damit Jesus wieder ein Volk habe, über das er verfügen könne, ein Volk, dass seine Tugenden verkündigt und Ihn der Welt offenbart. Jesus Christus muss seine Gemeinde wieder haben, eine Gemeinde die durch ihre Einigkeit, Zeugnis davon ablegt, dass Er in die Welt gekommen ist, vom Vater gesandt.