Der vorgelesene Psalm hat die Überschrift: Ein goldenes Kleinod Davids. Es ist dies ein teurer werter Psalm, den David so hoch als ein goldenes Kleinod gehalten hat, und der auch uns so wert und teuer sein soll, dass wir ihn immer als einen edlen Schatz in unserm Herzen tragen sollten. Sein hoher Wert besteht darin, dass er eine Weissagung von Christo und namentlich von seinem Leiden und Sterben, von seiner Auferstehung und Herrlichkeit enthält. Wir wollen diesen Psalm zuerst seinem Inhalte nach näher kennen lernen, und dann sehen, welchen Nutzen wir aus der Betrachtung desselben ziehen können.
David bringt die Weissagung vom Leiden Christi in der Form eines kläglichen Gebets zu Gott vor, indem er seufzt: Bewahre mich Gott, denn ich traue auf dich! Wie Christus auch am Ölberge getan, indem er dreimal kläglich gerufen: Vater, ist es möglich, so nimm den Kelch von mir. In diesem Gebete ist angezeigt, dass Christus sein Leiden als von Gott auferlegt anerkannte, was David in den Worten ausdrückt: Ich habe gesagt zu dem Herrn, du bist ja der Herr, ich muss um deinetwillen leiden, nicht verschuldet, nicht um eigener Sünde willen, sondern aus Gehorsam gegen Gott und für die Heiligen auf Erden, und für die Herrlichen! Denn wenn Christus gleich ein Heiland aller Menschen ist, so ist er doch besonders der Gläubigen Heiland, und an diesen hat auch er allein sein Wohlgefallen! Die Juden aber und Andere, welche ihn verleugnen und verwerfen, welche auf ihre Werke, Opfer und Menschensatzungen bauen, und durch andere Mittel, als durch ihn selig werden wollen, werden groß Herzeleid haben. Ich will, spricht der Herr, ihres Trankopfers mit dem Blute nicht opfern, noch ihren Namen in meinem Munde führen, d. h. er werde ihre Opfer nicht achten, und einstens nach seinen Leiden vor Gott, seinem himmlischen Vater, nicht bekennen. Er sagt ferner, wenn gleich die Juden sein Leiden und Sterben nicht für ein Opfer der Sünde, und ihn nicht für ihren Herrn anerkennen würden, so werde er doch reich sein, denn Gott, sein himmlischer Vater, sei sein Gut und Erbteil, und er werde seine Kirche auch schützen und bewahren, dass er sagen könne: Mir ist das Los gefallen auf das Lieblichste, mir ist ein schönes Erbteil geworden.
Hierauf beschreibt David die Erlösung Christi aus dem Tode, und weissagt von seinem Begräbnis, seiner Höllenfahrt und Auferstehung. Er führt Christum redend ein und lässt ihn sagen: Ich lobe den Herrn, der mir geraten, der mir in meinem Leiden gnädig geholfen hat! Um die Größe der Hilfe Gottes zu beschreiben, sagt er: auch züchtigen mich meine Nieren des Nachts. Das Wort Nieren bedeutet in der Heiligen Schrift oftmals das heftige Verlangen eines Menschen, und das Wort Nacht zeigt, in der Heiligen Schrift öfters große Anfechtung, Schrecken und schwere Gedanken an; es deutet somit David in der Person Christi durch die nächtlichen Züchtigungen der Nieren auf die große Angst, auf die vielen Schmerzen, die Christus in seiner Passion empfunden, und zu denen das Fleisch keine Lust gehabt. Er ist aber unter dem großen Leiden nicht versunken, er hatte Gott allezeit vor Augen; es war sein einziger Trost, seine kindliche Zuversicht, dass Gott immer zu seiner Rechten, d. h. dass er sein Helfer und Erretter sein, und er wohl bleiben werde, darum, sagt er, freue sich sein Herz und seine Zunge sei fröhlich; auch werde sein Fleisch höher liegen, denn er wisse gewiss, wenn er schon sterbe, so werde sein Leib doch nicht den Würmern zur Speise werden. Gott werde seine Seele nicht in der Hölle lassen, dahin er fahren müsse, um des Satans Reich zu vernichten, und werde nicht zugeben, dass er im Grabe verwese, er werde vielmehr wieder auferstehen, Gott werde ihm kund tun den rechten Weg aus dem Tode zum Leben, und ihn setzen zur Rechten seiner Majestät, da Freude die Fülle ist und liebliches Wesen ewig!
Wir sehen hieraus, wie schwer und groß das Leiden unsers Herrn Jesu Christi war. Sein Fleisch schauderte zurück vor Übernahme desselben, sein Mund betete im Hinblick auf das Leiden und Sterben: Bewahre mich, Gott! Für wen aber litt und starb er? Jesaias antwortet; Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere Schmerzen; er ist um unserer Missetat willen verwundet, und um unserer Sünde willen zerschlagen; die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. - Als Zweck des Leidens und Sterbens Christi finden wir in der heil. Schrift alten und neuen Testaments die Erlösung der Menschen genannt. Wir lesen: Gott preist seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. Wir sind Gott versöhnt durch den Tod seines Sohnes. Christus ist um unserer Sünden willen dahingegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt. Gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, also auch durch Eines Menschen Gehorsam werden viele Gerechte. Wie die Sünde geherrscht hat zum Tode, also herrscht auch die Gnade durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben durch Jesum Christum. Christus ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Zürnt mir nicht, liebe Christen, dass ich solche Sprüche bei dieser Gelegenheit häufe. Es geht mir, wie einem durstigen Wandersmann, der eine frische und liebliche Quelle findet, und tut einen Trunk nach dem andern, bis er seinen Durst löscht; ich muss einen Spruch um den andern anführen, weil sie alle aus der Quelle der ewigen Liebe kommen, und die Kraft des Leidens und Sterbens Christi mit sich führen.
Wie die Heilige Schrift aber lehrt, dass wir das Leiden Christi uns zueignen dürfen, so lehrt sie auch, dass wir an der Auferstehung und Himmelfahrt, wie an dem Sitzen zur Rechten Gottes Teil haben; Gott, sagt sie, Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit durch seine große Liebe, damit er uns geliebt hat, da wir tot waren in Sünden, hat uns samt Christo lebendig gemacht, und hat uns samt ihm auferweckt und uns samt ihm in das himmlische Wesen versetzt in Christo Jesu. Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht, wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns. Christus ist in den Himmel eingegangen, vor dem Angesichte Gottes zu erscheinen für uns. Aus dem Allen ist offenbar, dass auch uns das Los gefallen ist aufs Lieblichste, dass uns in Christo ein schönes Erbteil geworden; er ruft Allen: Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken; wem da dürstet, der komme zu mir und trinke; ich bin das Brot des Lebens, wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, der wird nimmermehr dürsten!
Die Heilige Schrift, liebe Christen, tut uns kund den Weg zum Leben, indem sie uns hinweist auf Jesum Christum, der da sagt, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Lasst uns denn Jesum Christum im Glauben ergreifen und fest an ihn halten im Leben, Leiden und Sterben. Lasst uns lernen stolz werden wider Sünde, Tod und Hölle, und auf den trotzen, den wir nicht nur in den heiligen Schriften und in frommen christlichen Büchern, sondern in den Armen, ja im Herzen haben, und der uns wie seine Seele liebt; lasst uns getrost auf Gottes Gericht berufen, und unter Christi Schutz ein gutes Urteil von dem zwar gerechten und heiligen, aber in Christo versöhnten und barmherzigen Richter erwarten! Wie kann die Sache verloren werden, welche ein solcher Sachwalter bedient? Wie kann eine Seele verdammt werden, die in Christo Jesu ist?!
Amen.