David erinnert in diesem Psalm an die Wahrheit, dass eine heilige christliche Kirche ist, welche aus allerlei Menschen besteht und mit dem Blute Christi durch den heiligen Geist in Wort und Sakrament geheiligt ist; er nennt sie eine Hütte Gottes und einen heiligen Berg, dahin viele laufen, Gute und Böse, Fromme und Gottlose, Rechtschaffene und Heuchler, und stellt nun die Frage auf:
Herr, wer wird wohnen in deiner Hütte, wer wird bleiben auf deinem heiligen Berge? Das ist: Wer ist ein wahres lebendiges Glied der Kirche?
Der Heilige Geist gibt dem Könige David und durch denselben uns Antwort auf diese Frage, indem einige Tugenden genannt werden, welche an dem rechten Christen notwendig gefunden werden müssen. Wir lernen hier, ein rechter Christ ist, wer ohne Wandel einhergeht und recht tut; oder wer unschuldig und von Sünden unbefleckt ist. Wer aber kann denn sagen: Ich bin rein in meinem Herzen? Johannes sagt: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns; demnach möchte Niemand ein rechtes Glied der Kirche sein. Allein derselbe Johannes versichert uns, das Blut Jesu Christi mache uns rein von allen Sünden, darum wird nur dessen Wandel rein und gottwohlgefällig sein, der Jesum Christum im Glauben ergreift. Wo Jesus Christus durch den Glauben im Herzen wohnt, da hat er sein Reich, da herrscht und lebt er; wen er gerecht macht, den macht er auch heilig, und erweckt in ihm ein eifriges Verlangen und einen herzlichen Eifer, Gott und Menschen zu dienen. Das Herz eines wiedergebornen Christen ist wie eine lebendige Quelle, die immer fließt und wässert; - wie eine Blume, die immer lieblich duftet; wie ein Feuer, das immer lodert und flammt. Wie in dem menschlichen Körper, so lange die Seele in demselben wohnt, Alles in steter Wirkung ist, wie da das Herz immer arbeitet, die Pulse immer schlagen, das Blut immer auf und niedersteigt, so ist es auch bei einem rechten Christen, die Gnade Gottes, die Liebe Christi, die Kraft des Heiligen Geistes, die in ihm ist, ist nicht müßig, sondern dringt und treibt ihn zu verleugnen alles ungöttliche Wesen und alle weltlichen Lüste, und das Gesetz Gottes nach allen Kräften zu erfüllen. Wer nicht recht tut und gottlos lebt, der mag wohl den Namen eines Christen tragen, aber es ist so wenig ein rechtes Glied der Kirche, als der Satan ein Apostel des Herrn ist! Wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott!
Nachdem David im Allgemeinen gesagt hat, was man an einem rechten Gliede der Kirche finden muss, geht er auf einzelne Tugenden über, welche bei dem rechten Christen nicht fehlen dürfen; er antwortet auf die Frage: Wer wird wohnen in deiner Hütte?
Wer die Wahrheit redet vom Herzen! Gott ist aller Lüge Feind, und er will auch von uns, dass wir die Wahrheit reden, ein jeglicher mit seinem Bruder. Christus sagt: ich bin der Weg und die Wahrheit, können diejenigen da seine rechten Jünger sein, welche nicht bei dem bleiben, was wahr ist? Nimmermehr! Ach, dass man es sagen muss, es gibt so viele in der christlichen Kirche, welche mit dem Gottlosen beim Jesaias sprechen müssen: Wir haben die Lüge zu unserer Zuflucht, und die Heuchelei zu unserm Schirm gemacht; in unsern Tagen sind viele nicht wie die Sonnenuhren, die sich durchaus nach dem himmlischen Lichte richten, sondern wie falsche Uhren, die anders weisen und anders schlagen. Ihr lieben christlichen Seelen! O lasst es nicht genug sein, dass ihr solche betrübte Klage hört, sondern seid desto eifriger, eure Zunge zu bewahren, dass sie nicht lüge, und euern Mund, dass er nicht falsch rede, und vergesset nicht, nur der wird wohnen in der Hütte Gottes, nur der ist ein wahrer Christ, der die Wahrheit redet von Herzen.
Ein rechtes Glied der Kirche ist ferner, wer mit seiner Zunge nicht verleumdet, und seinem Nächsten kein Arges tut, und seinen Nächsten nicht schmäht.
Eine gläubige Seele ist der Verleumdung und dem Afterreden feind, und wird sich nie dazu gebrauchen lassen; - sie deckt vielmehr, so viel mit gutem Gewissen geschehen kann, des Nächsten Schande zu, und deutet Alles zum Besten. Sie weiß, wie ernstlich Gott gegen dieses Laster redet, wie er spricht: Dein Maul lässt du Böses reden und deine Zunge treibt Falschheit; du sitzt und redest wider deinen Bruder, deiner Mutter Sohn verleumdest du; das tust du, und ich schweige; da meinst du, ich werde sein, gleichwie du; aber ich will dich strafen, und will dirs unter Augen stellen, weil sie das weiß, darum meidet sie es mit höchstem Fleiß.
Ein rechtes Glied der Kirche ist ferner: Wer die Gottlosen nichts achtet, sondern ehrt die Gottesfürchtigen. Es ist der Welt Brauch, dass man den Reichen und Vornehmen, den Angesehenen und Gewaltigen huldigt, wenn sie gleich in Sünden und Lastern leben; das ist aber bei dem rechten Christen nicht also! Er schmeichelt und heuchelt keinem; er stärkt nicht die Gottlosen in ihrem Mutwillen; er gesellt sich nicht zu solchen, die da wandeln im Rate der Gottlosen, sondern zieht sich von denen zurück, die Gott hassen; er hält sich zu den Gottesfürchtigen und braucht ihren Rat, wenn gleich die Welt sie verachtet und verfolgt.
Ein rechter Christ ist ferner: Wer seinem Nächsten schwört und hält es. Der Christ darf allerdings in Sachen, die wichtig sind, und Gottes Ehre oder des Nächsten Bestes betreffen, schwören oder einen Eid vor der Obrigkeit ablegen; ja wenn er schwört, er wolle der Obrigkeit treu und gehorsam sein, seinen Dienst treu und fleißig versehen, die Wahrheit als Zeuge ohne Hinterhalt sagen, und dergleichen mehr, so ist dies sogar ein Gottesdienst, indem er Gott zum Zeugen der Wahrheit anruft, und ihm die Ehre gibt, dass er der höchste Richter, und der gerechte Rächer alles Bösen sei. Was der Christ aber schwört, mit dem ist es ihm auch ein Ernst, und er leidet lieber Schaden, als dass er durch falschen Eid sich an Gott, an seinem Nebenmenschen und an seiner Seele versündigt.
Ein rechter Christ ist endlich: Wer sein Geld nicht auf Wucher leiht, und nimmt nicht Geschenke über den Unschuldigen. Rechte Christen beschweren ihr Gewissen nicht mit unrecht und übel erworbenem Gute. Sie wissen, dass unrecht Gut mit Recht verglichen wird mit goldenen und silbernen Fesseln und Banden, in denen die Seele gefangen gehalten und vor dem Richterstuhl Gottes geführt wird, wo sie dann diese Fesseln mit Ketten der Finsternis und mit Banden der Hölle verwechseln muss. Der übel erworbene Reichtum ist ein Vorgänger der ewigen Armut. Der reiche Mann hatte von seinem Überfluss einem Armen nichts mitgeteilt, und geriet deshalb in die höllischen Flammen; was wird da wohl denen widerfahren, welche ihr Geld auf Wucher gelegt, Geschenke von den Unschuldigen genommen, den Armen das Ihre geraubt, und Witwen und Waisen betrogen haben? Das übel zusammengebrachte Vermögen ist ein vergifteter Zucker, an dem die verblendete Seele des ewigen Todes stirbt! Aus dem Manna, wenn es zur unrechten Zeit gesammelt und wider des Herrn Verbot aufbehalten wurde, wuchsen Würmer, - und aus dem unrechtmäßigen Reichtum kommt der Wurm, der nimmermehr stirbt. Der rechte Christ aber hat keinen andern Wunsch, als den Frieden Gottes in seinem Herzen zu haben und einst selig zu sterben, darum hängt er sein Herz nicht an den ungerechten Mammon, er leiht sein Geld nicht auf Wucher und nimmt nicht Geschenke über den Unschuldigen.
Prüft euch nun, liebe Christen, und nehmt es wohl zu Herzen; wer das tut wer so seinen Glauben durch ein frommes und heiliges Leben beweist, und besonders den im Psalm genannten Tugenden nachjagt, - der wird wohl bleiben, und Gott wird ihn nicht nur hier in der Zeit als ein rechtes Glied der christlichen Kirche betrachten, sondern auch einst in die ewige Hütte - in das Vaterhaus aufnehmen, da viele Wohnungen sind. Dazu helfe Gott uns Allen!
Amen.