Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Große und kleine Talente.

„Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über vieles setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude.“

Whitefield, der Mann, der einst vor Zwanzigtausend stand, um das Evangelium zu predigen, der in England, Schottland, Irland und Amerika das Evangelium verkündigt hat, und dessen Erfolg nach jeder Predigt in Tausenden von Bekehrten bestand, hier kommt er, der Mann, der Verfolgung und Zorn erduldet hat und der dennoch nicht wankte! der Mann, dessen die Welt nicht würdig war, der für seine Mitmenschen lebte und schließlich um ihretwillen starb: Steht still, Engel, und staunt, während der Meister ihn bei der Hand nimmt und sagt: „Gut so, mein frommer und getreuer Knecht, gehe ein zu deines Herrn Freude.“ Siehe, wie die freie Gnade den Mann ehrt, den sie befähigte, tapfer zu sein!

Horch, wer folgt da weiter? Ein armes, schmächtig aussehendes Geschöpf, das auf der Erde schwindsüchtig war; dann und wann brannte eine hektische Röte auf ihren Wangen und sie lag drei lange Jahre auf ihrem Krankenbett. War sie eines Fürsten Tochter, denn der Himmel scheint sich ihrethalben zu bewegen? Nein, sie war ein armes Mädchen, die ihr tägliches Brot mit ihrer Nadel verdiente, und sie arbeitete sich zu Tode! Stich, stich, stich vom frühen Morgen bis zum späten Abend, und hier kommt sie! Sie ging zu früh ins Grab, aber hier tritt sie wie eine völlig reife Garbe in den Himmel ein, und ihr Herr und Meister sagt: „Ei, du fromme und getreue Magd, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über vieles setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude.“

Sie nimmt ihren Platz neben Whitefield ein. Du fragst, was sie getan hat, und du wirst finden, dass sie in einem kleinen Hinterzimmer in irgend einer dunklen Straße Londons lebte, wo ihr ein andres junges Mädchen beim Nähen zu helfen pflegte. Und als das junge Mädchen zuerst zu ihr kam, war sie ein heiteres und oberflächliches Geschöpf, dem dieses schwindsüchtige Kind von Jesus erzählte. Wenn dasselbe wohl genug war, so pflegten die beiden sich abends hinauszuschleichen, um eine Kapelle oder Kirche zu besuchen. Doch bald vermochte die Kranke dieses nicht mehr, und es war ihr hart, die andre allein gehen zu lassen, und als sie merkte, dass dieselbe alsbald wieder leichtfertige Dinge zu lieben begann, gab sie dieselbe dennoch nicht auf. Sie pflegte zu sagen: „O, Johanne, ich wollte, du hättest den Heiland lieb,“ und wenn Johanne nicht da war, so pflegte sie für diese zu beten, wie sie auch oft mit ihr zusammen den Herrn anflehte. Dann und wann las sie ihr ein Kapitel aus der Bibel vor, denn die arme Johanne konnte nicht lesen, und mit vielen Tränen suchte sie ihr von dem Heiland zu erzählen, der sie geliebt und sich selbst für sie hingegeben hatte. Schließlich, nach manchem Tage schwerer Kämpfe und mancher Stunde trauriger Enttäuschung und mancher schlaflosen, tränenreichen Nacht, die im Gebet zugebracht war, erlebte sie es doch, wie das Mädchen ihre Liebe für Christus bekannte; darauf wurde sie kränker, so dass sie in das Hospital aufgenommen werden musste, wo sie starb. Vorher hatte sie immer einige Traktate gehabt, die sie denjenigen gab, die sie besuchten. Wenn sie konnte, sammelte sie die Frauen um sich und schenkte ihnen eine Schrift. Auch setzte sie sich, wenn sie eben aufstehen konnte, an das Bett einer Sterbenden, so die Wärterin es ihr zuließ, bis sie schließlich zu allem zu schwach wurde. Nun bat sie eine arme Frau, die in der Besserung war, das Vorlesen statt ihrer zu übernehmen. Nicht, dass sie es für sich so nötig hielt, aber sie wünschte es um der Frau willen, denn sie dachte, dass das Lesen deren Herz bewegen würde. So schlief dieses arme Mädchen in Jesu ein, und die arme, schwindsüchtige Nähfrau hatte noch zu ihr gesprochen: „Du hast mich errettet!“ Da passte das Wort: „Sie hat getan, was Sie konnte.“

Des Meisters Lob und die letzte Belohnung wird für alle Menschen, die ihre Talente gut gebraucht haben, gleich sein. Ach, wenn es in der Ewigkeit Abstufungen gibt, so werden sie nicht nach unsren Talenten verteilt werden, sondern nach unserer Treue im Gebrauch derselben. Ob es dort Abstufungen gibt, weiß ich nicht; aber das weiß ich, wer seines Herrn Willen tut, wird dermaleinst das Wort vernehmen: „Komm, du frommer und getreuer Knecht!“