Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Habt Mut!

oder: Der König und der Bischof

Der Mensch hat von jeher gegen den Menschen gekämpft. Der Mensch ist der Wolf des Menschengeschlechtes. Weder die Elemente in all ihrer Wut, noch die wilden Bestien in ihrer grausamen Raubgier sind dem Menschen je solch schreckliche Feinde gewesen, wie der Mensch es gegen seinen Bruder ist. Wenn ihr die Geschichte von den blutigen Verfolgungen zur Zeit der Maria lest, so werdet ihr erschrecken, dass die Geschöpfe, welche die Gestalt von Menschen hatten, jemals so blutdürstig sein konnten. Nennt ihr diese Leute Katholiken, welche die Protestanten auf solche Weise verfolgt haben? Nennt ihr die Katholiken? Nennt sie lieber Kannibalen, denn sie haben mehr wie Wilde als wie Christen gehandelt in ihrer blutigen Verfolgung der Heiligen Gottes. In unsrem Zeitalter fühlen wir die Grausamkeit des Menschen allerdings nicht mehr in jenem Übermaß wie damals, aber es ist nur darum nicht der Fall, weil das Gesetz des Landes es nicht mehr zulässt. Viele, die nicht mit der Hand töten dürfen, sind sehr geschäftig, mit ihrer Zunge zu verletzen, und dabei stellen sie nicht etwa nur unsre Irrtümer bloß, wozu man ihnen ein gewisses Recht ja nicht absprechen kann, sondern in vielen Fällen werden die Kinder Gottes auch verleumdet, geschmäht, gescholten, um der Wahrheit willen lächerlich gemacht, und wir kennen manche Beispiele, wo noch zu andren Mitteln gegriffen wurde, um die Diener Gottes aus ihrer Festung herauszutreiben und von der einfältigen Nachfolge ihres Herrn abzubringen. Wie recht hatte unser Herr Jesus doch, als Er sagte: „Hütet euch vor den Menschen.“ „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Erwartet nicht, dass die Leute Freunde eurer Frömmigkeit wären, wenn anders sie es aber sind, so zweifle ich an der Echtheit einer Frömmigkeit, deren Freunde gottlose Leute sind. Du musst erwarten, zuweilen angefeuert und dann entmutigt zu werden, zuweilen geschmeichelt und dann bedroht zu werden. Du musst erwarten, einmal mit der geschmeidigen Zunge, die das gezogene Schwert verborgen hält, zusammen zu treffen und dann auch mit dem gezogenen Schwert selbst. Blicke um dich, und du wirst sehen, dass die Menschen gegen dich sind. Aber was sind sie denn? Angenommen, jeder Mensch auf der ganzen weiten Welt sei gegen dich und du müsstest allein wie Athanasius stehen, so könntest du ja gleich ihm sagen: „Ich, Athanasius, stehe gegen die ganze Welt; ich weiß, dass die Wahrheit auf meiner Seite ist, und deshalb stehe ich gegen die ganze Welt.“ Was nützte die Bosheit der Welt gegen Martin Luther? Sie gedachte ihn zu verbrennen, und trotzdem starb er in seinem Bett. Sie gedachte seine Tätigkeit zu hemmen, aber seine kleinen Schriften verbreiteten sich, und Luthers Worte schienen auf Engelsflügeln getragen zu werden, bis der Papst plötzlich einen Feind empor kommen sah, wo er den guten Samen schon ganz erstickt glaubte. Ich glaube nicht, dass es von großem Vorteil ist, wenn ich hier Zahlen vorführe. Ich frage, ob die Wahrheit nicht im allgemeinen die Minderzahl auf ihrer Seite hat, und ob es nicht ebenso ehrenhaft ist, Gott mit zweien oder dreien als mit zwei oder drei Millionen zu dienen; denn, wenn Zahlen eine Sache in Ordnung brächten, so würde der Götzendienst die richtige Religion sein, und wenn in den überseeischen Ländern Zahlen die Sache recht machten, ei, so würden derer, die Gott fürchten, wenige sein, und Götzendienst und Romanismus würden das Richtige bleiben. Urteile niemals nach Zahlen, sage dir, dass sie doch nichts weiter bedeuten, als nur Personen. Wenn diese Personen dann gute Leute sind, so fechte auf ihrer Seite, aber wenn sie von der Wahrheit abfallen, so falle auch du von ihnen ab. Sei ein Freund der Wahrheit. Vergleiche alles mit dem Gesetz und dem Zeugnis, und wenn es nicht in Übereinstimmung damit steht, so ist kein Licht darin.

Es war groß von Latimer, als er vor Heinrich VIII. predigte. Er hatte Sr. Majestät durch seine Kühnheit in einer vor dem König gehaltenen Predigt sehr missfallen und er war angewiesen worden, den folgenden Sonntag wieder zu predigen und die Beleidigung, die er ausgesprochen hatte, zu widerrufen. Nachdem der Bischof nun seinen Text verlesen hatte, fing er folgendermaßen seine Predigt an: „Hugh Latimer, weißt du auch, vor wem du heute zu sprechen hast? Vor dem hohen und mächtigen Monarchen, vor des Königs erhabener Majestät, der dein Leben hinweg nehmen kann, wenn du ihn beleidigt hast; deshalb nimm dich in acht, dass du kein Wort sprichst, das ihm missfällt. Aber dann bedenke ferner, Hugh, von wem du kommst, auf wessen Befehl du gesandt bist. Sogar auf den Befehl des großen, mächtigen Gottes, der allgegenwärtig ist und der alle deine Wege sieht und der deine Seele in die Hölle werfen kann! Deshalb hüte dich, dass du deine Botschaft treu ausrichtest.“ Dann fuhr er in derselben Predigt, die er am vorhergehenden Sonntag begonnen hatte, weiter fort, aber nur mit bedeutend mehr Energie. Diesen Mut sollten alle Kinder Gottes zeigen, wenn sie mit der Welt zu tun haben. Du selbst bist ja nur ein Wurm; aber wenn Gott seine Wahrheit in dich gibt, so spiele nicht den Feigling, noch stottere seine Botschaft heraus, sondern stehe männlich für Gott und seine Wahrheit ein. Viele Leute machen großes Geschrei um die schöne Bescheidenheit. Bescheidenheit steht wohl an, aber ein Gesandter Gottes muss sich erinnern, dass es noch andre Tugenden außer der Bescheidenheit gibt. Wenn Ihre Majestät einen Gesandten in ein Land schickte, mit dem wir Krieg führen, und der kleine Mann würde in die Konferenz kommen und sagen: „Ich hoffe demütig, dass Sie mein Hiersein entschuldigen werden; ich wünsche in allen Dingen Ihrer Hoheit und Lordschaft gefällig zu sein; ich fühle, ich bin ein junger Mann und Sie sind viel älter als ich und deshalb unterwerfe ich mein Urteil freudig Ihrer höheren Weisheit und Erfahrung“ usw. Nun, ich bin sicher, Ihre Majestät würde ihn zurück rufen und ihn in einen langen Ruhestand versetzen. Welch ein Recht hat er, sich unterzuordnen, wenn er der Gesandte der Königin ist! Er muss sich erinnern, dass er mit der Würde derjenigen Macht bekleidet ist, die ihn ausgesandt hat. Ebenso ist Gottes Diener; er rechnet es sich zu einer großen Schande, vor irgend jemand zu erbeben. Er nimmt als Motto den Wahlspruch: Cedo nulli, (ich weiche keinem), und indem er Gottes Wahrheit und Liebe und Ehrbarkeit predigt, hofft er, eines Tages seinem Herrn Rechenschaft ablegen zu können. Denn nur seinem Herrn steht oder fällt er.