Spurgeon, Charles Haddon - Worte der Weisheit für das tägliche Leben - Wie die Welt gibt

oder: Der Dichter Burns

In sehr erbärmlicher Weise gibt die Welt, so dass selbst die besten Freunde der Welt nur allzu oft Veranlassung gehabt haben, sich über ihre schlechte Behandlung zu beklagen. Wenn ihr die Biographien berühmter Männer lest, die die Welt noch so sehr ehrt, so werdet ihr bei diesem Lesen doch bald überzeugt werden, dass die Welt in den meisten Fällen eine sehr undankbare Freundin ist. Und ob ihr euer ganzes Leben daran setzt, um der Welt zu dienen und sie zu beglücken, so braucht ihr doch nicht zu denken, dass sie euch einen Dank dafür wiedergeben möchte. Robert Burns ist ein rechtes Beispiel dafür, in welcher Weise die Welt dankt. Er war der Dichter der Welt. Er besang die schäumenden Becher und Bierkrüge; er besang die Liebe der Frauen und die Freuden der Lust, und da bewunderte ihn die Welt. Aber was tat sie für ihn? Musste er doch sein ganzes Leben in Armut verbringen, und als die Zeit kam, wo sein Ruhm aufs höchste erhoben werden sollte (wiewohl der Ruhm einem begrabenen Mann nichts mehr nützen kann), als es an Begräbnis und Sammlung für Hinterbliebene ging, was tat da die Welt für ihren Sänger? Sie ehrte ihn mit Trinkgelagen, bei denen sie ihren Branntwein selber trank, und das war das Geschenk, das sie ihm machte.

Die schottischen Trinker ehrten ihre eigne Trunksucht, aber für ihren Dichter hatten sie nichts. Ohne Zweifel sind viele redliche Männer unter Burns' Anhängern, die die Sünder ebenso viel beklagen, als sie den Genius bewundern, aber den meisten von ihnen liegt gar nichts daran, was er für Fehler hatte, und seine Sünden mindern nicht im geringsten ihre Hochachtung vor dem Talentvollen. Doch sollten diese Trinkfreunde nun zugunsten des Mannes, den sie so hoch stellen, eine einzige Woche ihren Branntwein opfern, so glaube ich nicht, dass sich ein einziges Dutzend Anhänger dazu bereit finden lassen würde; ja, nicht einmal ein halbes Duzend. Ihre Verehrung gab ihnen nur Gelegenheit, in Trinkgelagen sich selber zu genügen, und als ich sein Denkmal betrachtete, schienen mir die spärlichen, vertrockneten Blumen am Fuße desselben ein rechtes Bild von solcher Weltfreundschaft zu sein. Armer Burns, wie hast du dein Leben und deine schönen Talente, deine kunstvollen Verse doch für solch erbärmlichen Kranz dahin geben können! Im besten Falle bezahlt die Welt gar nicht, und wenn sie am schlechtesten bezahlt, so lohnt sie ihren Schmeichlern mit Hohn, gibt ihnen Armut und Vernachlässigung. Wie manchen Staatsmann könnte ich nennen, der seine Kräfte im Dienste der Welt verbrauchte, die zuerst stets rief: „Geh' nur vorwärts! Geh' nur vorwärts!“ und die ihm zuklatschte, wo er sich sehen ließ. Der Mann tat alles, was er konnte, bis er eines Tages einen Missgriff beging, einen kleinen Missgriff, der später in den Blättern der Geschichte vielleicht gar nicht einmal als Missgriff angesehen werden kann; da heißt es sofort: „Hinweg mit ihm! Wir wollen nichts mehr mit ihm zu schaffen haben!“ Alles, was er vorher getan hat, gilt nichts mehr; ein Fehler, ein einziger Irrtum in seiner politischen Tätigkeit macht alles Gute vergessen. „Nieder mit ihm! Werft ihn hinaus, er soll uns nicht wieder kommen!“ Ach, die Welt zahlt wirklich in schäbiger Weise, und wir wollen einmal sehen, wie sie diejenigen belohnt, die sie am allermeisten liebt. Ist alles geschehen, was geschehen konnte, so gibt man dem angebeteten Mann zuletzt noch einen Titel und errichtet ihm einen großen Stein, der allen Stürmen und allen Wettern ausgesetzt ist. Da kommen denn die törichten Menschen, um solche Steine anzuschauen, mit denen die Großen der Welt ausgezahlt erhalten, und man kann mit Wahrheit sagen, dass solche Zahlung von Herzen kommt, denn das Herz der Welt ist ja von Stein. Jawohl, die Bezahlung der Welt ist eine jämmerliche, aber ich frage euch hierbei, ob ihr schon jemals gehört habt, dass Christen sich beklagten, weil ihr Herr und Meister sie zu schlecht belohne? Da wird es heißen: „Nein, wenn ich Jesu diene, so ist meine Arbeit mein Lohn. Christus selbst ist die Belohnung, Er gibt mir Freude auf Erden und danach alle Fülle des Segens, ja, Christus ist ein guter Lohnherr.“ Vielleicht mag derjenige, der sich in Jesu Dienst stellt, oft nicht viel Gold und Silber erlangen, das die Welt so hoch schätzt, aber eins ist gewiss, er wird das Gold und das Silber bekommen, das auch in dem heißesten und in dem letzten Läuterungsfeuer bestehen bleibt, und das zu den herrlichen Dingen gehört, die wir in der Ewigkeit werden erglänzen sehen. Die Welt lohnt karg und schäbig, doch Jesus macht es nicht so; willst du der Welt dienen, um Gaben von ihr zu erlangen, so wird sie dir in halbherziger Weise begegnen, und wenn ich immer wieder von der Welt rede, so meine ich damit gerade ihren religiösen Teil, und dann verstehe ich auch die ganze Welt darunter, ob sie sich nun religiös, politisch, gut oder schlecht nennt. Das ist ganz gleichgültig; ich meine nämlich den ganzen, großen Haufen. Was wird denn ein Mensch erreichen, wenn er sich auch ganz für seine Nebenmenschen aufopfert? Man wird ihn loben, und einige werden ihn auch tadeln, wie denn diejenigen Leute, die gar keinen Tadel bekommen, nur zu den Nichtstuern gehören. Wer am eifrigsten und nützlichsten ist, der darf auch erwarten, dass man ihm am meisten widerstehen wird, und dass man ihn am meisten hasst. Die Persönlichkeiten, die sich auf den Wogen des allgemeinen Beifalles heranbilden, besitzen keinen wirklichen Wert. Die ganze Reihe der Namen, die den Beinamen „Wohltäter der Welt“ verdienen, steht unter der einen Bezeichnung: „Die Armee der Märtyrer.“

Ich wiederhole die Behauptung noch einmal, dass die Welt, auch wenn sie überhaupt belohnt, doch immer nur halbherzig oder geteilt lohnt, oder hörtet ihr vielleicht jemals von einem Menschen, den die Welt mit ungeteilter Meinung beurteilt hätte? Mir ist ein solches Beispiel noch nicht vorgekommen; doch höre ich dort jemand sagen: „O, der Herr so und so ist aber doch einer der besten seiner Zeit!“ Jawohl, geh' nur in der Straße ein wenig weiter und sprich diesen Ruhm aus, so wirst du bald von irgend einem vernehmen, dein Verehrter sei ein filziger Peter. Gehe weiter und du wirst den Genius eines Mannes mit großartigen Worten rühmen hören, worauf dann wieder die nächste Stimme ruft: „Er ist ein dummer Schwätzer!“ „Dies ist eine treffliche Zeitung,“ heißt es einmal, „in ihren Spalten werden die Rechte des Volkes in schlagender Weise verteidigt,“ und sofort erklingt von der andren Seite das Urteil: „Es ist nur ein Demokratenblatt, das alles niederreißt, was Ordnung und gute Einrichtung heißt.“ Die Welt wurde sich niemals einig, wenn es sich darum handelte, für einen Menschen einzutreten, denn ihr Herz bleibt immer geteilt, auch in Bezug auf ihre größten Lieblinge. Allein, wenn Christus für die Seinigen eintritt, so tut Er es mit ganzem Herzen. Er spricht nicht: „Ich gebe es dir, wiewohl ich es halb zurückhalten möchte;“ nein, Jesus schenkt sein Herz, Er gibt sich hin für sein ganzes Volk, und Doppelsinnigkeit besteht bei Ihm nicht. Wenn wir durch seine freie Gnade befähigt werden, in seinen Dienst zu treten und Ihn zu lieben, so können wir ganz gewiss sein, dass uns bei Ihm kein einziger Segen fehlen wird; wenn Er seine Hand ausstreckt, um die bedürftige Seele mit der ihr nötigen Gabe zu beschenken, so zieht Er mit der andren Hand das Geschenk nicht wieder zurück. Nein, Er teilt vielmehr mit beiden Händen aus, und Er bittet den Sünder sogar, seine Gabe anzunehmen.

Wenn die Welt ihre Geschenke austeilt, so gibt sie dieselben meistens den Personen, die sie gar nicht bedürfen, und ich erinnere mich gerade eines Falles, da ich als Jüngling einen Hund besaß, den ich sehr liebte. Mehrere Leute in der Straße baten mich, ihnen diesen trefflichen Hund zu überlassen, was ich sehr unbescheiden fand und daher zurück wies. Ich erzählte diesen Vorfall einem Edelmanne, und nachdem er meine Mitteilung nachdenklich angehört hatte, sprach er ruhig: „Bitte, stelle dir einmal vor: der Herzog von so und so, der große Mann in unserer Nachbarschaft, würde dich um den Hund bitten, würdest du ihm denselben schenken?“ „Ei“, entgegnete ich, ich glaube doch, dass ich es tun würde.“ „So bist du gar nicht anders als alle Welt,“ klang die Antwort. Du würdest also demjenigen etwas schenken, der es gar nicht bedarf. „Wer würde sich denn weigern, der Königin etwas zu schenken? und doch gibt es vielleicht in der ganzen Welt keine einzige Person, die unserer Geschenke so wenig bedarf als sie.“ Wir Menschen wollen mit unsren Gaben uns gern ein wenig erhöhen, und darum erscheint es uns anziehend, wenn der Empfänger irgend einen hohen Namen trägt, während Jesus seinen Freunden ohne Gegenforderung die freie Gabe bietet. Was können denn auch solch arme Wesen, wie wir, dem Heiland wieder geben? Große Leute sind schon oft zu Ihm gegangen, weil sie es bloß für ihr Geschäft hielten, dies zu tun; sie baten Ihn, Er möge sie doch mit gutem Segen bedenken, allein sie erklärten dabei, dass sie aus sich selbst heraus eine Gerechtigkeit besäßen, die ausreichend wäre, und so brauchten sie von Ihm, dem Sünderheiland, sonst nichts Besonderes zu erbitten. Da hat der Herr sie denn in ihren Beruf zurück geschickt und hat ihnen nichts geschenkt, denn Jesus ist nicht für die Gerechten gekommen, sondern Er ist gekommen, um die Sünder zur Buße zu rufen. Wo aber jemals arme Sünder sich zu Ihm nahten, da hat Er sie noch immer alle angenommen und keinen hinausgestoßen. Er nennt uns nicht unbescheiden, wenn wir bittend und verlangend zu Ihm kommen, sondern Er liebt es, wenn wir viel von Ihm erwarten. Er gibt nicht wie die Welt gibt, denn Er beschenkt diejenigen, die arm und bedürftig sind. Wir können die Sache aber noch von einer andren Seite betrachten, und da kommen wir zu dem Punkt, dass die Welt ihre Gaben ihren Freunden gibt. Jeder Mensch wird doch seinen Freunden behilflich sein, und wenn wir unsren Verwandten und Freunden die hilfreiche Hand ganz versagen wollten, so wären wir ja ärger als die Heiden. So zeigt sich auch die Welt mit ihren guten Wünschen und ihren Segnungen nur denjenigen dienstwillig, die zu ihrer Klasse, zu ihrer Bekanntschaft und zu ihren Kreisen gehören. Feinden vermag sie nichts Gutes zu tun, aber Christus gibt seine Wohltaten auch seinen Feinden, und Er fragt nicht: „Verdienst du es? oder ist deine Sache eine gute Sache?“ Immer wird Er wieder angerufen, immer wieder angefleht von solchen, deren Schaden verzweifelt böse ist, und doch wird Er niemals müde im freien, gnadenvollen Hingeben.

Er kennt unsre Armut und Bedürftigkeit, und wenn Er erst das Verlangen nach seinen Gütern in uns entdeckt, so können alle unsre Sünden die Fülle seiner Segnungen nicht hemmen. Wenn Er sich dieser Sünden erinnern wollte, wenn Er nur an die bösen Worte denken wollte, die wir vielleicht gegen Ihn geredet haben, dann könnte Er uns sicher nicht segnen, allein, seine Wege sind höher als unsre Wege. Lieber Zuhörer, bedenke einmal, wie du seinen Namen vor kurzem vielleicht noch verachtetest, sein Volk schmähtest, seine Diener hasstest, wie dir die Bibel ein Märchenbuch war, und dann beherzige es um so mehr, wie Er heute alle deine Sünden hinter sich geworfen hat, und wie er dich liebt trotz alledem! Würde die Welt so handeln? Würde sie einem Manne vergeben, der sie schmähte? Würde sie denen vergeben, die sie beleidigten? Würde sie für ihre Feinde sterben? O nein, so etwas kam den Menschen niemals in den Sinn; aber Christus starb am Kreuze für seine Feinde und Er bat für die, die Ihn beleidigten und verfolgten, so dass seine Liebe auch sie überwand. Die Welt gibt allemal im Sinne einer gewissen Berechnung, und die meisten unter uns sind auch durch die Verhältnisse gezwungen, ökonomisch zu wirtschaften. Wird dem armen Mann darum ein Stück Brot dargereicht, so steht auch die Hoffnung im Hintergrunde, er möge nicht allzu bald wieder kommen, und wenn wir eine halbe Krone geben, so denken wir ihn damit ein für allemal los zu werden.

Es ist uns sehr unangenehm, wenn dasselbe Gesicht immer wieder erscheint und wir dieselbe Bitte immer wieder vernehmen müssen, oder habt ihr schon einmal von jemandem gehört, der dem Bettler die Gabe reichte, um ihn dadurch zum steten Wiederkommen aufzufordern? Ich muss gestehen, dass ich für meine Person noch niemals so gehandelt habe, und dass ich es auch kaum in Zukunft tun werde, aber Jesus handelt so. Wenn Er uns kleine Gnadengaben darreicht, so will Er uns damit reizen, immer mehr von Ihm zu fordern, und niemals wird Er müde im Gewähren. Er gibt uns Silber und Gold, und mit der goldenen Gnade will Er uns nur immer verlangender machen, damit wir den Mund weit öffnen. Ja, Er ist ein wunderbarer Geber, ein wunderbarer Freund, dem wir niemals zu viel kommen und dem wir niemals zu viel ab verlangen. Je mehr du Ihn kennst, je mehr wird dein Verlangen wachsen, noch näher mit Ihm bekannt zu werden. Dein Sehnen wird nicht gestillt, bis du die Fülle seiner Gnade besitzest, und bis du in seiner Herrlichkeit völlig mit Ihm vereint bist. „Ich gebe nicht wie die Welt gibt, sondern ich gebe mich euch selbst.“